Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-02-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110209018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911020901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911020901
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-02
- Tag 1911-02-09
-
Monat
1911-02
-
Jahr
1911
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Nr. 40. 105. Iahr-sug. in der Ueberzahl, bah wir Herren im Frack unter den glänzenden Uniformen und den eleganten Toiletten der Tomen gänzlich verschwanden. Peschawar bildet zu allem, was wir bi»hrr gesehen heben, einen vollständigen Gegensatz. Man bat nicht mehr den Eindruck, in Indien zu sein, sondern in einer Stadt Mittelasien». Da der Durchfuhrhandel von Kabul, Buchara und Zentralasien an den Ort ge bunden ist, kommen hier Vertreter der ver- schieden st en asiatischen Volks st ämme zusammen. Die meist bärtigen, wilden Gestalten der Männer, wegen der Kält« in dicke, wattierte Decken oder Pelze eingehüllt, dazwischen die Frauen mit bunten Kaschmirschals, Viehherden und Lastkamele bilden ein buntes Gewühl in den engen Straßen, wo sich Basar an Basar reiht. Von Zeit zu Zeit bildet sich ein Gedränge, wenn an einer Ecke ein Fakir fanatisch oder begeistert predigt. Dicht daneben liegen oder kauern andere heilige Männer säst völlig nackt auf dem Boden, von den Vorübergehenden Almosen heischend oder Medizinen verkaufend. Es fiel mir auf, daß auch die armen Frauen Tücher trugen, die den auch dort oben teuren Kaschmirschals in Farbe und Stickerei ähnelten. Als ich mir in den Kaufläden diese Ware ansah, fand ich, daß sie „mnöo in Gonnnnv" war und aus Sachsen stammte! Hiervon später mehr. Wem das Geld lose saß, der konnte es in Peschawar für prächtige Bucharateppiche, Stickereien, Marder- und Persianaselle schnell veraus gaben. Aus dem Ueberzieher kam man im Freien während unseres Aufenthaltes an der Grenzstadt nicht heraus, und in den Häusern sucht« man das flackernde Kaminfeuer auf. Am 13. Januar nachts verliest der Extrazug Peschawar, um am 14. früh in Hassan - Abdallah Halt zu machen, wo in der Nähe (Abbotabad) dem Kron prinzen zwei Gurkha-Regimenter bei einer Gebirgs übung vorgcführt wurden. Sie bilden eine Elite- truppe des Nordens, Haden vollkommen mongolische Gesichtsbildung und sind als Bergsteiger noch gewandter als die Khaiber Risles. Es wurde auf einen Berg ein Angriff aus der Front und einer Flanke zugleich, und daran anschliestend ein Rückzugs- gefecht ausgesührt. Um die Schnelligkeit der Leute zu zeigen, erfolgte nachher ein Wettlauf. Ungefähr 2'.u Kilometer wurden bei einem Höhen unterschied von 500 Metern in 8 Minuten zurück gelegt. Der Kronprinz beschenkte die beiden zuerst Angekommenen mit einer Taschenuhr. Als Professor Wiedemann, der ärztliche Begleiter des Kronprinzen, den Leuten nach 5 Minuten den Puls fühlte, zählte er noch 150 Schläge, ohne dast den Leuten sonst etwas hiervon anzumerken war. Oeutlches Reich. Leipzig, 9 Februar. * Der Kaiser an den Minister ». Breitenbach. Der „Reichsanz." schreibt: Aus den Bericht des Ministers der öffentlichen Arbeiten über die Verwaltung der öffentlichen Arbeiten in Preusten in den Jahren 1900 bis 1910 ist nachfolgender Erlast Seiner Majestät an den Minister ergangen: Von Ihrem mir zu Beginne eines neuen Lebens jahres vorgelegten Berichte über die Tätigkeit der in Ihrem Ministerium