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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.08.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-08-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110809017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911080901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911080901
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-08
- Tag 1911-08-09
-
Monat
1911-08
-
Jahr
1911
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Lcwrlyer Tsyebrrm s-r. ^l9. iOö. 3ktNryang. Mittwoch, 9. AuguV l9ll. Militärdienst der persischen Regierung angestellt seien, während kein englischer aktiver oder ehe maliger Offizier «inen solchen Posten bekleide. Morgan Shu sier wählte Stokes nur, weil er der einzige verfügbare europäische Offi zier gewesen sei, der da» oersische Volk und dessen Sprache kenne und deshnlv fähig sei, sofort be schleunigte Schritte zur Organisation der Gendarmerie zu unternehmen, um dir Erhebung der Zölle zu er leichtern. 8t. Teheran, 8. August. lPriv.-Tel.) Das Dor gehen der Negationen gegen Schuster ist nur eine Unfreundlichkeit. Der Finanzoarektor vev- langt, das; alle Zahlungen durch das Finanzmini- sterium und nicht durch die Douanen erfolgen. Schuster will und wird Ordnung in das Finanz wesen bringen. Die politische Lage ist immer noch nicht sehr günstig. Der Fall Stokes vor dem englischen Unterhaus«. London, 8. August. (Eig. Draht meld.1 Zn der heutigen Sitzung des Unterhauses fragte Ra na l d s h a y , ob Major Stokes in die Dienste der persischen Negierung getreten sei, und wenn dem ;o wäre, ob die Ernennung von der englischen Re gierung gutgchcisien worden sei. Staatssekretär G r cy erwiderte, er habe erfahren, das; Stokes ran der persischen Negierung angcstellt worden sei, die Anstellung könne aber von der englischen Regierung nicht gebilligt werden, falls sie nicht mit den Be dingungen im leiste des englisch russischen Abkom mens von 1007 vereinbar sei. Auf eine wertere An frage erklärte Grcy, es sei, soviel er wisse, z ie m- lich unklar, ob Stokes für ganz Persien berufen sei. Wenn die Berufung sich aus Nordpecsien bezöge, so sei nach seiner Meinung ein triftiger Grund zu der Annahme vorhanden, das; sie mit dem Geiste des e n g l i s ch - r u s si s ch e n A b k o m m cns nicht zu vereinbaren sei. 58. Deutscher LsiWikenrng. lixr. Mainz, den 8. August. (Tclegraphijck-er Bericht s Der heutige Dormittag war der Generalversamm- luug des über 700 690 Mitglieder zählenden Bollsvcrcin für das katholische Deutschland gewidmec. Die Festhalle war wiederum bis aus den lehren Platz gefüllt, und auch Kirchenfürslen hatten sich in großer Zahl zur Generalversammlung einge- fundcn und wurden lebhast beglicht. Zunächst richtete der Vorsitzende des Bolksocreiu für Las katholische Deutschland, Fabrikbesitzer F. Brandts-München- Glatbach eine Ansprache an die Dersammlung, worin er betonte, das; der Bolksverein für das katholische Deutschland der große soziale Verein sei, der die Kettelcrscheii Grundgedanken in zeitgemäßer Ausge staltung zu verwirklichen jucht. Der Verein darf sich kühnlich den größten sozialen Verein der Welt auf katholischem Boden nennen. Unser Wahljvruch: Soziale Arbeit für alle Bern's- ständc wird zu Tat und Leben. Aber wie Ketteler zu seiner Zeit vielfach unverstanden blieb und zahl reiche Gegner fand, so fehlt es auch dem Dolksverein daran nicht. Aber auch die Gegner können nicht leugnen, daß dcr Bolksverein mit voller Kraft die konfessionelle