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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.08.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-08-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110811010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911081101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911081101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-08
- Tag 1911-08-11
-
Monat
1911-08
-
Jahr
1911
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?stttirche Umschau. Gtne llvlchütteluny. * Der Vorsitzende der Reichspartei. Fürst v. Hatzseldt, Herzog zu Trachenbera, richtete au den Schriftführer der Reichspartei, Reichsta</S- abgeordneten Amtsgerichisrat Dr. Brunster. mann zu Stadthagen (Schaumburg-Lippe) das fol gende Schreiben: Zurzeit Ostende, 8. 8. 11. Verehrter Freund und Kollege! Es drängt mich. Ihnen meine Meinung über den Artikel in ocr „Post" vom 4. d. M. auscusprechen, in dem der Verlauf der Verhandlungen über die Ma- rokkofrage als eine nationale Schmach, viel schlimmer als die von Olmütz. bezeichnet wird. Dieser Artikel ist, da ich mich zurzeit auf Reisen befinde, erst nach träglich zu meiner Kenntnis gelangt. Empörend ist die Leichtfertigkeit, mit der über Dinge ab geurteilt wird, die der „Post" nicht bekannt sind, cvie wird selbst nicht behaupten können, das; ihr die Details der Besprechungen zwischen dem Staats sekretär des Auswärtigen Amtes und dem französi schen Botschafter bekannt wären. — Noch schlimmer ist es. daß die Person S. M. des Kaisers hier bei in einen direkten Gegensatz zum Reichs kanzler und dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt gebracht wird, ein Umstand, den das Ausland ausbeulen wird und der unserm Auswärtigen Amt die Führung der Geschäfte erschweren mutz. — Für das monarchische Gefühl tief verletzend ist die Art und Wei'e mit der in der Form rhetorischer Fragen über S. M. den Kaiser zu Gericht gesessen wird. Wie Ihnen bekannt ist, habe ich im Mai dieses Jahres Anlasz genommen, das Verhalten der „Post" in unserer Fraktion zur Sprache zu bringen. Mit seinem Artikel vom 4. August hat dieses Blatt alle Beziehungen zur Reichspartei unmöglich ge macht, und es wird nötig jein, nach Wiederzuiammen- tritt des Reichstages hierüber einen Beschlug der Fraktion zu fassen und zu öffentlicher Kenntnis zu bringen. Ich erwarte bestimmt, daß die Partei mir hierbei zustimmen wird. Mit kollegialem Gruß Ihr ergebenster Hatzfeldt. Auch die Ortsgruppe Berlin des All deutschen Verbandes legt Wert darauf, festzu stellen, das; der Artikel der „Post" nicht aus all deutschen Kreisen stamme. Während so mehrere Stellen ihre Mißbilligung über jene scharfe Kritik aussprechen, geht die „Deutsche Tgsztg." gerade heute in das Lager der scharfen Kritik über. Unter der Ueberichrift: „Grund zu ernster Beunruhigung" veröffentlicht das Blatt einen Leitartikel, worin dre ichwersten Bedenken gegenüber den übereinstimmenden Meldungen aus Berlin und Paris geäußert werden, wonach nur ein kleiner Teil des mittelafrikanischen Kolonialbesitzes Frankreichs an Deutschland abgetreten werden soll. Das Blatt meint, das; ein Ergebnis auf dieser Basis völlig unannehmbar erscheine und sagt weiter: Sollte jene Version stimmen, so würde die Regierung