vereinigten Verwaltungen während des Dezenniums vom 1. April 1900 bis zum 31. März 1910 habe ich mit lebhaftem Interesse Kenntnis genommen. Es erfüllt mich mit be sonderer Befriedigung, dast es gelungen ist, den An forderungen des in austerordentlichem Maste ge wachsenen Verkehrs auf den Eisenbahnen durch eine planmästige Erweiterung des Schienennetzes, sowie durch Vervollkommnung und bessere Verwertung der Verkehrsmittel unter Wahrung der finanziellen Bedürfnisse des Staates gereckt zu werden, und gleichzeitig die Fürsorge für das Wohl der Angestellten und Arbeiter weiter aus Letpzlser Tageblatt. Donnerstag, 9. Februar 1911 zugestalten. Mit Genugtuung habe ich ferner von der energischen Inangriffnahme der Durchführung der wasserwirtschaft- lichenGesetze, von der weiteren Ausgestaltung der Seehäfen und Schiffahrtsstrasten. sowie von der Vervollkommnung der Seezeickzenanlagen und nicht minder von den Leistungen der Hochbauverwaltung wahrend der abgelaufenen Jahrzehnte Kenntnis ge nommen. — Indem ich Ihnen und den Beamten Ihres Ressorts meine Anerkennung und meinen Dank für Ihre treue Pflichterfüllung erneut aus spreche, will ich die Veröffentlichung des Berichts gern genehmigen Berlin, 6. Februar. Wilhelm, * Kein Kaiserbesuch beim Papst. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: In der Presse werden Gerüchte über einen bevorstehenden Besuch S. M. des Kaisers bei S. H. dem Papst verbreitet. Wir möchten demgegenüber bemerken, dast nur, wie in früheren Jahren, ein Aufenthalt auf Korfu geplant ist. Di« an die Reise geknüpften Kom binationen sind demnach unzutreffend. * Berlin und Rom. Einen bemerkenswerten Leitartikel aus Berlin veröffentlicht das römische Blatt „Journale d'Jtalia". Das Blatt, das auch zum Vatikan gute Fühlung hat» schreibt: Ein Zwiespalt zwischen Berlin und Rom bestehe tatsächlich. Er sei tief und unheilbar; er werde aber erst in späterer Zukunft zum Bruche führen. Für heute sei jeder Konflikt aus geschlossen. (Das ist nicht ganz logisch. D. Red.) Wenn man auch demnächst im preußischen Land tag von der Regierungsbanl vielleicht eine energische Sprache gegen den Vatikan hören werde, so handle es sich doch lediglich um hohle Deklamationen. Wirklich ernst zu nehmen sei in allem diesen Chaos ganz allein die Rebellion zahlreicher und geistig hervorragender katholischer Elemente. Auf diesem Gebiete habe der Vatikan schon eine bedeutende Einbuße erlitten. Für seine Beziehungen zur Regierung aber habe der Vatikan trotz des Lärms der deutschen Presse nichts zu fürchten. — Die Einschätzung, die in diesem Artikel die Regierung erfährt, ist nicht gerade schmeichelhaft. ' An Unterstützungen für Tabakarbeiter sind auf Grund der Bestimmungen des Tabatsteuergesetzes vom 15. Juli 1909, des Nachtrags zum Reichshaus haltsetat und der weiteren autzeretatsmästigen Be- willignng insgesamt 6 558 000 Mark gezahlt worden, während das Tabaksteuergejetz nur eine Ee- samtdewilligung von vier Millionen Mart ins Auge gefaßt hatte. * Reich»tag»kandidature«. Der Abg. Roer en, gegen dessen Kandidaturerneuerung die Arbeiter seines jetzigen Reichstagswahlkreises Saarburg Widerspruch erhoben Haden, beschwerte sich in einer Versammlung oitter darüber, daß ihm der Vorwurf mangelnder Arbeiterfreundlichkeit ge macht werde. Er erklärte, die Verhältnisse im Wahl kreise sowie seine persönlichen und häuslichen An gelegenheiten hätten in ihm den