Volltext Seite (XML)
BezngS-PreiS Pir Uetppg and vaearl« darch «ter« Träaei und Evrdtleur, 2«al ttaltch m» Kau» gedraqt «i Pt. «onatU, Lu! Vtt. vterieliahrl Pr« anter» Ftltale» ». >ir» nat>«rlteu«n abaeh«U 7» Pt. «««tl. LISMr. »terteltihrU »aech »«« PaU; innerhald DeuNchlanv» »nv der deattchen Kolonie» »lenrljodrl. r.üu >ir„ «lonatl. I.Ä> MI. n»»lchl PostdefteUaew Serrrer tn Belurei^ Danrmarl. de» Doaaattacü»». ItaUeic L»r«md»ra. Sitrderlmrd«, R»r- weften Orsierietch» Ungarn. Rntilaad. Schweden, Schwel» n. Svanten. 2» allen üdrigen Staaten nur direkt durch di» Tclidältellelle de» Platte» «rtzLUllch. Da» Uewilgrr Lagedtaa «ycheuu »«al täglich. Sonn« ». klrtertag» an» «argen». Abonnementr-Ännadm, 2»d»»»t»««Ii» 4. de» unleren Tragern. gUtalen. SpedUenren and Äniiadmestetien, lonn» BoKämtera nnd Vriesträgern. E»»r«t»«Ha>t»pre»» »Ui. Nr. isol Ln^tqnrPreiS Abend-Ausgabe ripMcr TaMatl los. Ishrgsng Dlenstsy, üen N. 3ull l9l1 f 14 682 l«achta°Ichl.4l Tel.-^nschl.r 14 893 r.i..Än,chi.!ü^ Handelszeitung Amtsblatt des Rates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig W» MM M»k Llmagdvgg 8! V^titiVtl« Ä«s7dt. ReTlam«! zetl« 1 ML, »an aaswärt» äo Pt, Reklamen L20 ML. Inlerat« oan Behörden tm amt. llche» T«U dl« Bettttell« SV Ps. G«tchüsl»anletgen «U Blatzvarlchrtsten a. in der Bd«nda»»gad« t» Prell» erhöht. Sladatt nach Tarif. Betlagegeblldr «esamt. anllage S ML o Taulenü erkl. Postgebühr Tellbetlage höher. grftertetlt» Lustruae können incht «nrtick. »«ragen werden Für da» lirlchetnen an »elnmmten Tagen und Plagen wird kein« Garantie übernommen. Sn,et,«».Annahme. S»d»n»t»,alt» tt, bet sämtlichen Filialen a. allen Annoncen» Lrpebitioneo de» 2n» and Aualanda» r«a E» Bert-I ««» u,,»,!,«» Tag«. blatte» S. Pal». Inhaber: Pani »ilrtten. Bedakli»» »n» tbeIchSst»ftrü«: Iohannisgall« it Hanpr-Filial, Dr,»»enr Sc«üra>ie <, I lTelephon tkAi. Die vorliegende Ausgabe umsaßt 6 Seiten. Marokko. Um nicht durch Erörterungen der Presse oder durch Ansichten Dritter behindert zu sein, hat man in Berlin und Paris beschlossen, vollstes Geheimnis über die Verhandlungen zu bewahren. Vis zum Ende der Verhandlungen wird man also nichts Authentisches erfahren. In Marokko selbst hat sich nichts von Wich tigkeit ereignet. — Folgende Drahtmeldungen liegen vor: Paris, 11. Juli. (Eig. Drahtmeld.) Der „Mat in" schreibt: Damit die Verhandlungen nicht durch Presse erörterungen oder durch Ansichten Dritter irgendwie behindert werden, hat man in Paris und B.erlin beschlossen, das vollste Geheimnis über hie Verhandlungen zu wahren. Aber wir können ver sichern. dass die französische Negierung entschlossen ist, bezüglich der Deutschland zu gewährenden Entschädi gung in weitherzigster Weise zu handeln. Wie ver lautet, wird der Minister des Auswärtigen in betreff der von den Deputierten eingebrachten Marokko- Interpellationen zu Beginn der heutigen Kammer sitzung erklären, es sei im Hinblick auf die mit Deutsch land angeknüpften Verhandlungen nicht wünschens wert, gegenwärtig in der Kammer eine Erörterung der Marokkofrage herbeizuführen. Madrid. 11. Juli. (Eig. Drahtmeld.) „Jmparcial" meldet: Die Negierung hat zur Deckung der Unkosten -er Polizeimassnahmen in Larrasch und Elksar für Leide marokkanische Gebiete Steuern aus geschrieben. Auf Protest des Sultansvertreters in Elksar hat Spanien die Vorlegung des Polizei kostenetats angeordnet. Paris, 11. Juli. lEig. Drahtmeld.) Die „Agcnce Havas" meldet aus Elksar vom 9. Juli: Die Spanier rechtfertigen die Entwaffnung Mon tagnes und Diarnays mit einem Erlass des Obersten Sylvestre. der das Tragen von Waffen verbiete, da Elksar in