Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.08.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-08-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110810017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911081001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911081001
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-08
- Tag 1911-08-10
-
Monat
1911-08
-
Jahr
1911
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
«ür Lriptta »«d Vorort* doritz »ntor» Träaor und 8»«i»>r«uro Lmal riolich >-,» vcui» ,«bracht: I» PI. »o>iall^L.7u Mr. oienehiihrl. B«t »n!«rn lZUtalen ». >n- ioqme>r«Ü«n al«,ebolt: 7» PI. monaU., r.v Mk. »l«rt«l!lihl-. Tur» »I» innrrbold Trutscklano» und vor doutlchen «olonio» »!«ttcljälirt. L.VN Mk.. monott. 1 Lü Pik. auolchl Pokrd«!irltaelb Jorner in B«lgi«», TLnrmaik. Von Donoukaorev. ?IaUen. Lurrmburg. Niederlande Noi- w»!>.«n. Lellerreich.Unxor,-. Raj,lanv Schweden. Schwelt u Svanien. In allen l.vr»g»n ötaalen nur dnelr durch d,e (belchäitoktrüo do» Blaue» »rhalilich. 2a» L«i»ü-«r Tageblatt erlchelnl Lmal iäglich, Senn- a. Feiertag» nur morgen». Adonnem«nt,.Aunal>m«' I»h»nni»g»N« 8. bol unlerea Irägera, Filialen, Svediteuren und Innatzmellellen. I»wt« PojUtmteru und Briesträgern. Moraen-Ausaabe. UtiBiger Tagtlilalt Handelszeitung. Amtsblatt des Nates «nd des Nakizeiamtes der Ltadt Leipzig. Att;ciqlN Preis kitt Inserat« au» Ler^iig und llmgeduna di, livalrigeVetitteile l.>LPf.,die Nckiome- teil« l lllkl.' »on auowärt» ZU Pf.. Reklamen UL) MU Inserate »on Behörden im amt lich«» Teil di« Petit,eil, 50 Pi. Deichäfl^anteigen mit PlaUvorichnsten u. in der Adendauogad« rm Preis« erhöht Rabatt nach Taris. Leilagegebühr Gesamt, aujlagr 5 LT. p. lausend erki. Postgebühr. Teilbeilag« höher. Fettertrilte Äuilrua, rönnen nickt zurütk» gezogen werden. Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird kein» Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme: I»ha«ni»gasse 8, bei «am'lichen Filialen u. allen Annoncen- Erpebtlionen des In- und Auslände». Truck uo» Verla- Fisch«, L stürzten Inhaber: Paul Kürst«». Redaktion und Eeschäst»st«ll«: Iohannirgasse 8. Haupt-Filiale Dresden: Seesttahe 4. l (Telephon El«. llr. 220. vonnerstsg, üen 10. guyult l9ll. 105. Jahrgang. Die vorliegende Ausqade umfaßt 16 Leiten. Das Wichtigste. * Prinz Heinrich von Preußen erlitt einen Automobilunfall. (S. Tageschr.) * Im Londoner Hafen sind 1VV 000 Arbeiter ausftändig. (S. Ausl, und Letzte De? ) * Aus Nordmexiko treffen Meldungen über neue Unruhen ein. (S. Ausl.) * Der französische Dampfer „E m i r" ist bei Tarifa gesunken. 93 Personen sind ertrunken. (S. Letzte Dep.) * Geheimer Kommerzienrat Ravens in Berlin wurde zum Ehrend oktor ernannt. (S. K. u. W.) * Bei einer Kesselexplosion im Hafen von Rotterdam wurden ein S t e u e r m a n n und ein Matrose getötet. (S. Tageschr.) * Eine Feuersbrunst auf Helgoland ge fährdete das ganze Unterland. Ein Bäckergeselle fand den Tod. (S. des. Art.) * Zufolge der durch die Hitze hervorgerufenen großen Sterblichkeit droht in Paris ein Streik der Leiche nbe st atter. (S. bes. Art.) * London ist durch die Hitze ohne Ei s und leidet empfindlichen Mangel an Nah rung s m i t t e l n. (S. bes. Art.) * Aus der Pfalz wird ein gutes Weinjahr prophezeit. (S. Tageschr.) Der Stan- üer Konversationen. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" hat dcm ersten Beruhigungspulver — dem Com- muniquö — am Sonntagmorgen noch ein zweites folgen lassen. Sie hat „gern fest gestellt", daß die deutsche Presse wahrend dieser marokkanischen Wirren „kühl und vertrauend" geblieben ist. Wir hegen die stille Bermutung, daß diese Wendung als Eaptatio denevob utioe ge dacht war. Man braucht die Ruhe und Zurück haltung der Presse noch für eine Weile und heute vielleicht mehr denn je. So schlägt man ihr leutselig und begütigend auf die Schulter und spricht : „Ies, seid's stad. Alsdann wartet's noch a bisserl." In Wahrheit nämlich war von Kühle und Vertrauen in den letzten Wochen kaum mehr viel zu spüren. Höchstens von jenem ist kühles Vertrauen, von dem zumeist der da von Betroffene sich nicht gerade geehrt zu fühlen pflegt. Man hatte in breiten Schichten der Ration den heroischen Gestus von Agadir doch wohl nicht ganz verstanden. Oder richtiger, man hatte ihn heroischer aufgefaßt, als er von Herrn von Kiderlen offenbar gemeint worden war. Der hatte — wir haben aus leidlicher Kenntnis dieser Dinge (auch der hinter den Kulissen spielenden) hier schon mehrfach andeutend darauf hinge wiesen — ohne Gemütswallungen und Pathos ein ganz nüchternes Handelsgeschäft mit Frank reich abschließen wollen. Dieser marokkanische Sprudel, der bald heiß emporzischte, bald mit unruhigem Brodem die Luft erfüllte, sollte ein für allemal verstopft werden. Dafür sollte Frankreich etwas zahlen; dafür war aber auch von Anbeginn Herr von Kiderlen Opfer zu bringen bereit, und daß er die Schiffe nach Agadir dirigierte, geschah wohl nur, um die Herren, die nach Pichon in schnellem Wechsel die französischen auswärtigen Geschäfte leiteten, und die sich gar zu begriffsstutzig zeigten, auf eine mehr eindringliche als höfliche Art von der Notwendigkeit der Verhandlungen zu über zeugen. Bei diesem Kalkül scheint Herrn von Kiderlen ein Irrtum mit unterlaufen zu sein. Er mochte geglaubt haben: die Franzosen würden indem Augenblick, wo sie erkannten, daß wir es nicht auf Marokko abgesehen hatten, uns vor Freude um den Hals fallen und alles bewilligen, was wir sonst nur irgend wie forderten. Aus solchen hoffnungsfreudigen Stimmungen heraus sind dann wohl jene Gerüchte über das „große Kolonialreich" ent standen, die vor 4 bis 5 Wochen durch die Blätter zogen. Indes fanden wir dann ja be kanntlich die französischen Kolonialinteressenten und vor allem England auf unserm Wege, und so zerrann der stolze Traum von dem Zentral afrikanischen Reich, das vom Kongo und Deutsch südwest bis nach Ostafrika reichen würde. Immer, hin ist festzuhalten, nach Marokko selber, nach irgendeinem Teil von ihm oder auch nur nach einer Einflußsphäre in ihm hat Herr von Kiderlen und haben Kaiser und Kanzler, die die Pläne des auswärtigen Staatssekretärs kannten und seine Absichten teilten, in keinem Stadium der Angelegenheit gestrebt. Und deshalb ist es auch eine Uebertreibung, zu sagen: wir hätten uns feig geduckt und seien vor den Franzosen Schritt vor Schritt zurückgewichen. Für den Staatssekretär hat die Konkordienformel immer nur gelautet: Ausreichende wirtschaftliche Garan tien und dazu noch die sogenannten Kompen sationen, und in der Beziehung hat sich, glauben wir, nichts zu unsern Ungunsten geändert. Eher neigen wir dazu, die Floskel des Lommuniques von der Annäherung im Sinne eines fran zösischen Entgegenkommens zu deuten. Viel leicht ist das Erzielte oder das, was dem nächst erzielt werden wird, trotzdem nicht ge nügend. Kann sein, daß wir, die wir bei unsern kolonialen Abmachungen eigentlich noch nie von überschwenglichem Glück verfolgt wurden, auch diesmal Gefahr laufen, den kürzeren zu ziehen. Dennoch scheint cs uns als ein Gebot der Gerechtigkeit, zunächst einmal abzuwarten, was das Abkommen uns bietet, und erst dann, je nach Bedarf und Temperament, die hohen priesterlichen Gewänder zu zerreißen und den Zorn des Höchsten auf den deutschen Unter händler