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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.07.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-07-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191107300
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19110730
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19110730
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-07
- Tag 1911-07-30
-
Monat
1911-07
-
Jahr
1911
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Haupt-Filiale Dr»»d«a: Seestrage l (Telephon tü21> Nr. 20S. Sannwg, üen 20. Juli lSll. los. Jahrgang. Die vorliegende Aufgabe umfaßt 24 Leiten. Das Wichtigste. . * Der Reichskanzler und der Staats sekretär des Auswärtigen haben sich zürn Vortrag beim Kaiser nach Swinemünde begeben. * Die italienische Regierung sanktionierte den Be schluss des Staatsrates von Rom, wonach der Re l i - gionsunterricht für die Volksschulen aufgehoben wird. * Der amerikanische Spähkreuzer „Salem" hat Befehl erhalten, nach Port-au-Prince zu gehen. Es ist das fünfte amerikanische Kriegs schiff, das in die Gewässer von Haiti entsandt wird. lS. Ausl.) * Dem Parlament von Kanada ist der M a r i n e o e r t r a g unterbreitet worden, durch den die Stellung der K o l o n i a l f l o t t e n zu der britischen Reichsregierung geregelt wird. * Die portugiesische Nationalver sammlung hat einen Verfassungsparagraphen angenommen, der die Todesstrafe abschafft, auch die körperlichen Strafen sollen für immer auf - gehoben werden. * Bei einem Großfeuer in Arnstadt (Thü ringen) verbrannte der Bücherrevisor Rock tasche!: vierzehn Feuerwehrleute wurden, zum Teil schwer, verletzt. * Die Hitzedes gestrigen Tages hat wieder zahl reiche Opfer gefordert. (S. Tageschr. und Letzte Depeschen.) Sofislüeuwtrrsttlche Nuslsnüs-Plllstik. Während die deutschen und die französischen Diplomaten an der Arbeit sind, für das heillos verwickelt gewordene marokkanische Problem die erlösende Form zu finden, haben die Herren Proletarier aller Länder längst die Quadratur des Kreises entdeckt. Herr Pvetot aus Paris ist herübergekommen nach Berlin, um sein Re zept zu verkündigen und ein Beifallssturm der deutschen Genossen hat ihm gedankt. Leider hat die rückständige Berliner Polizei kein Verständ nis für den neuen Lehrsatz entwickelt. Sie hat den weisen Pythagoras einfach nach seiner Hei mat abgeschoben. Der griechische Mathematiker soll bekanntlich hundert Ochsen geschlachtet haben, um den Göttern für seine Entdeckung zu danken. Herr Poetot will nur Schafsköpfe bluten lassen: mit diesem geschmackvollen Titel belegte er nämlich die Regierungen, welche er der Kriegstreiberei bezichtigt. Wenigstens seine eigene. Denn uns dünkt, wenn er statt ausgewiesen zu werden, vor ein deutsches Gericht gestellt wäre und einen geschickten Verteidiger gefunden hätte, wäre er noch herauszureißen gewesen. Mochten die Worte verdächtig, hochverräterisch auch gegen das Deutsche Reich klingen: der Zu sammenhang seiner Rede macht es wahrschein licher, daß er hat sagen wollen: „Aengstigt euch nicht, ihr deutschen Genossen, vor den Kriegs gerüchten; wir französischen Proletarier werden unsere Regierung hindern, mit Deutschland Krieg anzufangen, indem wir die uns über gebenen Massen für eine Revolution im eigenen Lande gebrauchen werden." Hätten seine deut schen Zuhörer die Rede anders verstanden, so durften sie doch nicht Beifall rufen: sie hätten sich ja sonst mit zahlreichen Erklärungen von Bebel, Noske