Belagerungszustand versetzt sei. Montagne hat Klage beim französischen Konsul eingereicht. Paris, 11. Juli. (Eig. Drahtmeld.) Die Kammer verhandelte gestern über das vom Senat zurück gewiesene Budget und nahm dasselbe mit 161 gegen 89 Stimmen an. Während der Budgetdebatte hatte der Abgeordnete Driant die Regierung auf gefordert, sie solle sich über die Frage des Ober befehls im Heere klar äussern. Ministerpräsi dent Ca illau x erinnerte, in Verhinderung des Kriegsministers, an die ministerielle Erklärung und hob hervor, die Negierung sei um die Sicher- stellung der Landesverteidigung be sorgt. Er könne Driant versichern, dass die Armee zu jeder Zeit aktionsbereit sei. (Beifall.) Die Regierung werde mit Bezug auf die Armee nicht das geringste vernachlässigen. Driant dankte dem Minister, obwohl seine Antwort etwas unbestimmt sei. Der Zwischenfall war damit er ledigt. Im weiteren Verlaufe der Sitzung kam es zu stürmischen Szenen. Der Abgeordnete Colly machte der Regierung wegen ihrer Haltung zur Eisenbahnerfrage schwere Vorwürfe. Während seiner Rede wurden zwischen Radikalsozialisten und unifizierten Sozialisten die heftigsten Schimpfworte ausgetauschl. Der Abgeordnete Moginot sprang auf den Abgeordneten Lauche zu. Zwischen beiden kam es zu einem Handgemenge. Freunde der beiden Kämpfenden stürzten sich dazwischen. Die Be amten des Hauses versuchten vergebens, zu inter venieren. Die Sitzung musste aufgehoben und die Tribünen geräumt werden. Nach Wieder aufnahme der Sitzung setzte Colly seine heftigen Aus fälle gegen die Regierung fort. Schliesslich verlangte Caillaux die einfache Tagesordnung und das Ver trauen des Hauses. Das Vertrauen des Hauses wurde der Regierung mit einer Majori tät von 3ö0 Stimmen zugcsprochen. Zum Schluss der Sitzung trat die Kammer noch in die Debatte über die Interpellation des Sozialisten Lauche, betreffend den Ausstand der Bauarbeiter und seine Ursachen, ein. Lauche warf der Regierung vor, sie interveniere zugunsten der Arbeit geber, und erhob Einspruch gegen die Be schnldigung des Antimilitarismus, die man gegen das Syndikat der Maurer erhebe. Schliesslich wurde eine Tagesordnung angenommen, in der der Ne gierung mit 381 gegen 78 Stimmen das Ver trauen ausgesprochen wurde. Die Sitzung wurde sodann geschlossen. Gmo llürmilHe Sitzung üerirtmzölrlHen Kummer. In der französischen Kammer wurde am Montag von dem Abgeordneten Driant die Regierung um Auskunft über den Stand der Landesverteidigung ge beten. Bedeutungsvoll ist, dass diese Anfrage gerade jetzt, angesichts der „neuen Situation" in Marokko, an die Regierung gerichtet wurde. Ihre Beant wortung durch Len Ministerpräsidenten befriedigte den Frager nicht völlig: aber die Erörterungen über dieses Thema fanden keine Fortsetzung. Dagegen kam es zu lebhaften Lärmszenen, als bald darauf der Deputierte Tolly scharf gegen die Re gierung wegen ihrer Haltung in der Eisenbahner frage polemisierte. Der Wortkampf artete sogar zu Tätlichkeiten aus, was eine Suspendierung der Sitzung notwendig machte. Nach Wiederaufnahme wurde der Regierung mit grosser Mehrheit das Ver trauen der Kammer ausgesprochen. — Folgende Drahtmeldung liegt vor: Grohfeuer in üer Meettratze. ** Leipzig, 11. Juli. Ein Riescnbrand, wie wir ihn glücklicherweise in Leipzig seit langer Zeit nicht gehabt haben, tobt seir heute früh auf dem Gelände der an der Eisen bahnhaltestelle Schönefeld belegenen Lagerplätze in Leipzig-Neustadt. Durch Aushang gaben wir bereits um 11 Uhr bekannt: Ein Grohfeuer ist in der verlängerten Allecstraße auf den Lagerplätzen der Produktenverwertnngs- gesclljchaft ausgcbrochen. Drei grosse