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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.02.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-02-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110214018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911021401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911021401
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-02
- Tag 1911-02-14
-
Monat
1911-02
-
Jahr
1911
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Nr. 45. los. Iallkysny..cejpzlyer Tsyedlsn. stellte sich in der vergangenen Woche in Oetzsch. Wiederitzsch, Lützschena und Schönau den Wählern vor. Gegner traten in den Versammlungen nicht auf. Sämtliche Debatteredner befürworteten viel mehr die Kandidatur Schubert und fanden die Zu- - stimmung der Anwesenden. * Der Kaiser nahm am Montag den Vortrag des Reichskanzlers von Bethmann Hollweg entgegen. * Zujammentritt de» Wirtschaftlichen Ausschusses. Wie der „Inf." mitgeteilt wird, ist ein erneuter Zu sammentritt des Wirtschaftlichen Ausschusses aus An last der deutsch-schwedischen Handels- oertragsverhanblungen im März nun mehr vorgesehen worden. Die gegenwärtig gesuhlten Verhandlungen zwischen den deutschen und »chwediici)en Unterhändlern werden sich voraussichtlich bis Anfang März hinziehen Es ist an,unehmen, das; zu dieser Zeit bestimmte Ergebnisse der Beratungen vorliegen werden. Sobald dies der Fall ist, soll der Wirtschaft liche Ausschuß berufen werden, um bei der end gültigen Fassung des Entwurfs eines Handels vertrags zwischen beiden Regierungen mitzuwirken. * Zum Rüiktritt des Geh. Oberrcgicrungsrats Dr. Matthias. Von verschiedenen Seiten ist die Rachricht gebracht worden, der Wirkliche Geheime Oderregicrungsrat Dr. Matthias, der vor einigen Monaten aus dem preussischen Kultusministerium ausschied, habe den Vorsitz in der Kommission für Vereinfachung der Stenographie aus „Gesundheitsrücksichten" niedergelegt. Es ist aber nicht richtig, das; Matthias aus Gesundheitsrücksichten aus den Vorsitz verzichtete, wahrscheinlicher ist, das; -wischen Matthias, der seit seinem Abschied vom Amte pvliti'ch im liberalen Sinne aufgetreten ist, init den amtlichen Stellen ein Bruch erfolgt ist. * Im Riesenwahlkreis Bochum-Gelsenkirchen hat die national liberale Partei in einer in Herne abgchaltenen, von etwa tausend Personen besuchten Vertraucnsmännerversammlung den Bergmann Karl Heck mann Bochum als Kandidaten siir die kom menden Reichstagswahlen ausgestellt. Heckmann ist christlicher Gewerkschaftler und gehört seit einiger Zeit dem Bochumer Stadtverordnetcnkollegium an. Gegenwärtig vertritt der sozialdemokratische Berg arbeiterführer Otto Hu«- den Wahlkreis cm Reichstage. * Reue Meuterei im Zentrumslager. Im Wahl kreis Reustadt a. S. (Unterfranken) hat eine An zahl Zentrumswähler in einem Schreiben an den Landcsausschuß der Zentrumspartei gegen die Wiederaufstellung des Generals Häusler als Reichstagskandidaten Einspruch erhoben, da es ihm nicht gelungen sei, durch seine Tätigkeit im Reichstag das Vertrauen der zumeist der Land wirt s cy a f t und dem A roe i t e r st a n d an gehörigen Wähler zu gewinnen. Die „Rebellen" schlagen als geeigneten Kandidaten den aus Speichern stammenden Geh. Regierungsrat Hüfner vor. * In der Klagsache Wagner-Soxhlet hat sich die Darmstädter Staatsanwaltschaft für zu ständig erklärt und einen Antrag auf Vorunter suchung gegen Geheimrat Soxhlet-Müncyen gestellt. * Die Staatslehre von Friedrich Julius Stahl ist im Verlag von Reimar Hobbing (Berlin) kürzlich im Auszug neu herausgegeben worden. Dieses Unternehmen ist an sich zu begrüßen; denn man mag zu dem Politiker Stahl stehen wie man will, auf jeden Fall ist der geistvolle Freund der Gebrüder Gerlach das Mustermitglied der altkonservativen Partei und darüber hinaus der Schöpfer des ersten konservativen Parteiprogramms. Darum besitzt seine «. Staatslehre auch heute noch, nicht nur für Len Historiker, viel Wert, um jo mehr, als seine Lehrsätze bei gar manchem konservativen Staatsbürger noch beute sich unbedingter Geltung erfreuen. Dem ge schickt hergestellten Auszug aus dem LUcrke Stahls ist eine Biographie vorangesetzt, die von der schwärme rischen Zuneigung ihres Verfassers zu Stahl ein schöneres Zeugnis ablegt, als von historisch-kritiict-em Sinn. Sollte mit dieser Ausgabe der Stahlschen Staatslehre etwa der Nebenzweck verbunden sein, die Gegenwart für die Ideen jenes Mannes erneut zu begeistern, so müßten wir das als einen reckt gefähr- lichen Versuch, Erschütterungen herbeizusüyren, be zeichnen. Auslanü. Italien. * Senat und Dersassungsreform. Der Senat hat noch vor Beginn der Debatte über die Reformvor schläge seiner Kommission jede Antastung der V e r f a s s u n g s b e st r m m u n g c n über das Ober haus abgelehnt. Der mit 17» gegen 68 Stimmen angenommene Beschluszantrag Torrigianis, dem Scialoja und Bonati zustimmten, lautet: „Unter Bekräftigung der unveränderlichen Treue gegen die Verfassung, die sich in der Praxis durch gesetzmässige Einführung interpretierender Reformen sehr wohl der Zeitlage anvassen kann, erklärt der Senat seine Zu stimmung zur Beratung geeigneter Gesetzcsvorschlnge unter Voraussetzung ihrer Vereinbarkeit mit den erwähnten Grundsätzen und geht in dieser Beschränkung zur Erörterung der Kommis sionsbeschlüsse über." — Hierdurch bestätigt sich, wie die „Voss. Ztg." schreibt, daß weder eine Begrenzung der Senatorenzahl noch die Einführung ihrer Wähl barkeit zu erwarten ist. Niederlande. * Ein interessanter Fall vor dem Schiedsgericht. Vor dem Haager Schiedsgerichtshofe beginnt am Dienstag, wie der „L.-A." meldet, unter dem Vorsitz des belgischen Staatsministers Beernaert der Prozeß wegen des vom Schiff auf französischen Boden geflohenen indischen Ver»chwörers Sava rtar, den die Matrosen des britischen Dampfers „Morea" verfolgt und im Hafen von Marseille festgenommen hatten. Savarkar siand als Mitschuldiger an der Verschwörung Rasik unter Anklage, wäre als politischer Verbrecher aber von Frankreich nicht ausgelielert worden. Französische Polizisten haben sich jedoch an der Jagd auf den Flüchtling in Marseille beteiligt und ihn den Verlolgcrn in die Hände geliefert, da sie sein Vergehen nicht kannten und durch die falschen Angaben der Engländer getäuscht wurden. Frank reich forderte Savarkars Wiederauslieferung. Allein England weigertesich und beschloß, Savarkar in Indien vor Gericht zu stellen, wie wenn nichts geschehen wäre, aber die Ausführung der Strafe bis auf die Regelung des Streitfalles durch den Haager Schiedsgerichtsbof zu verschieben. Savarkar wurde demgemäß in Bombay zu lebenslänglichem Gefäng nis und Konfiskation seiner Güter verurteilt. 2m Haag sind Frankreich und England durch Louis Renault und Lord Desart, zwei der hervor ragendsten Völkerrechtsautoritäten, vertreten. Das Gericht besteht neben dem Präsidenten aus dem früheren norwegischen Minister Gramm und dem holländischen Politiker Savornio Lohman. * Ein Zwischenfall auf dem Riouw - Archipel. Das „Rcuterjche Bureau" meldet aus Batavia: Der Sultan von Riouw (südlich der malayischen Halbinsel) und sein Sohn arbeiteten insgeheim gegen die holländische Regierung und weigerten sich, die holländische Flagge zn hißen. Da wiederholte Mahnungen nicht zruchteten, entsandte die hollän dische Regierung zwei Panzerschiffe mit Truppen nach Riouw, die den Sultan entthronten und nach Singapore brachten. 2n Riouw wurde eine holländische Verwaltung eingerichtet. Alles ist ruhig. ——P orknMr — * Ersetzung der fremden Missionare in de« Kolo nien durch portugiesische. Die Pariser portugiesische Gesandtschaft erhielt von dem portugiesischen Minister des Auswärtigen Machado eine Depesche, in der es u. a. beißt, die portugiesische Regierung habe an Deutschland und Oesterreich-Ungarn das Er suchen gestellt, die gegenwärtig in Portugiesisch Afrika wohnenden deutschen und österreichischen Missionare durch portugiesische Priester ersetzen zu dürfen. Alle Kongregationsgüter, die von Rechts wegen Ausländern gehören, würden diesen zurück erstattet werden. Bulgarien. * Eine antimonarchische Agitation. Aus Sofia wird gemeldet: Während in der Sobranje alle großen Oppositionsparteien ihre mehr oder weniger rückhalt lose Zustimmung zum Regierungsvrojekt der Ver fassungsänderung aussprechen, versuchen die linksseitigen Elemente eine antimonarchische Agitation zu betreiben. So erklärten die Radi kaldemokraten als Beschluß, daß die einzuberufende große Nationalversammlung über die von der Sobranje ausgearbcitete Tagesordnung hinaus gehen und eventuell Bulgarien zu einer demokra tischen Republik proklamieren könne. Die Sozial demokraten wollen Volksversammlungen auch zu gunsten einer republikanischen Staatsform einb-'rufen. Türkei. * Zur Lag« de» Kabinett». Heute findet ein Ministerrat und eine Sitzung der jungtürkischen Komiteepartei statt. Von beiden wird die Ensichet- dung über den Nachfolger des Ministers des Aus wärtigen Talaat sowie darüber erwartet, ob etwa noch andere Minister ausscheiden oder gar das ganze Kabinett zurücktritt. Die Unstimmigkeiten zwischen den Ministern untereinander sowie innerhalb der Komitoepartei sind außerordentlich groß. Der Leiter des Caloniker jungtürkischen Zentralkomitees, Nasim Bey, ist in Konstantinopel cingetroffen. Die Lage ist nach Blättermeldungen ziemlich verworren, namentlich wegen der vielen Mißerfolge des Ko mitees in der inneren Politik. Auch spielen persön liche Interessen mit. Das Ergebnis davon ist eine Schwächung der Stellung des Komitees, das auch damit zu rechnen hat, daß der Kriegsminister Mah mud Sckesket Pascha mit ruhiger Entschlossenheit den Augenblick erwartet, wo der Nebenregierung des Komitees ohne Gefahr für das Land ein Ende gemacht werden kann. preußisches klbgeorüneteniisus Berlin, 13. Februar. Am Ministertische v. Dallwitz. Präsident v. Kröcher eröffnete die Sitzung um 11 Uhr 15 Min. Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zweiten Beratung des Etats des Ministeriums des Innern. Zur Geschäftsordnung bemerkte Abg. Zedlitz (frei konservativ): Im Interesse einer rechtzeitigen Fertig stellung des Etats wurde ich von ter Mehrheit beauf tragt, zu erklären. Laß wir bereit sind, die Etats beratung zu kontingentieren. Ich beantrage, daß vorliegende Anträge, die in Wirklichkeit nicht zum Etat gehören, von der Tagesordnung abge, etzt werden. Abg. Pachnicke (Freis.) führte aus: Wir stimmen dem Anträge zu unter der Voraussetzung, daß -ie jetzt zurückgestellten Anträge nach der Etatsberatung wirklich zur Beratung gelangen. Abg. Hcydebrand (Kons.) führte aus: Ich bin ein verstanden 4nit de« Auregtulg des Abg. v. Zedlitz: eine Garantie, daß alle zum Etat gestellten Anträge später zur Verhandlung gelangen, kann nicht übernommen werden. Abg. Hirsch (Soz.) führte aus: Wir wollen der rechtzeitigen Fertigstellung des Etats kein Hin dernis bereiten. Ich bitte, daß unseren Etats rednern gestattet werde, auf die Materie unserer An träge einzugehen. vlenstsy, 14. fedrusr 1911. Abg. Porsch (Ztr.) stimmte dem Anträge zu. — Abg. Fischbeck (Freis) bat, der Anregung des Abg. Hirsch Folge zu geben. Abg. Schiffer (Natl.) führte aus: Ick schließe mich der Anregung des Abg. Pachnicke an, daß die Anträge fpäter wirklich zur Verhandlung kommen. Da gegen den Antrag v. Zedlitz kein Widerspruch erhoben wird, wird der Antrag ohne Abstimmung angenommen. Abg. Eoßler (Kons.) führte sodann aus: Wir halten es nicht für richtig, daß Landräte eine allzu große Parteitätigkeit entwickeln. Wir mißbilligen aber auch die Agi tation der Liberalen gegen t ie Landrätc. Abg. Linz (Ztr.) führte aus: Wir erwarten, daß die Rheinprovinz diejenigen Selbstverwaltungs einrichtungen bekommt, wie sie andere Provinzen haben. Wir halten es für notwendig, daß die Staatsautorität auf allen Gebieten aufrcchterhalten werde. Der Berliner Polizeipräsident erklärte über die Moabiter Vorgänge, daß die Ehre der Schutzleute unangetastet geblieben sei. Das Gericht hatte aber vorher festgestellt, daß Verfeh lungen der Schutzleute in einzelnen Fällen vorgekommen sind. Derartige sich widersvrechende Urteile der Staatsorgane sind bedauerlich. Der Minister des Innern v. Dallwitz führte aus: Die Bemühungen, das Schreibwerk bei den Behörden einzuschränken, waren bisher nicht von Erfolg begleitet, weil die Geschäfte fortwährend wachsen, lieber die Rede des Polizeipräsidenten n o n Iagow liegt der authentische Bericht noch nicht vor, es erscheint aber natürlich, wenn der Polizei präsident von Berlin sich bewogen fühlte, die in der Öffentlichkeit erfolgten Verunglimpfungen und Beschimpfungen der Polizei als unbe gründet zuriickzuwesien. Die Entlastung der Obcr- verwaltungsgerichte ist Gegenstand der Erwägung bei den betreffenden Behörden. Das Hauptgewicht wird mehr auf die organische Ausgestaltung als auf die Vermehrung der Richter gelegt. Abg. Lohmann (Natl.) sagte: Den Ausführungen des Abg. Linz über die Bekämpfung der öffent lichen llnsittlichkeit pflichte ich vollständig bei, daß der Adel bei der Besetzunng Höherer Ver waltungsämter bevorzugt wird, ist un bestreitbar, ebenso auch, daß die Landrätc konservative, agrarische Politik treiben. Abg. v. Zedlitz (Freikons.j: Für die Besetzung der Aemter ist nur die politische Tüchtig keit ent. scheidend. Eine politische Betätigung der Landräte darf nur von Amts wegen erfolgen. Der Land rat darf nicht der Agent der jeweiligen Negierurng sein. Daß der Staat die Landrätc für ihren Dienst aufwand entschädigt ist recht und billig. Abg. Hirsch (Soz.): Die Regierung geht gegen die Sozialdemokratie kleinlich und schikanös vor. Die Polizei macht sich durch ihre Verbote von Theateraufführungen lächerlich. Unglaub. lich sind die Vorwände, um eine Anzahl von So zialdemokraten nicht in die Wähler, liste aufzunehmen. Das Vereinsqesetz wird schi kanös gegen uns angewendet. Wir hören nickt aui, für ein verbessertes Wahlrecht einzutreten. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Präsident v. Kröcher führte darauf aus: „Der Ab geordnete Hirsch sagte, die Polizeibeamten hätten in den Moabiter Unruhen die Leute in nieder trächtiger Weise beschimpft und m'fH- handelt. Darauf rufe ich Sie zur Ordnung." Schluß nach 4^ Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 11 Uhr. Fortsetzung der Beratung über das Arbeiter, wohnungsgesetz. Die Verödung unserer Tierwelt Von Wilhelm Hochgreve (Halle). Als uns der Großvater erzählte, er habe in seiner Jugend mit anderen jungen Burschen zusammen in freier 'Natur in ein Uhunest geschaut, oa blickten wir staunend auf und ein Schaudern überlief uns, als hörten wir ein gruselig Märchen. Wir erfuhren so selten von diesem Vogel, hatten noch keinen Zoologi schen Garten erlebt, in dem er von Freiheit uno nächtlichem Jagen träumt, die Phantasie malte die Eule ins Riesenhafte, und wir lauschten weiter, wie Kinder am Munde der Märchenerzählerin hängen. Märchenhaft schien uns auch vieles von dem, was uns sonst noch erzählt wurde aus dem Walde, uns, die wir tierlieb bas Weben und Leben fast aller Kreatu ren schon gut zu beobachten verstanden. Wir wußten Ammer und Fink selbst am Fluge zu unterscheiden, besorgten, ehe mir an unseren Morgentrank oachlcn, zuerst unsere kleinen Pfleglinge, Lenen wir das barte Dasein hinter Brettern und Gittern möglichst mildern wollten. Trotz unserer Jugend kannten wir alle Tiere, die um uns und über uns waren, und nun wurde uno erzählt, die Tierwelt, die uns so unendlich reich ge dünkt hatte, sei noch stärker, bunter gewesen, habe viele und gerade ihre schönsten und stärksten Angehöri gen ganz oder ooch fast ganz verloren. Mandelkrähe und Wiedehopf erschienen uns wie Fabelwesen, und wir wollten den Tieren, deren Konterfei wir in Brehms „Ticrleben" sahen, von der Buntheit ihrer Farven verführt, die Heimat des Kolibri oder auch des Paradiesvogels geben. Bei der Mandelkrähe und dem Wiede hopf, oie ich als Beispiele willkürlich aus dem großen Schwarme herausgrifs, habe ich die Gegenden vor Augen, in denen ich groß geworden bin. Auch bei der Erwähnung des Uhu. Richt überall sicht cs mit der Verödung der Tierwelt gleich traurig aus. Vor kurzem erst brachte die „Deutsche Iägerzeitung" aus Ostpreußen die Nachricht vom Fange zweier Uhue. Vom Fange aber! Man hat sie gefangen gesetzt und damit vielleicht die letzten Exemplare auch jener Provinz, die für viele Tiere ein Hott bedeutet, ver nichtet. Vom Vorkommen seltener, manchmal ausge- storben geglaubter Vögel hört man häufig aus ver schiedenen Teilen des Reiches. Ick habe nicht sagen wollen, Deutschland besitze keine Mandelkrähe mehr, keinen Wiedehops. Hier und da aber sind sie ganz verschwunden, wo sie früher den Wald belebten, und init ihnen viele andere Arten. Wir haben den» Forst fiskus zu verdanken, daß er die Gcmeindewäloer ichützt vor dem Raubbau, daß unser Vaterland zu den waldreichsten Ländern Europa» zählt. Aber mrt dem Einzug intensiver Forstwirtschaft schwindet viel Leben aus dem Wald«. Bäume fallen, weil sie nicht so wert voll sind wie andere und sterben au» Beerensträucher bringen nichts ein und müssen schwinden, und mit ge wissen Bäumen und Sträuchern schwinden gewisse Tier-, namentlich Dogelarten. Baumriesen fallen, tn deren hohlen Armen Höhlenbrüter Nistgelegenhetten fanden; die müssen fliehen und andere Heimat suchen. Selbstverständlich dar, man das Ohr nicht gegen die Praxi» der modernen Forstwirtschaft verschließen, aber das kulturelle Vorworte geht auch hier über Leichen, deren Anblick wehmütig stimmt. Man hat Hermann Löns und andere, die warm auch für oie fleischfressende Tierwelt eintreten, Raubzeugzüchter genannt. Dann müßte man auch den Staat so nennen, der Bussard und Gabelweihe unter seinen Schutz nimmt. Keine Raubzeugzüchter, warm herzige Tierfreunde sprechen da, wir schauen in Augen, die den deutschen Wald lebendig und bunt farbig erhalten sehen möchten. Der ist kein Weid mann, der beim Anblick eines Fuchses gleich um sein Wild bangt, will sagen, um ein paar Täler Wildbret. Der Wald soll nicht Wildstall sein, auch das Feld nickt. Man darf auch dem Raubzeug Existenz gönnen, nicht am wenigsten vom praktischen Standpunkt aus, wo man in ihm die Gesundheitspolizei erblickt, die alles, was krankt, beiseite schafft. Der echte Weid mann ist auch Heger, kein Feind der Tierwelt, wie der knallende Kleinbauer und die Sportsexe, denen selbst des Eisvogels Pracht nicht heilig ist, die Strandlüufer und Möwen schießen, um Jager zu sein. Ein großer Feind unserer Tierwelt ist auch der moderne Landwirtschaftsbetrieb, der namentlich der Kleinvogelwelt schadet. Früher zeigte dem durstigen Wanderer weithin im freien Felde ein Busch, wo eine Quelle zu finden, auch der Vogel und das Wild ver standen den Wink praktischer Hände. Heute legt man jede Quelle trocken, häufig nur, um einen Quadrat meter Ackerland zu gewinnen, jeder Busch verfällt der Axt oder dem Feuer, weil er einen Quadratmeter Land die Sonne raubt. Meilenweitcn werden da ¬ durch vogelarm, vogelleer. Käfer und Larven und andere Pflanzenschädlinge aber mästen und vermehren sich um so stärker. Jede Gegenmaßregel wird jeder Tier freund, jeder, dem Wald und Feld ohne Wild und Vogel nur halbe Freude sind, lebhaft begrüßen. In der Geschichte des Tierschutzes wird v. Ber lepschs Name unauslöschlich sein. Seine Leistungen auf dem Gebiete der Vogelhege sind genugsam be kannt. Auf seine Anregung und mit seiner Unter stützung hat man auch eine Vogelschutzinscl geschaffen, die den Verfolgten ein Asyl gewährt, das Aussterben mancher Arten verhindert oder doch mindestens hinausfchicbt, hoffen wir, recht weit hinausschicbt. Wir danken jedem Bauer, der «in Wagenrad auf seiner Scheune befestigt, Großvaters „llhlenflucht" oben im Giebel der Scheune nicht vermauert, in jedem Busch am Feldrain nickt gleich ein Aergernis findet. So kann auch der einzelne tatkräftig helfen. Größte Erfolge aber sind dort zu erwarten, wo viele ae- schlosscn vorgehen. In den letzten Jahren haben sch Gesellschaften für Tierschutz gebildet oder treten kra t- voll für ihn ein. Der Dürer-Bund hat sich die große Aufgabe gestellt, nach dem großzügigen Muster der Vereinigten Staaten «inen Tlerfchutzpark in der Lüneburger Heide zu schaffen. Möge ihm das Werk gelingen. Sanft unü Dillenlchskt. Pariser Thraker. Aus Pari» schreibt un» unser Mitarbeiter; Di« letzten Pariser Premieren vereinigen auf den Anschlagssäulen der Theater die Novitäten titel: „Papa" von Caillaoet und de Flers, „Der alte Mann" von Dorto-Riche und ZV re Ahn irr" von Saint-Saöns. Wer bisher der Meinung war, daß recht viel Jugend auf der Bühne eine Gewähr für gute Erfolge sei, mußte erstaunt sein über diese plötzlicl)« Vorliebe der Pariser Autoren für ältere „Sujets": Papas, alte Männer, und gar Ahninnen. Allzu heiter sind die Stücke auch nicht. Huguenet, der wieder aus der Eomödie Franeaije ausgetreten ist, hatte als „Papa" das Hauptverdienst am Erfolg, der aber doch erst noch seine Dauerhaftigkeit beweisen muß. — „l'Ancetre" vo» Saint-Saäns hat in derKomrschen Oper wegen des allzu schwachen Textbuches (mit einer unwahrscheinlichen korsischen Vendetta) trotz stilreiner und klassischer Musik (mit einigen klangschönen Chören, einem reizvollen Liebes duett und einer originell orchestrierten „Bienen-Sin- fonie") keine wärmere Aufnahme gefunden wie vor vier Jahren in Monte-Carlo. — „Le Vieil Homme", laut Pariser Kritik ein Meisterwerk, wird dem Dichter Porto-Ricke kaum Hunderttausend« ein tragen, da das Puolikum, wie wir vermuteten, trotz des angeblich literarischen Spektalels die Begeiste rung nicht zu teilen scheint. Im Gymnase hatte cs noch einen andern litera- rischen Versuch gegeben, von dem mehr vorher als nachher gesprochen wurde: der Schauspieler Armand Bour hatte versprochen, uns mit einem neuen Theater bekanntzumachen, mit dem „TheLtre Im- presst s", das wahr sein sollte wie das Leben, in dem der Zuschauer die Hauptsache der Vorgang« er raten sollte, da der Dialog, wie im Alltagswandel d«r Menschen, gerade jene Dinge, die gesagt werden müßten, verschweigt, und daß schließlich die Dra maturgie auf den „echten" Realrsmus Hinweisen werde. Bour hat dem Pariser Publikum schon manche interessante Dinge vermittelt — hier täuschte er sich im Werte seiner Entdeckung. ,,Le Sculpteur des Masques" des jungen Belgiers Fernand Crommelynck verschweigt alles. Wir sehen zwar, daß der Skulpteur menschlicher Masken seine Frau Louijon mit seiner Schwägerin Madeleine hinter geht, wir beklagen auch Louison, die stumm leideird darüber zugrunde geht, aber wir vermögen uns für die gleichgültigen Gespräche dieser Alltogsmenschen nicht genügend zu interessieren und verlangen nach Lcidenschaftsausbrüchen und Konflikten, ohne die es keine Tragik auf der Bühne aibt. Das Schlußbild, in dem ein« karnevalistisch« Gesellschaft die zwanzig Masken, die der Bildhauer von feiner sterbenden Frau anfertigte, aufletzt und bei greulicher Beleuch tung dem schuldvollen Künstler eine Wahnsinns szene aufführt, wirkt abstoßend. Man ging mit Vergnügen nach diesem Spuk in dieDarret 6 » hinüber, um sich die neueste Komödie von Louis Artus mit dem vielversprechenden Titel „Le» Midinette»" anzusehen — Jammer, die Midin«ttes, so wie sie sind, wie sie lerchtbefußt und chon beinahe elegant, schnippisch, trällernd und auch chmachtend abends aus der Rue de la Pair hervor- trömen, hat Artus sie nicht auf die Bretter ge- bracht! — Im Vaudeville hat „Le Cadet de Coutras", nach Abel Hermants Roman von Mironde bearbeitet, enttäuscht. 