und anderen in Widerspruch ge setzt, die eine reichstreue Haltung der Sozial demokraten bei einem Angriffskrieg auf das Deutsche Reich versprochen haben. Die Strafwürdigkeit der Zustimmung zu hochver räterischen Hetzreden gegen Deutschland wollen wir gar nicht einmal entscheiden, auch nicht die Frage, wie sich Herr Pvetot mit den selbstver ständlich auch für Kosmopoliten noch verbind lichen Pflichten des Gastrechtes abfinden will, so lange doch eben das große Weltbürgerreich noch nicht erschienen ist. Bleiben wir also vorläufig bei der Auffassung, daß der gallische Redner auf deutschem Boden, im Kreise der deutschen Freigewerkschaftler, bloß einen kleinen französischen Hochverrat verübt und sich durch den außerfranzöfischen Tatort seines Verbrechens ein milderes Strafmaß oder gar, je nach dem französischen Rechte, Straffreiheit gesichert hat. Ja, rechnen wir mit der Möglich keit, daß die in Frankreich bedenklich einge rissene antimilitaristische Hetze tatsächlich den Parteigängern des Herrn Pvetot er gestattete, an einen Versuch ihrer gewaltsamen Friedens stiftung durch Gehorsams - Verweigeruug und Aufruhr zu denken. Wir möchten aber doch ihren deutschen Freunden dringend raten, auf den Erfolg solcher Versuche nicht zu fest zu bauen und die Abwendung der bestehenden Kriegsgefahr nicht gar zu ausschließlich und zu vertrauensvoll in die Hand ihrer französischen Genossen zu legen. Mit militärischer Meuterei der Gemeinen und Subalternen gegen die höheren Offiziere ist es überhaupt so ein eigenes Ding. Theodor Mommsen bemerkt einmal, daß das Kommando-Wort in einem technisch gut gedrillten, wenn auch aufrührerisch gesinnten Heere eine eigenartige Kraft habe, daß der zur Gehorsams-Verweigerung Entschlossene doch un willkürlich im Sattel zurecht rücke, wenn er den durch lange Gewöhnung mechanisch wirkenden Befehl empfange. Daß aber einer antimilitaristischen Bewegung der französischen Sozialdemokraten, soweit sie der Linie oder der Reserve des stehenden Heeres angehören, ein Organisator des Widerstandes aus den Reihen ihrer Vorgesetzten erstände, ist völlig ausgeschlossen. Die Manneszucht, die politische Zuverlässigkeit des französischen Offi zierkorps ist gewiß nicht über allen Zweifel erhaben. Aber was an verdächtigen Elementen in ihm enthalten ist, das ist der bürgerlichen Republik von heute nicht im Sinne des „zu künftigen" sozialen abhold, sondern steht durch Familienüberlieferung usw. noch immer im Banne der monarchischen Vergangenheit Frankreichs. Wie einflußreich diese Kreise trotz Herrn Andres großer Generalreinigung ge blieben sind, zeigt sich gerade in diesen Tagen, wo es ihnen beinahe gelang, den republikanisch gesinnten Oberstkommanvierenden Michel durch den Bonapartisten Pau zu ersehen. Und unsere deutschen Roten mögen nur ja nicht wähnen, daß die Mehrheit des franzö sischen Volkes hinter den Gewerkschafts brüdern stehe, die ihnen nach Berlin herüber geschickt waren. Alle Stimmen kommen darin überein, daß seit den großen Eisen bahner-, Winzer- usw. Ausständen eine tief greifende Erbitterung gegen die Syndikate sich über das Land ausgebreitet hat, die besonders unter dem schlaffen Kabi nette Monis sich auch auf den herrschenden Radikalismus erstreckt hat. Man hält es für möglich, daß selbst bei einem Fortbestände der alten Wahlordnung, trotz aller behördlichen Wahlmacherei, die Kammerwahlen ein anderes Resultat ergeben hätten, wären sie 1911 statt 1910 erfolgt. Ja, wir möchten unseren Zielbewußten nicht einmal