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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.06.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-06-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191106045
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19110604
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19110604
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-06
- Tag 1911-06-04
-
Monat
1911-06
-
Jahr
1911
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psliiirche Umschau. „Nunqusm retrorlum." Der Ucbergang deutschen Bodens an Las Polent um schreitet auch nach den letzten Blättermeldungen rüstig vorwärts und führt in not wendiger Konsequenz natürlich auch immer neue kom munalpolitische Erfolge der Polen herbei. So kaust« aus den Händen des Deutschen Böhm nach dem „Pielgrzym" der Pole F. Kudnicki das 300 Morgen große Tut Julianhof im Kreise Löbau für 120 000 .k. In Könitz ging eine 233 Morgen große Wirtschaft für 135 000 in den Besitz des Polen Mowinski über und in Prechlau (kreis Schlochau) eine Bäckerei an Dabrorvski für 11000 .tt. Anderseits haben die Polen bei dem Ergünzungs-Stadtverordnetenwahlen in der zweitem Klasse in Poften mit 32 gegen 23 Stimmen gesiegt. Dadurch haben sie die Mehrheit in der Stadt verordnetenversammlung erlangt! von den 12 Stadt verordneten sind 7 polnisch. Dieser Umstand trägt leider auch dazu bei, daß die Polen nun zwei Ber rreter der Stadt Kosten in den Kreistag entsenden können umd dann auch in diesem die Mehrheit er langen werden, die bisher die Deutschen hatten. Eine böse Illustration zu dem „Xunczuaiu votrorsruu!", Ze weniger nun von der Aera Schorlemer für die Ostmark zu erwarten ist, um so dringlicher verlangt die Selbsthilfe der Ostmartdeutschen Stärkung und Unterstützung, was am wirksamsten durch die Zu führung reicherer Mittel an den Ostmarkenverein.q«- ichieht. Geh. Kommerzienrat Kirdorf, seit langem Mitglied des Gesamtausschusses, hat, wie bereits mft- geteilt, mit einer Spende von 1000 ttt den Anfang gemacht, um „den Verein zum aufgezwumgenen Kampf nach Kräften zu stärken". Möge dieses Beispiel bei allen Dentschempfimdenden Nachahmung finden! Gin kelerve-örmeLkorps im ksllermsnöver Bei der Mobilmachung werden aus den alteren Reservisten- und jüngeren Landwehr-Jahr- aängen besondere Reservctruppenteile gebildet, die nach Zahl und Gliederung etwa die gleiche Zu sammensetzung der aktiven Divisionen aufwcijen. Diese Reserve Divisionen vereinigt man neuerdings — wie u. a. aus den unlängst veröffentlichten kriegs- icchnischcn Studien des Generals der Infanterie z. D. Frhrn. v. Falken Hausen, zuletzt kommandieren den Generals des 13. (Kgl. Württcmb.j Armeekorps, ..Der große Krieg der Jetztzeit" und^ „Flanken bewegung und Massenheer" hervorgeht — zu Reserve- Armeekorps und setzt sie ziemlich genau so ein wie die mobilen Fricdenskorps. Eine kriegsmäßige Probe auf dies Ercmpcl soll im Herbst dieses Jahres derart gemacht werden, daß das Eardekorps aus aktiven und Reserve-Stämmen (mit je einer Division) ein solches Reservekorps bildet, und dies Korps, zusammen mit dem eigentlichen Garde lorps, als Teil einer vom Generalobersten v. Kessel b-»fehst«sten Armee-Abteilung im Kaisermanöver ver wendet wird. Das Garde-Rescrvekorps erl)ält ein Generalkommando, es werden ihm technische Truppen, Trains und Kolonnen zugmviesen, und es tritt — neben anderer