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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.07.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-07-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110708014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911070801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911070801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-07
- Tag 1911-07-08
-
Monat
1911-07
-
Jahr
1911
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ärztlichen Versorgung der Mitglieder und der Aus zahlung von Krankenunterstützungen; für alle Streit fälle aus dem Verficherungsverhältnis muß Berufung an «in Schiedsgericht voraesel-en sein, dessen Mitglieder vom staatlichen Versicherungs amt bestimmt werden; di« Krankenkasse muh «in« Kaution stell«« od«r in anderer Weis« den Staat schadlos Helten können bei Unterschleis«n ihrer Beamten; für di« staatliche Versicherung muh besonders Rechnung geführt werden usw. Der B«r- fafser zählt hiernach die sechs wichtigsten Bestim mungen auf, denen ein Versicherungstrügcr unter worfen sein soll. Es zeigt sich da, das; auch betreffs der Buch- und Rechnungsführung «ine scharfe staat liche Kontrolle vorgesehen ist, und dost die künftigen englischen Krankenkassen bei Schritt und Tritt von behördlicher Genehmigung ab hängig sind. „Hiermit ist aber", so sagt di« Zu schrift weiter, „die Aussichtstätigleit des Staates noch lange nicht erschöpft. Der staatlichen Genehmigung unterliege» di« Anlegung verfügbarer Bestände der Bersicherungsträger; die Negierung verlangt, daß für di« Verwaltungskostcn besondere Rechnung geführt werde; sie regelt die Abfindung der von einem Versiä^erungsträger ausgeschlossenen Ver sicherten, sie prüft die Altcrsvcrteilung der einzelnen Kassen und sie regelt die Deckung des anfänglichen Fehlbetrags, der durch die Aufnahmen von Mit gliedern, di« im Alter von mehr als 16 Jahren bei tret«», entstanden ist. Der Staatkontrolliert weiter di« Krankheitsverhältnisje in denjenigen Be rufen und Betrieben, die eine höhere Kraiikenzifser als di« vom Schatzamt zu veröffentlichende Tafel länger als drei Jahre hindurch aufwcifen u. a. Wenn man die lange Liste der Borschriften, die das Gesetz vorsieht, durchlieft, so mutz man zu d«r Uebcrzeugung kommen, das; der Grundsatz der absoluten Selbstverwaltung, der vorangestellt wurde, doch nur auf dem Pa pier steht. Man vergleiche einmal die eng lischen Vorschriften mit ihrer Unzahl von Sicher heitsschlössern mit denjenigen der deutschen Reichs versicherungsordnung über die Ersatzkassen, die den hauptsächlichsten Bersicherungstrugern in England, den krienstl.v entsprechen, und man wird zugeben müssen, das; die deutsche Ncichsvcrsicherungs- ordnnng doch den Kassen ein Mas; von Selbst verwaltung gewährt, um der sie jede iHc-nfflz' -Moiotv später beneiden wird. Endlich kommt hinzu, daß die krionälv «x-ir-tic^ kaum die Hälfte der Versicherten umfassen; für alle anderen Versicherten ab«r stellt die neu« Versicherung lediglich die Errichtung einer Zwangsfvarkasse bei den Postanstalten dar, an deren Verwaltung die so genannten „Versicherten" überhaupt keinen Anteil bal>en." So sicht die im englischen Entwurf vorgesehene „Selbstverwaltung" nach dem Urteil eines Sachver ständigen aus, von dem die „Soz. Praxis" selbst be merkt, daß seine Mitteilungen der sachlickien Auf klärung zu dienen geeignet seien. Die „Soz. Praxis" fügt dem freilich hinzu, die Mängel