Schuppen stehen in Flammen und fünf Löschzüge sind am Brandplatz beschäftigt. Die ungeheure Rauchentwicklung ist dem Angriff der Wehr sehr hinderlich. Entstanden ist das Feuer anscheinend durch Selbstentzündung von Roh wolle. Bis jetzt sind vom Feuer betroffen die Zementfirma Wolle und die Steinmetzfirma Niedel L Keller. Da die Windrichtung gut ist, kann die Wehr das gewaltige Feuer aus seinen Herd beschränken. Einzelheiten. Kommt man die Kirchstrasse von der Eisenbahn strasse herauf, so erhebt sich an ihrem Ende gegenüber dem Gasthof Neustadt ein grosses Gelände, das seit Jahren schon als Lagerplatz für die dort befindlichen Holz-, Kohlen- und Baumaterialiengcschäfte und auch zu anderen Zwecken dient. Die Lage ist für diese Ge schäfte insofern sehr günstig, als sie dort sofort Gleis anschluss an die Bahn haben. Kurz nach 10 Uhr verbreitete sich schon in der Sradt das Gerücht von einem grossen Brand, un bald konnte man auch die Vorboten jedes Feuers — grosse Massen von Rauch — über die Stadt hinw-g- ,ziehen sehen, die einen nicht gerade angenehmen Ge ruch verbreiteten. Die Richtung zeigte nach dem Osten, wo de".n auch der Brandherd lag. Einige Minuten vor 10 Uhr sahen plötzlich die Arbeiter der Zementfirma Rudolf Wolle, die -ort draussen ebenfalls einen Lagerplatz unterhält, aus -en au' dem gegenüberliegenden Lagerplatz der P r o d u k t e n v e r w e : t u n g s ge s e I l s ch a ft mit beschränkter Haftung und der Firma Riedel L Keller lagernden Ballen von Wollabfällen und Holz die Flammen cmporlodern. Sofort lief einer der Arbeiter nach dem nächsten Feuermelder, um die Feuerwehr zu alarmieren, die um 9 Uhr 39 Min. ans- rückie. Inzwischen verbreitete sich das Feuer mit rasender ltzeschwindigkeit, denn die mit Oel getränkten Wollabfälle boten ihm zu reichliche Nahrung, und ausserdem trieb der Wind die Flammen zu immer grösserer Heftigkeit und Ver breitung. Bald stand der ganze Lagerplatz in Hellen Flammen, und auch ein an der Durchfahrtsstrasse be- legenes Holzlager hatte bereits Feuer gefangen. Als der erste Feuerlöschzug der zweiten Feuerwache am Gerichtsweg an der Brandstelle eintraf, fand -er den Zug führende Oberfeuerwehrmann bereits einen so ausgedehnten Brandherd vor, dass er sofort an die Hauptfeu'rwache die Meldung Grohfeuer weitergab, worauf äusser dem bereits unterwegs be findlichen Automobillöschzug unter Leitung des Brandinspektors Kaestncr noch ein zweiter Lösch zug ausrüate. Ausserdem beorderte Brandinspektor Kaestner, der nach seinem Eintreffen an der Brand stelle die Oberleitung übernahm, auch noch einen Löschzug der 5. Feuerwache an die Brandstelle, wäh rend inzwischen der Löschzug der Plagwitzer Wache nach der Hauptfeuerwache kommandiert wurde, um im Falle des Ausbruchsweines anderen Brandes dort zur Stelle zu sein. Ausserdem trafen kurz hinterher noch die freiwilligen Wehren von Mockau, Schönefeld und Stünz sowie die Fabrikfeuerwehr der Firma Karl Krause in Anger-Crottendorf an der Brandstelle ein. Brandinspektor Kaestncr legte den Hauptwert vor allen Dingen darauf, die umliegenden Lager plätze vor einem Uebergreifen des Feuers zu be wahren und liess deshalb den Brandherd von vier Seiten aus angreifen. Die fünfte Wache wurde nach der Ostfeitc herübcrbeordert, während die zweite Wache von der Nordscite und die Löschzüge der Hauptwache von der Süd und Westseite aus den Brandherd mit Dumps- und Hantdruckspritzen an griffen. Die übrige» Wehren wurden den einzelnen Wachen zur Unterstützung zugctrilt. Die Feuerwehr musste, um an den Brandherd heranzukommen, Riesenschlauchleitungen auslegen und sich das Wasser von ziemlich