raten, auf die Abwesenheit patriotischer Gesinnungen bei allen ihren französischen Freun den zu rechnen. Insbesondere Herr Jaurös hat, widerspruchsvoll und schwankend, wie er sich gibt, doch wiederholt französische Töne bei den Gedanken an die Möglichkeit neuer kriege rischer Verwiklungen gefunden. Mit der kriegsverhindernden Wirksamkeit der Proletarier ist es ganz und gar nichts, weder hüben noch drüben. In einer aristo phanischen Komödie schließt ein Anhänger der Friedenspartei mitten in den Kriegsjahren einen persönlichen Waffenstillstand mit den Lazedämoniern ab und erfreut sich nun seiner eigenen Behaglichkeit, während er den Führer der Kriegspartei unter den Unbilden eines Feldzuges seufzen und sich mühen sieht. So etwas ist bloß in der Phantastik der Bühnen welt möglich. Ein den kriegswilligen Regie rungen von den Völkern aufgezwungener Friede wäre erst denkbar nach siegreichen Revolu tionen, nicht vor und in ihnen. Wohl aber gäbe es ein Mittel, durch das die deutsche sozialdemokratische Partei auch unter den heutigen Umständen ein schweres Gewicht in die Wagschale für den Frieden zu legen vermöchte, wenn sie ihn wirklich für bereits bedroht hält. Dieses Mittel hieße rück haltlose Unterstützung der für Deutsch lands berechtigte Ansprüche schwer kämpfenden Regierung bei ihren Unterhand lungen. Wenn das Ausland sich einem ein mütig entschlossenen deutschen Volke gegenüber sähe, dann möchte vielleicht alle vorhandene Kriegslust in solchem Grade abgekühlt werden, daß der Friede so gesichert wird, wie es nach ihrer Behauptung die internationale Partei erstrebt. Der Respekt vor der Ueberlegenheit unserer Waffen wirkt noch aus den Kriegs erfahrungen vor vierzig Jahren nach. Unsere einzige Schwäche ist, daß das Ausland den da mals Wunder wirkenden türm- tentonim» im Parteigezänke der Jahrzehnte erstickt wähnt. Die Remgsnilatiiin üer rullilchen Seemacht. Nachdem die nach dem ostasiatischen Kriege dringend notwendige Reorganisation der russischen Wehrmacht in erster Linie für das Landheer begonnen, und größtenteils bereits durchgesührt wurde, schreitet Rußland nunmehr zur Neuschaffung seiner Flotte, deren Kern bei T s u > h i m a vernichtet wurde. Wah rend die öffentliche Meinung Rußlands, seit der Zeit der Balkankrisis durch die ungewöhnlichen An strengungen der Türkei für ihre Flotte, erregt, die baldigste Instandsetzung und Verstärkung der Schwar- zen-Meerflotte forderte, um der Türkei zu verwehren, eine gefährliche Suprematie im Schwarzen Meere zu gewinnen, schritt die russische Admiralität, unter dem Marineministcr Vojewodsky durch die Differenzen mit der Duma lange in der Rekonstruktion der Flotte gehemmt, neuerdings zum tatkräftigen Betrieb der Fertigstellung der beiden ersten Dreadnoughts der Flotte, des Sebastopol und des P u l t a w a, die beide in der ersten Hälfte Les Juli vom Stapel liefen, der dritte Dreadnought, der P e t r o p a v l o w s l, soll spätestens Anfang September, der vierte, der Han gut, im Spätherbst vor dem Eintritt des Frostes vom Stapel laufen. Diese Schiffe haben ein Deplacement von je 23 100 Tonnen, 180 Meter Länge und 27 Meter Breite, Turbinenmaschinen mit vier Schrauben, 42 000 Pferdekräfte und eine Fahrt- geschwhrdiakeit von 23 Knoten. Ihre schwere Ar tillerie besteht aus zwölf 23 Zcnlimeter-Geschütz.'n, die zu je dreien in vier in der Längsachse des Schiffes stehenden Türmen zusammengestellt sind und in je sechzehn 12-Zentimeler-Gcschützen, eine Armierung, wie sie kein russisches Schiff zuvor erhielt. Diese vier Dreadnoughts werden 1914 in die Ostseeflotte eingestellt. Bis zum Herbste sollen ferner zwei große Panzerkreuzer neuen Typs von sogar 30 000 Tonnen. 