sehnlichsten Wunsch geweckt, nicht mehr zu kandidieren, aber angesichts der schweren Zeiten wollte er auf seine Kandidatur bestehen. — Die Konservativen stellten in Labiau-Wehlau den früheren Abgeordneten v. Massowals Reichstagskandidaten auf. * Einen Aufruf zur Wahrung der Interessen des kirchlichen Liberalismus erläßt der Deutsche Protestantenverein. Der vom Reichstags abgeordneten Schrader und vielen namhaften Bcr- ! liner Geistlichen unterzeichnete Aufruf lautet: „Dem Drängen orthodoxer Eiferer folgend, hat der Preußische Evangelische Oberkirchenrat gegen Pfarrer Iatho in Köln, für dessen treue Arbeit Tausende dankbar Zeugnis abgelegt haben, das Irr- lchreverfahren eingelettet. Richt die christliche Ge sinnung, nicht treue Seelsorgearbeit, nicht ernste theologische Selbstbildung und die Herzen ge winnende und erhebende Predigt sollen den Pfarrer seines Amtes würdig machen, — Gehorsam gegen die theologischen Anschauungen der herrschendenOrthodoxie und buch - st übliche Anerkennung der Dogmen und Bekenntnisformeln werden gefordert — in bedenk licher Aehnlichkeit mit dem Modcrnisteneide. Durch das Verfahren gegen Iatho wird das Recht der freigesinnten Eemeindemitglieder und Pfarrer in der Kirche bedroht. Wir sehen die Gefahr vor Augen, daß in unserer Kirche Roms Grundsätze maßgebend werden. Demgegenüber können die freigesinnten Glieder der Eemernde ihre Rechte nicht auf dem verfassungsmäßigen Wege entsprechend zur Geltung bringen. Durch das indirekte Wahlver fahren, durch die Vorherrschaft der Patrone und der orthodoxen Pfarrer ist der kirchliche Liberalismus in den.entscheidenden Synoden fast völlig ausgeschaltet. Er bedarf einer Vertretung durch freie Vereine, um der Oefsentlichkeit und den Behörden seine An schauungen und Forderungen darzulegen und die Stärke seiner Anhängerschaft kundzugeben. Der Deutsche Protestantenverein hat von Anfang an sich die Aufgabe gestellt, eine solche Vertretung zu sein. Wir bitten alle Freupde eines freien Christentums, Männer und Frauen aller Berufe und Stände in Stadt und Land, unfern, Bunde beizutreten. Es gilt das religiöse Leben unseres Volkes — es gilt das Erbe der Reformation — es gilt die Religion unserer Kinder durch Kampf und Arbeit für Wahrhaftigkeit, Gewissensfreiheit und Herzensfrömmigkeit zu ver teidigen. Meldungen beim Bureau: Berlin VV. 35, Steglitzer Straße 68. — Mindestbeitrag 2 »tl. * Ueber die Politik der Nadelstiche in Labiau- Wehlau schreibt selbst die ultramontane „Ermländ. Zectung", die während des Wahlkampfes mit den Konservativen gegangen ist: „Die Stadt Tapiau, deren Bürgermeister bekanntlich der neugewählte fortschrittliche Reichstagsabgeordnete Wagner ist, be kommt jetzt den Zorn der Regierung zu fühlen. Nachdem der Bürgermeister, der seit 24 Jahren als Pfleger des Kreisarmenhauses eine Dienstwohnung im Hause bewohnt, diese hat räumen müssen, ist nun zum kommissarischen Vertreter des Bürgermeisters der frühere Vllrgermeister von Pillau, Herr Ender, vom Regierungspräsidenten ernannt, dessen mannig fache Konflikte mit seiner Gemeinde in Pillau be kannt sind. Natürlich erregt die Ernennung wieder im ganzen Kreise große Erbitterung. Wir hal ten dieie Politik der Nadelstiche für gänzlich ver fehlt. Erreicht wird damit nichts als Unmut und Aerger. Bei den Wahlen müssen dann die Konser vativen für alle Fehler der Regierung und der Lanvräte herhalten." — Und das von Rechts