weitentlegcnen Hydranten holen. Zur Verlängerung dieser Leitungen mussten sogar noch Schläuche von der Hauptwachc nachgeholt werden. Das Feuer verbreitete eine so enorme Hitze, dass einzelne Feuerwehrleute mit Nauchhelmen aus gerüstet werden mussten, um in der Nähe des Feuers verbleiben zu können. Es war ein schaurig schöner Anblick, dieses einzige Flammenmeer zu beobachten, aus dein die dichten Rauchwolken zum Himmel cmporstiegen. Nach etwa einstündigcr an gestrengtester Tätigkeit konnte bereits ein Erfolg er zielt werden Es gelang die umliegenden Lager plätze vor einem Ueberspringcn des Feuers zu be wahren und dieses auf den allerdings riesigen Brand herd zu beschränken. Was aber innerhalb dieses Brandherdes lag. war rettungslos verloren und dem furchtbaren Elemente preisgegeben. Don Glück ist der Umstand gewesen, dass der herrschende Wind nicht weiter aufsrischte, sonst wäre der ganze Lagerplatz unrettbar dem verheerenden Feuer ver fallen gewesen. Die Entstehungsursache ist auf Selbstentzündung der Wollabfüllc zurückzusllhren. Diese seit längerer Zeit dort lagernden Ballen von Wollabfällen waren mit Oel getränkt und hatten sich durch die Hitze in den letzten Tagen entzündet. Nur dadurch ist es zu erklären, dass das Feuer mit so vehementer Gewalt um sich griff und einen solchen Umsang annehmen konnte. Eine andere Version, die an der Brandstelle kolportiert wurde, erscheint nicht recht glaubhaft. Danach sollte das Feuer durch Funkenübersprung aus einer auf dem Platz der Produkten-Vcrwertungs- gesellschaft ausgestelltem Maschine entstanden sein. In diesem Falle hätte aber der Brand keinen so grossen Umfang annehmen können, da die Ballen unter einem Schuppen standen und auch wohl nicht sogleich Feuer gefangen hätten. Der eingerichtete Schaden ist enorm, doch bis jetzt nicht abzuschätzen, da zur Stunde der Brand noch immer nicht abgclöscht ist, und die Feuerwehr wohl auch bis zum Abend wird an der Brandstelle tätig sein müssen. Auf die Nachricht von dem Ausbruch des Feuers pilgerten natürlich Tausende von Menschen nach der Brandstelle, um das Riesenfeuer zu sehen, und die Schutzmannschaft hatte alle Hände voll zu tun, um die Massen zurückzuhalten. Uebrigens hatte das Feuer auch eine grössere Verkehrsstörung im Gefolge, da die Wagen der Linie 5 der Roten Elektrischen nicht über die Schönefelder Drück« verkehren konnten. Der Betrieb wurde durch Umsteigen aufrecht erhalten. Die schöne Grzellenz. 43 s Roman von T. Tschürnau. tStachdrurt verboten.) Der Legattonsrat zerbrach sich Len Kopf nach einem Mittel, notabene, nach einem gefahrlosen Mittel, Len Verräter zu entlarven. Er spähte, er horchte, er spekulierte: er trug mit Bienenfleiß alles zusammen, was ihm möglicherweise ein« Handhabe zur Rettung Saschas und zur Rach« an Gülzow werben konnte, und während er das bat, trug er eine tiefe Melan cholie zur Schau und bildete sich ein, am Rande des Graves zu stehen. Mindestens ein Dutzend neuer, schwerer LeiLen hatte er in Lieser sorgenvollen Zeit schon an sich herausgefunden. Fräulein Krautewitz gab sich die grösste Mühe, ihn zu trösten und auszurichten. Er musste sich beständig drehen uird wenden, um ihr zu entgehen: er musste stets auf seine Sicherheit bedacht sein, und auch das verdankte er diesem Gülzow, ohne dessen Dazwischenkommen die Kraute witz kaum den Mut gefunden hätte, die Belagerung wieder aufzunehmcn. Jetzt freilich war er vogelfrei, und die Er oberungsgelüste seiner Verfolgerin, sowie deren un glaubliche Illusionen wuchsen an dieser Tatsache empor zu geradezu schwindelnder Höhe. Wer konnte es unter solchen Umständen dem armen Legationsrat