in diesem einen Punkt gestatteten noch keinen Rückschluß auf den ganzen Plan, der trotzdem ein groß an gelegtes Reformwerk darstelle. Hoffentlich ent zieht sich die Zeitschrift nicht der Pflicht, diejenigen Punkte zu behandeln, in denen Herr Lloyd George unsere Reichsoersich«rungsordnung etwa in den Schatten stellt. Und dann behandelt die Zuschrift doch nicht nur „einen" Punkt: sie stellt nicht bloß das völlige Fehlen der „Selbstverwaltung", sondern auch die unterschiedliche Behandlung der „Versicherten" dar, deren größere Hälft« auf eine Art Postzwangsfparkafsen angewiesen wird, während die deutsche Reicbsversickieruugsordiiung (nach Einbeziehung der Landarbeiter, der Heim industrie, des häuslichen Dienstpersonals usw.) jetzt die sämtliclx» in Betracht kommenden Arbeiterkreise umfaßt und in aller Hauptsache auch bei lveitest- gehender Selbstverwaltung der gleichen Für sorge unterwirft. Infolgedessen ist auch, wie wir seinerzeit schon feststclltcn. der jöarnacksclnn Behaup tung, in England bringe man dem Arbeiter «in größeres Vertrauen entacaen als bei uns. der Boden völlig entzogen. Dieses Vertrauen kommt, wenn irgendwo, so in der Einräumung von Selbstvcr- waltungsrechten zum Ausdruck. Oben haben wir die Feststellung, daß die Ncichsversicherungsordnung Len Kassen ein Maß von Selbstverwaltung gewährt, „um das sie jede krieucff.v Kooiot.v später beneiden wird". Wir knüpfen an alles dies die Hoffnung, daß nicht nur die evangelisch sozialen, sondern die bürgerlichen Kreise überhaupt die Herabsetzung unserer Arbeiter fürsorge zugunsten der englischen, kür die sie eine Be gründung bisher nicht bcibringen konnten, künftig- hin vermeiden werden. Denn sie besorgen damit Carl Gultsv Cirrus unü üss Leipziger Kolentsl. Don Pfarrer em. Jäger (Leipzig). (Nachdruck verboten.) Der Artikel über das Rosental in Rr. 187 dieses Blattes hat gewiß viele Leipziger lebhaft interessiert und ' erfreut. Manches ließe sich noch hinzufügen. Es dürft« b.kannt jein, wie Gustav Freykag in seiner „Verlorenen Handschrift" uns nicht nur in die Rojen- ralgajs«, sondern auch auf den Lurch den Wald nach Gohlis führenden Weg versetzt, und ebenso, wie Gustav Theodor Fechser, der tiefsinnig« Philosoph, seine leidenden Augen oft auf dem Grün dieses Waldes ausruhen ließ- Ein ganz besonderer Freund des Rosentales war der in Leipzig am 3. Januar 1789 geborene Earl Gustav Larus, gestorben 1889 als königlicher Leibarzt in Dresden. Dieser vielseitige Mann, prak tischer und wissenschaftlicher Mediziner, Philosoph, Naturforscher und Naturfreund, Kunstkenner und Künstler, hat sein liebes Rosental nie vergessen können. E. W. Brcdt in seinem Buche: „Deutsch« Lande, deutsche Maler" schreibt zu dem Larusschcn Bilde; „Frühling (Rosental bei Leipzig)", das sich in der Dresdner Galerie befindet, den bemerlens- werten Satz: „So modern wie er hat kein anderer die Natur gesehen." Man kann vielleicht in ähnlicher Weise sagen, daß auch die Carussche Philosophie über raschend moderne Züge an sich trägt; und der tiefe Geist, mit dem er empfand und dachte, spricht sich jedesmal auch dann aus, wenn er in seinen „Lebens erinnerungen und Denkwürdigkeiten" (Leipzig, Brock haus, 1865/86) auf das Rosental zu reden kommt. Das Geburtshaus von Carus war am Elstermühl, graben (Ranstädter Steinweg) gelegen: später zogen sein« Eltern auf die Rosentalgasse. Co wurde, wie er selbst schreibt, „ein beginnendes bestimmteres Der- hältnis zur freien Natur