Feldartilleri« und schwerer Artillerie de» Feldheeres — zu einer seiner beiden Divisionen da» Lehrregiment der Feldartillerieschießschule aus Jüterbog. Sein Führer soll Generalleutnant von Below werben. Der gänglichneue und hochinteressante Versuch mit solch kriegsmäßiger Manöververwendung nichtstehender Truppen und Stämme wird nicht ver fehlen, in der ganzen militärischen und Laienwelt da» größt« Aufsehen zu erregen. Man darf aus das Er- gebnis dieser ersten derartigen Erprobung bei uns mit Recht gespannt sein. Erhebungen über Wohnverhältnisse üer Otvziere unü Beamten. Auf Veranlassung des Reichsschatzamtes finden Erhebungen über die Wohnverhältnisse der Offiziere und Reichsbeamten in mehreren größeren Städten Deutschlands statt. Es handelt sich um diejenigen Städte, die sich augenblicklich in der Servisklasse i'> befinden, und die in die Servisklasse.1 eventuell versetzt werden sollen, wenn die Ergebnisse der Er hebungen demgemäß ausfallen. Die Erhebungen be ziehen sich in erster Reihe auf die Grundverhältnisse, da festgestellt ist, daß die Gelder, die als Wohnungs entschädigung gezahlt werden, in mehreren Städten nicht als ausreichend betrachtet werden können. Für Offiziere und mittlere Beamte kommen Wohnungen von 4 Zimmern in Betracht, von denen jedes Zimmer einen Ofen und eine Bodenfläche von mindestens 12 Quadratmetern aufweisen muß. Fällt eins dieser Kennzeichen fort, dann wird nach den bestehenden neuen Grundsätzen dieser Aufenthaltsraum nicht als Zimmer im Sinne der Bestimmungen angesehen. Die Offiziere und Beamten verfügen aber meist nur über Wohnungen von 3 Zimmern, um nicht durch die Unkosten einer Wohnung von 4 Zimmern in be drängte Verhältnisse zu gelangen. Wenn es Woh nungen von 4 Zimmern find, dann werden meist die sogenannten Mädchenzimmer dazu gerechnet, die zum Teil keine Oefen haben oder nicht über die zur Be stimmung eines Zimmers notwendige Bodenfläche von 12 Quadratmetern verfügen. Auch sogenannte Schrankzimmer, die entweder gar keine Fenster oder nur ein kleines Oberlicht haben, find, wie festgestellt wurde, als Wohnräume angegeben worden. Alle diese Räume können aber nicht als Zimmer im Sinne der Vestimmunpen gelten. Wenn die Erhebungen zu dem Ergebnis gelangen, daß die Mehrzahl der Offiziere und mittleren Reichsbeamten nicht die not wendige Zimmeranzahl hat, dann wird in allen diesen Fällen, die in Betracht kommen, eine Erhebung der betreffenden Stadt aus der Servistlasse U in die Servisklasfe k erfolgen. Augenblicklich werden die betreffenden Erhebungen in Dresden angestellt, wo nach den Feststellungen die Verhältnisse der Woh nungen für Offiziere und Reichsbeamte am bezeich- nendsten sein sotten. Es wird auch darauf gesehen, ob die Wohnungen der Reichsbeamten in weit ent fernten Wohnvierteln liegen, in denen die Wohnunyen billiger sind, die aber aus mehreren Gründen nrcht geeignet erscheinen. Die angestelltcn Erhebungen er strecken sich auf 3 Fragen, erstens wieviel Zimmer im Durchschnitt die Wohnungen der Offiziere und Reichsbeamten haben. Zweitens, ob die Zimmer die notwendige Beschaffenheit in bezug auf Größe. Bc Heizung und Licht haben. Drittens, in welchen Vierteln die Wohnungen gelegen sind. Leipzig im Jahre 2036. Ein seltsames Zukunftsbild. Buchdruck vcNwtcn.) Reben mir liegt ein unscheinbares, aber augen scheinlich sehr, sehr seltenes kleines Heftchen, betitelt: „Leipzig im Jahre 2030. Ein viclvcrheißcn- dcs