wegen. Was sagt aber Herr von Dallwitz zu den hier ge schilderten Vorgängen? * Abänderung de» Braunschweiger Wahlrechts. Die braunschweigische Landesversammlung nahm mit 36 gegen 8 Stimmen den Schlußantrag der Kom mission an, die Landesregierung zu ersuchen, unter Zugrundelegung der direkten, geheimen Wahl nach dem Dreikassenwahlsystem die Gesetzesvor lage über die Abänderung des Wahlrechts dem Landtage so bald als möglich vorzulegen. Die im Laufe der Debatte gestellten Abänderungsvorschläge und Anträge sind der Regierung als Material zu überweisen. Suslsnü. Oesterreich - Ungarn. * Die Hausiervorlage. Im österreichischen Ab- gcordnetenhause wurde am Mittwoch die zweite Leluny der Hausiervorlage fortgesetzt. Ha»- delsnnnister Werßkirchner hoo hervor: Unter den heutigen Verkehrsoerhäliniffen komme der Hausierhandel nur noch für einzelne Gebiete und einzelne Waren in Frage. Der Minister wie» so dann mehrer« Zwl scheu rufe des Christlich sozialen Hetlinger zurück, indem er erklärte, er wolle mit ihm nichts zu tun haben und nicht weiter auf die Sache eingehen, sonst könnte es Hetlinger unangenehm weroen. Weißkirchner empfahl schließ lich die Vorlage als einen Schritt noch Vor wärts im Interesse einer gesunden Mittelstand»- Politik. (Beistill.) . Frankreich. - Die französisch-russisch« Allianz. Der .Figaro" veröffentlicht folgende Petersburger Depesche: Die von einer Anzahl Pariser Blätter, insbesondere dem „Temps" geführte Sprache hat hier einen pein lichen Eindruck hervorgerufen. Die wiederholt gegen die französisch-russische Allianz gerichteten In sinuationen haben selbst in den optimistischen Ge mütern Beunruhigung verursacht, und man fragt sich, welchen Zweck die Urheber dieser Artikel verfolgen, die das französische Publikum irreführen. Die Festigkeit der französisch-russischen Allianz könnte nie in Frage gestellt werden. England. * Die Adreßdebatte im Unterhaus. Der größere Teil der Dienstag-Sitzung wurde mit der Erörterung von Fragen der inneren Politik ausgesüllt. Am Schluss der Sitzung wurde die Regierung von unionlstischer Seite um eine erneute Darlegung der Stellung gebeten, welche die Regierung bezüglich der Triple-Entente einnehme, und der Stellung Groß britanniens bezüglich des Persischen Meerdu ens. Der Unterstaatsiekrelär im Auswärtigen Amt Mac K in non Wood erwiderte, er sehe nicht ei», aus welchem Grunde der Unionist George Lloyd diese erneuten Erklärungen wünsche. Es «ei in dieser Hinsicht keine Aenderung in der Politik der Regierung zu verzeichnen. Die Ver einbarung, die Rußland mit Deutschland zu treffen im Begriff sei, bezöge sich nur auf die Eisenbahnen in der russischen Interessensphäre und berühre die englischen Interessen in Südpersien nicht. Er könne versichern, daß Englands Stellung be züglich des Persischen Golfs dieselbe sei. wie immer. Die Regierung sei von der russischen Regierung über deren Tun informiert. — Die Opposition wird ein Amendement zur Adresse einbringen, in dem erklärt wird, dast die be ständige Weigerung der Regierung, das Steuer system abzuändern, den Vorteil, der sich aus der von den Kolonien gewährten Vorzugsdehandlung er gebe, gefährdet und den engeren kommerziellen Zu sammenschluß des Reichs verzögert habe und Eng land des einzig wirksamen Mittels beraubte, das Ausland dahin zu bringen, die britischen Fabrikanten fair zu behandeln. Mexiko. * Juarez von den Aufständischen