herabzuflehen. Nicht als ob wir die Stimmung nicht verstehen könnten, die neben den rauhen Schwätzern von der „Post"-Eouleur auch vielfach unsere besten Patrioten durch wühlt, und die nationalliberale Partei an scheinend jetzt dazu drängt, sich zum Sprachrohr i des nationalen Unmuts zu machen. Wir baden zu lange eine auswärtige Politik grund satzloser Schwäche getrieben, haben mit lautem Getöse die unliebsame Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf uns gelenkt und im ent scheidenden Moment doch immer wieder uns als Schmock, der Schreiner entpuppt. Sind dabei aus einer Position nach der andern ver drängt worden und haben Hatz gesät, ohne Furcht, geschweige denn Achtung zu ernten. Das alles drückt auf uns und macht uns un wirsch; läßt im Verein mit dem Wettersturz, der auf die erste Agadirer Hoffnung gefolgt ist und der auf die Dauer lähmenden Ungewiß heit ein Gefühl tiefen Unbehagens aufkommen und alle die wilden Meldungen französischer Blätter für bare Münze nehmen. Wie gesagt, wir verstehen diese Stimmungen. Aber wir meinen, daß ihnen gegenüber auch die Argumente der Regierung einige Beachtung verdienen. Die lauten etwa so: Wir verhan deln noch immer; unterhandeln heute auf aus sichtsreicherer Basis als je zuvor. Herr Jules Cambon gibt sich ehrliche Mühe etwas zustande zu bringen; wollen wir ihm, der es ohnehin schwer hat, sein Werk noch mehr erschweren? In einem Moment, wo die Dinge sich endlich zum guten zu neigen beginnen, durch Anrufung der Öffentlichkeit die ganze unsäglich mühsame Einigung aufs Spiel setzen? Behalten wir doch unsere Nerven und sehen wir zu, ob Frankreich die seinigen nicht eher verliert. Das würde ungefähr mit dem überein stimmen, was wir in früheren Stadien der An gelegenheit als unsere eigene Auffassung hier vorgetragen haben. Wir können auch nicht finden, daß wir auf die Art in Gefahr gerieten, die Stunde zu verpaffen. Warnen wir immer hin die Regierung vor allzu großer Nachgiebig keit; aber warten wir im übrigen ab, wie das Abkommen ausfällt. Ließ es gerechte Ansprüche unerfüllt (von der marokkanischen Teilung oder Einflußsphäre abgesehen, auf die wir höchst be dauerlicherweise doch schon 1909 verzichteten), dann ist es Zeit zu lärmen. Dann sind wir auch dabei. Relerveokkizier und Sofislüemokrstie. Aus Berlin wird uns geschrieben: Der fortschrittliche Reichstagsabgeordnete Heinz Potthoff, Vertreter von Waldeck-Pyrmont, ist als Bekenner ausgetreten. Er hat im „Berliner Tage blatt" unter voller Nennung seines Namens einen Artikel veröffentlicht, dessen Will«nsrichtuna aufs klarste dahin geht, daß, wenn bei politischen Wahlen einem Sozialdemokraten konservative Kandirateu wie v. Heydebrand und o. Oldenburg oder «in Ultromon- taner wie Spahn gegeniiberstehen, der Sozialdemokrat gewählt werden muffe. Porthosf hat den Satz ge prägt: „Ein Reserveoffizier, der aus Rücksicht aui den bunten Rock sich vor einer Stimmabgabe nach sei ner llcberzeugung drückt, tatet als „Kneifer" den schwersten Borwurf auf sich, den es für einen Soldaten i geben kann." Das „Berl. Tgbl." hat dann in weiteren j gelegentlichen Aeußerungen bekanntgegebcn, daß Potthoff selbst Reserveoffizier sei und, als man ihn in der preußischen Ranguste nicht fand, auf die baye rische hingewiesen. Dazu hat der radikale Herr v. Gcrlach in einem Berliner Moutagsblatt noch er gänzend mitgeteilt, daß Potthofs bei den letzten preu ßischen Wahlen einem Sozialdemokraten als dem klei neren Uebel die Stimme gegeben habe. Das heißt, die Jäger auf die eigene Spur lenken. Potthoff w i l l den Konflikt. Sein Auftreten ersclieint als Antwort auf die Bekanntmachung der preußischen Heeresverwaltung, daß «in