33 Knoten Geschwindigkeit und zehn 35-Zentimeter- und^wölf 12-Zentimetcr Geschützen auf den Kiel ge legt werden. Das Ostsceflottenprogromm für 1912 umsaßt überdies 4 Kreuzer desselben Typs, 9 Torpedobootzerstörer und 3 Unterseeboote. Ob jene gewaltigen Dreadnoughtdeplacements jedoch bei den Neubauten beibehalten werden, kann Leshalv als fraglich erscheinen, weil die englische Admiralität sich inzwischen entschloß, von dem gesteigerten Dread nought- und Ueberdreaonoughtdeplarement abzugehen und künftig nur Dreadnought» von nur 19 000 di» 20 000 Tonnen zu bauen. Ueber die Schwarz meer flotte ist noch nichts Endgültiges oestimmt: jedoch ist beschlossen, daß noch in diesem Jahre drei Dreadnoughts in Angriff genommen werden, und zwar von denselben Dimensionen, wie die sür die Ostseeflotte bestimmten. Grundsätzlich sollen alle Neu bauten in Rußland mit russischem Material und russi schen Arbeitern erfolgen: allein dies dürfte sich in der Praxis kaum als durchführbar erweisen, man wird aus die ausländische Industrie zurückgreisen müssen, und man nennt für Eußstahlliefcrungen be reits Krupp und Skoda, dürfte jedoch einige Schiffs bauten England übergeben, und schon haben sich die ersten Schisssbaufirmen des Auslandes zum Bau der Panzerschiffe gemeldet, während die russische balti che und die Admiralitätswerft in erster Linie in Betracht kommen, und in Nikolajew eine neue Werft sür die Schwarzmeerflotte gebaut werden soll. Ucber- dies wurden beträchtliche Arbeiten zur Erweiterung der Einfahrten in die Häfen von Kronstadt, Reval, Sebastopol und Nikolajew sowie die Anlage genügend großer Bassins zur Ausnahme der in Bau befindlichen riesigen Konstruktionen be- gönnen. Dieselben sollen 1914 in dem Zeitpunkt be endet sein, in welchem die Dreadnoughts und die ersten großen Kreuzer in die Geschwader eingestellt werden können. Die vorerwähnten Arbeiten und Schiffsbauten ge hören zu dem vom neuen Marineminister Admiral Grigorowitsch aufgestellten, vom Zaren in den höchsten Instanzen genehmigten, gewaltigen neuen Flotte nreorganisatronsplan. Er knüpst damit an die großen Ideen Peters des Großen an und bringt die bestimmte Absicht der kaiserlichen Re gierung deurlich zum Ausdruck, Rußland seinen Rang auch als Großmacht zur See zu erhalten. Denn ohne eine Kriegsflotte, die imstande ist, ihre Flagge aus allen Meeren zu zeigen, sei eine Nation, wie groß auch ihr Landheer sei, nicht imstande, ihre Interessen auf dem Meere zu wahren und ihren Handel zu ent wickeln. Die russische Regierung scheut daher kein Opfer, um in der Ostsee eine Flotte zu schassen, die weit größer als die dort vor dem letzten Kriege vor handene sein wird. Jedoch wird dieselbe die Ge samtgefechtsstärke der vermöge des Nordostseekanals in der Ostler vereint auszutreten befähigten deutschen Flotte nach deren Vollendung, von 33 Linienschiffen und einer entsprechenden Anzahl von Kreuzern, Ge schwader Torpedobooten und Unterseebooten, auch nicht annähernd erreichen, da die neue russische Ost seeflotte nur 16 Linienschiffe (Dreadnoughts), 8 Pan zerkreuzer, 16 Kreuzer, 36 Geschwader Torpedoboote und 12 Unterseeboote und die entsprechende Anzahl von Hilfsdienstschiffen und ein Rescrvegeschwaver zählen und bis zum Jahre 1930 geschaffen sein soll. Für die Schwarzmeerflotte enthält das Programm Admiral G r r g o r o w i t s ch s keinen definitiven Bauplan, sondern nur den Grund satz, daß die Schwarzmeerflotte das Schwarze Meer beherrschen, und daher stets einundeinhalbmal so stark sein müsse, wie die vereinten Seestreitkräfte seiner anderen Küstenstaaten. Daher sollen ihre Stärke und Zusammensetzung jeweilig, entsprechend den Rüstun gen in jenen, bestimmt, und die dafür erforderlichen Mittel beansprucht werden. Für die Flott« im Stillen Ozean wird, offenbar in Anbetracht der durch die obwaltenden Verhältnisse ausgeschlossenen Bemühungen dort ein Geschwader zu schaffen und zu kalten, da» der japanischen Flotte gegenüberzutreten imstande fei, nur Geringes gefordert, und zwar 2 Kreuzer, 18 Torpedoboote, 12 Unterseeboote, 3 Minenleger und einige Hilfsdienstfahrzeug«. Je- doch ist der Has«n Petropawlowsk an der Ost küste Kamtschatkas zu einem neuen Kriegshafen bestimmt, da fern Hafen vesser wie der von Wladi- wostok und länger vom Eis« frei ist. Bon beson derer Wichtigkeit ist, daß dem neuen Programm zu folge die Schiffe der aktiven Flotte stets den vollen Sollbestanü an Offizieren und unteren Chargen auf weisen sollen, und ebenso die Unterseeboote der Re serve und die Reserveschijfe auf Auslandsreisen, ferner aber, Laß die jährliche Indienststellung einschließlich Fahrt- und Uebungszeit, der aktiven Flotte auf 9 Monate, die der Reservegeschwader auf 6 Monate festgesetzt wird. Zur Reorganisation -er russischen Seemacht gehört aber auch die beschlossene Ausgestal tung Nikolajewsks als Basis der Schwarz meerflotte, und die in der Durchführung begriffene Verlegung der in der Anlage begonnenen, sich jedoch als ungeeignet erweisenden Flottcnstation an der Murmanküste, Alexandrowsk, nach dem nahegelegenen, sehr geeigneten K i l d i n s u n d, und der Beschluß, am Eingang des finnischen Golfs bei Lapp wick. unweit Hangoes, einen Kriegshafen anzulegen, so daß derart im Verein mit zwei in der Umgebung zu errichtenden Forts und einer bei Porkala geplanten Torpedobootsstation, eine starke, zugleich zur Sicherung und Entastung Kronstadts bestimmte Sperre des Finnischen Golfs geschaffen wird, die eine Landung an seiner Küste in der Nähe K ron- st a d t s und Petersburgs erschwert, das nur 27 Kilometer Luftlinie von Kronstadt entfernt ist. Von eminenter Bedeutung sür die operative Ver wendbarkeit der russischen Gesamtflotte und ihrer Ee- samtaefechtsstärke würde die eine Zeitlang ins Auge gefaßte derartige Tiefen- und Breilengestaltung des nunmehr nur für Handelsfahrzeuge von verhältnis mäßig geringem Tiefgang ernstlich projektierten und in den Vorarbeiten begriffenen Ostsee — 2 ch w a r z m e e r - W a s s c r w c g e s geworden sein, wenn sie sich als für große Panzerschiffe durch führbar erwiesen hätte: dies ist jeooch nicht der Fall, und auch die neue russische Flotte, deren Programm der Duma im Herbst vorgelegt wird, wird daher zum dauernden Getrenntsein ihrer beiden Hauptgruppen und Kräfte bestimmt sein, zumal ihr die freie Durch fahrt durch den Bosporus und die Dardanellen auch ferner verschlossen bleibt. Oie optimikMchere Ausfällung. Paris. 