Gemälde in Briefform, den verehrlichen Gründern und Artionars der Leipzig—Dresdener Eisenbahn gc widmet. Nebst einem lithographierten Plan und den in's Kleine ausgeführtcn Abbildungen des heil. Ein irachioomes und des Dcnkmales der Leipzig-Dres dener Eisenbahn Gründer. Leipzig, 1830." Das einfach gefälzelte, nicht einmal broschierte Druckwcrkchcn umfaßt im ganzen 28 Oktavseiten und c.nen zusammcngefaltcteu Stadtplan im Formate von 37 : 39 Zentimetern. Aus dem Haupttitel und dem Erscheinungsjahre geht hervor, daß es sich in diesem Zutunftsbildc darum handelt, die Stadt Leipzig dar- mstellen, wie sie zweihundert Fahre später aussehen würde, lind warum das kleine Opus den „Gründern und Actionärs der Leipzig—Dresdener Eisenbahn" gewidmet ist? Nun, es handelt sich ja um nichts mehr und nichts weniger als um eine Satire auf die großen Hoffnungen, die von vielen Seiten im Fahre 1836 auf den Bau Ser ersten größeren deutschen Eisen bahn gestellt wurden. Nach dreijährigen Vor beratungen hatte man im genannten Fahre, von Leipzig aus ostwärts weitcrschreitend, mit dem Bau begonnen, am 24. April 1837 wurde die erste Strecke l Leipzig—Althens eröffnet, und im Frühjahr 1830 war die Verbindung der beiden sächsischen Schwestm- städte durch den Schiencnstrang vollendet. Wenden wir uns nün zur näheren Betrachtung des „uielvcrhcißcnden" Zukuuftsgemäldes. Da cs sich um eine Spottschrift handelt, ver schweigt der Verfasser wohlweislich feinen wirklichen Namen und hält als Larve das schützende Pseudonym ..Wahrmann" vor. Auch nach dem Namen eines Ver legers, eines Buchdruckers, eines Zeichners und eines Lithographen wird man vergeblich suchen: sie sind weder am Anfänge noch am Ende des Pamphlets an gegeben. „W ahrmanninLeipzig an Gläubig in Qucbeck" — so lcrutet die Üeberschrift Üer ersten Tcrtscitc des Briefes, und ihr entspricht auf Seite 27 die Briefunterschrift „Dein Freund Wahrmann". Datiert ist das Schreiben: „Leipzig, am 1. Funi 2036." Die vermutlich um die Zeit des 1. Funi 1836 der Oef- fentlichkeit übergebene Satire ist demnach gegenwärtig genau 7b Fahre alt: und es wird interessant sein, das^ was in diesem Dreivierteljahrhundert (1836--1911» wirklich non der Stadt erreicht worden ist. mit dem zu vergleichen, was „Wahrmann" als in vollen Zwei Jahrhunderten (1836—2036) sich erreicht oorstellt. Die innere Stadt ist, laut Wahrmanns Be richt, innerhalb zweihundert Fahren im wesentlichen dieselbe geblieben, nur einige Straßen- und Platz namen sind verändert worden. So heißt das Barfuß- gäßchcn „Weststadtgäßchen", der Naschmarkt, weil an ihm die Börse liegt, ..Börsenplatz", das Salzgäßchen, weil cs hinter der Börse hinwegläuft, „Börscn- gntzchcn". Das Gewaudgäßchen ist zum „Ballhaus gäßchen" aewordeit, das unscheinbare Prcußergäßchen zum „Buchhändlerqäßchen" und das in seiner Fort setzung liegende KupfergLßchen zum .Hramergäßchrn" avanciert. Die vier Haupttore aber werden ein»,ich nach den Himmelsgegenden benannt: das innere Grimnnrische Tor (am Casä sraw,ais) „Ostsahrt". das Petcrstor (bei der jetzigen Reichsbankl Südfahrt, das innere Ranstädter Tor (beim Alten Th aterj „Westsahrt" das innere Hattische Tor (bei üer Neuen HaNdclsbörse) „Nordsahrt". Fn betreff der einzelnen Gebäude freilich läuicht sich unser Berichterstatter recht gründlich. Von Neubauten kennt er in üer inneren Stadt nur ein an Stelle des alten nach 1830 erbautes neues Rat haus. Er nimmt an, daß es in italienischem Stil, aur zwei Stock hoch und mit flachem Dach, also ent sprechend seiner Nachbarin, der Alten Handelsbörse, erbaut sei. Sonstige Neu- oder Umbauteil nenm Wahrmaun nicht: er gibt sich der angenehmen Hoff nung hin, daß die meisten öffentlichen Gebäude nach zweihundert Fahren genau noch jo ihren Dienst tun würden wie im Fahre 1836. Die kleine Handels börse, die bereits fünfzig Fahre später ihres Amtes enthoben wurde, die alte Nikolaifchule am gleich namigcn Kirchhofe, die alte Buchhändlerbörse, jetzt ttniversitätskonvikr, alle dienen sie jetzt schon seit ge raumer Zeit andern Zwecken, und eine neue Börse, eine neue Nikolaischule, ein neues Buchhändlerhcim hat sich in den Vorstädten erhoben: Wahrmann aber ist der Ucberzeugung, daß sie auch 2036 noch für die früheren Zwecke vollkommen ausreichend sind. Das alte Schloß Pleißenburg, an dessen Srelle sich nun schon seit mehr als einem Jahrzehnt der stolze Bau des Neuen Rathauses erhebt, erfreut sich in den Augen des Berichterstatters nach zweihundert Jahren noch feines Daseins, sogar die Sternwarte soll sich noch droben befinden. Davon, daß die alte, kleine Peterskirche der Reichsbankfiliale weichen würde, hat Wahrmann nicht die leiseste Ahnung: sogar die längst abgebrochene Reitschule am Alten Theater und das oüstere alte Georgenhaus, das den Ausgang des Brühls versperrte, läßt Wahrmann in seiner Naivität Anno 2036 noch fortleben, und da, wo sich jetzt seit bereits einem halben Jahrhundert das Neue Stadt theater am Augustusplatz erhebt, sieht unser Prophet noch nach zwei Jahrhunderten Len guten alten Schneckenberg und zu dessen Füßen den Wasser fall und die drollige, nun längst beseitigte Gotische Pforte, die mitten in den Parkanlagen stand und von nichts zu nichts führte. Kurz vor Erscheine» des kleinen Pamphlets war der alte Torturm des inneren Grimmaijchen Tores am Ostende der Erimmaischen Straße niedergeriffc», und an seiner Stelle vom Konditor Wilhelm Felsche das Casv franc-ais erbaut worden. Dieses, man darf wohl sagen, weltberühmte Kaffeehaus imponierte damals so gewaltig, daß ein großer Teil der Satire daraufhin weitergcsponnen wird. Denn Wahrmann phantasiert demgemäß fast jeder Nation ein solches Kaffeehaus an. Es gibt 2036 in der inneren Stadt außer dem französischen ein deutsches und ein italie nisches, in den Vorstädten aber ein indisches, ein per sisches, ein österreichisches, ein Pariser, ein russisches, ein englisches, ein polnisches und ein Meriko Kaffee Haus. Das jetzt schon abgerissene Römische Haus am Petersfteinweg wird von Wahrmann zum römischen Kaffeehause umgefchaffen, und an einem chinesischen Kaffee- und Teehause läßt er es auch nicht fehlen. Der Briefschreiber nimmt nämlich an, daß durch den fortwährend wachsenden Zufluß von fremden Kaufleuten Leipzig fich zur immerwähren den Meßstadt entwickelt hat, und um allen Aus ländern gerecht zu werden, läßt er in der Ostvorstatt einen sog. Eintrachtsdom erstehen, ein zentral förmige» Kuppelgebäude mit laternenartiqem Ober bau. übet dessen vier nach den Himmelsgegenden ge lichteten Portalen die Bildsäulen von Konfuzius, Moses, Christus und Mohammed prangen, während im Innern dieses Domes derselbe fromme Spruch in Goldschrift in chinesischer, türkischer, persischer, he britischer, griechischer, lateinischer und deutscher Deutsches Selch. Leipzig, 4. Juni. * Zur Resormkonferenz im sächsischen Eisenbahn wesen. Im Finanzministerium fand am Freitag eine Vorbesprechung für die am Mon tag, oen 13. Funi, stattfindende Konferenz über die Reformen im sächsischen Eisenbahn wesen statt. An der Vorbesprechung nahmen die jenigen Herren teil, die seitens des Finanzministc riums auch eine Einladung zur Teilnahme an der Hauptkonferenz erhalten haben, und zwar sind dies Herren aus der Eisenbahnverwaltung. Mitglieder der Ersten und Zweiten Kammer des sächsischen Land tages usm. Die Vorbesprechung am Freitag diente lediglich zur Klärung und Durchberatung der ganzen umfangreichen Materie. Trotzdem wird die « i g e n t lichc Konferenz noch zwei volle Tage in Anspruch nehmen. * Landes- oder Pastorensqnode? Das „Neue sächs. Kirchenbl." gibt eine Uebersichr über das Resultat, das die jüngst erfolgten Neuwahlen über die sächiische Üandesshnode ergeben haben. Danach setzt sich jetzt die ganze Synode zusammen aus 11 geistlichen Würdenträgern (1 Oberhofprediger und 10 Super iittendcntens, 18 Pastoren, den Vertretern der theo logischen Fakultät der Universität Leipzig und den fünf non den Ministern zu berufenden Theologen. Zu den weltlichen Mitgliedern werden gehören: 13 Furisten, 6 Landwirte, 6 Schulmänner, 8 Vertreter von Handel und Gewerbe, ein Offizier ein Gemeinde vorstand und ein Werkmeister. „Die Vertretung einer Volkskirche könnte", so vermeint die Neue sächs. Kirchenztg." am Schluffe ihrer Zu sammenstellung mit gutem Recht, wohl nochanders aussehen." * Ein Spionageprozeß wird am 15. Juni vor dem vereinigten 2. und 3. Strafsenat des Reichs gerichts zur Verhandlung kommen. Des Verrats mi litärischer Geheimnisse bzw. der Beihilfe dazu sind angeklagt der 29jährige Papierwarenzuschneider Jo seph Emil Remane aus Breslau und seine 27jäh rigc Schwester Marie Remane. Die Verteidigung führen die Rechtsanwälte Mittelstädt und Kerlbauni. '^ic Verhandlung wird voraussichtlich unter vollem Ausschluß der Oeffentlichkeit stattfinden. * In dem Verein der Fortschrittlichen Bolkspartei für Böhlitz-Ehrenberg hielt am 1. Funi Parteisekretär Hofmann einen Vortrag über das Thema: „Politische Organisation". Fm Anschluß an das Referat erfolgte die endgültige Konstituierung des Vorstandes. Zum Vorsitzenden wurde Herr Lagerist Pirl. zum Schrift führer Herr Versicherungsbeamter Stachelrot. zum Kassierer Herr Berger und als Beisitzer Herr Becher gewählt. * Die Mittelftandsvereinigung im Königreich Sachsen hielt am 30. Mai in Dresden eine Sitzung des geschäftsfiihrenden Vorstandes ab. Es wurde be schloffen, den diesjährigen Sächsischen Mittel- standstag gelegentlich des 1. Reichsdeutschen Mittelstandstages auf der Internationalen Hygiene- Ausstellung in Dresden abzuhalten. Den Mittel punkt der Beratungen sollen die beabsichtigte R e - form der sächsischen Gemeindesteuern und die Wünsche bilden, die von den einzelnen Gruppen des Mittelstandes hierzu aufgestellt werden. Zu djeicni Zwecke werden demnächst die großen Fach- » verbände ersucht, sich mit Liefer Angelegenheit ein gehend zu beschäftigen. — Ferner wurde det Beschluß gefaßt, die in den neuen Satzungen vorgesehenen Ab teilungen, soweit sie noch nicht durchgeführt find, zu schckffen, und die dort ebenfalls vorgesehenen Bezirks organisationen nach Kreishauptmannfchaften einzu führen. Zunächst soll in Dresden der Anfang gemacht werden Die Einzelmitglieder der Bezirksorganisa tionen erhalten plastische Vorteile aller Art. Eine ganz besondere Aufmerksamkeit wird man der Rege lung der Kreditfrage, entsprechend den Bedürfnissen des gewerblichen Mittelstandes, widmen. *- * Kein Handschreiben des Kaisers an Bischof Keppler. Die auch von uns abgedruckte Nachricht, daß der Kaiser an den Bischof von Rottenburg zum Ausdruck seiner Zustimmung zu dessen bekanntem Buche: „Mehr Freude", ein eigenhändiges Hansdschrei. bcn gerichtet habe, ist, wie Bischof Keppler der „Köln. Volksztg " telegraphisch mitteilt, erfunden. Wir hatten die Meldung der Berliner Information vom 31. Mai entnommen und an der Spitze der Zuschrift ihre Herkunft kenntlich gemacht. * Wann wird der Kronprinz Kommandeur der 1. Leib-Husaren? In der Presse wird in jüngerer Zeit häufig der Verwunderung Ausdruck gegeben, daß der Kronprinz noch nicht zum Kommandeur des 1. Leib Husaren Regiments ernannt worden sei. Hierzu be merkt die „N. pol. Korr.", daß es von vornherein bc stimmt gewesen sei, daß sowohl der Kronprinz sein Bataillon, als auch der jetzige Kommandeur dclr 1. Husaren sein Regiment bis zum Schluß der dies jährigen Herbstübungen behalten jollen, daß also die König!. Order über die neue Ernennung des Kronprinzen erst im September zu er warten ist. Zum Befinden des Prinzen Joachim. Bei dem Prinzen Joachim von Preußen wurde Sonnabend morgen der Bluterguß ins Kniegelenk durch Punktion entfernt. Hiervon erhoffen die Aerztc ein Minderung der Schmerzen. " Der General der Infanterie Herwarth v. Bitten feld, der am 30. v. M. seinen 70. Geburtstag feierte und von 1900 bis 1903 das 15. Armeekorps befehligte, hat diesen höchsten militärischen Rang gleich seinem Vater, dem spüteren Eeneralfftd- marschall, bekleidet, der in den Fahren 1860—1870 zu erst das 7., dann das 8. Korps kommandierte. Dieser seltene Fall wiederholt sich bei den preußischen kom mandierenden Generalen nur bei den Grafen v. Kirch dach, wo der Later das 5. Korps von 1870—1880, der Sohn dasselbe Korps bis vor kurzem befehligte. * Fürst Hatzfeldt-Wildenbruch s. Alfred Fürst von Hatzfeldt-Wildeubruch, erbliches Mitglied des preußischen Herrenhauses, ist Freitagnacht in Düffel darf im Alter von 86 Jahren gestorben. — Der Ver storbene wurde am 9. April 1825 zu Düffeldorf gc boren; Mitglied des preußischen Herrenhauses war Fürst Hatzfeldt seit 1856. Seine Gattin war eine ge borene Gräfin Dietrichstein-Proskau-Leslic. * Reichstagswahlvorbereitungen. Fm Wahlkreis Sonneberg Saalfeld hat der Bund der Landwirte Herrn Aßmann (Holzengen) als Reichstag-kandi- daten ausgestellt. — Durch die Presse geht die Nach richt. daß im Reichstagswahlkreise Ober- und Unter lahnkreis der Bund der Landwirte den Bürgermeister Neu (Selters) als ReichstagSkandidaten ausgestellt habe, dem von vornherein die Zentrumsstimmen zu gesichert seien. Wir können aber mitteilen, daß die 'Nachricht aus der Luft gegriffen ist. — Fm Wahlkreise Bcuthen Köirigshütte-Tarnowitz 'hat das Zentrum den Landtagsabgeordneten Grafen Edwin Henckel-Donnersmarck und in Kattorüitz- Zabr.ze den Amtsrichter Göbel als Reichstagskandi- daten aufgestellt. — Fm oberpfälzischen Wahlkreise Sprache angeschrieben steht. Ist nun auch bisher von keinem solchen Verbrüderungstempel der Religionen etwas zu erblicken, so hat doch in einem Punkte der Prophet so ziemlich das Richtige getroffen. Nicht weit von der Stelle nämlich, wo er sich seinen Ein- trachtsrempel hindentt, erhebt sich jetzt der Kuppel bau der Alberthalle, jenes Vergnügungslokals, das zum Kristallpalast gehört, und das ganz wie üer phantastische Eintrachtsdom ein Kuppeldach mit einem laternenförmigen Oberbau zeigt. In manch andern Beziehungen ist die Weissagung Wahrmanns längst schon richtig eingetroffcn und wird sich vielleicht auch noch nach weiteren 125 Jahren bewahrheiten. Es gibt, schreibt Wahrmann, nicht nur sic Leipzig—Dresdner, oder vielmehr die „Ostbahn", wie er sie nennt, sondern auch eine Süd-, eine West- und eine Nordbahn. Sie alle sind ja schon jahr zehntelang in üer Tat vorhanden in Gestalt der Bay rischen, Thüringer mrd der Magdeburger bzw. Ber liner Bahn. Es gibt, laut AZahrmann, nicht nur in der inneren Stadt ein Theater und ein Konzert- und Ballhaus, sondern auch in jedem der vier Vorbezirke existieren solche Vergnügungsstätten. Auch ist in jeder dieser Vorstädte eine neue Kirche erstanden. Fn der Nordvorstadt nennt Wahrmann einen Parthe- kanal, der ganz der jetzt geradlinig eingeengten Parthe entspricht. Ebenso zeichnet Wahrmann fast genau an der Stelle, wo sie jetzt in Wirklichkeit liegt, eine Berliner Straße. Im Osten, vor der Vorstadt draußen, steht ein großes neues Mildtätigkeitsstift, eine Vorahnung des neuen Johannishospitals. Die Fohanniskirche nennt der Bericht als vor ungefähr hundert Jahren im Innern verschönert, und einen Handelshof gibt er auch an, nur nicht da, wo er jetzt in der inneren Stadt erbaut worden ist, sondern in der Nordvorstadt. Dieselben Gründe, die Wahrmann bewegen, den oben geschilderten Eintrachtsdom und die vielen nach Nationen benannten Kaffeehäuser zu erfinden, leiten ihn auch dahin, eine Unmasse von Straßen in den Vorstädten nach Völkern, Ländern und Städten zu be nennen. Es gibt eine Tibetstraße, eine Chinesenstraße, Fndierstraße, Nenhollandstraße. Mohammodanerstraße, Pariser Straße, New Yorker Straße, Martinitstraßc, Gibraltarstrage usw. Für kurze Zwischengäßchen wird die Bezeichnung „Sprung" gewichst; und so erscheint ein Tigersprung, ein Löwensprung, ein Mameluken sprung und ein Lamasprung. Die aus der Südvor stadt hinausführenden Tore heißen Algierer Tor, Timbuktutor, Jnseltor und Römertor, letzteres am Anfänge der Zeitzer Straße. Im Ostviertel gibt es einen Völkerplatz, mitten auf der großen Wftse des Rosentales ist ein Riesenrestaurant errichtet. Wie das Umläufen von Straßennamen im Laufe der Zett in Leipzig wirklich zur Manie gc worden ist, so geht auch unser Wahrmann lebhaft daran, alte Straßen neu zu benennen. Die Schützen straße (damals Hintergaffe) wird bei ihm zur Bühmcnftraße, die jetzige Poststraße (damalige Neue Fohannisgaffe) zur Galizierstraße, die heutige Quer straße zur Dalmatierstraßc, die Salomonstraßc gar zur Pcrserstraße. Das Schrötergäßchen (jetzt Kur prinzstraße) wird in «in Kronprinzgäßchen ver wandelt, Windmühlenstraße und Kauz in eine Wicnerstraße, der Prterssteinweg in eine Römer straße. Die enge Gerberstraße wird zur stolzen Lond'ner Straße, an Stelle der fetzigen Bliicherstraße taucht eine Kopenhagener Straße.auf. Die in der Tktt bereit» dreimal umgetaufte Lertlichkett, sie erst den Namen Klitfchergäßchen, dann den Namen Pleißcngasse, jetzt den Namen Wächter st raße führt, erhält bei Wahrmann die glühende Bezeichnung Aetnagäßchcn. Hofrat Keils (Löhrs) Garten, jetzt Hotel Fürstenhof, heißt Insel - Rügen - Garren. Mehrere Bezeichnungen erinnern, wie ausdrücklich gc sagt wird, an Sen „großen Napoleon", nämlich an dessen Geburtsinsel und Sterbeinsel. Schimmels Gut am Floßplatze mit seinem großen Teich und der daraus befindlichen Insel Buen Retiro (jetzt längst verschwunden) wird zum Korsikagarten, in der Nähe gibt es eine Korsitastraße und endlich auch eine St. Helenastraße. Sehr hübsch und ziemlich richtig vorausgcsaqt ist, zu einer Zeit, wo Leipzig nur eine alte Wasser leitung mit Holzröhren besaß, die im Süden außerhalb der Stadr an der Pleiße gelegene „Dampf wasserleitung". Ein ganz seltsames Zusammentreffen aber ist folgendes. Um, wie er vermeint, seiner Satire die Krone aufzusetzen, läßt 'Wahrmann den „Ost-Eisenbahnstiftern", also den Gründern der Leipzig —Dresdener Eisenbahn, die die erste Ursache all dieses Aufschwunges waren, ein Denkmal errichten. Es hat die Form eines Obelisken und ist geschmückt mit den Namen aller Eisenbahngründer. Diese Prophezeiung gleicht wirklich einer Vision. Denn seit mehreren Jahr zehnten bereits steht an der heutigen Goethestraße in der 'Nähe des allen Bahnhofes ein solches Denkmal. Es hat in der Tat die Form eines Obelisken, und man findet darauf in Erz die Namen aller der von Wahrmann bespöttelten Stifter verzeichnet. Trotz alledem aber täuscht sich unser Prophet auf das gründlichste in drei Hauptpunkten, nämlich in bezug auf die Ausdehnung der Stadt, in bezug auf ihre Form und in bezug auf die Menge ihrer Einwohner. Wahrmann denkt sich unser Leipzig im Fahre 2036 so groß, daß es im Osten bis Grenz straße—Gerichtsweg reicht, im Süden bis zur Gegend - der Schletterstraßc, im Westen bis zur Luthcrkirche— Thvmasschule, im Norden bis zu Parkplatz--Gas anstalt. Nach allen vier Himmelsgegenden soll dabei die Stadt von geradlinigen Straßen umschlossen jein, so daß sie mitsamt ihren Vorstädten fast genau das Bild eines Quadrats zeigt. Kein einziges der um liegenden Dörfer reicht bis an diesen Außenrand der Stadt heran, vielmehr denkt sich -er Prophet die Zache genau wieder so wie Anno 1836. Wie damals die Stadt von einem Kranze großer Gärten um schloffen war, so nimmt Wahrmann auch nun einen solchen Kranz von Gürten an, dazwischen liegt freies Feld. Um Namen ist er dabei nicht verlegen. Außer den bereits genannten großen Gärten gibt es da einen Sterngarten, einen Lindengatten, «inen Bremer Garten, eine Nordische Blumenflur und einen Lon doner Garten. Zwischen diesen Gärten liegt auch ein Süd Schießhaus und ein Nord-Schießhaus, jenes dem alten Pctersschießgraben, dieses dem asten Schützcn- hause (heutigen Kristallpalast) entsprechend. Daß die Stadt jetzt, nach 75 Fahren, bereits auf das engste mit fast allen ihren Vorstadtdörfern zusammengewachsen ist, und daß sie infolgedessen nichts weniger als eine quadratische Gestalt zeigt, davon überzeugt schon der flüchtigste Blick auf einen modernen Etadtplan. Der allerdrolligsten Täuschung jedoch fällt der Prophet Wahrmann anheim, was die Einwohnerzahl betrifft. Fürs Fahr 2036 — und wer weiß, mit welchem Zagen er das tut — gibt «r eine Kopfzahl von „über 200 000" an. Er konnte sich nicht vorstellen, daß diese Zahl in weniger al» einem Jahrhundert mehr als das Dreifache dieser Fabelzahl betragen würde. Für künftige Propheten liegt hierin eine ganz «e- mastige Lehre, und die lautet: Wenn ihr den Mund cinmal vollnehmen wollt, so tut da» recht gründlich, sonst blamiert ihr euch. Lckvia Vormaaa.
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