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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.08.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-08-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110808026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911080802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911080802
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-08
- Tag 1911-08-08
-
Monat
1911-08
-
Jahr
1911
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Bezug» Preis tftr Leipzig Dorott« durch ualerr Trager und Cvedtieure Lmal täglich in» yau» gebracht SV Pt. inonatl., k.7U Btt. vi«rirl)ohrl Bei unten« Filialen u. An nahmestellen adaeholt 75 P>- manatl.. LWNtk. oterteljährl. Durch bt» P»>t: innerhalb Deutichland» und ver Veuttchen Kolonien vierteltäktl. S.SU Ntt„ monatl. t.vt Mk. aueichl. Poitbeitelloeld Ferner in Belgien, Dänemark, den Donaustaaten, Italien. Luxemburg, Niederlande, Nor wegen Ocjlerreich - Ungarn. Nuftland, Schweden^ Schwei» u. Sonnten. In allen übrigen «taaten nur direkt durch di« Eeiaiattolrell« be» Blatte» erhältlich. Das Leipziger Tageblatt «rtchetnt 2mal täglich. Sonn- a. Ferettag» nur «argen». Ldonnement»-ilnnahme 2ahanui»g»it« 8, der unteren Trager,». Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, lowr« Postämtern und Brtesträgerir. Abend-Ausgabe. UrWigcr Tageblaü » . -n f14S«(N.cht..Ichl.» Tel.-7inschl.114MS ll48SL --i..7in,ch«.!rrDHandelszeitung AmtsSkatt des Aales und -es Nottzeiamtes der Stadt Leipzig. Lnzetgen-Prri» k»r Insormt» «n» L«tp,tg »nd Umgebung di« Ikalttg« V«Mz«tl« 25Pt,di«Netlaine- »«U» 1 AN.' »un «»wärt» R Pt, Reklame n llv vtL. Interut« von Behörden im amt lichen Teil di» vettt,eil« 50 Pt. <S«tchäft»an»eig«n mit Platzoorschristen u. in der Abendausgabe im Preit« erhöht Rabatt nach Tarif. Beilagegebühr Teiamt- auslag« 5 Mk. p. lausend «rkl. Postgebühr. Irtldeilag« höher. Fest«rtetlt« Auftrag« können nicht »urück- a«»og«n w«rd«n. Fstr da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird kein« iöarantir übernommen. Anzeigen »Annahme: Iobannirgalf« 8, bei säiMliche» Filialen u. allen Annoncen- E»p«ditian«n des In- und Ausländer. Druck uu» Berlug »un Fischer L Rieften Inhaber: Paul Rurfteu. Red»kti,n und kSeschästrsrelle: 2ohanni»gaile 8. Lauot - Filiul« Dreaden: Seestrafte «. 1 (Telephon El». Nr. 218 Dienstag, üen 8. Kuyult 19 N Die vorliegende Ausgabe umfaßt 6 Seiten. Die vetvbiU im englischen Untertzsule. Im englischen Unterhause spielt sich zurzeit die letzte Phase des Kampfes zwischen den Lords und dem Ministerium Asquith ab. Die Entscheidung zu gunsten des Ministeriums ist wohl schon als gefallen zu betrachten, aber noch ein letztes Mal versucht die Opposition, die verhaßte Petobitl zu Fall zu bringen, wobei sie allerdings an einen Erfolg selber nicht inehr glölubt. Ueber die gestrige Sitzung des Unter hauess liegt noch folgender Bericht vor: In Erwide rung auf eine Anfrage Balfours betreffend den Zeitpunkt, zu welchem an die Krone das Ersuchen gestellt worden sek, neue Peers zu ernennen, erklärte Premierminister Asquith, dieses Ersuchen sei gestellt und angenommen worden, nachdem die Lords ihre Amendements zu der Parla mentsdill eingebracht hätten. Es hätten vorläufige Verhandlungen vertraulichen Charakters zwischen dem König und den Ministern stattgefunden, und er werde im Laufe der Debatte über diese etwas mit teilen. Balfour beantragte hierauf