28. Juli. Das Barometer steigt — in der Politik — das der Witterung könnte bei dieser andauernden, uner träglichen Hitze nicht mehr höher hinaus! Es ist Zeit, daß die Verständigung zwischen Paris und Berlin kommt: denn in dieser Siedetemperatur artet die Diskussion leicht aus. „Man muß bei der Uebcr- zeugung bleiben, daß zwei große Nationen mit einander reden und sich verständigen können, ja müssen," erklärte Ministerpräsident Caillaur gestern einem Redakteur des offiziösen „Petit Pansien". Durch die ernstzunehmende Pariser Presse geht es wie eine Erleichterung: nicht daß schon beglaubigte Nachrichten aus Deutnhland vorlügen, wo die Unter redung des Kaisers mit dem Reichskanzler und dem Staatssekretär des Auswärtigen abgewartet werden muß. wohl aber, weil England in versöhnlicherem Sinne gesprochen hat. Und das erhellt trefflich dre ganze Lage: in Paris begann man schon mehr die englische In transigenz. als die deutschen „Prätentionen" zu fürchten. Die drohendsten Noten kamen aus London. Selbst kein französisches Kolonialblatt jchlug den kriegerischen Ton der „Times" an. Wie oft konnte man in diesen Tagen Franzosen, die nur den Ge schäften und der Arbeit leben, sagen hören: „Ohne England würde eine Verständigung mit Deutschland schon längst erzielt sein." Es war Zeit, daß der englische Druck aufhörte. Der Uebcreiier der Entcnte- cordiale Leute sing an, manchen Bürgern der Re publik verdächtig zu werden: sic fühlten instinktiv die Gefahr heraus, die in einer Behinderung der französischen Unabhängigkeit bei so ernsten Ver handlungen lag. In seiner Rede spielte Herr Asquith' auch wiederholt auf den Vorwurf an. der England gemacht wurde: durch Einmischung die Verhandlungen zu erschweren. Die Ver sicherung, daß die Diskussion sich vorläufig auf Berlin und Paris beschränke, bedeutet eine Wand lung: denn bei einer früheren Mitteilung Sir Greys wurde betont, daß England aufs eingehendste an den Verhandlungen teilzunehmen wünsche. Der gelinde Rückzug der englischen Diplomatie wird auf der Pariser Börse mit besonderer Genugtuung begrüßt, da man dort das meiste aus London und nicht aus Berlin besorgte. Was nun den „Fond" der Debatte anbslangt, jo bestätigt sich unser Eindruck, daß es momentan nur zu einem vorläufigen Abkommen zwischen Deutschland und Frankreich kommen kann, das die gegenwärtige Lage in Marokko liquidiert und gleichzeitig die wahrscheinliche zukünftige ins Auge faßt. Es kann als ausgeschlossen betrachtet werden, daß Frankreich auf einmal Deutschland die Konzessionen machen könnte, die es zur endgültigen Regelung der ganzen Marokkofrage fordern muß. Die Verlängerung der Diskussion, die gewiß iy jeder Hinsicht unerwünscht ist. aber unvermeidlich erscheint, wird nicht nur in Paris von zahlreichen Gegnern bekämpft werden. Noch sucht man nach großen Austauschobjekten, die beiden Nationen ge statten würden, mit einem Schlage das Problem zu erledigen. 2m „Excelsior" wird behauptet, von deutscher Seite biete man jetzt das Togo land an. das westlich vom französischen Dahomey liegt, und dazu einen Teil des deutschen Ka meruns in der Nähe des französischen Tschad-Ge biets, um dafür den Kongo zu erhalten und Frankreich jeden Anschein von Demütigung zu er sparen: es würde sich nicht mehr um eine Abtretung, sondern um einen wirklichen Austausch handeln. Has Blatt fügt hinzu, daß es nicht zu sagen vermöge, welchen Empfang die französische Regierung diesem Vorschlag bereitet habe. Herr Caillaux neige einer Verständigung zu, Herr de Selves wäre für den Widerstand. Der „Figaro" konstatiert mit Befriedigung die größere Diskretion Englands, die nicht als Beweis von Lauheit gegenüber Frankreich ausgelegt werden dürfe. „Die Situation läßt sich dahin zusammen fassen: entweder willigt Deutschland in Berhand. langen beschränkten und begrenzten Tharalters, den
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