verdenken, Lass seine frühere Vorliebe für Gülzow sich jetzt in bitteren Hass ver wandelte? — Das Urteil Les Rittmeisters Selbitz über Erich war anfangs kaum freundlicher als das des Legationsrates. Ein wahres Glück war es zu nennen, dass Erich mit seiner Freudenbotschaft zuerst an Frau Lotti kam und diese Zeit gewann, ihren stürmischen Gatten zu beeinflussen, der sonst sicherlich dem leichtfertigen Vetter gegenüber nicht mit seiner Meinung über diesen haarsträubenden Egoismus hinter dem Berge gehalten haben würd«. „Es ist doch nun einmal geschehen", beschwichtigte sie ihn. „Aendern würdest du durch deine bitteren 2vahrheiten nichts, nur Unfrieden stiften. Auch ist diese Verbindung trotz allem und allem ein grosses Glück für Sascha. Bei ihrer Armut, bei einer solchen Mutter —" „Immer noch bei weitem besser, als ein solcher Gatte!" „Fritz, du vergisst dich! Was auch die Untugenden meines Vetters sein mögen, er ist ein Ehrenmann!" „Ein Leichtfuss ist er, ein Taugenichts!" Dabei blieb der Baron vorläufig, und seine in grimmige Miene, vereint mit der himmelstürmenden Uebcrschwcnglichkeit dieser „grundverrückten, alten Schachtel", wie der Rittmeister die Verfasserin der „Feuerseelen" respektloserweise nannte, liessen bei dem schnell inszenierten Derlobungsfeste nicht viel Behagen aufkommen. Die allgemeine Stimmung änderte sich erst, als am zweiten Tage danach die geniale Stirnlocke der Gräfin Matuska in der Ferne verwehrte und der rote Rembrandthut aus dem Gesichtskreis der Nach schauenden verschwand. Graf Gülzow zog den Arm seiner Braut fester in den seinen: sie lächelten beide und sahen sehr glück lich aus. Der Bann, der auf ihnen gelogen hatte in diesen Tagen, jetzt war er gelöst. Elftes Kapitel. Der Weihnachtsabend dämmerte herein. Die Glocken der Stadt läuteten das Christfest ein. der rege Verkehr hörte auf, die Buden auf dem Markte schlossen sich, die durchfrorenen Verkäufer packten den Rest ihrer Waren zusammen und eilten heim. Sacht und gleichmässig fielen die grossen, weichen Schneeflocken zur Erde herab; hier und da flammte ein Thristbaum auf, immer hellerer Lichtschein fiel aus den Fenstern der Häuser auf die ticfverschneiten Strassen hinaus. Die Front des Selbitzschen Hauses war glänzend erleuchtet: am hellsten brach der Schein aus den vier Mittelfenstern, die zu dem grossen Empfanqssakon gehörten. Hier standen drei gross« Christbäume,' und auf langen, weiss gedeckten Tischen waren die Geschenke für die Familie und die Dienerschaft ausgebreitet. Im Selbitzschen Hause herrschten jene patriarcha lischen Festqewohnheiten. die auf den deutschen Adels schlössern bis zum heutigen Tage schöne Sitte ge blieben sind. Die Baronin Lotti dachte darin ganz anders als die meisten Damen der Residenz, die ihren Leuten einfach eine bereits im Mietskontrakt festgesetzte Summe als Weihnachtsgeschenk auszahlten oder viel mehr auszahlen liessen. Die schöne Exzellenz zum Beispiel wäre äusser sich gewesen, wenn man ihr zugemutet Härte, sie sollte am Christabend ihre Dienstleute — diese bezahlten Maschinen — in ihre Wohnräume, in ihre unmittel bare. geheiligte Nähe kommen lassen, b'i äonc, sie würde Las höchst plebejisch gefunden haben. Aber wie gesagt, Baronin Lotti dachte anders. Bei solchen Gelegenheiten zeigte sie sich in ihrer ganzen warmen Herzensgüte, um derentwillen man ihr die gelegentlichen Grillen gern vergab. Sie hielt cs nicht unter ihrer Würde, die Herzenswünsche ihrer Leute durch kleine Listen zu er forschen. und Lass sic diesmal wieder den Geschmack jedes einzelnen aufs Haar getroffen hatte, ging aus den vergnügten Gesichtern klar