von jetzt an auch den Teil der deutschen nationalen Presse unter den entschiedenen Gegnern ihrer Marokko- und Kompensationspolitik sehen, der bisher eine solche Entwicklung der Dinge nicht für möglich halten wollte. Gin Bunü ltir Relsrm ües ReUgians» Unterrichts ist unter der Leitung des Jenaer Professors der Pädagogik Dr. Wilheln Rein in Jena gegründet worden. Man wählte dazu die Zeit der Ferienkurse, an denen etwa 600 Teilnehmer namentlich aus pädagogischen Kreisen sich hier zusammenfanden. 'Rach eingehender Aussprache über die Ziele der neuen Bewegung und nach Vorträgen von Volts- ichullehrer Krohn, Hamburg, Professor Rein und Professor Weinet, von denen der letztere über den Religionsunterricht in seinem Verhältnis zur Wissen schaft. zur Kultur und zur Religion sprach, wurden Leitsätze aufgestellt, in denen unter anderem betont wurde, daß der Lehrer keinem dogmatischen Zwang unterliegen darf, daß die Schule vom Katechismus- unterricht befreit werden muß, der Religionsunter richt historisch gestaltet werden soll und enge Füh lung mit der Kunst behalten, sowie auch eng an die natürliche Entwicklung der Kindesseele an schließen soll. Die drei grundlegenden Paragraphen der Sat zung e n sollen im wesentlichen wie folgt lauten: I. Aufgabe des Bundes soll jein, die mancherlei Bestrebungen nach grundsätzlicher Reform des Reli gionsunterrichts zu gemeinsamer Arbeit zusammen- zuscbließen, auf weitere Kreise anszudehnen und zu ihrer praktischen Verwirklichung beizulraaen. 2. Ziel der Arbeit ist ein pädagogisch-psychologischer Re ligionsunterricht, der wie jeder andere sich auf die in der Seele des Menschen liegenden Bedingungen gründet. Alle von anderen Gesichtspunkten aus ge pellten Sonderansprüche müssen zurücktreten. 3. Der Bund sucht alle am Religionsunterrichte mittelbar oder unmittelbar beteiligten Kreiie: Wissenschaft, Kirche, Schule, Haus bei grundsätzlicher Anerkennung der Selbständigkeit eines jeden zur Mitarbeit in gegenseitigem Verstehe» und Vertrauen heranzu- zcehen. Ein Antrag, in den Satzungen zum Ausdruck zu bringen, daß der Bund für eine Beseitigung der kirchlichen Aufsicht über den Religionsunterricht ern- tritt, wurde einstimmig angenommen. Den engeren Vorstand bilden: Professor Rein (Vorsitzender), Professor Weinel, Lehrer Krohn, Oberlehrer Spanuth und Pastor Steffen. prokelloren im Parlament. Die „Deutschen Nachrichten" bringen eine Zu sammenstellung der Gymnasial- und Hochschul lehrer, die bei den bevorstehenden Reichstags wahlen kandidieren. Für die Fortschrittliche Vollspartei bewerben sich nachstehende Hoch schullehrer um ein Mandat: Charlottenburg-Rixdorf: Prof. Dr. Spiegel- Charlottenburg, Elogau in Schief.: Prof. Dr. o. Liszt-Thar- lottenburg, Kiel-Rendsburg: Prof. Dr. Titius-Göttingen, Dessau-Zerbst: Prof. Dr. Preuß-Berlin, Jena-Neustadt: Prof. Dr. Vershosen-Jena. Freiburg i. Br.: Prof. Dr. v. Schulze.Gävernitz, Wetzlar-Altenkirchen: Prof. Dr. Schloßmann- Düsseldorf. Für dieieloe Partei kandidieren folgende Lehrer an höheren Schulen: Bun'lau - Lüben: Prof. Dr. Doormann- Königsbütte, Hagenow-Grevesmühlen: Sem.