6. I». * " Ei» «eue« Stück so« veqrrlei«. Direktor Volkner bat koeben Fran- Adam Beyerleins neueste» Bühnenwerk, das Lustspiel aus dem Mittelalter „Das Wunder des heiligen Terenz" zur Ur aufführung im Leipziger Stadttheater angenom- men. Die erste Aufführung wird als Veranstaltung des hiesigen Schillervereins stattfinden. Das genaue Datum wird demnächst bekanntgegeben werden. * Der Bau eines neuen Theaters in Bremen wird geplant. Der Bremer Senat steht dem Plane sehr fördernd gegenüber; das neue Haus dürfte wahrscheinlich mit dem vom Hofrat Julius Otto geleiteten Stadtlheater verbunden werden und hauptsächlich als Pflegestätte für das Schauspiel dienen. * Alt-Heidelberg als Oper. Im Breslauer Schau spielhaus wurde Ubaldo Pacchierottis Oper „Alt- Heidelberg" bei ihrer reichsdeut>chen Uraufführung mit lautem Beifall ausgenommen. Das dem Libretto zugrunde gelegte Schauspiel Meyer-Försters hat durch die mit dem deutschen Milieu in Stilwider spruch stehende italienische Musik, mit der die reichlich verwendeten Studentenweisen stark kon trastieren, verloren. Die Oper hat wenig Aussicht auf Eroberung der deutschen Bühnen. * Streit um Raffaels Grab. In Rom ist ein Streit um Raffaels Grab ausgedrochen. Bekanntlich wurde der Leichnam des Meisters im Jahre 1520 im Pantheon unter dem Altar Madonna del Sasso bei- gejetzt. Das Ministerium geht nun mit der Absickt um, den Sarkophag auszugraden und sichtbar auf zustellen, wogegen zahlreiche Kunstgelehrte und Künstler Protest einlegen mit der Begründung, daß dies der letztwilligen Verfügung Raffaels wider spreche und einer Profanation des Grabes gleich käme. 0. Theaterchronik. Die Aufführung der Komödie „Die Hose" von Sternheim, die als nächste Novität in den Kammerjpielen des Berliner deutschen Theaters in Szene gehen soll, ist, wie die ,,B. Z." meldet, aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit von der Polizei verboten worden. — Nach einem erfolg reichen Gastspiel am Hoftheater in Koburg wurde dieKönigl.Sächs.Hof'chauspielerin Charlotte Bast' in Dresden vom Herzog von Koburg-Eotha zum Ehrenmitglied des Koburger Hoftheaters ernannt. * Auszeichnung. Dem Verlagsbuchhändler Walther Jäh i. Fa. Carl Marhold, Verlagsbuchhandlung in Halle a. S., wurde vom Herzog Georg von Sachien- Meiningen das Ritterkreuz ll. Kl. des Sachsen- Ernesttnischen Hausordens verliehen. 8t. Hochschulnachrichte«. Der außerordentliche Professor der Ohrenheilkunde an der Universität Gießen K. von Eicken bat einen Ruf nach Erlangen als Nachfolger von Professor A. Denkers abgelehnt. — 2n Stragburg tritt der ordentliche Professor der romanischen Philologie Dr. Wilhelm Tloeta mit Schluß dieses Wintersemesters v"m Lehramte zurück. — Der Oberbtbliothekar an der Universitätsbibliothek in Bonn Dr. E. Dorsch wird zum 1. April an da» Königliche Bibliotheksinstitut in Berlin versetzt. — Der Ordinarius für alttestamentliche Theologie in Halle Geheimer Konsistortalrat Dr. theol. et phil. Karl Corntll begeht in diesen Tagen fein 25jähnge» Jubiläum al» Univerfttätsprofessor.
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