ein Tadels votum und erklärte, die Minister hätten ihre Rechte als Berater der Krone gröblich mißbraucht und durch den Mißbrauch dieser Rechre sich über die Konstitution ge stellt. Hhr Vorgehen sei ohne Beispiel, und sie yatten die,en Weg eingeschlagen nicht unter dem Zwang eines großen, überwältigenden Druckes der öffentlichen Meinung, sondern um ein« parlamen tarische Abmachung zwischen den sie unterstützenden Parteien durchzusetzen, und zu dem Zweck, das Bolk daran zu hindern, seine Meinung über Home rule zu äußern. Balfour berührte im weiteren Verlauf seiner Rede die Meinungsverschiedenheiten in der unionistischen Partei. Er erklärte, er stimme mit der Ansicht einiger Unionisten, daß sie gegen die Parlamentsbill dadurch kämpften, daß sie die Regierung zwängen, die Prärogative der Krone bis zur äußersten Grenze zu mißbrauchen, nicht über- ein. Dieser Mißbrauch sei im wesentlichen bereits vollendete Tatsache und dte englischen Staats einrichtungen seien gänzltch aus den Fugen. Trotz dieser Meinungsverschiedenheiten unter den Unionisten dürften diejenigen, die die Regierung unterstützen, nicht glauben, daß sie aus die,em Zwiespalt irgendeinen großen Vorteil für sich eiuheimsen würden. (Beifall bei der Opposition.) Sooald diese in zweiter Linie stehenden Streitpunkte aus oem Wege geschafft seien, würde sich nicht nur jeder Unionist im Königreich, sondern weite Schichten im Bürgertum, die an den politischen Streitfragen bisher keinen großen Anteil genommen batten, ver gegenwärtigen, daß auf Anraten von Asquith die Prärogativeder Krone so gröblich miß braucht worden sei, daß eine Fortsetzung des zur zeit bestehenden Zustandes unmöglich sei. (Beifall bei der Opposiiton.) Asquith, der von langanhaltendem Beifall der Ministeriellen empfangen wurde, sprach ohne Unterbrechung seitens der Unionisten. Er erklärte, der Rat sei der Krone gegeben und von ihr ange nommen worden im Hinblick auf die gegenwärtige Lage. Nachdem Asquith auseinandergesetzt hatte, daß er auf des Königs dringenden Wunsch Vie Mit teilungen, die bisher von König und Minister ver traulich behandelt worden seien, bekanntgeben könne, erklärte er, daß nach dem Scheitern der Konferenz das Kabinett sich über die Auflösung des Parlaments schlüssig gemacht, aber den König benachrichtigt habe, daß es nicht die Verantwortung übernehmen könnte, eine Auflösung anzuraten, wenn es nicht wüßte, daß, im Fall die Regierungspolitik von einer angemesse nen Mehrheit des Unterhauses gebilligt würde, der König bereit sei, seine Prärogative auszuüben, um die Sicherheit zu gewähren, daß die Entscheidung über das Endergebnis dem Lande anheimgegeben werde. Die Minister bätten auch dem König mit geteilt, daß sie sich völlig der Wichtigkeit bewußt seien, den Namen des Königs aus dem Parteistreit zu lassen, und die Zustimmung des Königs erbeten, im Staatsinteresse Mitteilungen über die Absichten der Krone erst zu veröffentlichen, sofern und sobald sich die Notwendigkeit zu einem solchen Rat ergebe. Der König sei nach sorgfältiger Erwägung aller Um stände zu dem Schluß gekommen, daß er keine andere Wahl habe, als dem Rat des Kabinetts zuzustimmen, und demgemäß habe er, Asquith, am 18. November 1910 die Auflösung des Unterhauses verkündet. Asquith stellte weiter in Abrede, daß die bestehende vertrauliche Abmachung zwischen dem Souverän und den Ministern eine Unwahrhaftigkeit in die nach folgend« Diskussion der Bill