Volksschule, die echt katholische Vildungs- uud Erziehungsarbeit in der «ramilie und in den katholischen Standcsvercinigunaen vertritt, sie rück- ' haltlos fördert und pflegt. (Lrbhakte Zustimmung.) Wir fordern auch mit Nachdruck; das; die Katholiken , jn wirtschaftlichen und staatsbürgerlichen Vereini gungen ebenso treu noch den katholischen Grundsätzen denken und handeln wie sonst im privaten Leben. Allen, die außerhalb unserer tirchlichcu Gemeinschaft stehen, sei ausdrücklich gesagt, das- wir stets zu ge in e i u s a ni c r vaterländischer Arbeit mit ihnen bereit sind und das; die soziale Aufklärung, die der Bolksocreiu für das katholische Deutschland in weile .Kreise unseres deutschen Volkes hineinträgt, ebenso den Interessen aller dient, wie Kettelers Nus nach Besserung des Loses der arbeiten den Klassen und nach sozialen Reformen im ganzen Vaterland zu Heil und Segen gereicht hat. (Leb hafter Beifall) Hierauf erstattete Direktor Dr. Brauns- München-Gladbach den Jahresbericht. Die Ükreinsarbeit ist im bisherigen Rahmen weitcrgeführt worden; sie dient in erster Linie der sozialen Bildung und Schulung. Neben dem Ab wehrkampf gegen die Sozialdemo, kratie gilt sie vor allem dcr sozialpolitischen Schu lung der einzelnen Stände zur wirtschaftlicher Selbst hilfe. Hand in Hand geht die staatsbürger- liche Schulung und endlich die soziale Wohlfahrtspflege. Wenn wir bedenken, daß das Rekrut'ierungsfeld des Dolksoereins lediglich das katholische Volk Deutschlands ist, und nicht das ge samte Deutschland, so können wir stolz sein aus unsere Mitgliederzahl von über 700 000. (Stürmischer Bei fall.) Ader wir dürfen nicht auf den errungenen Lorbeeren nusrubcn. Stillstand ist Nückfchritt. Fort schritt muß die Parole sein. Fortschritt nach außen und innen. Durch das neue Reichsvereincaejetz pno den Achtzehnjährigen politische Rechte gegeben. Im Kampfe um unsere religiösen und sozialen Ideale ist den Jugendlichen die schönste Gelegenheit gegeben, dieses Recht zu verwerten. Darum herein mit solchen jugendlichen Vertrauens- in ä nnern! < Lebhafter Beifall.) Wer hierfür die notwendigen Mittel beschüsft, erwirbt sich die größten Verdienste nm unsere Cache. (Erneuter Beifall.) Wir müssen unseren Verein aber auch nach innen und außen organisatorisch kräftigen. Wir müssen unsere Vertrauensleute überall haben, damit wir im kommenden Jahr« wie bisher zu neuen Eroberungen gelangen. (.Minutenlanger stürmischer Beifall.) Hierauf nahm Generaldirektor Dr. Pieper da« Wort zu folgender Rede: Von Haus aus uno pro grammäßig haben wir unser« politische und unsere soziale Arbeit in lebenskräftiger Beziehung zu den religiös-sittlichen Mächten des Ehrt- stentums gepflegt. Diesem starken religiösen Ein schlag verdankt unsere soziale Arbeit ihre grundsätz- lick>e sichere Orientierung, ihre Volkstümlichkeit, vor allem aber immer junge, zu gemeinnütziger Selbst betätigung, drängende Triebkräfte. Wenn wir aus sprachen sollen, was wir dieser unserer Eigenart ver danken, so können wir das nicht besser tun als in dem Hinweis auf di« Lebensarbeit dec Mannes, den wir den Bahnbrecher der katholischen so zialen Arbeit, ihren Lehrmeister und Organi sator mit Stolz nennen, den großen Mainzer Bischof v. Keite le r. Mit der überwältigenden Autorität sei ner Persönlichkeit gewann er seine Glaubensgenossen zur Anerkennung seines Programms, zwang si« in sein« Schule und seine Heeressolge. Darin Ucgt die Größe Kettelers und dcr Grund seines weittragenden Einflusses auf di« katholisch« soziale Bewegung. (Sehr richtig!) Zunächst gab Ketteler unserer katholischen sozialen Arbeit eine sicher« Erundleoung und weit blickende Orientierung, indem er betonte, daß di« soziale Neuordnung unserer Gesellschaft aus der alten Wurzel unseres christlichen Kulturlebens organisch herauswachien müsse. Dann stellte er fest, daß zu der Neuorganisation der tvesellschaft sowohl der Staat, wie auch die Selbst hilfeorganisationen bei einzelnen Ständen gleichmäßig und harmonisch Mitwirken müßten. Und weiter lehrte Ketteler mit unermüdlichem Eifer, daß als letztes Ziel alles technischen und wirts^mitlichen Fort schrittes die geistige, religiös-sittliche und kulturelle Hebung des Arbeiter, st a n d e s wie überhaupt der erwerbstätigen Be völkerung geilen müsse. Alle diese wichtigen Lehren wären aber ohne Einfluß auf die soziale Entwicklung gewesen, hätte Ketteler nicbt betont, daß die deutschen Katholiken in ihrer sozialen Arbeit sich entschlossen auf d«n Boden der neuen Verhältnisse stellen müssen. Bischof v. Ketteler gab der sozialen Arbeit der Leut- ick-en Katholiken aber noch Größeres dadurch, daß er der Lehrmeister sozialer Gegenwartsarleit, einer groß zügigen Realpolitik wurde. Zunächst dadurch, daß er ollen Katholiken LiesozialeArbeitzur Tewissenspflicht machte. Nur durch das ge schlossene Eingreifen res katholischen deutschen Kle rus, der lange Zeit hindurch den katholischen Laien so zialer Erzieher uird Führer sein mußte, ist di« katho lische soziale Bewegung zu ihrer großen Entwicklung geführt rvorden. Genau den v. Ketteler um di« Mitte Les vorigen Jahrhundert» vorgezeichneten Weg ist die deutsch« sozial« Gesetzgebung gegangen. (Leb hafter Beifall.) Schon damals hat Ketteler mit gan zem Nachdruck auf die Berechtigung der Arbeiter gewerkschaften hingewiesen. In seinen nachge lassenen Papieren finden wir eingehend« Grundzüg« ausgearbeitet über eine allgemeine deutsche Gewerk- schafisbewegung. Während Liberalismus und So zialismus in der Wüste eines öden Doktrinarismus sich im Kreise herumdrehlen, führte Ketteler mit sei nem Organisationstalent die deutschen Katholiken mirten in das Leben hinein und damit zum Einfluß auf dasselbe. Wenn wir mit Stolz sagen, daß die deutschen Katholiken in der staatsmännischen Schule Windthorsts die rechte Art und glücklich« Wdse erfolg bringender stvatsbürgerlickjer Arbeit gelernt haben, so müssen wir zum andern bekennen, in d«r Schul« Kettelers haben wir schon vorher Programm und Me thode fruchtbringender sozialer Arbeit gelernt. (Leb hafte Zustimmung.) Darin liegt für uns sein« blei bende Bedeutung. Wenn wir heute dankbar dessen gedenken und zugleich das feierliche Gelöbnis ab legen, daß wir in Kettelers Geiste auf seinen Bahnen weiter sozial arbeiten wollen, dann flechten wir da mit ein kostbares Blatt in den Kronz, den bei der jetzigen Jahrhundertfeier seiner Geburt di« deutschen Katholiken an seinem Grabe niederlegen. (Stürmi scher Beifall.) Aus Vorschlag de» Rechtsanwalt Rumpf- München wurden sodann die bisherigen Vorstands mitglieder per Akklamation wiedergewählt. Tmnn nahm, mit Jubel begrüßt, Bischof? Kir« st ein-Mainz das Wort: Ich glaube die ganze Be deutung meines Erscheinens vor Ihnen liegt darin, daß ich ein Mitglied des deutschenEpiskopats bin und daß es deshalb wohl dem Volksverein für das katholische Deutschland von Interesse und Wert sein wird, wenn ich als Mitglied des deutschen Episkopats, wenn auch nur für meine Person, zunächst Ihnen meine Anerkennung für Ihre reiche und gesegnete Tätigkeit ausspreche (Stürm. Beifall). Jedenfalls besitzen wir im Dolksverein ein w o h l o r g a n i sie rte s Heer. Dann möchte ich noch betonen, daß ich fest überzeugt bin, daß die Herren im Zentralvorstand ganz und voll begeistert sind für unsere heilige katholische Sack-e, der alle latholischcu Vereine dienen müssen, da sie sich Tag und Nacht überlegen, wie können wir durch die För derung Les Volksverein der großen katholischen Sache dienen (Leohaf. Beiß). Möge diese edle Gesinnung immerdar sortleben in den Hetzen der Mitglieder. (Lebh. Zustimmung.) Nachdem der Volksverein auch das apologetische Gebiet, also ein rein religiöses Gebiet, in das Feld seiner Tätigkeit ein bezogen hat, arbeitet er auch äußerlich im Dienste dieser großen Sache. Windthorst hat wohl nie geahnt, daß der Volksverein sich zu einer so gewal tigen Organisation entwickeln würde. Möge immer Freundschaft und Verständnis zwischen dem Episko pat und dem Dolksverein herrschen. Wenn jemals Fragen austauchen sollten, wo es gut ist, sich vorher zu verständigen, dann kann der Zcntraloorstand über zeugt sein, daß die Herzen der deutschen Bischöfe warm schlagen für Lcpr Vollsversin für das katholisck,« Deutschland (Minutenlanger Beifall). Die Herzen der deutschen Bischöfe sind erfüllt von dem Gedanken, daß dcr Volksverein ein guter «katho lischer Verein ist (Erneuter lebhafter Beifall) Die Bischöfe wünschcn nichts anderes, als im Volks verein ein schlagfertiges Heer zu haben, das hinter dem Episkopat steht, das mit ihm Lämpst und strestet und mit ihm siegen wird. (Wiederholter, langanhaltender Beifall.) Inzwischen war das Präsidium des Katholiken tages in der F-sthalle erschienen und wurde von dem Vorstand des Dolkrreins herzlich begrüßt. Der Prä sident de» Katholikentages, Reichstagsabgeordneter Graf Galen, nahm dann zu einer kurzen Ansprache da» Wort, in der er dem Dolksverein al» den größten katholischen Verein feierte, der vor aller Welt den katholischen Glauben propagiert, vor einer Welt, die so gern alle» Katholische ignoriert oder gar bekämpft. In jeder katholischen Gemeinde muß es einen Zweig verein des katholischen Volksvereins geben (Stürm. Beiß).) Gleichfalls mit lebhaften Beifallskund- gedungen wurde Reichstagsabgeordneter Gröber vegrM, der in längerer Rede die Aufgabe» und Ziele de» Lereins darlegte. Er nannte den Verein einen Massen« erzichungs-Derein, der sich in der nächsten Zeit vor allem den Ausbau der sozialen Gesetzgebung zugunsten des Mittelstandes und der Privatbe amten angelegen lassen sein muß. Darüber hinaus muß die gesamte Gescbaebung mit sozialem Oel ge salbt werden, vor allem die Gebiete der Rechtspflege und der Steuergesetzgebung müssen vom Standpunkt eines vernünftigen sozialen Denkens und Fühlens anfgcarbeitet werden. Der Volksverein steht als katholischer Verein voll und ganz auf dem Boden der katholischen Kirche. (Sehr richtig! und Beifall.) Unser Verdn will nur wirken aus der Fülle der Kraft der katholischen Kirche, alle Mitglieder des Dolksvereins wollen treue und gehorsame Söhne des Papstes und der Bischöfe sein und bleiben. (Lebhafte Zustim mung.) München-Gladbach ist ohne staatliche Hilfe eine katholische Hochschule geworden, an der mancher deutscher Hochschulprofessor noch lernen könnte. (Heiterkeit und Beifall.) Wir passen uns ganz den Bedürfnissen der Zuhörer an, was bei den Aniversitätsprofessoren nicht immer der Fall sein soll. (Erneute Heiterkeit und Beifall.) Nach weiteren Be grüßungsansprachen von Vertretern auswärtiger Vereine wurde die Genccaloersammlung geschlossen. In der zweiten geschlossenen Dersammlung, die am heutigen Dienstag mittag stattfanö, wurde das Antworttelegramm des Groß- herzogs von Hessen bekannt gegeben; der Großhermq bedankt sich in liebenswürdiger Wei!e für die ihm und den Seinen übermittelten Wünsche. Dann beschäftigte sich die geschlossene Bersnminlung mit einer Reihe von Anträgen, die das Missions- weien betreffen. Ein Antrag des Vereins vom Heiligen Land empfiehlt den Katholiken Deutschlands, den deutschen Verein vom Heiligen Land auf das wärmste zu unterstützen. Ein zweiter Antrag beschäftigte sich mit der H e i d e n m i s s i o n. Ein dritter Antrag empfiehlt die angelegentlichste Förderung und Unterstützung der auch vom Heiligen Vater empfohlenen M i s s i o n s o e r e i n i g u n g katholischer Frauen nnd Jungfrauen. An der Beratung nahm der Missionsbischof vom Kili- mandjaro, Alois Munsch, teil. Die Anträge wurden hierauf einstimmig an genommen. Als Ort der nächsten Tagung wurde Aachen gewählt. Die geschlossene Versammlung beschäftigte sich dann noch mit einer Reihe von Anträgen Uber die christliche Caritas. Ein von Dr. W e rt h m a n n- Frerdurg begrün- übel" unk-ene!- mskige cjes „l_eiprigei- lagedlattes" bitten uns unvek-rü^ücl) — am besten ttui-eb ^osikaktte octei- Vllies — bekanntrugeben, ctamit ^ii- ffbbüfe scl-assen können. Müm Meüntz Sder. Ein Leipziger Kultur- und K ü n st l e r b i I d von Hans Schoenfeld. tlknchdrnck vcrUvUn.) t. Einst sprachen sie von ihm mit freudigem Stolz als nur von „unserm Ocscr, dem großen, genialisch heiteren Oescr, der eine neue Aera für unsere Stadt herausgeführt", und konnten sich in den Kalendern, den vielen, vielen Geschichten und Beschreibungen von Leipzigs Kunstzustande und Sehenswürdigkeiten gar nicht genug tun — doch dcr Leipziger von heute muß sich bei dem Namen Oeser besinnen. Ihm füllt wohl von seinen Mujeumswandcrungcn her ein, daß da ein Lrustbild mit den kräftigen, glattrasierten Zügen eines freundlich klugen Mannes in pelzvcr- dräintem Leibrock mit grüner Sumtkappe seine Auf merksamkeit gefesselt habe, und daß darunter dcr Name Oeser stand. Ein Selbstportrüt also? Auch das nicht einmal, ein Wertstück von Anton Graffs Meisterhand, dem der berühmte Kollege gesessen. . . Nnd nur dcr alteingesessene oder sür die Sradt- geschichte oder Kultur und Kunst stärker interessierte Leipziger kennt diesen Adam Friedrich Oeser als den ersten Direktor der Leipziger Kunstakademie und Bildner großer Deckengemälde an öffentlichen und privaten Bauten sowie als Scl)öpfer des Gellertschcn Monuments, von dem nur noch Goethes viel und falsch zitiertes: „Und sammelte mit Geistcsslug in Marmor alles Lobes Stammeln, Wie wir in einem engen Krug die Asche der Ge liebten sammeln — Kunde gibt. Und man wundert sich: War er denn auch ein Bildhauer? Doch einzelne alt ¬ angestammte Leipziger Familien, deren Glieder aus Tradition und Ueberzeugunq oft unermeßliche Kultur- und Kunstschätzc weiteraesammelt haben, die wissen, was Adam Friedrich Oder Leipzia und dcr Kunst war. und weisen es an Originalknpfern, Handzcichnnngen und Gemälden nach oder sie verweisen lächelnd auf Goethes und Winckclmanns Schriften. Oeser, der Maler und Bildhauer, ist vergessen — und nicht mit Unrecht. Es gab Größere um ihn. Aber Oeser, dem Lehrer, dem Bahnbrecher und Leip ziger Kunstführcr, dem soll jein Teil ungeschmälert bleiben — und der ist nicht gering, und darum hat er wie kaum einer Anspruch, in der Geschichte Leip ziger — und de.itschcr — Kunst, der Kunst über haupt, unvergessen zu sein. Mit Leipzigs Kultur- und Kunstcntwicilung aber bleibt sein Name durch die ganze zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts un löslich verknüpft. Von Dresden kam er herüber, der Kurfürstliche Her: Hofmaler und Professor, der berühmte Freund des berühmteren Winckelmann, weiland Grafen Biinan Bibliothekar — und fand in der Plcißcstadt, die eben von den Wehen der ersten friderizianischen Lchreäensdurchzüge sich erholte, eine zweite, stolz geliebte Heimat und gesegnete Wirkensstätte. Es war ein glücklicher Griff gewesen und ein unver gessenes Verdienst des Dresdner Kunstgewaltigen von Hagedorn, daß Lieser Deulschungar, der in Wien seine entscheidend« Bildung empfangen und genial ver wertet hatte, am neuen Werden der zweiten säch sischen Hauptstadt Anteil erhielt. Es wartete schon alles auf ihn: eine solide Basis hatte sich durch alle Kriegsnöte im Grundstock des wohlhabenden, kunst liebenden Bürgertums, der Universität erhalten. Dazu kam nun die soeben vonr Grafen Hohenthal ge gründete Oekonomische Sozietät zur Hebung und Wiederaufnahme des Handels. Schauspiel und Lite ratur blühte wie nirgends in deutschen Landen: die Ncuberin und ihre Nachfolger, die Gottsched, Gellert, Weiße. Es bedurfte nur der Errichtung eines füh renden Kunstinstituts, um auch auf diesem Gebiete vorbildlich voranzuschreiten. Der Boden war frucht bar — und eine Anzahl mustergültiger Kunstsamm lungen reicher Leipziger Bürger, wie sie in keiner deutschen Stadt sich wieder fanden, sicherten ein reiches Studienmaterial, eine Fülle noch unausge- beuteter Anregung. Es fehlte nur eben der führende Geist für die fruchtbare Materie: ein einheimisches Künstlertalent. Denn die Mengs, Tischbein, Graff durften doch nur als Zugvögel gelten. Und so kam mit Oeser der rechte Mann an den rechten Ort. und was er den Leipzigern ward, das kann dcr klassische Zeuge erhärten: Goethe! Oescr und Winckelmann, Oeser und Goethe! Hat man Oders Verhältnis zu diesen beiden Heroen ihres Jahrhunderts gekennzeichnet — dann ist eigent lich das ganze Wollen und Erreichen des Leipziger Akademiedirektors, ja der ganze Wert der Kunst anschauung, die er als Prototyp — also an sich schon ein bleibendes Verdienst — vertrat, im wesentlichen umrandet. Will man Winckelmanns Werden nnd Siegen mit einem klassischen Satz erschöpfen, so zitiere man ruhig Las fast banal gewordene: „Edle Einfalt und stille Größs", — Las war aber sür seine Zeit: Befreiung aus den Bonden des Barock, Rückkehr zu Natürlich keit und Schlichtheit nach den erschlaffenden Ueber- Wort: in der Antike dos alte und neubelebende genüisen gedrehter, unwahrer Künstelei — mit einem Ideal zu juchen. Daß Winckelmann seinem Zeitalter dies erhabene Losungswort als roranschreitender Theoretiker geben konnte-- Oeser? Tat isl's. Und ihm entstammt wörtlich jenes Schlagwort des Jahrhunderts, das hernach in den Thorwaldsen und Schinkel seine Ver wirklichung finden sollte. Denn Oeser ging eben vor seiner Zeit her. Er mar nicht umsonst in Wien bei einem Raphael Donner gewesen. Aber seinem genialen Verwerrungstalent erst blieb es Vor behalten, die Lehre des unbeachtet gebliebenen Wiener Bildhauers, zur erlösenden Springwurz ge staltet, einem Größeren als ihm einzupflanzen. Hier an Winckelmann offenbarte sich's schlagend: Oeser war das geborene Lehrgenie. Als Maler ein auelleudes Talent, das ganz anders als der große Raffael Menges, sein Dresdner Zunstgenosse, spielend schuf — aber an der Oberfläche bliev. Denn als aus übender Künstler hatte Oeser schon im Anfang seiner Entwicklung Len Höhepunkt erreicht, nm hernach zu verwässern.- Denn weder im Kolorit noch in der Ge staltungskraft genügte er den Ansprüchen schon der nächsten Generation — eines Goethe als seines mit- l.benden Vorläufers gar nicht zu gedenken. Was er wollte: Rückkehr zur Antike — er selber hat's nie erreicht, denn er ist der eigentliche Vertreter jenes „Zopfstiles", als den wir jene Uebergangsmanier (so empfinden wir sie wenigstens) heute nachsichtig be zeichnen. Menschen schufen diese Oeser nicht — nur lächelnde, zerfließende Phantasiegestalten ohne Tech nik der Anatomie und selbst des Größenverhältnisses — alles unter dem unglücklichen Motto der Allegorie, des ausgeklügelten tieferen Sinnes, dem sich Menschengestalt und Stofs unterordnen mußten. Männer — o nein! Süßliche Weidlinge. Frauen — o ja, hehre Idealgestalten. Kinder — ach, Kinder in allen möglichen und unmöglichen Gestalten und — Höhen, meist in Walken. Mit einem klassischen Urteilswort des Goethe nach der ersten italienischen Reise: Rabulistische Manier! — oder wie Winckel mann versöhnlicher seine Jugendbegeisterung korri giert- Seiner Zeichnung fehlt die strenge Richtigkeit der Alten, und jein Kolorit ist nicht reich genug — ein Rubenssiher Pinsel ohne dessen edle Zeichnung. Er ist ein Mann, der einen großen, fertigen Ber stend hat und, soviel man außer Italien wissen kann, weiß. Das war es ja, dieses Außeritalien, das Goethe, den bedingungslosen Bewunderer Oeserschcr Kunst anschauung (nicht ausübender Kunst. Darin hat er seinen Leipziger Kunstmentor gleich richtig erkannt) in Italien die Augen öffnen mußte. Es war eben nur Theorie. Ach, wäre Oeser nach Italien ge kommen! Aber bleibt denn auch so nicht genug, daß man den Mann bewundern darf, der zwei auserlesenen Geistern des Jahrhunderts Anreger und Förderer jein, sie in di« rechten Bahnen lenken konnre? Wür den von Oeser nicht Bild noch Denkmal mehr be stehen, daß er einem Winckelmann und Goethe das Verständnis für die Antike erschließen durfte — ein Johannis der Täufer —, das genügt schon zu seiner Unsterblichkeit. Was er daneben seinem Leipzig ward. Las ist demgegenüber nur ein Loknlverdienst, aber es würde hinreichen, sein Andenken auch der Halbmillionenstadt des 20. Jahrhunderts wachzu erhalten. Es ist auch ein ganz Stück sächsischer Kulturgeschichte, das sich da rührend und reizvoll ab- spielt. Und noch eins: Oeser war ein Mensch, ein bedeutender Mensch, dem alle Herzen zuflogen, der gleich einem frischen Quell fruchtbares Land um sich weitete. Wäre er nicht der übergeduldige, unver drossene Oeser gewesen, der seinen Schülern dcr be glückende und beglückte Lehrer war, und der Pleiße- stadt in geradezu kindlicher Dankbarkeit und mit schaffendem Stolz anhing — die Akademie, die 1704 als Dresdner Filiale (mit der Schwesternieder- lassung in Meißen) staatlich eröffnet ward und jämmerliche Zeiten durchwachen mußte, wäre wohl sang- und klanglos eingegangen oder hätte in einem Nachfolger wohl kaum den rechten Mann gefunden. Oeser aber hungerte uno fror mit seiner zahlreichen Familie geduldig. Warf man ihn doch sogar kurzer hand mit Kind und Kegel ans der ersten Wohnung, ehe er im „Kurfürstlichen Amtshause" sEcke frühere Kkosieraassc nnd Tbomaskirchlwf, darin seit 1712 die Kurf Post und die Reformierte Gemeinde) seine Dienstwohnung erhielt. lEin zweiter Artikel folgt im Abendblatt.)
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