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Leipziger Tageblatt 5. veürrr. VLrustty, IS. Mst 1911. - ru Die -rotze Liede. Roma» »» Loats« Sch«tW»BrRck. Machbnnk verböte«.) Ianna Gebhardt schüttelt* den Kopf „Kämpfen? Und wenn ich nicht einmal weiß, «egen was. Gegen mich selber vielleicht?" Liselotte Erzner nickte. .Freilich gegen sich selbst. Und das ist der schwerste Kampf. Wenn Sie schon fühlen, dich es ein Kampf gegen sich selbst sein mutz, haben Sie ja schon halb gewonnen. Verloren sind wir immer nur, wenn wtr uns bedingungslos unserer Leidenschaft hingeben, ohne aus die Stimme in uns zu achten, die immer spricht, immer." Ianna Gebhardt hob ein wenig den Kopf. „Was ist das für eine Stimme?" fragte sie unruhig. „Ich weih nicht, ist's nicht die der Konoenienz der Er ziehung, die uns tausend Vorurteile eingeimpst hat? Tun wir das Rechte, wenn wir ihr nachgeben?" Liselotte Erzner sah Ianna an. „Ich kenne Sie ja im Gruinde so wenig", sagt« sie leis«. „Aber ich glaub'. Sie Linnen d«r Stimme schon folgen. Er ziehung und Konoenienz haben nicht so viel Macht über Sie. Sie sollen der Stimme folgen." Ianna Gebhardt lächelte schmerzlich. „Wenn ich s tue, stoße ich mir selber den Dolch ins Herz", sagte sic. Liselotte Erzm?rs Gesicht wurde enzst. „Steht es so mit Ihnen? Das ist freilich schlimm, doppelt schlimm, weil Sie dann mit zwei Feinden kämpfen müssen, auch mit Ihrer Krankheit. Da heißt es doppelt stark sein, Gebhardt. Ick habe freilich leicht sagen, „denken Eie jetzt nur an Ihr Gesundwerden". Es wird schwer gehen, aber vielleicht geht es, wenn Sie sich jagen, ich will gesund werden, um dann zur Klarheit zu kommen. Erst gesund werden, das ist die Hauptsache." Sie strich leis« über Ianna Gebhardts fieber glühendes Gesicht, „sie denken, die Erzner hat leicht raten. Aber glauben Sie mir, Sie können s, ivenn Sic wollen, und schon das Wollen macht Sic stärker und hilft Än«n. Das Schlimmst«, was es gibt, ist nicht wollen zu köunor." Sie neigt« sich über Ianna» Bett und küßte sie leis« aur die Stirn. Wie sie dastand, gefund und stark und kraftvoll, erschien sie Ianna Gebhardt wie eine Ueberwinderin. Etwas von ihrem starken Willen strömte auf sie über, ichien es ihr. Sie fühlte eine Beruhigung wie seit Wochen nicht mein, und etwas wie einen Entschluß, Liselott Erzner zu folgen Die las ihr das vom Gesicht ab. Eie nickte er mutigend zu. ..So ist's recht. Gebhardt. Ls wäre >och jammervoll, wenn so eia prachtvoller Mensch wie Sie sich unterkriegen ließe vom ersten Ansturm des Lebens und der Leidenschaft! Sitzt's denn wirklich jo tief? Glauben Sie mir, da« Schicksal kommt über uns, um uns zu erheben, wenn es uns zermalmt." — Sie lachte. — „Das ist aber nicht von mir, sondern ich glaube von Goethe." Ianna Gebhardt lächelte auch. „Von Goethe gerade nicht, aber von Schiller", sagte sic erheitert. ..Nun ja, das ist ja beinahe dasselbe. Aber daran müssen Sie denken. Ich hab' auch Zeiten gehabt, wo ich mir das immer vorhakten mußte. Raffen Sie sich zusammen, werden Sie gesund. Dann sehen Sie die Geschehnisse anders an und können Ibr Schicksal be siegen und lenken." Als sie gegangen war, lag Ianna Gebhardt eine Zeitlang still. Dann richtete sie sich im Bett auf und rief Minnie. „Ich will gesund werden, Mumie", flüsterte sie. „Wieviel Sorge hab' ich euch allen ge macht. Aber jetzt soll's wirklich anders werden. Wirk lich, ich fühl'» schon, daß mir ein wenig bester ist. Liselott Erzner hat wohl recht, die Seele baut d^p Körper." Minnie umschlang zärtlich die Schwester. Sic konnte cs nicht hindern, daß die lange zurückgchalte- nen Tränen hervorbrachen. Und Ianna weinte mit. Aber es waren befreiende Tränen. Von diesem Tage an ging es besser mit Ianna Gebhardt. Wie sie mit sich kämpfte, wie sie sich tau sendmal am Tage immer wieder vorhielt, was Liselott ihr so eindringlich gepredigt hatte, davon merkte frei lich Minnie nichts. Und so schwer es Ianna im An fang gewesen war, nun brachte sie's doch fertig, ge wissermaßen ihr Schicksal beiseite zu tun. Sonder bar! Wie die Tage kamen und gingen, war's. als fiele ein Schleier über das. was vergangen war. Und Ianna Gebhardt tat nichts dazu, ihn zu lüften. Im mer dichter zog sie ibn über die Geschehnisse der letzten Monate: es war ihr. als sei die, die hier im Bette lag und gesund werden wollte mit allen Kräften der Seele, eine ganz andere, als die Ianna von damals. Manchmal war's ihr. wenn sie zuriickblickte. als sähe sie all das wie ein Schauspiel, das ihr fremde Men schen vorführten, als ein Schauspiel, an dem sie wenig Anteil mehr hatte, in dem sic selber keine Rolle mehr spielte, dem sie nur mit dem Intereste des Zuschauers zuschaute. Fast wehmütig stimmte es sic. und doch atmete sie befreit auf. Freilich kamen dann wieder Stunden, in denen ihr Herz schrie, aber sie wurden seltener und kürzer. Sie schlief viel und freute sich auf die Mahlzeiten. Der Dämmerzustand des Ge nesenden kam über sie. die Abgeschlossenheit ihrer Krankenstube erschien ihr wie eine Insel, an der alle Wogen des Lebens nur leise ebbten. Sie empfing wenig Besuch. Tante Ida war ein mal dagewesen und hatte in ihrer lebhaften und harmlosen Art die kleinen Vorkommnisse des Winters erzählt. Ein paarmal kam Liselott Erzner. freute sich herz lich über Iannas Genesung und schien einen Strom frischer Außenlufk mitzubringen, die Ianna belebte und erheiterte. Minnie war unermüdlich. Sie durfte fetzt Ianna täglich besuchen und hatte die Tätigkeit in ihrer Werkstätte so gelegt, daß sie die Nachmittaqsstunden frei hatte. Lange Briefe Tante Rosine» kamen regelmäßig Die Sorge um Ianna war darin der Erwartung auf ihr demnächstiqes Heimkommen gewichen, und nie mals fehlte ein ausführlicher Bericht über das Er gehen von Mama Fahrcnholz und Doktor Niko. Jedesmal färbten sich dann Iannas Wangen leise, und sie warf einen heimlichen Blick auf Minnie, die indes anscheinend ganz gleichmütig weiterlas. Und immer zum Schluß das gleiche ..Wir freuen uns alle, daß Ihr kommt, denn selbstverständlich kommt Minnie mit. Und wir werden Dich ordentlich herauspflegen." Als Minnie eines Tages einen solchen Brief vor gelesen hatte, sah sie heimlich forschend nach Ianna herüber. „Höre. Ianna. ich habe einen Gedanken. Wie wäre es. wenn wir in unsere eigene Wohnung gingen? Wir laden doch Tante Rosine eine große Last auf. wenn wir zu ihr gehen. Und in unserm Hause haben wir alles so bequem, cs wäre doch so viel heimlicher, wenn wir bei uns wohnten. Ob unsere alte Lisette nicht zu uns käme für ein paar Monate? Bei ihrem Bruder fühlt sic sich, glaube ich. nicht so übermäßig wohl. Wir wären dann aufs beste versorgt. Du brauchtest keine Angst zu haben vor meiner mangel haften Kochkunst. Denk' nur. wie herrlich es «ein würde, wenn du in unserm alten Garten Len ganzen Tag liegen könntest. Ich habe ordentlich Sehnsucht nach der großen Fliederlaubc. Jetzt werden schon bald die Veilchen blühen im Hauswinkel: es ist mir. als röche ick ihren Dust. Und da sitzen wir in der Laube und sehen das Klcinstaütlebcn so ganz gemiit lich vorüberfchlenderu, einen Tag wie alle Tage. Wir haben das Gefühl, niemand Arbeit zu machen, unsere eigenen Herren zu sein." Ianna hatte aufmerksam zugehört. Jetzt atmete sie tief. „Das wäre schön! Aber ob die Lisettc ab kommen kann? Dann hast du freilich keine Mühe davon." „Ich schreibe gleich", meinte Minnie. Ianna sah nachdenklich zu. wie Minnies Feder in fliegender Eile über das Papier glitt. Schön wäre es. im alten Hause zu sein! Wieviel mochte wohl der Gedanke an Doktor Niko Triebfeder bei Minnie sein Eine tiefe Unruhe regte sich bei dieser Erwägung in Ianna. doch nur ganz leise. Auch jene Zeit war wie mit einem Schleier für sie verhüllt. Siebzehntes Kapitel. Schon nach zwei Tagen war die Antwort des lang jährigen Haussaktotums in Minnies Händen. Lehr unorthographisch schrieb die Lisettc. aber aus den ungelenken SäNen sprach unverhohlene Freude dar über, daß „ihre Fräuleins" an sie gedacht hatten, und g/rn würde sie kommen, natürlich. Ob sie jetst hinfahrcn sollte und olles in Ordnung bringen, denn da würde wohl ein ausgedehntes Scheuerfekt notwendig sein. Fast ein ganzes Jahr sei ja nichts in der Wohnung geschehen, und „was die Mariana ist, die wird sich wohl mit Putzen auch nicht zu dicke getan haben". Ianna und Minnie mußten lachen. Die alte Eifersucht zwischen den beiden Küchcnbeherrschc- rinnen der befreundeten Häuser brach sofort wieder durch. Lisette hatte sich immer etwas daraus zugut getan. daß sie selbständiger war. die mehr nach eigenem Ermessen schalten und walten durfte, als die unter der Oberhoheit Tante Rosinens stehende Mariann. Und nun galt es nur noch. Tante Rosine den Ent schluß plausibel zu macken. Das gelang ganz gu>. Die alte Dame war vernünftig genug, nicht be leidigt zu sein, und mochte wohl auch selber finden, daß es für beide Teile so das beste sei. Ianna hatte sich mittlerweile so sehr erholt, daß sie an schönen Tagen kurze Spaziergänge im An staltsgarten unternehmen konnte. So warteten sie nur einen recht günstigen Tag der Reise ab. Minnie war in eifrigster Tätigkeit. Alle Kleider Iannas erwiesen sich als viel zu weit geworden. Un ermüdlich zertrennte Minnie. änderte, probierte an, arrangierte. „Du bekommst wieder etwas Farbe", sagte sie eine« Tages bei einer solchen Anprobe befriedigt. „Man wußte ja gar nicht, wie man dich heraus staffieren sollte mit dieser Bläste. Aber jetzt geht's wieder." Sie hielt einen bläulichen Seidenstoff gegen Iannas Wangen. „Blau steht dir sogar schon wieder Wenn nur erst dein Haar so weit gewachsen wäre, daß man damit etwas anfangen könnte." Ianna blickte in den Spiegel. In kleinen Ringeln krauste sich das kaum noch gewachsene Haar um ihren Kopf. Ein ganz fremdes Gesicht sah ihr entgegen, sie konnte di« alte Ianna gar nicht wiederfinden Aber wirklich, auf den Wangen zeigte sich ein ganz m. ISS. 105. Iaürgsn-. matter, roter Schimmer, der sich vertiefte, al« ihr in diesem Augenblick das blaue Kleid einfiel, das sie damals zu Liselott Erzner« Ateli*rfest getragen hatte. Wie ein Mantel war ihr aufgelöstes Haar da. mals aus ihr niedergewallt. Cie zog eine Schublade aus. Da lagen die Flechten, schwer und lang, ein totes Stück ihrer selbst Mit einem sonderbaren Ge fühl sah Ianna darauf. Das war nun von ihr ab getrennt. Ihr schien, als sei die ganze Zeit damal« abgetan. Sie nahm die Flechten heraus, mit einem Gemisch von Bedauern und ein wenig Grauen sah sie sie an. Auch Minnie schien so zu empfinden. Sie nahm ihr das Haar aus der Hand. „Laß doch", sagte sie. „ich mag das gar nichc. Dein Haar wächst wieder, cs wird sicher gerade so schön wie es war. Nach solchen Krankheiten kommt es gewöhnlich eher noch stärker wieder. Dies hat so etwas unangenehm Lebloses." Ianna nickte. „Wenn Sie meine Frau wären, müßten Sic immer so ein blaues, goldgesticktes Bono im Haar tragen", hatte Freisinnen damals zu ihr g« sagt Das war vorbei. Und wenn ihr Haar auch wieder wucks, an goldgestickte, blaue Bänder würde sic nicht mehr dcnkcn. Und das schien ihr fast snmbolisch. „Ein Elend ist's mit den Hüten", überlegte Minnie. „Was könnte man dir nur für eine Form nehmen? Du mußt einen Reif tragen, der sie hält. Ich werde mal probieren, eine passende Form zu nähen Und mit flinken Fingern kramte sie in der einen Schublade, die sie längst für ihren Kram in Bescklag genommen batte. Sie schnitt, heftete, probierte. Ianna ließ alles mit sich geschehen. Sie sann darüher