Offizier des Beurlaubten- standes, der sich öffentlich für die Lvahl eines Sozial demokraten eingesetzt habe, verabschiedet worden sei. Die bayerisch« Heeresverwaltung wird nun Entschlüsse zu fassen Haden. Würden diese anders ausfalleu als die der preußischen Verwaltung, so würde damit eine Verschiedenheit der Anschauung zutage treten, die auf anderen militärischen Gebieten von den Patrioten, vielleicht einschließlich Potthoffs, lebhaft beklagt wer den würde. Oder Bayern entscheidet sich wie Preußen, und Potthoff ist die längste Zeit Offizier gewesen. Beidemal hätten wir einen Konflikt, einen „Fall", eine aufsehenerregende Angelegenheit, die weit« Kreise zöge. Denn die Stellung des Reserveoffiziers erregt begreiflicherweise das Interesse der breitesten Schichten der Bevölkerung. Di« Zahl der Familien, aus denen sich das Offizierkorps des Beurlaubten standes rekrutiert, ist außerordentlich groß; sie alle werden nun von neuem vor das Problem gestellt, uud cs dürste dafür gesorgt werden, daß der neue Fall nicht so verhältnismäßig still verläuft wie derjenige, der di« preußische Heeresverwaltung zu ihrer Bekannt machung veranlaßte. Es handelt sich um ein Grenzproblem. Das politische und das militärische Gebiet schneiden sich. Ter Politiker und der Militär kommen miteinander in Konflikt, wie das schon öfter in der Weltgeschichte geschehen ist. Freilich Potthoff will einen solchen Kon flikt nicht anerkennen. Er glaubt, seine politische Pflicht aufs klarste zu erkennen, und findet, daß die militärische Pflicht der Tapferkeit und Offenheit auf denselben Weg weist. Es wäre also alles in schönster Ordnung. Sollte Potthoff wirklich so empfinden, und sollte er überhaupt keinen Grund sich vorstellen kön nen, der das Eiutretc.c eines Mannes, der im Be- urlaublenrerhältnis militärischer Vorgesetzter ist, zu- gunsten eines Sozialdemokraten als bedenklich erschei, nen ließe, so wäre damit bewiesen, daß sein Herz den» militärischen Sllesen entfremdet ist. Ein anderer, der mir wirklicher Liebe am Dienst, an den Soldaten und an denen, die auch im bürgerlichen Leben die soldati schen Erinnerungen und Gesinnungen pflegen, hinge, würde sich gewißlich fragen, wie ein derartiges Auf treten eines Reserveoffiziers auf den gemeinen Sol daten und Unteroffizier, der unter der Fahne steht, sowie auf den ehemaligen Soldaten, der am Krieger- vereinsleben teilnimmt, wirken muß. Werden diese Leute verstehen, wie ein militärischer Vorgesetzter im Offiziersrange das Eintreten für ein Mitglied der jenigen Partei rechtfertigen kann, di« Monarchie und das Heer in der gegenwärtigen Gestalt abschaffcn will? Schwerlich. In diese Köpfe wird es nicht hin eingehen, daß zwar ihnen, den gemeinsamen Sol daten, zur Pflicht gemacht wird, jede Berührung mit den Sozialdemokraten zu meiden, einem Offizier aber die positive Unterstützung erlaubt sein soll. Diese Leute werden entweder Anstoß nehmen an einem sol chen Verhalten, oder es wird in ihren Köpfen arge Verwirrung angerichtet. Dies ist offenbar dem Abgeordneten Potthoff völlig gleichgültig. Er sicht nur das, was er als politische Pflicht zu erkennen glaubt. Er hat eine Entwicklung durchgemacht, kraft deren seine Persön lichkeit von der Politik ganz in Anspruch genommen ist. Damit hat er innerlich die Trennung von dem militärischen Gedankenkreise vollzogen, und das Aus ziehen des bunten Rockes wird ibn wahrscheinlich nicht schwer ankommen. Es trifft sich, daß gerade im gegen wärtigen Augenblicke die politische Organisation, der Potthoff angehört, die Trennung von einem Manne vollziehen zu wollen scheint, der ihrem Gedankenkreise entwachsen ist. Falls es richtig ist. daß der