umzingelt. Aus Elpaso (Texas) wird gemeldet: Die Insurgenten umzingelten seit dem Gefecht am Sonntag, in dem sie den Obersten der Bundesarmee Raoago zumRückzug nötigten,die Stadt Juarez vollkommen. Am Dienstagnachmittag 2Uhr erfolgte aus den Bergen der Ausritt einer starken Abteilung Insurgenten in westlicher Richtung. Die Höhen hinter ihnen scheinen voll von Menschen. Eine Stunde später eröffneten die Aufständischen das Feuer auf die Vorposten der Bundeslruppen, die sich infolgedessen nach Juarez zurückgezogen. — Eine später« Depesche meldet: Die Aufständischen haben den Angriff auf Juarez be gonnen. Sus Richarü Wagners Selbltbisgraphie. Die vortreffliche österreichische Zeitschrift für Musik uitd Theater „Der Merker", herausgegeben von Dr. Richard Batka und Richard Specht, ist in der Lage, ein Stück aus Richard Wagners Memoiren zu bieten, deren Erscheinen sür Ende April angekündigt ist und für die jetzt schon höchstes Interesse herrscht. Das hier von uns publizierte Kapitel ist knapp nach Richard Wagners Tod, im Jahre 1883, infolge einer merk würdigen Verkettung von Zufälligkeiten erschienen. Ludwig Karpath hatte das seither völlig verschollene Zeitungsblatt aufbewahrt und jetzt zum Wieder abdruck zur Verfügung gestellt. „Ich wünschte auf das sehnlichste, von Paris forrkommen zu können. Bon meiner Wohnung in der Rue d Aumalc war ich, vermöge eines Ge schenkes von hundert Franken an den Portier durch geglückte Weitcrvermietung losgekommen; somit hatte ich nur abzuwarten, welche Mitteilungen mir end lich von Seite meiner Protektoren zulommcn würden. Da ich hier nicht drängen konnte, verzögerte sich meine Lage in der peinlichsten Weise, wobei es jedoch an neckenden Einmischungen freundlich sich ausnehmender Zwischenfälle nicht fehlte. So hatte ich die wunder liche Zuneigung eines Fräuleins Eberty, der ält- licken 'Richte Meyerbeers, gewonnen; sie hatte mit fast wütender Teilnahme für mein Geschick die wider wärtigen Erfahrungen der „Tan nhäuse^'-Auf führungen durchgemacht und schien es sich nun herz lich angelegen sein zu lassen, zur Aufheiterung meiner unangenehmen Lebenslage beizutragen; so veran staltete sie bei einem vorzüglichen Restaurant des Bois de Boulogne, im schönsten Frühlingswettrr für uns und Kietz, welchen wir noch nicht losgewor den waren, ein ganz artiges Diner. Auch die Familie Flaxland, mit der ich zuvor wegen der Herausgabe des „Tannhäuser" in einiges Zerwürfnis geraten war, bemühte sich nach allen Seiten hin, mir Annehmlichkeiten zu erweisen, von denen ich allerdings gewünscht hätte, daß sie ohne Veranlassung gewesen wären. Unter allen Umständen blieb es doch fest, daß wir mit nächstem Pari» zu verlassen hätten. Für Minna war eine Fortsetzung ihrer vorjährigen Kur im Bade Soden in Aussicht genommen, woraus sie zu ihren älteren Bekannten nach Dresden sich begeben sollte, während ich meine Zeit abwarten würde, um zu Beginn des Studiums von meinem „Tristan" nach Wien zu gehen. Allen unser» Hausrat beschossen wir, wohlverpackt bei einem Spediteur in Paris zurückzustellen. Während wir so mit dem Gedanken der so peinlich sich verzögernden Abreise uns beschäftigten, erwogen wir auch die Beschwerlichkeit de» Transport» unsere» Bündchens Fips auf der Eisenbahn. Eines Tage», am 22. Ium, kam meine Frau von einem Ausgange mit dem, bei dieser Gelegenheit auf ein« unerklärt gebliebene Weise tödlich beschädigten Tiere zurück; nach