begünstigt durch di« Lag« unserer damaligen Wohnung in der Nähe jene» schönen Waldes. Aus meinem Fenster sah ich da hinaus, der Fluß hinter unserem Hanse floß da hinein, und ich selbst, allmählich mehr l-eranwachseud. konnte mich nun schon öfter in Wiesen und nahen Waldes rand vertiefen. Gibt es doch dort noch einen Ueber- rest alldeutscher Eichenwaldungen, und insbesondere allein die Geschäfte der Sozialdemokratie, der es eine überaus unb-mucmc und höchst hinderliche Tat- fache ist, daß Deutschlands Sozialgesetzgebung noch von keinem vergleichbaren Jndustrievotk erreicht, ge schweige denn übertroffen würde; am wenigsten frei lich durch die „großzügiae" Nationalversicherungsbill des Schatzkanzlers Lloyd Georae. Kapitol unü Arbeit. Die Verteilung de« Produktionsertrages zwischen Kapital und Arbeit ist eine der im wirt schaftlichen und politischen Leben am heftigsten um- känrptten Fragen. Die Sozialdemokratie behauptet, daß der Löwenanteil der Ertrüge der gewerblichen Produktion dem Kapital zufiele, während der Ar beiter nur einen im Verhältnis zur Leistung durch aus unzureichenden Anteil an den Ertragnissen der Produktion erhalte. Es ist daher von ganz beson derem Interesse, daß neuerdings Richa.d Ealwer den Ber uch gemacht hat, eine Statistik der Verteilung des Produktionsertraacs auszustellen. Zur Feststellung des Anteils der Arbeit am Pro- dultionserlrag nahm er die Lohnnachweisungen der gewerblichen Berufsgenossenschasten. Für die Er mittlung des dem Kapital zufließen en Anteils vom Produttionsertrage verschaffte er sich durch eine Be arbeitung der Rechnungsergebntssc der deutschen Altiengeselischatten die nötigen Unter.agcn. Bereits im Jahre 1909 veröffentlichte er das Ergebnis seiner Untersuchungen für die Gesamtheit von zehn Ee- werbegruppen und erhielt daber folgendes Bild: MI5 I'Mi IU07 Mill. M. Pro,. Mill. M. Pro,. Mill. M. Pro,. Lohnanteil. . 49118,57 71,9 5464,44 71,2 6018,54 74,6 Kapita.anleil 1682,4.! 2>,,1 2176,26 28,6 2116,85 26,0 Zusammen . . iib'.i'i.oo'stXi'o 7640,70 100.'. 6,85:ir>'l'st),0 Tie zehn Gewerbegruppcn, für die er die Unter suchungen vvrnahm, ergeben im einzelnen folgendes Bild: Chemische Industrie Papiergewerbe . . Textilgewerbe . . . Ledcrgewerbe . . . Verkehrsgewerbe . . Holz- und Lchnihsioffe Steine und Erden . Maschinenindustrie . Metallverarbeitung . Montanindustrie . . Uohnantril w. 5 I vi> i>> 7 . 60,2 59,6 59 0 . «>..,!! 05.9 68,9 . 78,1 72 4 70,7 . 69,l) 68,8 78,0 . 67,7 l>8,7 74,4 . 71,2 69,0 74,6 . 76.7 78,0 75,2 . 76,0 74 4 7.»,9 . 78,0 74,8 76,8 . 78,1 72,8 76,9 Napiia anteil I!W> t 'U7 89.8 40,4 41,0 .18,7 84,1 86,1 26.9 27,6 2'8,8 8c.,1 81.7 27,0 82.8 81,8 25,6 28.8 81,0 25,4 28.8 27,0 24.8 24,0 27,,6 24,1 22,0 25.2 28,2 26.9 27,7 28,1 Man ersieht aus dieser Gegenüberstellung, so schreibt die „Deutsche Industrie-Korrespondenz", daß der Lohnanteil an den Erträgnissen der obenge nannten Gewerbegruppcn sehr bedeutend, mrn- destens viel größer ist, als man gemeinhin annimmt und nach der Theorie der Sozialdemokratie von der „Verelendung der Massen" auf die Arbeit entfallen dürfte. Auch da» Steigen des Lohnanteils, das in den meisten Fällen zu beobachten ist, ist sehr beachtlich und sollte der Sozialdemo kratie eigentlich Veranlassung geben, ihre „Aus beutungstheorien" einmal gründlich zu revidieren. Selbstverständlich wird Ealwer namentlich von der sozialdemokratischen Gewerkschaftspresse auis heftigste angegriffen, die es mit der wissenschaftlichen Gründ lichkeit nicht lehr genau nimmt und für deren Leit artikel die Ealrverschen Feststellungen, nach denen das Kapitol einen zum Teil viel geringern Anteil am Produttionsertrage hat als die Arbeit, wenig lörderlich sind. Am heftigsten sind d.e Angriffe des „Textilarbeiters", dem es außerordentlich peinlich ist, daß der Anteil der Lohnsumme an dem Ergebnis der Produktion größer gewesen ist als der des Kapitals. Ist ihm doch damit eine Waffe aus der Hand genommen, die er bisher alljährlich mit grim migem Grinsen schwang: nämlich an den „horrenden" Dividenden der Ak.iengesellschaften im Textilgewerbe (natürlich nur der gut rentterencen) die Arbeiter ichars zu machen. Ealwer ist ihm dabei schon mehrere Male in die Parade gefahren und dem „Textil arbeiter" daher auch aus Anlaß seiner neuesten Arbeit sehr verhaßt. Ueber die Methode, die das Gewerkschaftsblatt hinsichtlich der Aktiengesell schaften mit geringerer Rentabilität zu verfolgen gedenkt, äußert cs sich in Nr. 22 vom 2. Juni d. I. wie folgt: „Rentiert sie (die Aktiengesellrchast) sich nicht, dann mag man sie aufaedcn und die sozia- listoche Produk ion dafür aufneymen. Das ist der Standpunkt der freien Gewerkschaftler. Die neueste Methode Calwers muß aber dazu führen, daß die Kapitalisten die Aktionen der Gewerkschaften be kämpfen mit den „Feststellungen" Calwers, daß ja ohnehin der Anteil des Lohnes an der Produktion mehr gestiegen sei, als derjenige des Kapitals." Das ist die „Freiheit" der wißenschastlichen For schung in den Augen der ultraradikaien Sozial demokraten, das ist die Wissenschaft", mit welcher diese Partei ihre Anhänger zu den „Sonnenhöhen der Kultur" cmporführt! Sntmnrk eines Staatsangeträrigkeltsgeletzes. Die Vorarbeiten zu dem Gesetz über den Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit sind bereits seit Jahresfrist abgeschlossen. Es war bereits im letzten Wiuter beabsichtigt, diesen Entwurf dem Vündesra'e zugchcn zu lassen, in letzter Stunde waren damals aber noch seitens der zuständigen Ressorts Bedenken gegen die damalige Fassung des Gesetzes laut geworden, so daß die Vorlegung unter blieb. Diese Bedenken sind nunmehr zerstreut, so daß anzunchmen ist, daß der Entwurf dem Reichstage im nächsten Winter zugehen wird. Die Grundzüge des Entwurfes sind folgende: Während bisher ein Auslandsdeutscher seine Staatsangehörigkeit verlor, wenn er länger als 10 Jahre im Ausland geweilt hatte, ohne sich in dieser Zeit bei einem deutschen Konsul zu melden, bestunmt der Entwurf, daß ein Auslandsdeutscher gegen seinen Willen seine deutsche Staatsan?,ehörig- leit nicht verlieren kann. Die Anmeldung beim Konsul soll fortsallen. Als Aequivalent verpflichtet sich der Ausländsdeutsche dem Reiche gegenüber, reine gesetzliche Miluärdienstpslicht abzuieisten, wenn nicht ganz wichtige Gründe einer solchen Ab leistung cntgegenstehen. Für den Movilmachnngs- sall wirb auf die Einziebung zur Fahne verzichtet, wenn der Deutsche sich im Ausland be findet, scdoch ist der Ausländsdeutsche verpflichtet sich zu stellen, wenn er sich in der Heimat oder in einer der deutschen Kolonien befindet. Bezüglich der Ab leistung der Militärpflicht werden die Anforderungen ür die Auslandes cat chen wesentlich herabgesetzt Zunächst wird die Möglichkeit, sich überall im Auslande auf die Tauglichkeit untersuchen zu lassen erleichtert. Im allgemeinen genügt eine Untersuchung am Orte eines Konsulats, in schwierigen Fällen sogar die Einsendung