fortschritt liche Reichstagsabgeordnete Eickhoff von einer starken Zuneigung zu den „Schwarzblauen" ergriffen ist, so kann inen es verstehen, wen unter den aegenwärtiaen Umständen die fortschrittliche Partei sich von ihm trennt. Denc deutschen Heere wird man ebenfalls das Recht auf Selbstbchaupluna .uerkcnnen und ihm an- ljeimstellen müssen, solche Männer nicht im Führer amte zu belassen, die keinen Wert darauf legen, ihre gegnerische Stellung zur Sozialdemokratie auch dem schlichten Verstände erkennbar zu machen, sondern um gekehrt in der Oeffentlichkeit zu einem taktischen oder prinzipiellen Zusammenarbeiten mit der Sozialdemo kratie auffordern und dafür ihre militärische Eigen schaft in die Wagschale legen. ckinkerukung ües Reichstags? Don juristischer Seite wird der Korrespondenz „Deutsch-Ueberiee" geschrieben: Gegenüber dem von der offiziellen „National liberalen Korrespondenz" ausgesprochenen Verlangen nach Einberufung des Reichstages, damit er über den Marokkoabschluß zwischen Deutschland und Frank reich gehört w.'rde. Hai bisher nur die „Kölnische Zei tung" iu einer anscheinend offiziösen Note Stellung genommen. Sie hat die schon einmal ausgesprochene Meinung wiederholt, oaß dem Reichstage ja doch verfassungsmäßig das Abkommen zur Genehmigung vorgelegt werden müffe. Diese Meinung ist irrig. Weder zum Erwerb noch zur Abtretung eines deutschen „Schutzgebietes" ist die Genehmigung von Bundesrat und Rcichstcig erforderlich. Nach H i des Schutzgedietsgesetzes vom 10. Sep tember 1900 übt der Kaiier im Namen des Reichs die Schutzgewalt aus. Er ist in ihrer Ausübung grundsätzlich nur insoweit beschränkt, als seine Anordnungen vom Reichskanzler gegenzuzeichnen sind. Selbstverständlich ist, Laß Reichstag und Bun desrat znstimmen müssen, wenn Mittel des Reiches für die Schutzgebiete aufgewendct werden. Tazu ge hört insbesondere die Festsetzung des Etats, die aus drücklich durch Reichsgesetz vom 00. März 1892 der Kompetenz der gesetzgebenden Faktoren des Deutschen Reiches überwiesen worden ist. Soweit keine Kostcck entstehen, ist der Kaiser dagegen noch Art eines absoluten Monarchen alleinige Rechts quelle iu den deutsck)-» Schutzgebieten; nur in einigen Spezia lpmrkten ist er gesetzlich gebunden und also bei Aenderung des bestehenden Zustandes an die Zustimmung von Bundesrat und Reichstag geknüpft, so z. B. in Ansehung der Schutztruppen (Reichsgeictz betr. die Kaiser!. Schutztruppen vom 18. Juni 18!«:>. Nach Artikel 11 der Reichsverfassung l>at der Kaiser „das Reich völkerrechtlich zu vertreten . . . Bündnisse und andere Verträge mit fremden Staaten einzugehen". Nur „insoweit die Der träge mit fremden Staate» sich auf soche Gegenstände beziehen, welche nach Artikel -l in den Bereich der Reichsgesctzgebung gehören", sind Zustimmung Les Bundesrates und Genehmigung des Reichstages er forderlich. Artikel -1 der Reichsversassung unterwirft und .zwar in Ziffer 1 u. a. die Bestimmungen „über die Kolonisation und die Auswanderung nach außer deutschen Ländern" der Beaufsichtigung und der Ex»- setzgebung des Reiches; hierher gehört aber nach un bestrittener Meinung nicht der Erwerb von Schutz gebieten. Ebeusowenig kann sonst aus der Reichs Verfassung die Noiwendigleii einer Mitwirkung des Reichstages und des Bundesrates beim Erwerb fremder Territorien oder beim Ausgeben deutscher Schutzgbicte gefolgert werden. Es wäre etwas an deres, wenn die zu enverbenden Territorien in das Buirdesgebiet ausgenommen werden sollen; selbst verständlich würde dies eine Aenderung der Reichs verfassung bedeuten, in der ja im Artikel 1 das Bundesgebiet fcstgesetzt ist, und die Zustimmung der gesetzg<-''-endcn