hineingebracht hätte. Die Bill, erklärte der Minister, ist von uns immer behandelt worden und wird jetzt behandelt werden als eine Bill, die im Prinzip von der Wählerschaft gebilligt ist, und di« deshalb mit jeder vernünftigen Aenderung, die ihrem Prinzip nicht verhängnisvoll ist, zum Gesetz erhoben werden soll. Erst als meine Hoffnung, daß das Oberaus die Bill annehmen werd«, vergeblich war, wurde der König gefragt, und willigte ein, nötigenfalls seine Prärogative auszu üben. Ich habe nichts zu entschuldigen oder zu ver teidigen. (Beifall bei den Ministeriellen.) Wir schlugen nur den Weg «in, der mit den Erwägungen der Ehr« und der wahren Rücksichtnahme auf die Würde der Kron« übereinstimme. Der von uns ein geschlagene Weg war korrekt, überlegt und ver fassungsgemäß, und das Kabinett ist, was ihn an betrifft, bereit, sich auf die Entscheidung des Hauses und unserer Landsleute zu stützen. Asquith fuhr fort, die Bill Hube, als sie aus dem Oberhaus zurückkam, nur mehr eine oberflächliche Aehnlichkeit mit der ursprünglich beabsichtigten Maß nahme getragen, und unter der Voraussetzung, daß das Land die Bill guthieß, habe die Regierung keinen anderen Ausweg aus dieser Situation gehabt, als den von ihr gewählten. Es ist mir vergönnt ge wesen, schloß Asquith seine Rede, drei britischen Souveränen zu dienen, und dabei in nahen Be ziehungen zu ihnen zu stehen, und mein Gewissen sagt mir, daß ich in dieser Eigenschaft unaufhörlich mich bemüht habe, die Würde und die berechtigten Privilegien der Krone zu wahren, aber ich habe mein Amt nicht nur durch die Gunst der Krone, sondern durch das Vertrauen des Volkes, und ich würde mich d«s Verrates schuldig machen, wenn ich im ent scheidenden Augenblick des großen Kampfes sein Ver trauen täuschen würde. (Laute Beifallsrufe bei den Ministeriellen.) * Ueber den A u sgang der Debatte liegt fol gendes Telegramm vor: London, 8. August. (Eigene Drahtmeld.) Das Unterhaus lehnte in seiner gestrigen Sitzung das von Balfour beantragte Mißtrauensvotum gegen die Regierung mit 365 gegen 246 Stimmen ab. MjnMerkrMs In Ungarn? * Der Reichskriegsminister Baron von Schönaich gedenkt oonseinemPostenzurück- zu treten, und sein Rücktritt, der auf Un stimmigkeiten in der Armeepolitik zurückzuführen ist, läßt den Rücktritt des ungarischen Kabi netts Khuen-Hedervary als möglich erschei nen. — Folgende Telegramme liegen vor: Wien, 8. August. (Eig. Drahtm.) Der Reichs- kriegsminister Baron v. Schönaich wird in den nächsten Tagen dem Kaiser sein Demisfionsgefuch überreichen und von seinem Amte zurücktreten. Freiherr von Schönaich begründet sein Demissionsgesuch mit dem Umstande, daß er im 49. Lebensjahre nicht mehr im Vollbesitz seiner Gesundheit sei. Das DemissionsgZuch dürste vom Kaiser genehmigt werden. Als Nachfolger wird Feldmarschalleutnant Krobatir genannt. Der Kriegsminister fällt, weil seine Armeepolitik sich schon seit langem im Gegensatz zu der Meinung befand, die in den dem Thronfolger nahestehenden Kreisen herrscht. <7. Wien, 8. August. (Prio.-Tel.) Die bevor stehende Demission des österreichischen Reichskriegs ministers wird aller Voraussicht nach den Sturz des gesamten ungarischen Kabinetts zur Folge haben. Die Armeepolitik des Reichskrieqs- Ministers, die mit derjenigen der militärischen Be rater des Thronfolgers in schroffstem Gegensatz steht, hatte schon seit langem Unstimmigkeiten erzeugt, die seine Stellung unhaltbar machten. Dieser Gegensatz hat seinen Grund hauptsächlich in der allzu großen Nachgiebigkeit gegenüber g e - wissen ungarischen Forderungen, beson ders in der Waffen- und Emblemenfrage, sowie auch in Forderungen, nach Gewährung der ungarischen Armeesprache. Die Demission des Barons von Schön aich wird weiterhin mit einzelnen Bestimmungen in der Militärstrafprozeßordnung in Zusammenhang gebracht, mit der der Reichskriegsminister Ungarn gegenüber ein größeres Entgegenkommen bekundet haben soll, als es Oesterreich genehm war. Der Er ledigung der Wehrvorlage stehen nicht nur in Ungarn, sondern auch in Oesterreich so große Hindernisse ent gegen, daß sie den Sturz des Kabinetts Khuen-Hsder- vary zur Folge haben werden. 58. Deutscher Katholikentag. Hx. Mainz, 7. August. (Telegraphischer Bericht.) Nachmittags fand in der überfüllten Stadthalle die erste öffentliche Versammlung statt. Der Präsident Graf Kalen gedachte in seiner Er öffnungsrede des 100. Geburtstages des Bischofs v. Ketteler. Unsere Gegner erwarten von uns eine Störung des konfessionellen Friedens. Aber wer sich im Vollbesitz der Wahrheit weiß, der übt echte Toleranz. Auf die großen sozialen Fragen der Gegenwart gibt uns die katholische Lehre und die katholische Liebe eine Antwort. Unser Wahlspruch ist: „Voran mit Mut, mit Mut unter dem Kreuz." los. Jahrgang. (Stürmischer Beifall.) Der gestrige Festzug zeigte die herrliche Entwicklung des katholischen Vereins lebens. Wir haben in Deutschland leider immer noch ein Ausnahmegesetz gegen die Ordens leute. Anarchisten, Freimaurer. Sozialisten da gegen stehen unter dem allgemeinen Recht. Aber die Jesuiten könnten ja. wenn kein Ausnahme gesetz bestünde, Sen Kaiser unterstützen in dem Be st reben, dem Volke die Religion zu erhalten. (Sehr gut!) Die Schamröte steigt mir ins Gesicht, wenn ich denke, das; das große Deutsche Reich, das auf allen Weltmeeren mit sprechen will, sich durch Ausnahmegesetze schützen muß gegen die armen katholischen Ördensfrauen vom heiligen Herzen. (Stürmischer Beifall.) Ueberall weichen die Staatsregierungen in dem Kampfe um die konfessionelle Schule zurück vor der Linken. Zn Preußen datiert dies, seitdem man 1892 den Grafen Zedlitz und sein Schulgesetz den Liberalen geopfert hat, und in diesem Jahre hat die preußische Regie rung an einem Tage den obligatorischen Religions unterricht für die Fortbildungsschulen für über flüssig erklärt und im Herrenhause das Feuer- bestattungsgesetz durchgebracht, ein Schlag ins Gesicht beider christlichen Konfessionen und selbst der Juden. Was die Großblockherrschast bedeutet, sieht man an Frankreich. Wir haben den Großblock im Muster lande Baden, und an unseren Gegnern liegt es nicht, wenn er im Reiche nicht zustande kommt. Wir fordern volle Freiheit für unsere Orden. (Minutenlanger Beifall.) Aber mögen noch so stürmische Zeiten kommen: „Voran mit Mut, mit Mut unter dem Kreuz." (Langanhaltendsr Beifall.) Jubelnd begrüßt sprach hierauf Bischof Kir- stein-Mainz. Der Festzug hat gezeigt, daß die katholische Sache in Deutschland noch lange nicht ver loren ist. sie ist auch in Mainz noch nicht verloren. Diejenigen, die so viel zu nörgeln haben an den deutschen Katholiken, sollen einmal Herkommen und unsere Festzüge ansehen. (Erneuter Beifall.) Uebcr- haupt sollten diese Leute zuerst einmal vor ihrer Tür alles sauber machen. Gewiß ist auch bei uns Schatten, aber wo Schatten ist, da ist auch Licht. Wo