eines Ältestes eines angesehenen Zivilarztes. Der einmalige gesegltche Dienst in der Linie soll für den Ausländsdeutschen genügen, während von der Ein berufung zur Re.erve und Landwehrübung abge sehen wird. Gegebenenfalls kann die Ableistung der aktiven Dienstzeit in einer deutschen Kolonie er folgen. Der Transport der Dienstwilligen nach der Heimat erfolgt auf Kosten des Reichs. In Fällen, in denen nachgewiesen wird, daß die Ableistung der Militärpflicht den Ausländsdeutschen wirtschaftlich schwer schädigen würde, kann eine Entbindung von der Dienstpflicht stattfinden. Der Gedanke, die Aus ländsdeutschen in irgendeiner Weise zur Steuer heranzuziehen und von dieser Bezahlung die Staats- angehöngkeit abhängig zu machen, ist aufgegeben worden. Münchner Ausstellungen. Die heurige Ausstellung der Münchner Künstler genossenschaft im Glaspalast segelt als Jubiläums ausstellung zu Ehren Les 90. Geburtstages des Prinz regenten Luitpold. Prinz Luitpold ist b«r Protektor der Genossenschaft nicht nur dem Namen nach, sondern er har das auch des öfteren handelnd bewiesen, und bei der großen Belehrung, die der Patriarch unter den Fürsten Deutschlands in i«d«r Schicht der Bevölkerung genießt, ist die Huldigung der Künstler vollkommen begreiflich, aber etwas eigenartige Formen nimmt sie doch an. Man begnügt sich nicht damit, den Eintritts saal mit einem Denkmal auszustatten und einen eigenen Ehrensaal mit dem Charakter etwa eines vaterländischen Museums herzurichten, auch sonst fürder man in den 7K Sälen der Ausstellung auf Schritt und Tritt das charakteristisch« Gesicht des hohen Herrn. Ich habe mir die Mühe genommen, die Bildnisse zu zählen, und hab« 53 gefunden, dabei sirrd die in Kollektionen von Münzen und Plaketten untergebrachten Stücke nicht mitgezählt. Die besten Werk« sind darunter wohl die von Dasio unü W. F i r le. Bei der Eröffnung der Ausstellung konnte der Protektor infolge einer leichten Erkrankung nicht zugegen fern, heute morgen hatte ich jedoch die Freude, ihn rn der Ausstellung, geführt von Professor v. Pelersen, zu sehen. In dem Nahmen eines kurzen Feuilletons einen Ueberb'.ick über die ungefähr 2500 Werke umfassende Ausstellung zu geben, ist wohl kaum möglich, selbst das Bemühen, die Perlen aus der übergroßen Masse des alles überwuchernden Durchschnitts herauszu suchen, kann nur ein Versuch bleiben. Uebcrwälti- gendes und grohe Fortschritte sind überhaupt xtcht z« verzeichnen. Der Präsident der Künstlergenossen, schäft Hans von Petersen bringt einige gute Marinen in herkömmlicher Art, der Vizepra- stden Heinrich Waden einig« Erabplastiken. Von den sonstigen Vorstandsmitgliedern sst noch Ludwig Da slo, der schon oben erwähnt wurde, und W. Immenkamp mit recht guten Arbeiten zu nennen Von den anderen Mitgliedern der Ge nossenschaft hat Franz Multern zwei prächtige Interieurs aus dem Schlößchen im Nymphenburaer Park und Leopold Schmutzler ein gutes Bild „Cabaret" ausgestellt. Zahlreiche andere Gruppen haben unter eigener Jury ausgestellt; den besten Eindruck von ihnen macht die „Scholle", in der Leo Putz, Walter Püttner (Selbstporträt) und Fritz Erler gute, in Heller Farbe gemalte Bilder teilweise von etwas -phantastischem Charakter bringen. Erich Erler fällt ihnen gegenüver mit zum mindesten merkwürdigen Bildern ab. In der Luitpold-Gruppe ragt Han« Lretsmann hervor, der seine intercssance Susanne in feurigen Farben und «in Bild, „Letzte Strahlen" ausstellt, daneben noch