nach, was Freisingen wohl empfinden würde, wenn er sie jetzt sähe. So still war's in ihrem Herzen geworden, daß sic darüher nachdenken konnte, ohne viel Unruhe, ohne das wilde. Schlagen ihres Her zens. das sie in fencr letzten Zeit oft fast übermannt hatte. Still war's darin und öde. In diese Stimmung hinein kam Liselott Erzner. Minnie henutzte die Gelegenheit, um eilig einen Einkanfsaang zu tun. So saßen die beiden allein zusammen. Und während Liselott von den gemeinsamen Be kannten erzählte, »ragte plötzlich Ianna Gebhard! ruhig: „Hat denn Freisingen sich niemals nach mir er kündigt?" Sie staunte über sich selber, daß sie den Namen ruhig aussprcchen konnte, sie fühlte, daß kein Blutstropfen dabei in ihre Wangen stieg Liselott dagegen errötete ein wenig. Was sollte sie Ianna Gehhardt erzählen? Daß Freisingen noch am Abend ihres ersten Besuchs bei Ianna sie auige sucht hatte, daß er sie bestürmt hatte nach jedem De tail über Iannas Aussehen, daß er aufgefchricn hatte, als sie erzählte, wie man ihr das Haar abge schnitte«, wie furchtbar verändert sie sei. Dann war er weMegangen. förmlich geflohen, und hatte sich lange nicht mehr bei ihr sehen lasten. Als er das nächste Mal kam. war er unruhig gewesen und sörm lich verstört. Und als sie unumwunden fragte, ab sie Jamm Gebhardt grüßen solle, hatte er Unvcr stündliches gemurmelt. Sie hatte ihm dann von ikr erzählen wollen, aber er hatte abgewehrt: „Nicht, nicht!" Ganz unzusammenhängend hatte er dann hervorgestvßen, daß er sic erst sehen wolle. (Schluß folgt in der Abend-Ausgabe.) Li» -rin« « vsrlLvxvo. KmitliMtz-kmtrlmc- mll Mr-finrlir-Lo., Huimr Automobil bvrsikt mit äsn bvstsv kuvumarLs, biiciot sivs iävLlv Vsrbmäuox. »ioraus srkiLrt 8iok auok 6iv latsaeke, äL88 orkadrovo kaodisute 8tsts Gege, rmd X »LRUüll-I'aUottoii, G^moatsche Strotze L 7. Tel. 2075. ^11« die sich zu hoch eiuqeschätzt glauben, reklamieren am wirksamsten durch TreSdner Strotze 51 (l2—2, auch Sonntags Fernruf 1S67L. .ae,„ MM kl WM! Das wirjseu besonders die Damsn zu würdigen. Ihr Hauptskrobon ist, sie 20 erlangen. ^ber meist ist das liemülien vorxeblick, denn immer ist rsichlichss fassen imd trinken und das Vor- msidsn jeder -^ostrsuKuox die Hauptursache des l^ettwerdens. Viele Äsoschen haben »der auch eine derart ülücklickk, Zufriedene Natur und Mte Verdammx, dass sie trotz, grosser Ilässixkeit und trotz körperlicher trewe^uu^eu über den bon point hinaus leicht zuuohmvn, ohne dass dieses Htarkworden als krankhaft bezeichnet werden kann, wohl aber als lästig, unschön und unbequem empfunden wird, tür diese e.mpüehlt es sich, unseren Zehrte« tuous an stelle der sonstigen mor^sntlicdsn oder abend- lichen Oetrünke zu geniessen, der den hett- abla^erunAtzn entxe^enwirkt, durch seinen Hledalt an natrooreicheo und die ^usschoidun^sorxanc anregenden Xräutern. Oakei Istkaoastoe akao- lut unsvkliitlleh im Oegsnsatr zu manchem che mischen Präparat. ?aket lif.1.—, s kaksteLl. 4.50. Allein zu haben in den Hialzcal»- so Hüften, Xonmarkt 4V nsw. Tnargiv unil Itzluslcellci'sfit können in ihrer Entwicklung leicht durch solche Getränke behindert werden, welche bekanntlich einen schad-- lichenEinflutz aufdie Konstitution ausüben. / Daher der Kriegszug der Aerzte gegen Alkohol / und Kaffee. Tin wirklich nahrhaftes Getränk, N F welches gleichzeitig entzückendes A roma und N F Wohlgeschmack in sich vereinigt, ist Ban H I Houten» Tacao. Es ist überraschend, wie rapide I I sich Van Houtens Cacao als tägliches Getränk I » einführt. Frühmorgens als erstes FrühstLck wird F U er von Erwachsenen und Kindern gleich gern F genommen. Bei dem wirklich hervorragenden F V Geschmack von Van Houten» Tacao kann V von einem „über"bekommen gar nicht die Rede sein. Wenn Sie zweifeln soll- ten, so machen Sie einmal einen Versuch. Das Risiko ist nicht groh.