-Oberl. Sivkowich- Lübtheen, Löbau i. Sa.: Prof. Dr. Rahn-Dresden, Döbeln-Leisnig: Prof. Dr. Barge-Leipzig, Weimar-Apolda: Schuldirektor Cnders-Sonne- ben, Remscheid-Mettmann: Prof. Eickhoff-Remscheid, Darmstadt-Gr. Gerau: Oberlehrer Dr. Strecker- Nauheim. Dazu kommen noch die beiden Münchener Pro fessoren Dr. Ohr und Dr. Quid de. Als nationalliberale Kandidaten sind außer dem früheren Hochschullehrer Dc. Paasche folgende Universitätsprofessoren und höhere Lehrer ausgestellt: Mannheim-Weinheim: Prof. Gothein - Heidelberg, Jena-Neustadt: Bros. Dr. Thümmel-Jena, Gotha-Ohrdruf: Prof. Krüger-Hannover, Herzogtum Lauenburg: Prof. Dr. Harries- Hamvurg, Torgau-Liebenwerda: Prof. Ortmann-Torgau, Heriord-Halle: Oberlehrer Dr. Tontze-Herford, Rinteln-Hofgeismar: Proi. Habel-Kassel, Elderield-Barmen: Nealschuldireltor Dr. Hintz- mann-Elberfeld, Bayreuth-Wunsiedel: Reallehrer Wiesauer- Bayreuth, , Waldshut-Säckingen: Reallehrer Moll-Schopf heim, Als sozialdemokratischer Kandidat kommt lediglich der ehemalige Gymnasiallehrer Schulz, der in Erfurt aufgestellt worden ist, in Betracht. Was endlich die rechtsstehenden Parteien an langt, so kandidieren für sie folgende Hochschul- bzw. Gymnasiallehrer: Herford-Halle: Prof. Dr. Neumann lkons.), Heidelberg-Eberbam: Reallehrer Hollendach (kons.), Cöttingen-Duderstadt: Oberlehrer Dr. Henckel ldeutsch-soz.), Gießen-Nidda: Oberlehrer Dr. Werner ldeutsch-soz.), Dortmund-Hörde: Prof. Dr. Eickhoff lchristl.-soz., Reuß ä. L.: Oberlehrer Dr. Burchardt lNp.), Waldenburg i. Schl.: Prof. Dr. Wagner lRp.). DeuMes Reich. Leipzig, 11. August * Der Kaiser hat sich abends 11,20 Uhr von der Station Wilhetmshöhe im Sonderzug nach Mainz begeben und gedenkt von dort nach Cronberg und Homburg vor der Höhe zu reisen. Die Rückkehr nach Wilhetmshöhe soll am Montag erfolgen. Im Ge folge des Kaisers befinden sich Oberhosmarschall Graf Eulenburg, Generaladjutant Generaloberst Plessen, Oberstallmeister Freiherrv. Reischach. General ü m »uste Generalmajor Eonlard, Flügeladjutant Oberst von Kleist, Leibarzt Dr. Riedner. Generaladjutant Frei herr v. Lyncker, Chef des Militärkabinetts, und Ver treter des auswärtigen Amts Gesandter Freiherr v. Jeniich. — Der japaniiche Generalfeid mar- schall Nogi ist in Wiesbaden eingetroffen und wird heute als Gast des Kaisers an der Kaijerparade auf dem Großen Sand in Mainz teilnehmen. * Eine neue Telefunkenstation für die Ostsee ist vor einigen Tagen in Swinemünde fertiggestellt und zum ersten Male in Betrieb gesetzt worden. Ihr fallen im wesentlichen dieselben Aufgaben lür die Ostsee zu, wie der Station Norddeich für die Nordsee. Die Swincmünder Station hat den funkentelegra- vhischen Verkehr mit allen, die Ostsee passierenden Schiffen, die Telcsunkenapparate'an Bord haben, aus- rechtzucrhalren, und sie hat ferner die Sturmwar nungen an diese Schiffe abzugeben. Diese haben die Verpflichtung, die Warnungen aufzunehmen und durch optische bzw. Flaggensignale den ihnen begegnenden Schiffen zukommen zu lassen. Es handelt sich haupt sächlich um den Schiffsverkehr nach Schweden und Rußland. Die Reichweite der Station beträgt etwa 500 km, was zur Beherrschung der Ostsee ausreicht. An der Ostsee sind nunmehr zwei sunkentelegraphijche Stationen in Betrieb. Die andere befindet sich in Danzig. Für die Nordsee ist außer der großen Station Norddeich, die vergrößert ist, eine öffentliche Station in Cuxhaven vorhanden und eine weitere in