W. Schnackenberg und Heinr. v. Bartels, in d«m Künstlerbund Bayern, der auch als Illustrator treffliche Ernst Liebermann, der Nymphenburg im nächtlichen Mondschein gemalt hat, und Charles Palmiö, der in phantastischer dunkler Farbigkeit eine Morgensonne und eine Mondnacht bringt. Rechr gut sind die Graphiker vertreten. Bon Aauarellisten der scharfsichtige Renö Reinicke. Ludwig Hohlwein, der in der „Dame mit der Zigarette" ein äußerst dekoratives Stück geschaffen hat. Unter den Radierern fallen Doris Raab und der seine Leipziger Bruno Heroux auf, da neben auch noch PeterHalm. In den graphischen Techniken zeigen sich entschiedene Fortschritt«, der Farbholzschnitt, der Linvleumschnitt. die Algraphie und die farbige Radierung erwerben immer mehr Anhänger. Unter den Zeichnern ist vor allen Adolf Oberländer mit lustigen Karikaturen zu nennen. Die Plastik zeigt ebenfalls guten Durchschnitt. Reckt gute Sachen hat Hermann Pagels in dem „Hühnerdieb" und dem „Gitarrespieler" ausgestellt, beide Werke haben einen prächtigen Humor. Auch M. v. Gießendorf hat in der Kleinplastik Arethusa viel in schöner, zarter Linienführung ge leistet. Georg Graseggers „Brave Fortuna" zeigt einen fast herben, aber feierlichen S4il, auch Hans Grubers „Quelle" ist gut. Auch die Architekten sind mit Modellen, Entwürfen und Photographien vertreten. Dr. Beutelmeyer stellt das Modell des Deutschen Hauses auf der Römiscl-en Kunstausstellung aus, Henry Hel big einen eigenartigen Theaterzuschauerraum mit An wendung eines Kuppelgewölbesystems. Das unglück liche Vismarck-Nationaldenkmal spukt natürlich auch, in schrecklicher Weise sogar. Bon den auswärtigen Künstlerverbänden schneiden die Badenser am besten ab. Hans Thoma, der nur ein großes Bild „Letzte Lbeirdwölkchen", daneben zahlreiche Graphiken gesandt hat, und W. Trübner, von dem drei Waldbilder, die in sich ziemlich gleich sind, zu sehen sind, sind die besten, aber neben ihnen treten Gustav Schönleber, Hans o. Volck'- maun und Friedrich Fehr stark hervor. Die Berliner Künstler dielen kein eigentlich klares Bild, dagegen ist Lveimar mit Fritz Mackensen und Theodor Hagen recht gut vertreten. Einen augerst günstigen Eindruck machen dann noch die Hamburger, unter ihnen besonders A. Illi es und Ern st Eitner. Die Sezession versucht ihrer Ausstellung dadurch besondere Anziehungskraft zu verleihen, daß sie inter national wird, aber gar so wett ist's mit der Jrtterna- tionalität nicht her, sie beschränkt sich hauptsächlich auf eine Kollektion von 14 Pariser Bildern, die ein ab gerundetes Bild nitürlich nicht geben können und zum Teil recht problematisch sind. Eine blaudurchiränkle „Begegnung im Walde" (Damen in Reifröcken des zweiten Empire) von Charles Eusrin, eine etwas glatte und kalte „Lesende" von Balloton und ein den Einfluß Ganguins zu deutlich zeigendes Interieur Manguins sind die Hauptstücke, die aber doch als Fremdlinge unter den deutschen Bildern wirken. Bon den Sezsssionisten sei F. v. Uhd e. ihr verstorbener Präsident, zuerst genannt; eine „Flucht nach Aegypten" und ein Eartenbild stehen über der Kritik. Der jetzige Präsident Hugo v. Haber mann hat nur wenig« Stücke seiner bekannten Art ausgestellt, die reichlich braun gehalten sind; am b-sten wirkt eine famose Supraporte. Sein Vertreter Albert v. Keller zeigt eine stattlichere Kollet- tion, einige äußerst feine Porträts, eine „Kranken ¬ hatte der sich meilenweit erstreckende Teil, welchen man das „wilde