kein Schatten ist, da ist überhaupt nichts. (Sehr richtig!) Wenn wir Fehler machen, so wissen wir, an wen wir uns zu wenden haben, an den Heiligen Vater und an die Bischöfe, deren Weisungen wir folgen. Wir hätten nicht mehr das Bewußtsein, katholische Bürger zu sein, wenn wir diesen Autoritäten nicht mehr vollen Gehorsam schenken würden. (Stürmischer Bei fall.) Wir wollen auch aus dieser Generalversamm lung lernen die Treue und den Gehorsam gegen den päpstlichen Stuhl und gegen die von Gott eingesetzten bischöflichen Autoritäten. Darauf hielt Reichstagsabgeordneter Freiherr o. Hertling, von lebhaftem Beifall begrüßt, eine Gedächtnisrede auf den Bischof v. Ketteler, in der er zu folgendem Schluß kam: Ketteler starb 1877 als ein Apostel der Deutschen im 19. Jahrhundert, er starb in der trüben Zeit des Kulturkampfes. Bessere Zustände sind gekommen, aber es fehlt nicbt an warnenden Zeichen für die Zukunft. Ringsumher sind die Mächte der Finsternis an der Arbeit, den Glauben an Gott und Jenseits aus dem Herzen der Menschen zu reißen, und die an den Erfolgen ihrer materiellen Auffassungen trunkene Welt taumelt dem Verderben entgegen. Aber, so schließe ich mit Ketteler, zwei Dinge stehen fest: Die Kirche Christi, sie ist kämpf- und sturmgeübt: und zweitens stehen fest die Männer, die ihr Leben Unü LS entgeht ihr keiner. 29! Roman von Joachim von Ditrow. (Nachdruck verboten.) In langsamen Bewegungen, die Augen halb ge schloßen. hatte der Leutnant Kammern in der Neben log« Platz genommen: in seinem Gefolge war ein Einjähriger, der sich seiner besonderen Protektion erfreute: Graf Lengenbach. „Du Polde! Siehst du das Bild da geradeüber? — Zwei Rosen neben einem alten Weißkepf? Töchter können es kaum sein, dazu ist der Weißkopf zu alt." „Jawohl, dazu ist der Weißkopf zu alt," klang es gelaßen, worauf Polde in langsamer Wendung das Glas nach der anderen Seite hin dirigierte. Der Kamerad gab ihn auf. Leopold von Kammern war einer der älteren Herren im Regiment — spät Offizier geworden und bejahrter aussehend, als er war. Eine hohe, leicht ge beugte Gestalt, regelmäßige, etwas schlaffe Züge, sanft herabhängende Mundwinkel, die sich in die Breite zogen, wenn er, immer ein wenig zwi schen den Zähnen, zu sprechen anfing. Er sprach im ganzen wenig und langsam, sagte aber Nettes und Witziges, weshalb ihn die Kameraden gern hatten, ebenso die Damen. Er batte sein lebelang das schöne Geschlecht liebevoll behandelt, und da es ihn seiner seits auch liebevoll behandelte, fand er sich in seinen Verhältnissen allzeit etwas dcranqicrt. Seitdem der Leutnant von Kammern in irgendeinem alten Lr- gendenbuche gelesen hatte, daß die heilige Jungfrau einst über Nacht einem wackeren Kriegsmann die Schulden bezahlt hatte, trug er sich mit einer Wall fahrt nach Lourdes. Im übrigen war er jedoch nicht der Mann für irgendwelche dunkle Tat, die mit einem Schlaae die ganze Zukunft in Trümmer wirft. — Während der Vorhang sich ankcbickte. über dem ersten Akt niederzngehen, hatte sich Leutnant Polde geräuschlos erhoben. Wenigs Minuten daraus sah man in dem Hintergründe eben der Fremden loge. dis die Herren io sehr beschäftigt hatte, sein blasies Gesicht au'tauchen ,,Ne so was! So was is doch noch gar nich dage wesen! So 'n Riemchen!" Sie sahen, wie er mit dem alten Herrn ssi-cke- machte, lang und eingehend: — wie er sich erst der einen Dame und dann der anderen vorzu stellen bat: — sahen, wie der