hervor. Man musste nur das zufriedene Schmunzeln sehen, mit Lem Joseph, der langbärtige Kutscher, die umfangreiche silberne Uhr mit -er breitgliedrigen Kette und Lem daran baumelnden Georgentaler betrachtete: man musste das glückstrahlende Gesicht des eitlen Zöschens beobachten, das schon im voraus von den Erfolgen träumte, zu dem der zierliche, kokette Winteranzug ihm verhelfen sollte, ein Anzug, Lessen Herstellung die Baronin ganz so sorglich überwacht hatte, als ob es sich um eine Ballrobe für sie selbst öder Komtesse Sascha gehandelt hätte. Wie ein Irrlicht huschte die Baronin aus einer Ecke des Saales in die andere, und wo sie erschien, wurden die Blicke noch Heller, die Gesichter noch heiterer. Sie gab nicht nur von Herzen gern, sondern sie befass auch das ebenso seltene als liebenswürdige Talent, auf die rechte, herzerfreuende Weise zu geben. Dann bei guter Zeit wurden die Leute entlassen, damit sie unten im Souterrain bei Karpfen, Sauer kraut und Mohnllössen den Weihnachtsabend nach ihrem Belieben geniessen konnten. Das weihnachtliche Familiendiner hatte schon vor der Bescherung stattgefurrden; äusser dem Kammer diener, der im Laufe des Abends den Tee zu ser vieren hatte, wurde niemand von den Dienstleuten mehr beansprucht. Man fand sich an solchen Abenden lieber in kleine Unbequemlichkeiten, als dass man die Festfeier im Souterrain gestört hätte. Der Schein der Christbäume beleuchtete eben ein höchst komisches Bild. Um eine Probefahrt auf einem wunderbaren, ganz in Weiss und Gold schimmernden Schlitten zu ermöglichen, hatte Baron Fritz sich dazu entschlossen, interimistisch Sie Nolle des Ponys zu spielen, welch letzteren man doch nicht wohl nach dem Salon hatte heraufjchaffcn können. Ganz uneingedenk seiner Würde alsDragoner-Nittmeister und Hausherr liess der Baron sich widerstandslos mit Schellen und glänzendem Riemenzeug behängen, und als er nach längerem Parlamentieren seine Menschenrechte we nigstens jo weit gewahrt hatte, dass der aufrechte Gang ihm statt des auf allen Vieren Einherkriecbens gestattet wurde, begann die wilde Jagd. Mit einem ungeheuren Aufwand von Stimmitteln trieben Raoul und Freddy den Pseudopony an, der, als Entschädigung für das. was er verrveigert hatte, so kunstvoll wieherte, als habe er sein Lebtag nichts anderes getan. Frau Lotti lachte ausgelassen über die hippodromischen Leistungen ihres törichten Gatten, und selbst das Brautpaar in der anderen Salonecke, so versunken es offenbar auch in seine eigenen Angelegenheiten war, stimmte in die all- ge neine Heiterkeit ein, freilich nur, um gleich darauf wieder die ganze Welt um sich her zu vergessen. Die beiden waren heute zu Frau Lottis höchster Befriedigung ganz ebenso langweilig, wie alle nen- verlovtcn Pärchen es zu sein pflegen. Sie hatten nur Augen füreinander, und wenn Baron Fritz nicht gar so angelegentlich mit seinen augenblicklichen Pflichten beshäktigt gewesen wäre, so hätten ihm die vielsagen den, triumphierenden Blicke kaum entgehen könncn, mit denen seine lebhafte, kleine Frau ihn förmlich bombardierte. Was wollte er denn? Die beiden da drüben waren ja so glücklich, wie zwei Mensch » es überhaupt nur sein konnten auf dieser mangelhaften Erde. Freilich war diese Liebe bei Gülzow mehr innige Zärtlichkeit als heisse Leidenschaft und bei Sascha mehr kindliches Vertrauen als die süsse Scheu einer ersten, heissen Neigung. Aber was tat das? Der brausende Strom der Leidenschaft hatte Erich unglücklich genug gemacht: in d«m klaren Waldbach dieser reinen Liebe würde er Frieden und Glück wiederfinden. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)