Helgoland, die lediglich für den Gebrauch der Marine bestimint ist. * Die Schießübungen der Matroscnartillerie werden in diesem Jahre zum ersten Male aus die Insel Wangeroog ausgedehnt. Die Aufgabe der Matrosenartillerie deckt sich in der Hauptsache mit derjenigen der Küstenartillerie. Die Matroien- artillerie gliedert sich in fünf Abteilungen, die in Friedrichsort, Wilhelmshaven, Lehe und Helgoland garniionieren. Ihre Waffen sind schwere Küsten geschütze und die Sperrminen. Während der Küsten« schütz im ganzen Bereich der Nordsee bisher von den Matrojen-Artillerie-Abteilungen wahrgenommen wurde, hat man zur Bedienung der in Borkum und Emden aufgestellten Geschütze dis Festungsartillerie des Heeres hcrangezogen. Für die Jniel Wangeroog. deren forlifikatorllche Anlagen ihrem Ende entgegen setzen, soll vorläufig die 2. Matrosen-Artillerie-Ab- teilung in Wilhelmshaven Rüstringen) die Geschütz bedienung übernehmen. Die erste Schießübung soll einer amtlichen Bekanntmachung zufolge vom 1. bis 10. September von morgens 7 dis abends 6 Uhr 30 Min. stattfinden. * Die Polonisierung der Jndustrieprovinzen. Wie der „Inf/' mitgeteilt wird, machte die Poloniiie- rung der Jndustrieprovinzen durch Ein wanderung polnischer industrieller Arbeiter im Jahre 1010 wieder bedeutende Fortschritte. Das Anwachsen der Polen läßt sich am besten feststellen, wenn man zum Vergleich die Zahlen für die letzten 20 Iahrn hcranzieht. Aus der Provinz Posen gingen zur In dustrie- und Bergarbcit nach Rheinland-Westfalen folgende Personen für die einzelnen Jahre: 914, 1628, 1224. 1303, 1729, 1752. 2975. 3572; und 1907 wurden 40142 Posener in Len 19 Bergrevieren des Allgemeinen Knappschaftsvereins in Bochum be schäftigt. Die Zahl der Reichsdeutschen aus den öst lichen Provinzen ist natürlich bedeutend höher: 1893 waren es nur 39385, nach 10 Jahren war die Zahl auf 82 667, 1907 aber schon auf 105128 und 1910 gar aus rund 190000 gestiegen. Die Folge ist eine starke Polonisierung der bisher rein deutschen Jndustrie provinzen. Im Jahre 1890 waren z B. im Kreise Bochum-Land etwa 4200, im Kreise Recklinghaujen- Lano 4500 Polen vorhanden. Ihre Zahl stieg im Jahre 1905 auf 17 600 bzw. 28 700. Im Regierungs bezirk M ünster vermehrte sich die Zahl der Polen um 642°/y, im Regierungsbezirk Düsseldorf in den letzten Jahren gar um 876" * Bekanntmachung des Reichskanzlers. Der „R.-A." publiziert nachstehende Bekanntmachung des Reichs- änzlers: Auf Grund des Artikels 4 Aos. 2 des Ein- ührungsgesetzes zur Reichs - Versicherungsordnung Neichsgesetzol. 1911 S. 839) hat der Bundesrat be> timmt, daß die Amtsdauer der gegenwärtigen nicht- tändigen Mitglieder des Reichs-Der- icherungsamts aus dem Stande der Arbeit geber und der Versicherten bis zum 31. Dezember 1913 verlängert wird. * Zusammentritt des Bundesrats-Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten? Wie aus guter Quelle verlautet, wird auf Anregung Bayerns Ende August oder, wenn die Umstände es gebieten, vorher der Ausschuß des Bundesrats für auswärtige Ange legenheiten in Berlin zusammentreten. Zweifellos gibt die marokkanische Frage Anlaß zu diesem Zu sammentritt der Minister der deutschen Bundes staaten, der bei wichtigen politischen Fragen zu er folgen hat. * Das freiwillige Automobilkorp» beim Kaiser manöver. Nunmehr ist bestimmt, da« 45 Mitglieder des Tentschcn Freiwilligen Automobilkorps mit ihren Kraftwagen am Kaisermanüver teilnehmen. Ferner ist die Zuteilung von Lastkraftwagen für Beförderung von Lebensmitteln usw. vorgesehen. Die Eardekavallerie-Divlsion erhält eine Kolonne von 9 Armeelastzllgen, während der 18. Kavallerie- Brigade, die zum 9. Armeekorps gehört, 5 Armee lastzüge überwiesen werden. Was die im Kaiser manöver zur Verwendung gelangenden Luftfahr zeuge betrifft, so ist die Zuteilung von 2 Militär luftschiffen auf die Parteien vorgesehen, und ebenso werden Flugzeuge herangezogen werden. Nähere Bestimmungen über die Luftschiffe und die Flugzeuge stehen noch aus. Von den Derkebrstrupoen werden 1—2 Eisenbahnkompanien zum Aufbau der Lustschifftzallen kommandiert werden. Die trans portablen Luitschiffhallen sind etwa 100 in lang, 24 »> hoch und 20 m breit. Als Zcltträger dienen Mannesmannstahlröhren, das Dach der Hallen ist aus Segeltuch gefertigt, das wasserdicht imprägniert ist. Der Ausbau der Hallen kann innerhalb 24 Stunden erfolgen: ihre Konstruktion bietet vor allem den Luftschiffen bei ihrer Unterbringung und Ausfahrt hinreichenden Schutz. Kuslsnü. Oesterreich-Ungarn. * Eine militärische Versetzung des Erzherzog- Thronfolgers? Die „Neue Freie Presse" bringt die Nachricht, daß der bevorstehende Rücktritt des Reichskriegsministers Baron von Schönaich nicht die einzige größere Aenderung in der Armee- Verwaltung >em wird, sondern daß wahrscheinlich auch ein Wechsel an einer „anderen leitenden Stel lung", womit der cur Disposition des Oberbefehls habers der österreichisch-ungarischen Armee stehende Erzherzog Franz Ferdinand gemeint ist, ein treten wird. Das Blatt schreibt: Es ist bekannt, daß zwischen dem Reichskricgsminister von Schönaich und jener „anderen Stelle" über das Ausmaß der für die Armee zu beanspruchenden Mittel lebhafte Meinungsverschiedenheiten bestehen. Infolge dieser Gegensätze liegt die Einheit in der Armee verwaltung danieder. Man glaubt, das; durch einen Wechsel im Rcichskriegsministerium allein die gestörte Einheit nicht wieder hergestellt werden kann, da auch jeder Nachfolger mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben würde. Aus diesen Gründen nimmt man in gut informierten Kreisen an, daß bei dcm bevor stehenden Rücktritt des Reichskriegsministers auch ein Wechsel an anderer militärischer Zentralstelle in ernsthafte Erwägung gezogen wird. — Diese Aus führung behauptet nichts weniger, als daß der Erz- Herzog-Thronfolger seine jetzige Stellung, die ihm in Wirklichkeit bei der passiven Haltung des Kaisers die ausschlaggebende Stimme im Oberbefehl des Heeres gab, verlassen wird. * Durchfuhrverbot. Das Ministerium des Innern erließ eine Verfügung, nach der die Durchfuhr von gebrauchten Effekten, Hadern und Lumpen aus Triest und deren Ausfuhr aus Triest verboten wird. Hinsichtlich der Reisenden aus Triest haben die Behörden eine strenge Handhabung des Melde wesens der Frcmdenpolizei zur Pflicht gemacht. * Znr Malissorenfrage. Das „Fremdenblatt" schreibt: In einem Teile der ausländischen Presse wird von gewißer Seite die Nachricht verbreitet, die Ententennichte hätten im Verein mit Italien der Pforte gegenüber die Malisiorensrage als eine rnnertürkische Frage bezeichnet und die Auf forderung des österreichischen Botschafters in Kon- statitinonel, zu in tervenicren, abgelebn t. Offen bar verfolgt diese Ausstreuung den Zweck, die über einstimmende Auffassung der Mächte hinsichtlich der Lag; auf dem Balkan ?u trüben. Die Sache ist aber schlecht. In den betreffenden Meldungen ist nämlich von den Entenremächtcn und anderen Mächtegruppen die Rede, während doch bekannt ist, das; gegenüber den Ereignissen der letzten Zeit eine derartige Gruppierung nicht bemerkbar war, sondern nur ein freundlicher Gedankenaustausch sämt licher Mächte stattgeiunden habe. Gerade in der Malissorenfrage ging die Aktion der Mächte von dem Axiom aus, da» sie eine rein interne Ange legenheit der Türkei sei. Wenn also bestimmte Kreise ein Interesse daran haben, Zwietracht in den Balkanfragen zu säen, so müssen sie ihre Erfin dungsgabe mehr anstrengen. Frankreich. * Deserteure in Chalons. In der Garnison Cha lons-sur-Marne waren in den letzten Tagen mehrere Fälle von Desertionen zu verzeichnen. Am Mittwoch wurde in Batilly, unweit der Grenze, einer der Deserteure verhaftet, der bei der Festnahme erklärte, das Reisegeld von einem Mann in Chalon namens Schmitt erhalten zu haben. Schmitt wurde verhaftet. In seiner Wohnung wurden zahlreiche revolutio näre Schriften beschlagnahmt. Vor dcm Unter suchungsrichter hüllte er sich in Schweigen. * Vompard auf Urlaub. Aus Konstanti nopel kommt die Nachricht, daß sich der französische Botschafter am Goldenen Horn. Bompard, nun mehr auf S o m in e r u r l a u b begeben hat. Daraus schließt man in Paris, daß die Lage auf dem Balkan sich so gestaltet hat, daß weitere Verwickelun gen nicht mehr zu befürchten sind, und daß auch die Entwickelung der Dinge in Albanien in ein ruhiges Fahrwasser gelangt ist. In Pariser diplomatischen Kreisen hält man einen Krieg auf dem Balkan für dieses Jahr so gut wie ausgeschlossen und erklärt, daß der König von Montenegro infolge des auf ihn von Wien und Petersburg ausgeübten Druckes keine Schwierigkeiten mehr in der Malis sorenfrage machen werde. * Zum Winzerprozeß. Die vom Schwurgericht in Douai freigesprochenen Winzer sind in ihre Hei matsgemeinden zurückgekehrt, wo rhnen ein festlicher Empfang bereitet worden ist. * Manöver und Offiziere. Infolge eines jüngst vom Kriegsmini st er erlassenen Rundschrei bens, nach dem alle höheren Offiziere, uns namenr- lich die von etwas zweifelhafter körperlicher Eig nung, ausnahmslos an den bevorstehenden großen Manövern teilnehmen sollen, brachte eine Anzahl von Generalen Urlaubsgesuche ein oder machte sonst Gründe geltend, um den Manövern fernbleiben zu können. Diese Gesuche wurden ab gelehnt. Der Minister ist entschloßen, alle höheren Offiziere, die den Manövern nicht beiwohnen, zur Dis position zu stellen. * Türken unter sich. Auf den Boulevards in Paris, in der Nähe der Großen Oper, griff Mittwoch nacht der türkische Marineoffizier Hassan Schevky Bei den ehemaligen türkischen Unterrichtsminister und Deputierten Zaoe Ismael Hakki Bei an und versetzte ihm einen Schlag ins Gesicht, indem er ihm den Vorwurf machte, daß er drei Jour- nalistenhabeermorden lassen. Ein Schutz mann verhaftete die beiden und führte sie auf das Pol»eikommissariat, wo ein Protokoll ausgenom men wurde. Hassan erklärte, er habe seinen Gegner wiederholt zum Zweikampfe aufgefordert und sich so Genugtuung verschaffen wollen. Italien. * Da» Befind«» de» Papste» ist unverändert. Die leichte Unregelmäßigkeit de» Pul»schlag» hält an. Spanien. * In Kadiz brach am Mittwoch ein Generalstreik als Kundgebung für die Begnadigung der verurteilten der „Numancta" aus. Arbeiterorgani sationen durchzogen die Straßen und protestierten gegen die Vollstreckung des Todesurteils. * Weitere Ausdehnung der Revolutionsbewegung Die revolutionäre Bewegung in der spanischen Ma rine scheint trotz der gegenteiligen Regierungserklä rung eine größere Ausdehnung zu besitzen. Man spricht von neuen Fällen von Geborsams- verweigerung an Bord der Kreuzer „Cattaluna" und „Estremadura". Die Marinebehörde stellt die Gerüchte zwar als unwahr hin. Doch ist es be fremdlich. daß die „Cattaluna" am Mittwoch um Mitternacht in Begleitung zweier Kreuzer und eines Torpedobootes den Hafen mit unbekanntem Ziel verlaßen hat. Man glaubt, daß es geschehen ist, um den revolutionären Matrosen bei einer Erhebung die Verbindung mit dem Festland und die Unter stützung der Hafenbewohner zu entziehen. PvrkUtial. * I» der Nationalversammlung bestritt am Mitt, woch der Minister des Aeußcrn BernardinoMachado, Reklamationen betreffend das Eigentum van religiösen Kongregationen erhalten zu haben, und betonte den guten Glauben der Regierung, die den Gerichtshöfen die Abwägung der Rückforde rungsrechte über das Eigentum überließ. — Machado fügte hinzu, seit der Proklamierung der Republik sei keine deutsche Mission in Angola begründet woroen. Eine internationale Gefahr bestehe nicht. — Zur Präsidentenwahl beschloß die National versammlung mit 123 gegen 50 Stimmen, daß an der Spitze der Republik nur ein Präsident stehen solle. ' Verhaftung eines portugiesischen Jesuiten. Die „Central News" meldet über Badajoz aus Lissa bon, daß an Bord des unter englischer Flagge fah renden Dampfers „Araguaya" der portugiesische Jesuit Henrigues verhaftet worden ist. sWir meldeten diese Verhaftung bereits kurz. Die Red.) Der Jesuit befand sich auf der Fahrt nach Brasilien, um dort im Auftrage des portugiesischen Monar chistenführers Kapitän Conceiro eine Agitations reise zur Ausbringung des Geldes für den Ankauf eines Kreuzers uns von Waffen- und Munitions vorräten zu unternehmen. Bei ihm wurde ein voll ständiger Operationsplan für einen Einfall der Monarchisten von Spanien nach Nordpor tugal vorgefunden. Auch eine Liste mit den Namen der führenden portugiesischen Verschwörern, unter denen sich mehrere aktive Offiziere befinden sollen, wurde beschlagnahmt. Aus der Meldung der „Central News" geht nicht hervor, auf wessen Be treiben und durch wen die Verhaftung des Jesuiten an Bord des englischer Gerichtsbarkeit unterstehenden Schiffes stattfand. Auch liegt keine Meldung dar über vor, wohin Henriques überführt worden ist. Serbien. * Der unverbesserliche Serbenprinz. Wie die „Dtsch. Tgsztg." meldet, hat kürzlich ein geheimer Familienrat unter dem Vorsitze des Könige Peter statgesunden, der über die Maßregeln be.rst, dre ergriffen werden sollen, um den störrischen Prin zen Georg zur Raison zu bringen. Der nn gebärdige Prinz setzt nämlich das Treiben gegen seinen Vater und seinen Bruder fort, und kürzlich erschien in der Belgrader „Nowa Wremje" ein Ar tikel, der sich in den schärfsten Ausfällen gegen den König erging und der, wie die Polizeibehörden fest stellen konnten, von dcm Prinzen Georg versaßt worden war. Die Staatsanwaltschaft schritt ein und beschlagnahmte die betreffende Nummer, während sic gleichzeitig gegen die verantwortlichen Persönlich leiten des Blattes die Anklage wegen Majcstäts - beleidig» ng erhob. Wie nunmehr aus einge- weihtcn Kreisen verlautet, soll dem Prinzen Georg eröffnet werden, das; er im Wiederholungsfälle aller Titel und Würden verlustig erklärt, aus dem Kö nigshause ausgestoßen und über die Grenze snr immerwährende Zeiten geschafft werden würde. Das entschiedene Vorgehen des Königs gegen seinen ungeratenen Sohn ist auf den Prinzen Arsen zu- rüazufiihren, der auf den Prinzen Georg, seinen Neffen, sehr schlecht zu sprechen ist. Cürlrrr. * Englisch-türkische Verhandlungen. Nach sicheren Informationen erhielt die Pforte den Bericht des türkl'ckien Botschafters in London über die Be sprechungen, die die>er mit E rey über die Bahn strecke Bagdad-Bassorah, den Hafen von Ko- weit u. a. zusammenhängende Fragen gehabt hat. Der Bericht wurde dem Ministcrrat mitgeteilt: über den Inhalt wird Stillschweigen beobachtet. In maßgebenden türkischen Kreisen hofft man, über dicien Fragenkomplex mit England ein Einver nehmen zu erzielen. Nach einem Gerücht ist die Bestellung mehrerer Kriegsschiffe in den Fragenkomplex einbegriffen, wogegen England einer vierprozentrgen Zollerhöhung und Aus dehnung der Patentsteuer auf Fremde zustimmt. Persien. * Ein Eeheimvertraa zwischen der Türkei, Ruß land und England? 2n Kreisen der französischen Kolonie in Konstantinopel behauptet man, daß Rifaat Pascha vor seinem Wegang nach Paris, wo er als Nachfolger Naum Paschas den Botschafter posten übernehmen wird, ein Geheimvertrag zwischen der Türkei, Rußland und England über Persten zum Abschluß gebracht habe. England hat nach dem Ver trag ein Vorrecht auf die Provinzen Farsistan und Kirman, erhält also das an Belutschistan stoßende Südpersien als Interessensphäre zuaewiesen. Die Pforte ist hiermit einverstanden, obgleich durch Englands Vordringen in Südpersien die strategijche Bedeutung der Bagdadüahn adgeschwächt wird. Rußland erhält in Täbris und Rescht, dem Schlüssel zur persischen Hauptstadt Teheran, voll kommen freie Hand. Die Türkei endlicherhält ihre Anrechte auf Urmia, das früher bereits einmal tür- lisch war, bestätigt und kann zu paffender Gelegenheit von neuem von dieser ostpersischen Provinz Besitz ergreifen. pretzstimmen. Heber den Wert des französische» Kong» lesen wir in der „Frankfurter Zeitung": „Allgemein hat man jedenfalls in Deutschland das System der Vergebung oder Beherrschung eines Schutzgebietes durch einzelne große Landgesellschaften als veraltet und durchaus fehlerhaft, der Entwicklung der Kolonien hinderlich erkannt. Diese Erfah rungen teilt mit dem Deutschen Reich auch Frank reich. Es ist bemerkenswert, daß insbesondere der französische Kongo unter ganz ähnlichen Verhältnissen zu leiden scheint, wie bi» vor einigen Jahren Deutsch- Südwestafrika. Im französischen Kongo wurden im
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