Rosental" nennt, damals noch Ueber- fluß an mächtigen, viele Jahrhunderte zählenden Eichen. Mit einem Oheim, der meinem Vater im Geschäft beistand, zog ich auch wohl an warmen Sommernachmittagen in jene Schatten und kühlte mich in den gelblichen Wellen der Elster, im Herbst ging ich mit anderen Knaben hinaus, um Gerten zu schneid.'n und Sprenkel den Zugvögeln zu stellen; aber am eigentümlichsten wirkte es doch auf mich, als ich späterhin in den nächstgelegenen Waldtcilen allein mich ergehen durfte. Ich lag dann wohl unter einer alten Eiche, sah in die mächtigen Aeste und in das Blätter gewölbe hinauf, gab Achtung auf das Leben der kleinen Käfer im Grase umher, und fing an zu ahn«n, daß in diesem stillen Leben eine Menge der seltsamsten Geheimnisse verborgen liegen müßte. Es entwickelte sich dort ein gewiss?! Hang zur Einsamkeit, und es war mir da oft so besonders wohl. Die frische Waldluft, der Hauch der Wiesen, cs schien mir auch körperlich zusagend und gesund, und wenn ich daher nicht gar oft dorthin mich verlieren durste, so saß oder stand ich dafür um so mehr am Wasser hinter unserm Hause, trieb Fischfang mit der Angel und sah dabei nach den fernen Wipfeln hinüber." , Der Knabe war zum Jüngling l)«rangereift; am 14. Oktober 180« befand er sich im Rosental Es war ein schöner, sonniger Herbsttag. „Ich hatte", schreibt er „im Walde nach der Natur gezeichnet und saß dann umschauend auf dem welken Rasen der großen mittleren Wiese, als öfters wiederholte dumpfe Klänge, gleichsam wie aus der Erde aufsteigend. deut licher und deutlicher mir zu Ohren drangen. Es war. wie es sich später ergab. d«r Kanonendonner d«r Schlacht von Jena gewesen." Von den Sommermonaten unmittelbar vor der Leipziger Schlacht 1813 lesen wir: „Kam ich übrigens dazu, an stillen Nachmittagen mich ein paar Stunden in die Waldeinsamkeit des Rosentals zu versenken und an Studien nach alten Baumstämmen, Laub massen und üppigen Pslanzengruppen mich zu erholen, so veranlaßte es mich zugleich nicht selten zu be sonderen Betrachtungen, wenn ich bedachte, wie ruhig und groß das Naturleben in seinem Gange dahin- zöge, während der Mensch mit seinen Eroberungs planen, Bölkerbewegungen und Kämpfen gern glauben machen möchte, daß er die Gestaltung der Erde zu verändern imstande sei, indem er das zu schaffen glaubt, was wir mit dem stolzen Namen einer Weligeschichte belegen. Da lag der große Eichenwald in seiner tiefen Ruhe, das Leben der Vögel dxang durch die Zweige, die Wiesen wallten in dem vollen Wüchse ihrer Pflanzen, di« Wolken zogen so ruhig ihren Weg . . ." Ergreifend schildert Larus seinen Abschied vom Rosental«, als er Anfang November 1814 einem ehrenvollen Rufe nach Dresden zu folgen hatte. „Ein eigenes Gefühl gab es mir vorher noch, von meinem altvertrauten Eichenwald« mich zu treiben! Ein paar ruhige Abendstunden an einem der legten Tage in Leipzig wandelte ich lange und still unter den fallenden Blättern des Rosentals hin, und viel und mancherlei Gedanken umwebten meinen Geist. Ich kannte hier so viele Bäume wie alte Freunde.. so viele Stämme mit den malerischen Wurzeln hatte ich gezeichnet, die Wiesenstreifen zwischen den Wald strecken hatten mich so recht eigentlich in ihrer Mitte heranwachsen sehen. Es war nicht ohne eine gewisse schmerzlich-wehminige Empfindung, daß ich an jenem Abende bei aufstcigenden weißen Nebeln den Wurzeln und Zweigen jenes Waldes mich entwand, und nie werden die Zwiegespräche ganz mir entschwinden, die ich so ost in diesem Schatten mit der Waldlust ge halten hatte." Wenn später der in Dresden schnell berühmt ge wordene Arzt seine Vaterstadt wieder besuchte oder auch nur auf der Durchreise berührte, dann eilte er fast jedesmal hinaus vor das Rosenraltor. 