Faktoren des Neici-es unumgänglüd sein. Und es wäre etwas anderes, wenn die Schutz gebiete zum „Bundesgebiete" gehörten; daun dürste natürlich ohne Einwilligung von Reichstag und Bun desrat nicht ein Quadratzoll von ihnen abgetreten werden. Dies ist aber nicht der Fall. Die Schutz gebiete sind zwar völkerrechtlich Inland, d. h. gegenüber dcm Ausande gelten sie als deutsches G-biet; staatsrechtlich dagegen, im Sinne der Reichsversassung, sind sie nicht Bundesgebiet, sondern nur eine besondere Art vo n A u s - land. Rein rechtlich ist daher der .Kaiser, sofern er die Gegen,Zeichnung des Reichskanzlers dazu findet, in der Lage, mit" einem Federstrich die gesamten deutschen Kolonien ad zu treten — eine Anomalie, an deren Bestehen inan wohl lediglich aus den: Grunde >K--l'»r keinen Anstoß genommen hat, weil man sich nicht bat vor stellen können, daß die Frage der Abtretung deut schen Schutzgebietes, außer zu Grenzregiilicrungen, je praktisch werden könnte. Es steht demnach fist, daß ein rechlsgüUiges, das Deutsche Reich binoendes Abkommen mit Frankreich geschlossen werden kann, an dem sowohl Togo an Frankreich abgetreten wie der französische .Kongo ganz oder teilweise erworben wird, ohne daß der Reichstag das mindeste Einspruchs recht hätte. Nur wenn es nachträglich gälte, für das neu erworbene Gebiet Aufwendungen zu machen, würde seine Zustimmung erforderlich sein: bewilligte er aber auch nicht einen rotem Heller, so würde gleich wohl das neuerworbene Gebiet völkerrechtlich -er Souveränität des Reiches unterstehen. Ein materielles Recht der Mitwirkung kann also vom Deutschen Reichstag nicht in Anspruch genommen werden: ob ihm nicht gleichwohl oder erst recht ein moralisches Anrecht darauf unbedingt zuge sprochen werden muß, hat der Jurist nicht zu ent scheiden. Verwiesen sei aber auf die Begründung, mit der die Schiedsgerichtsabkommen der Verei nigten Staaten vom Senat eben jetzt ver öffentlicht worden sind. Es heißt dort, diese Ver öüentlichuiig sei aus Ersuchen der Regierung in -er Absicht geschehen, „den Verträgen die weiteste Berück sichtigung von selten der Presse und -er öffentlichen Meinung ange-eilen ni lassen, nm dein Senat ans diese Weise die Kenntnis -er wirklichen Anschau ungen des Landes zu erleichtern, die als Basis für seine Beratungen dienen werden." Tritt der Reichstag nicht zusammen, und wird das Abkommen, wie offen bar die Absicht besteht, vor seiner Unterzeichnung cveder seiner Kritik noch der „von feiten der Presse und der öffentlichen Meinung" unterbreitet, so würde ohne die „Kenntnis der wirklichen Anschauung des Landes" gehandelt. Sollte diese nicht aber auch im Deutschen Reiche in einer so außerordentlich wichtioen Frage als „Baiis" für jeden Abschluß betrachtet werden müssen? Marokko. Von unterrichteter Seite wird zu dem Stand der Marokkoangelegenheit berichtet: Durch die bekannte Mitteilung der „Nordd. Allg. Ztg." ist die prinzipielle Annäherung Deutschlands und Frankreichs konstatiert worden. Damit sollte der Ocffentlichkeit bekannt gegeben werden, daß das Eis zwischen den beiden Regierungen geschmolzen sei. Die Verbondlnngcn erhielten nunmehr eine Grundlage, aus der eine weitere ruhige Entwicklung erwartet werden kann. Gleichzeitig aber wurde vor übertriebenem Optimismus gewarnt, indem darauf hingewiejen wurde, daß die Einzelheiten einer genauen Prüfung und näheren Vereinbarung bedürfen. Da es sich um eine ganze Reihe von Einzelheiten bandelt, werden die Verhandlungen noch eine ziemlich lange Zeit in Anspruch nehmen. Die Hoffnung, daß schließlich doch eine Verständigung erzielt wird, ist aber nicht un-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite