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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.05.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-05-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110517010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911051701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911051701
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-05
- Tag 1911-05-17
-
Monat
1911-05
-
Jahr
1911
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Nr. 136. los. Jahrgang. Leipziger Tageblatt. Llinüaner llsilertsge. Die Enthiillnng de« Denkmal» der Königin Viktoria. Da» Denkmal für die Königin Viktoria, das unmittelbar vor dem Gitter des Buckinghampalastes in London errichtet ist, wurde am Dienstagmittag vom König Georg in Gegenwart des deutschen Kaiserpaares, einer Anzahl von Premierministern der Kolonien, die sich jetzt zur Teilnahme an der Reichskonserenz in England befinden, des diplo matischen Korps und einer glänzenden Zuschauer versammlung feierlich enthüllt. Der grössere Teil des Denkmals war den Blicken schon vor einiger Zeit sreigcgeben. Verhüllt blieb bisher noch die Statue der Königin selbst. Kurz vor 12 Uhr verliehen bei schönem Wetter das Kaiserpaar und das Königspaar mit der königlichen Familie und dem Hofstaat den Buckingham- palast und schritten zu dem Baldachin gegenüber dem Denkmal der Königin Viktoria. Die Truppen salu tierten. Als die Majestäten mit Gefolge unter dem Baldachin Platz genommen hatten, überreichte Viscount Esher, der Vorsitzende des Denkmals ausschusses, den Bericht und eine Adresse. In Erwiderung auf die vom Viscount Esher überreichte Adresse hielt der König eine Ansprache, in der er zunächst aus König Eduards Anteil an der heutigen Gedenkfeier hinwies, eines Königs, der deute mehr als je in dem liebenden Gedächtnis der Engländer lebe. Der König wies auf den Anteil hin, den die Kolonien an der heutigen Feier hätten, und hob hervor, das Denkmal stelle einen Tribut von Rassen und Ländern von grösserer Verschiedenheit in Charakter und Lebensweise dar, als sie jemals zuvor zu gemeinsamem Zweck vereinigt gewesen seien. Der König fuhr fort: Es ist für mich und meine Familie eine Quelle tiefer Befriedigung, daß »rein lieber Vetter, der Deutsche Kaiser, begleitet von der Kaiserin, bei der historischen Feier anwesend ist. Der Kaiser ist der älteste Enkel der Königin Viktoria, die er immer mit natürlicher Zuneigung geliebt und verehrt Hal. Seine Anwesenheit, die Sym pathie, die er uns an den letzien Tagen ihresLebens und später entgegcugcbracht hat, werden von mir und meinem Volle niemals vergessen werden. Starke, lebendige Baude der Verwandtschaft und Freundschaftvereinigen unsere Throne und Personen. Mein Volk freut sich mit mir, daß er heute hier ist, um an der Enthüllung des Denkmals teilzu nehmen. Ich bitte Gott, das; das Denkmal in London immerdar den Ruhm der Regierung der Königin Viktoria künden und den zukünf tigen Geschlechtern die Liebe und Verehrung dar tun möge, die das Volk für sie und ihr An denken hegte. Der König schlos;, indem er init warmen Worten der Hingebung gedachte, die die Königin ihren öffent lichen Pflichten gewidmet habe. Di« Enthüllung erfolgte durch Elektrizität. Um 12 Uhr schloff König Georg durch einen Druck auf den Knopf den elektrischen Strom, welcher den die Verhüllung fest haltenden Draht verbrannte. Als die Hülle fiel, wurde von einer im St. 2ames-Park aufgestellten reitenden Batterie ein Salut von 41 Schutz abgegeben. Die Truppen, die in einem weiten Umkreis vor dem Palaste standen, präsentierten. Nach der Dcnkmalsenthüllung formierten sich dre Truppen zu einem Vorbeimarsch und defilierten vor dein Kaiser und dem König. Alle Truppen des Londoner Distrikts waren zusammengezogen. Auch von Aldershot waren viele Detachements nach London befohlen. Die in der nächsten Umgebung des Denk mals aufgestellten Truppen waren von den Leib- und Juffgarderegimeutern und denjenigen Regimen tern gestellt, zu denen die verstorbene Königin in besonderer Beziehung gestanden hatte. Auch ein Marinedctachement war anwesend. Nach dem Vor beimarsch stellten sich die Truppen am Wege auf, auf dem der Kaiser und der König nach dem Palaste zurückkehrten. Bei der Denkmalscnthüllung trug der Kaiser ebenso wie der König englische Feldmar schallsuniform mit dem Band des Hosenband ordens. Das Kaiserpaar und das Königspaar standen während der ganzen Feier aus der groffen Plattform des Denkmals nebeneinander. Nach der Enthüllung legte der Kaiser am Denkmal einen schönen Lorbeerkranz nieder, ebenso die Ab ordnung des Gardedragonerregiments „Königin Viktoria yon Groffbritannien und Irland". * Eine deutsche offiziöse Preßstimme zur Tenkmalsent- hüllung. Die „Nordd. Allg. Ztg" schreibt unterm 16. Mai: Heute wird das Denkmal der Königin Viktoria feierlich enthüllt. Es entspricht dem pietät vollen Sinn des Königs Georg und des britischen Volkes, daff der erste festliche Akt nach Ablauf des Trauerjahres um König Eduard der Vollziehung des Vermächtnisses gilt, das er mit dem unvoll endeten Denkmalsbau hinterlassen hat. Das Viktori anische Zeitalter wird als eine Periode dauernden Glücks und gewaltigem Aufschwungs eines der glänzendsten Blätter der Geschichte Groff- britan niens ausfüllen. Als ein Zeichen dieser groffen Zeit wird das Denkmal der Königin, das aus Dankbarkeit und Liebe errichtet ist, dem Herren jedes Briten teuer sein. Unser Kaiser bekundete leine Verehrung für die Königin aufs neue, indem er sich auf Einladung des Königs mit der Kaiserin und der Prinzessin Viktoria Luise zu der Denkmals feier begeben hat. Der herzliche Empfang, der den kaiserlichen Herrschaften bereitet wird, begegnet in Deutschland der aufrichtigsten Genugtuung. Internationale Sggiene-riuslteUung in Oresüen. Eröffnung der Sondergruppe Alkoholismus. In Anwesenheit der Vertreter des Reiches, des Staates Sachsen und der Stadt Dresden fand Sonn tag, den 14. Mai, vormittags 11 Uhr im Roten Saale des steinernen Ausstellungspalastes vor einer zahl reichen, zum Teil von fern herbeigeeilten Zuhörer schaft die Eröffnung der Sondergruppe Alko holismus statt. Als Gruppenvorsitzenter sprach an erster Stelle Obermedizinalrat Hofrat Prof. Dr. v. Gruber aus München, um zunächst allen den maßgebenden Behörden für das zu danken, was sie zur Ermöglichung dieser Sonderausstellung getan. Was für die wissenschaftliche Abteilung angemeldet worden sei, habe man einer strengen Prüfung unterzogen, so daff das nun Gebotene auch vor dem Auge der Wissen schaft bestehen könne. Noch sei ja unsere Kenntnis von der Wirkung des Alkoholmiffbrauchs nicht lücken los, aber auch das sicher Feststehende wiege doch schwer genug, um die Notwendigkeit des Kampfes zu erweisen. Fest stehe vor allem der enorme wirt schaftliche Schaden, der durch den herrschenden Al- koholmitzbrauch herausbeschworen werde, womit zu gleich ein gewaltiger hygienischer Schaden verbunden sei, da Unsummen für die Förderung der Volksgesund heit dadurch verloren gingen. Fest stehe auch die Tat sache, daff der Alkohol nur ein schlechtes und minder wertiges Nahrungsmittel sei, und ebenso fest stehe die akute Giftwirkung des Alkohols auf die geistige Sphäre und den sittlichen Willen, worin eine er schreckende Zahl von Unfällen, von Geisteserkrankun gen, von Vergehen und Verbrechen ihre Erklärung finden. Nachdem Redner noch den groffen Vereinen gedankt, die sich ein besonderes Verdienst um das Zu standekommen der Ausstellung erworben, namentlich dem.Deutschen Verein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke und dem Guttemplerorden, würdigte er in Kürze auch die Ausstellungsgegenstände, die die Be kämpfung des Alkoholismus angehe; auch die Prophy laxe gehöre in die wissenschaftliche Abteilung der Ausstellung; denn di« Hygiene sei nicht ein Wesen, das „mit kalter Nase an den Dingen herumrieche", sondern wolle an ihrem Teile zur Besserung der Zu stände beitragen. Hier widmete Redner noch ein be sonderes Wort den Vertretungen für Gasthausreform, die nach seiner Meinung besondere Aussicht auf Ver wirklichung hätten. Als Vorsitzender des Deutschen Vereins gegen Miffbrauch geistiger Getränke sprach an zweiter Stelle Herr Wirk!. Geh. Oberregieruirasrat Senatspräsident I). Dr. Dr. v. Strauff und Torney aus Berlin. Er gab nähere Mitteilungen über das Zustandekom men der Ausstellung, hob die beträchtliche Eeldaus- wendung hervor, die der Kuttemplerorden dafür ge macht habe, di« Sammlung freiwilliger Geldbeiträge, die der Deutsche Verein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke im Kreise seiner Mitglieder für den Zweck veranstaltet habe, weiter die wertvolle Unterstützung seitens des Kaiserlichen Gesundheits amtes ebenso wie die der Ausstellung seitens des KgU. Sächsischen Kultusministeriums zuteil gewordene Förderung. Während die wiffen- ichaftliche Prüfung der eingcsandten Objekte durch Obermedizinalrat Prof. Dr. v. Gruber erfolgt sei, habe sich der Dresdner Arbeitsausschuß, an seiner Spitze Geh. Sannätsrat Dr. Ganser, um Anordnung und Ausstellung sehr verdient gemacht; besonders große Mühe aber habe hierbei der 2. Geschäftsführer des Deutschen Vereins, Dr. Durckhardt, aufgewandt, ohne den eine rechtzeitige Eröffnung der Ausstellung kaum möglich gewesen sein würde. Diese Dankesworte seines Vorredners unterstrich noch besonders lebhaft der Erofftempler Herr Blume aus Hamburg, der als besondere Wirkung der Ver anstaltung ein rascheres Wachstum der Alkoholgegnec erhoffte. Als Erklärung dafür, daß der Orden sich der Arbeit in Dresden nicht mit voller Kraft habe widmen können, wies Redner auf die eben jetzt in Vorbereitung begriffene große Antialkoholaussiellung in Hamburg hin, die im Juni ü. I. aus Anlaß der dortigen internationalen Guttemplertagung statt finden soll. Hierauf wurden die Erschienenen non sachkundigen Führern durch die Ausstellung geleitet, die in ihrer Gesamtheit ein ganz überwältigendes Bild von der verheerenden Wirkung des Alkoholismus bietet, das um so tiefer wirkt, als jede Art von übertreibender Darstellung grundsätzlich serngehalren worden ist. Schon jetzt darf man sagen, daß das hier vereinigte wissensckmftliche und propagandistische Material einen hohen Wert hat und in dieser Vollständigkeit in Deutschland bisher noch nicht geboten worden ist. Der für Ende des Monats angekündigte Sonderkatalog wird auch weiteren Kreisen die Bildung eines Urteils darüber erleichtern. ?rc>k. vr. Ilar-tmunn. Zu üer Vernichtung ües Lult- lchtlkes „Deutlchlsnü", über die wir unsere Leser bereits in unserer gestrigen Abendausgabe ausführlich unterrichteten, meldet das „B. T." weiter: Am Dienstag früh '/,S Uhr sollte das Passagierlustfchiff „Ersatz Deutschland" zu seiner letzten Rundfahrt über Düsseldorf aussteigen und im Anschluß daran seine Reise nach Baden- Baden vornehmen. Die Abfahrt verzögerte sich um eine halbe Stunde, weil der Wind in der Richtung zur Halle stand und dadurch die Gefahr nahelag, Laß das Schiff nicht glatt aus der Halle gebracht werden könnte. Um 10 Uhr entschloß sich die Fahrleitung doch, den Aufstieg zu unternehmen. An der Fahrt sollten acht Personen teilnehmen, die bereits in den Kabinen Platz ge nommen hatten. Kurz nach 10 Uhr zogen etwa hundert Mann das Schiff langsam aus der Halle heraus. Als das Luftschiff vollständig aus der Halle gezogen war und im Freien sich befand, wurde es plötzlich von einer niedergehenden Bö erfaßt, schob sich mit dem Hinteren Teil in die Höhe und prallte gegen chi> etwa 00 Meter lange Schutzwand an. Dadurch wurde das Schiff gegen die Halle gepreßt. In diesem Augenblick rissen einige Taue: das Luftschiff hob sich empor und blieb mit der Spitze aus der Halle hängen, während der Hintere Teil an der Schutzwand lag. Dabei wurde das Schiff an zwei Stellen total geknickt. Die Passagiere befanden sich in recht gefährlicher Lage; sie wurden schließlich durch eine große Schiebeleiter aus den Kabinen heraus geholt. Das auf der umliegenden Heide übende Militär und die Feuerwehren wurden zur Hilfe leistung requiriert und es gelang schließlich, das Schiff wieder zur Erde herabzuziehen. Das Luft Rttlw»«, >7. Mal ISN. schiff gilt als total verloren. Die Unfallstelle ist polizeilich abgesperrt. Zahlreiche Bedienung-;. Mannschaften und Hilfskräfte montieren das Luft schiff bereits ab. Die Ballonetts sind zum Teil zerstört worden. Der Schiffskörper ist völlig gekrümmt. Die Ursachen des Unglück». Die Schwierigkeiten und Gefahren des Heraus bringens aus der festen Halle in Düffeldors waren allen Beteiligten bekannt, und von vornherein war auch die Anlage drehbarer Hallen beabsichtigt; die da malige Eile der der Herstellung der ersten Schutzhallen der Delag und andernteils die für Drehhalien er- forderlich werdenden großen Kosten harten dazu ge führt, es zunächst bei festen Schutzhüllen zu belassen. Die Riewnsläche des Körpers bot dem Winde eine Angriffsfläche von mehr als 1000 eine Fläche, die der Besegelung einer großen Schoner jacht, wie zum Beispiel der des „Meteor" fast gleich kommt. Bei stärkerem Seitenwind müßten demnach enorme Druckmomenle ausgeglichen werden, um eine Be, jchädigung am Hallenansgang ru verhindern. Aus diesem Grunde war imDüsseldvrferLuftschisfhasenauch die Anlage einer Gleissührnng geplant, die während der Abwesenheit der „Deutschland" ausgebaut werden sollte. Die Gondeln sollten auf kleinen Laufwagen Stützpunkte finden und fo gefesselt der Lufttreuzer ohne Gefahr einer Kollision mit der Halle ins Freie gebracht werden. Erst dort sollte er von der Bedienungsmannschaft für den Aufstieg freigegeben werden. Die Insassen des havarierten Luftschiffes waren Kommerzienrat Arthur Poensgen und Kommerzienrat Pfeiffer aus Düsseldorf mit ihren Damen. Im letzten Augenblick vor dem Aufstieg meldeten sich noch Kommerzienrat Schieß und Kommerzienrat Haniel mit ihren Damen. Graf Zeppelin wurde von dem Unfall sofort telegraphisch benachrichtigt, man erwartet, daß er nach Düsseldorf kommen wird. Nach den letzten Dispositionen wird das Luftschiff wahrscheinlich nicht nach Friedrichs hafen transportiert, sondern in Düsseldorf re pariert werden. Ter Passagierbetrieb der Telag wird eine Störung durch diesen Unfall kaum er leiden, denn der „L. Z. Vlll" liegt bereits fertig in der Friedrichshafener Montagehalle, wenn auch vor läufig noch in der kürzeren Versuchsausführung von nur 103 in Länge, die für die Aufnahme einer größeren Anzahl Passagiere allerdings nicht geeignet ist. Der Körper braucht jedoch nur um zwei Sektionen ver längert zu werden, wozu die Vorarbeiten auch bereits abgeschlossen sind. Dieser dann 133 in lange Lufttreuzer ist in kurzer Zeit betriebsfertig zu machen. Letzte Lvksl-Uschrliktten. Leipzig, 17. Mai. * Eine öffentliche Bersammlung der Schneider aller Branchen, Schneiderinnen, Näherinnen sowie Arbeiter und Arbeiterinnen der Rüschen- und Wäsche branche, die gestern abend im „Volkshause" ab gehalten wurde, beschäftigte sich mit Verbands- und Tarifangelegenheiten. Herr M. Spreeberg- Hamburg sprach über „Zwanzigjährige Kulturarbeit des Verbandes der Schneider, S'ch Neiderinnen und Wäsche arbeiter Deutschlands." Er wies nach, das; es der Organisation gelungen fei, der gesamten Mit gliedschaft in allen Zweigen des Schneiderberufs ganz bedeutende Vorteile durch Verkürzung der Arbeitszeit und Erhöhung der Arbeitslöhne zu schaffen. Unter schwierigen Kämpfen seien Tarifverträge abgeschlossen worden, die den Frieden auf Fahre hinaus gewähr leisteten. Die Zahl der Tarifverträge im Berufe be trage 81 697. An Neiseunterftützung habe der Ver band, der 44 432 Mitglieder, darunter 8942 weib liche, zähle, 183 000 .ik und an Krankenunterstützung über V2 Million Mark ausgezahlt. — Die Versamm lung beschäftigte sich hierauf mit örtlichen Tarif angelegenheiten. Verbandsbeamter Petz old gab bekannt, daß der bestehende Tarif verschiedene strit tige Punkte gezeitigt habe. Es handle sich um die Bezahlung der zweiten Proben, der Taschen in Smo- Tunis. Bilder und Skizzen. Von Manxour El Azid. - (Nachdruck verboten.) Unendlich viel ist über Afrika — Nord-, Süd- und Zentralafrika — geschrieben worden; es sind zahllose Führer und Handbücher über Algier, Aegypten und Marokko erschienen, und doch, wie wenig weiß man von Tunis. Selbst in gebildeten Kreisen ist Tunis so gut wie unbekannt: „Tunis in Algier", „Tunis in Marokko" sind häufig nähere Post bezeichnungen; allenfalls ist Tunis noch Briefmarken sammlern wegen der seltenen und begehrten Post wertzeichen bekannt. Tunis ist für die meisten ein unbestimmter sieographrscher Begriff — irgendwo da hinten in Afrika, in der Gegend von Tripolis oder Aegypten — wer aber war in Tunis? LVer kennt es? Tunis, die weiße Stadt unter dem azurblauen Dome des asrikani'chen Himmels, ,,der Burnus des Propheten", wie der Araber schmeichelnd jagt, weit ausgebreiiet am blauen, sonnenbestrahlten, leichtbe wegten Busen des Mittelmeeres — wäre es nicht auch ohne Karthago wert, mehr gekannt zu werden? Tunis, dies Wunder des Orients, reich an geheimnis vollem Zauber, mit feinen ewig wechselnden Straffen bildern, seinen stillen Palästen, den sonnendurckigluhien Orangen- und Palmengärten und den lichteren, grünen Olivenhainen, eine Perle am Strande des Mittelmeeres, das Paradis der Maler und der Dichter, sowie aller derer, die sich ein Empfinden für Schönheit im Einerlei des Lebens bewahrt haben, aller derer, die Augen haben zum Sehen. Ihnen er schließt sich hier eine neue Welt, deren Farven und Eindrücke sich unauslöschlich in Herz und Gedächtnis einprägen, um späterhin das Leben in leuchtender Erinnerung zu verschönern. Hat der von Europa kommende Dampfer die Lohe See verlassen und die Reede von La Goulette, ocm Vorhafen von Tunis, erreicht so bietet sich dem Reifenden ein entzückendes Bild. Von weitem sendet die Silhouette des Leuchtturmes von Eidi Bau Said einen letzien Gruß des Meeres, doch wendet das Auge sich jetzt lieber dem Lande zu, dem Golf in seiner Ein fassung bewaldeter Berge und dunkelgrüner Hügel, der zu den schönsten Buchten gehören soll und in For mation und Farbe mit dem von Neapel verglichen wird. Don den Abhängen des Gebirges, des Djebcl Korbus, schimmern weiße Häuser, in Palmenhainen und blühenden Gärten versteckt liegen die Dillen von Korbus, Hamman-el-Lif und Rades, die Kathedrale von Karthago auf dem Hügel von Byrsa, grüßt herüber zur Ha;enst«dt Goletta, die reizend gelegenen One Khorcdine und La Marfa entbieten Willkommen im Schmuck ihrer Palmen. Außerordentlich malerisch fügt sich das Bild des Hafenstädtchcns La Goulette mit seinen Türmen und Minaretts in das Ganze hinein: mit den Masten seiner Fischerflotte, den kleinen, engen, überbrückten Wasserstraßen erinnert es an Venedig, — an das Venedig alter Abbildungen. Der Dampfer zieht den Kanal hinauf und erreicht in ca. 40 Minuten den Hafen von Tunis. Landschaft lich bicler die Fahrt zur Tageszeit nicht viel Inter essantes, feenhaft jedoch ist sie zur Zeit der ausgehen den oder untergehendcn Sonne. Dann ist der Kanal und der von ihm durch einen schmalen Damm ge trennte See in die leuchtendsten Farben getaucht. Tinten von Purpurrot zu Violett, Hellblau und Orange lassen di« Gemäßer wie in ein Meer von Farben und Feuer getaucht erscheinen. Segelboote mit fahl beleuchteten Segeln gleiten vorüber, hin und wieder erscheint vielleicht die Rauchfahne eines fernen Dampfers oder eilig dahinziehender französischer Tor pedoboote: die Sonne, ein erst golden, dann rot erglühender Feuerball, leuchtet noch einmal auf, um dann in dem farbensprühenden Meere zu versinken. Wenige Minuten noch, und die im Süden schnell hereinbrechcnde Nacht umfängt uns, — die Sterne leuchten aus, ein kühlender Wind weht um unsere Stirne und läßt die Wipfel der Palmen leise er schauern. Wer je eine Mondfcheinnacht auf diesem See oder dem Kanal hat erleben dürfen, wird sie nie vergessen; sie zählt zu seinen schönsten Erinnerungen. Wir trennen uns von den Mitreisenden am lärmenden, sonnendurchglühten Hafen, lassen die eleganten, durchweg an Pariser Boulevards ge mahnenden Stratzenzüge mit ihren herrlichen, schatten- pendenden Baumreihen, ihren Gärten mit Fächer- ralmcn und blühenden Blumen, ihre großen Ge- chäftshäuser und eleganten Wohnungen hinter uns und gelangen bis zur „Porte de France". Diese, ein altes arabisches Festungstor, der Brennpunkt Les tunesischen Lebens, trennt die „Ville europeenne" von der „Cito indigdne". die „Rue de la Kasbah" und die „Rue de l'cglise" führen nach der hinter dem Tor ge legenen „Place de la bourse" in die arabische Ge schäftsstadt. Ein größerer Gegensatz ist kaum denkbar, als der zwischen den eleganten Boulevards voll pulsierenden europäischen Lebens, mit schmucken Fiakern und elek trischen Straßenbahnen und den engen, winkligen, schattigen Gaffen der inneren Stadt mit ihrem ohren betäubenden Geräusch. Verstänolich wäre es, wenn den Fremden hier beim ersten Betreten ein Empfin den des „Nichthingehörens" beschliche. Nicht wie ein Märchen, eher wie ein Traum erscheint ihm das Ge sehene und will ihm kaum wie Wirklichkeit vor kommen. Es herrscht das regste, das tollste Leben. Auf Schritt und Tritt begegnen uns die denkbar verschie densten Typen, und cs mutet uns an, als hätten sich all« Volksstämme Europas und Afrikas wie auf einem Jahrmarkt zujammcngcfunden. Die mannig faltigsten Sprachen und Dialekte klingen an unser Ohr und tragen noch zur Verwirrung bei. Neger, Araber, Malteser, Italiener und Juden in bunten Gewändern, Beduinen im langen weißen Burnus wogen durcheinander; dazwischen erscheinen elegante Europäerinnen, französische Offiziere in ihrer kleid samen Uniform, Zivilisten aller Nationen mit den Tropenhelmen. Ein langer Zug unter ihrer Last schwankender, in wiegendem Gange daherziehender Kamele, von den Treibern mit lauten Rufen ange- scuert, sperrt die schon enge Straffe, so Lag man in einen Laden treten muff, um nicht umgeworsen zu werden. Auch Eseltreiber und Händler mit großen Handkarren schieden sich rücksichtslos durch das Ge dränge hindurch, die Paffanten einfach zur Seite drängend und laut ihre Ware ausrusend. Die ara bischen Händler singen in ihrer blumenreichen Sprache das Lob ihrer Gemüse und Fische, der Oliven, oer Eier und des Obstes und wiederholen die Verse mit unglaublichem Gleichmut. Plötzlich stockt das ganze Getriebe, um einen einzelnen Schimmel vorbei zu lassen, der mit Olivenöl gefüllte Ziegenhäute trügt. Breit hängen sie an den Flanken des Tieres herab. Der Treiber, sein „Gebt acht! Oel!" schreiend, schwingt die Gerte und schnell treten die Fußgänger zur Seit«, um der bedenklichen Berührung ihrer Kleiner mit der öligen Last auszuwerchen. Das ge lingt freilich nicht immer, und der Betroffene und der Treiber überhäufen einander dann zum Ver gnügen der Umstehenden mit den Ausdrücken vermin derter Hochachtung, an denen die arabische Sprache so reich ist. Araberjünglinge, prächtige Gestalten, di« Beine bis zu den Knien bloß, tauchen auf, mit herausfordernden oder spöttischen Blicken die Menge musternd; geschickt tragen sie auf dem Kopse Körbe mit den herrlichsten Rosen durch das Gedränge — die durch ihren Duft berühmten Arianarosen. Das fast lebensgefährlich erscheinende Gewimmel teilend, ziehen Scharen kleiner französischer oder italienischer Müdckjen zur Schule, ebenso keck und verwegen wie die Buben, die sich, unbekümmert um die Vorüber gehenden, balgen, wo sie nur können. Man mag wohl auch hin und wieder um einen „Sou" gebeten werden, von einem treuherzigen Blick aus tiefen braunen oder schwarzen Augen angestrahlt: „klonsionr, stonno-invi vu sou!" Von so lebhaftem und herzigem Ausdruck begleitet, wird ein Verweigern der kleinen Gabe einem oft recht schwer; will man sich aber nicht er weichen lassen, so kann man sich mit einem „Gott wird dir geben" (was du brauchst) von jeder Auf dringlichkeit befreien. Bei diesem Wort wird auch der hartnäckigste Bettler mit betrübtem Blicke davon schleichen. Wie in Italien, Südfrankreich uno Aegyp ten, so sind es auch hier die Touristen, welche die Bettelei groß ziehen durch falsches, unangebrachtes Mitleid und unverhältnismäßig große Gaben. Häufig kommt cs vor, daß durchreisende Europäer in ihrem Geschäft zufriedene, anspruchslose, kleine Stiefelputzer gegen festen Lohn und Kleidung — ein sehr verführe risches Angebot — als Diener annchmen, sie dann überall als ihre „Sklaven!" bezeichnen und sich auf Schritt und Tritt, wie von Hündchen, von ihnen be gleiten lassen. Doch zurück zu unserer Wanderung durch die engen, ungepflasterten Gaffen. Rechts und links befinden sich kleine Läden, in denen allerhand Tand und Trödel, Stoffe, alte wurmstichige Möbel, bunte Bän der, billige Glaswarcn und Lampen. Kleidungsstücke und dergieichen feilgeboten werden. Ferner Gemüsc- und Obsthandlungen, auf deren Auslagen Berge von riesigen dunkelroten Tomaten, Pfirsichen in seltener Pracht, oder Trauben prangen, di« zu außerordentlich billigen Preisen verkamt werden. Die Geschäftsleute der „Rue de la Kasbah" und der Seitengätzchen sind in der Mehrheit Sarden, Sizilianer und tunesische Juden. Weiter hinaus treten diese kleinen Läden, mit ihren verschiedenartigen Gerüchen, an die sich Europäer erst gewöhnen muffen, mehr zurück uno machen Geschäften mit arabischem Gepräge Platz. Man sieht Webereien, in denen auf den denkbar primitivsten Webstühlen Baumwollen- und Seiden gewebe von der einfachsten bis zur kostbarsten Art heraestellt werden. Die Fäden spinnen allerliebste araoische Bübchen und kleine Neger unter der Auf sicht des würdevollen Besitzers, der es, wenn nötig, und auch oft ohne Veranlassung, an „schlagenden Argumenten" nicht fehlen läßt. Jämmerliches Ge heul läßt dann die Vorllbereilendcn annehmen, es hanoele sich um ein großes Unglück. Weiterhin folgen Bureaus arabischer Advokaten und Schreibstuben. bMiu mouir
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