1821 schreibt er: „Ich war abends noch einmal in meinem alten, geliebten Eichenwald«. Nach Regen hatte ein langer Nebelstreif die Wiesen inmitten des Waldes überzogen. Hinter einigen kahlen Baumstämmen des Vordergrundes lag der verschleierte Plan vor mir. Es war di« Scheide von Tag und Nacht, rötliche Gegendämmerung belebt« den Osten, und wogend gleich Meereswellen zog der Nebel vorüber . . . Auf einem Fußsteige kamen drei Knaben über die Wies«; sie schienen in diesen Wellen und auf ihnen zu wan deln! Ein oollkcunmen in sich beschlossenes Bild." Ferner ein Herbstbild aus dem Jahre 1841. ,^ckion fielen die gelbbrauenen Blätter der Eichen in Massen. Tausende der alten, knorrigen Aeste streckten aus bläulichem Duft und von hübschen Streiflichtern überstrahlt, wie zum Gruße ihr letztes Laub mir ent gegen. und wie viele Erinnerungen an all das. was in jungen Jahren ich dort gesonnen und geträumt hatte, tauchten dabei in meinem Geiste wieder auf. Bin ich doch auch später aus diesem Walde nur mit eigener innerer Bewegung getreten." Zum letztenmal wird in Carus' Selbstbiographie das Rosental 1858 erwähnt. „Als ich gestern im klarsten, feinsten Frühlingsmorgen unter manchen wissenschaftlichen Gesprächen mit Viktor Carus (Leip ziger Universitätsprofessor) durch das Rosental wan derte, war meine Seele still für sich freudig versenkt im Schauen dieses Waldes. wo die feingeriefte Rind« alter, knorriger Eichen, in ihrem grünlichem Anfluge feuchter Waldesluft und in ihrer vor blauem Himmel schön aufstrebenden Verästelung, den anmutigsten Kon- traft bildet« zu den jüngeren Stämmen und dem jugendlichen Grün frisch knospender Sträucher! Alles, was mich schon in jungen Jahren hier so oft festge. halten hatte, es wirkte mit neuem Zauber auf mich, ja ich darf sagen, bewußtvoller und reiner als damals. Als wir dann wieder zurückgingen und dahin kamen, wo ein großer Wiesenplan sich weithin in den Wald hinein erstreckt, einigte sich das Ganze noch einmal zu einem recht echten Bilde des Frühlings dadurch, daß ein paar Störche durch den blauen Himmel zogen und endlich unter breiten Flügelschlägen ihres glän zend schwarz und weißen Gefieders sich auf eine junge Eiche niederließen. So schlossen sich also überall die empfangenen Eindrücke von dieser Waldnatur auf das würdigste den frühesten Erinnerungen aus meiner Knaben- und Musenzeit wieder an." Soweit der Maler, der Philosoph. Kann es stimmungsvollere Bilder von unserem lieben Wald geben? Cs ist manches anders geworden im Rosen- tal; wir wollen darüber nicht klagen. Straß.nbahn und Automobil mögen uns manchmal recht störend vorkommen, aber gerade die Fahrstraßen, auf denen sie einherfagen und deren Anlegung Carus nur in ihren ersten Anfängen noch erlebt hat, haben uns schon manchen Blick aus besonders schöne Waldpar tien eröffnet. Es gibt Stunden, wo auch jetzt noch man still träumen und schwärmen kann von deutscher Waldesherrlichkeit. Vielleicht erwecken vorstehende Zeilen in manchen von neuem die Liebe zu unsern Leipziger Laubwäldern; vielleicht erwecken sie auch da» Interesse für einen Mann, der sehr mit Unrecht zu den Vergessenen gehört.
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