alte Herr ein wenig unmotiviert pathetisch dieses tat: — sahen, wie Polde sich neben der Blonden, wohl der reitendsten der beiden, niederließ. „Ich fordere den Kerl!" — Und wie er nicht von diesem Platze wich, bis der aufgehende Vorhang ihn wieder auf den seinen zurück scheuchte. Jetzt mußte er beichten? Wo blieb er denn? Polde erschien überhaupt nicht mehr unter den Offizieren: er hatte den Einjährigen, den jungen Lengenbach, in einem Winkel des Foyers festgenagelt „Wissen Sie, lieber Jraf, Cie könnten mir einen riesigen Jcfallen tun!" „Stehe zu Befehl. Herr Leutnant!" Schwer und vertraulich legte sich Kammerns große Hand aus seine Schulter. „Na. wissen Se was. denn lassen Se mal das Stick — Stick sein, sehen Se rüber nach dem Hotel de Priisie oder nach dem Deutschen Hause und erkundigen Se sich jütigst. ob in einer von den beiden Kneipen der Amtsrat Hauptvogel abgesticgen ist mit seinen Damen. Ich erwarte Sie oben im Restaurant: können ja nachher wieder rinjehsn in die Bude — was?" In überraschend kurzer Zeit war der junge Mann wieder zur Stelle' „Amtsrat Hauptoogel nebst En kelin, Fräulein von Rütenbach, und Komtesse Holm sind im Deutschen Haus: abgestieaen und beabsichtigen auch dort zu soupieren. Der alte Herr hätte das Esten aufs Zimmer gewünscht, saate t er Ober, Fräulein von Rütenbach aber sei dein Zpellesaal geneigt gewesen — dort erwarte man die Herrschaften!" „Hoho! Sie sind ja der feborene Detektiv im Erjründen' Dank Ihnen, mein Bester! Und dann eins noch: Möchten wir nicht nach dem Theater vielleicht zusammen uns auch in dem Speisesaal einfindcn? Sa sind mein Jast. lieber Lengenbach!" Der Graf verstand. „Mit dem größten Ver gnügen!" Ein paar Meilen von Astraweiken war Poldss „Alter" c ngesenen. Er und der Amtsrat hatten ab und zu im Pserdchandel ein Bindemittel, und bei dem letzten Meihnachtsurlaub. den der Leutnant zu Hanse verlebt, hatte er von dem Stern gehört, der in Ge stalt der Enkelin an dem Horizont von Astraweiken anfaeqangen war. Der Stern sei aber krank, vielt sich hinter der Wolke, und di 'Ouälcrei mit dem Vor wand wäre eine unnötige Strapaze. Nun plötzlich, mitten in der Königsberger Gesellschaft, wurde der Planet sichtbar. Denkwürdiger Abend das! So etwa jemand hätte behaupten wollen, daß der Amtsrat an diesem auch für ihn denkwürdigen Abend ein glücklicher Mann gewesen sei. so irrte er sich. Er, der noch nie in seinem Leben ein paar Sterne am Bändel gcführt hatte, fühlte sich, so mitten in 0e>, Lebensdrang der frischen Jugend versetzt, über alle Maßen unbehaglich. Schon in der Garderobe hatte irgend etwas ihn festgehalten, als er vor dem Spiegel mit -er Bürsir über sein Haar fuhr. War nicht sein Kopf schmaler geworden in der letzten Zeit? Die Schläfen eingc, fallener? Jedenfalls war von irgendwelchem Genuß an dem Abend nicht die Spur vorhanden, insofern Wandas Blicke den seinigen nicht ein einziges Mal begegnet waren. Ihre Augen hingen wie gebannt an der Bühne: in den Zwischenakten betrachtete sie, die so selten Gelegenheit hatte. Leute „unter Licht" M sehen, sich das Publikum mit einer Art von ent deckerischer Neugier. Daß da gerade gegenüber die ganze Loge voll junger elastischer lsiestalten sitzen mußte! Leutnants wie die Bilder! Zu Haus« unter den Besitzern der Umgegend war er immer noch eine der stattlichsten Erscheinungen. Es tauchten so selten jüngere Herren dort auf: aber hier? — Er war froh, als der Vorhang über dem letzten Akt gefallen war. Run aber wieder im Foyer! Da wimmelten sie ja förmlich all«, die glat(«n, lzbensfrischen Gesichter! Zn der Garderobe war einer der Herren beflißen, das Cape aufzuheben, das Wanda herabgefallen war; wahrhaftig, der Kerl schickte sich an, es ihr auch noch um die Schultern zu l«gen! Täppisch packt« der Amts rat zu; — dazu war er da! Trotz der inneren Er regung fühlt« er die Löckchen in ihrem Nacken so weich auf seiner rauhen Hand, fühlte den Schlag, der ihn bei ter leisen Berührung durchfuhr; er hatte so wenig Capes um Frauenschultern gelegt bis jetzt. — In dem Speisezimmer des Hotels wurden di« Gäste mit der Servilität begrüßt, wie sie der Juchtengeruch von Reisetaschen, dis sichere Auftreten des Reichtums bei dem Hotelpersonal zeitigt. Die Herrschaften wurden sofort von dem feinnasigen Oberkellner an di« Plätze geführt, die man an der langen Tafel für sie reserviert batte. Es war damit der Moment ge kommen, den der Amtsrat sich als den Lichtpunkt des Abends zurechtgelegt hatte. Sein Finger deutet« auf «ine besonders gute Marke französischen S«kt«s. Rechts von ihm saß Wanda, links Agnete; die übrigen Gäste waren ältere Herren mit ihren Frauen, di« ihn als gänzlich unbekannt nichts angingen. Hier würde die Seele Ruhe haben! Mitten in die Zuversicht hinein ging hinter seinem Rücken eine Tür , mochte sie gehen! rasselte ein Säbel, der abgeschnallt wurde. Nanu? rlnd im nächsten Moment: „I, wo Deubel, Herr von Kammern, sind Sie auch schon wieder da!" Der Groll verflog. Mit diesem Blaßgesicht konnte man es allenfalls aufnehmen: das war ein junger Alter, und er war ein alter Junger. Die Pole be rührten sich. Als aber abermals ein Säbel abge schnallt wurde, fühlte sich das mühsam erkämpfte Be hagen wieder bedroht. Der Leutnant von Kammern trat heran: „Jestatten Sie es mir, Herr Amtsrat, in Fortsetzung unserer Bejejnung von vorhin an Ihrem Tische Platz nehmen zu dürfen? Jleichzeitig bitte ich um dies« Ehre für meinen Jast hier, den Jrafen Lengenbach." — Der Einjährige verneigte sich tief, der Amtsrat nicht einen Zoll tiefer, als es nötig war. Nicht nur, daß es der war, der Wanda vorhin das Cap« aufgehoben hatte, es machte sich wie von selbst, daß er, während der Leutnant von Kammern sich neben Agnete setzte, an Wandas Seit« Platz nahm, und daß die zwei sofort in einer angeregten Unter haltung „mitten drin" waren. Sie sprachen von Kunst. Von Bildern, Statuen; von Klinger, Uphues — tauschten die Eindrücke in einer gewißen spielenden Art aus, die dem alten Herrn so gänzlich fern lag. Anderseits: d«r da war der Graf Lengenbach, sie war di« Komtesse Holm, und er? Er war der Herr Hauptvogel, Fabrikant und ehemaliger Bäcker. Die Eifersucht, das grünäugige Monstrum, hatte angesangen, ihm seine Tatzen in das Fleisch zu schlagen; der Schmerz packt« ihn, macht« ihn zu einem anderen, al« er bisher gewesen war. Warum hatte er sie nicht gelüsten, wie er si« gefunden hatte? Stutze bei seiner Tochter als .Zräulein Holm"? Ein Glied in der langen Kette der Kreaturen im Schatten — Er zieherinnen, Vorleserinnen, Gesellschafterinnen, nach denen man nur flüchtig das Haupt wendet. Oder hätte der Graf Lengenbach sich den Platz an ihrer Seit« sonst so listig usurpiert? Leid getan hätte ihm das arme, hübsche Ding, und Mitleid ist der Feind der Lieb«. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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