dem Berichte Minnas mußten wir glauben, der Hund habe auf der Straße ein dort aufgestreute» hef tige, Gift verschlungen: sein Zustand war jammer voll: ohne irgend eine äußere Beschädigung zu zeigen, atmete er nur so heftig, daß wir an eine bedeutende Verletzung der Lunge glauben mußten; im ersten wütenden Schmerze nach dem Vorfälle hatte er Minna gewaltig in den Mund gebissen, so daß ich jetzt schnell > einen Arzt herbeiholte, der uns jedoch jede Be fürchtung, daß es sich hier etwa um die Verletzung durch einen iollen Hand handle, sofort benahm. Nur dem armen Tiere war in gar keiner Weise Hilfe zu leisten, da es nun still zusammengekauert dalag und immer kürzer und heftiger atmete. Gegen elf Uhr des Nachts schien er unter Minnas Bett eingeschlafcn zu sein; als ich ihn hervorholte, war er jedoch toi. Der Eindruck dieses Trauerfalles blieb zwischen mir und Minna unausgesprochen. Die Haustiere hatten in unserem kinderlosen Zusammenleben eine sehr wichtige Bedeutung gewonnen; der jähe Tod diese, so munteren und liebenswürdigen Tieres trat wie ein letzter Rist in ein längst unmöglich gewor denes Zusammenleben ein. Für jetzt hatte ich keine eifrigere Sorge, als die Leiche dem gewöhnlichen Lose gestorbener Hunde in Paris, nämlich auf di» Straße geworfen und des Morgens vom Unrat abräumer mit ausgelcsen zu werden, zu entziehen. Herr Stürmer hatte in unserer Nähe, in der Rue de la Tour des Dames, einen kleinen Garten hinter seinem Hause, wo ich andern Tages unfern Fips be erdigen wollte; es kostete einen seltenen Aufwand von Ucberredung, die Haushälterin des eben ver reisten Besitzers zu der Erlaubnis zu bewegen, dast ich mit der Concierge meines Hauses unter dem Ge büsch des Gärtchens eine möglichst tiefe Grube zur Aufnahme des armen Hündchens graben lasten durfte. Der traurige Akt ging vor sich, ich bedeckte die Grube auf das sorgfältigste und suchte di« Stelle so unkennt lich wie möglich zu machen; denn mir ahnte es. daß Herr Stürmer einen Widerwillen gegen die Beher bergung einer Hundesleiche empfinden und sie wie der entfernen lassen möchte, welchem wirklich ein tretenden Mißgeschick ich hierdurch gewehrt halte. Endlich kündigte mir Graf Hatzfeld in der freundschaftlichsten Weise an. daß mir unbekannt bleiben wollende, an meiner unverdienten Lage teil- nehmende Freunde meiner Kunst sich vereinigt hätten, mir die nötigen Mittel zur Hebung der mich belastenden Schwierigkeiten anzubieten Ich erachtete cs schicklich, für diesen guten Erfolg einzig meiner Gönnerin, der Fürstin Metternich, mich dank, bar zu erklären, und ging nun an die Anordnung zur schließlichen Aufhebung meiner Pariser Niederlas sung. Es lag mir daran, dast. sobald alle hierauf bezüglichen Bemühungen überstanden waren, Minna unverzüglich zur Antretung ihrer Kur nach Deutsch land abreiste, wogegen ich dort für da» erste kein näheres Ziel vor mir sah, als einen Besuch bei Liszt in Weimar, wo im August ein deutscher Musikertag mit Abschiedsaufführungen Lisztscher Kompositionen vor sich geben sollte. Außerdem wünschte Flarland. der den Mut gefaßt hatte, auch meine übrigen Opern französisch herau»zugeben, mich noch für lange in Parts festzuhalten, bis ich die Uebersetzung des Texte» vom ..Fliegenden HoMnder" mit Truinet zustandegebracht hätte. Hierzu bedurfte ich noch einiaer Wochen, welche ich unmöglich mehr in unlerer gänzlich ausqeräumten Wohnung zubrinaen konnte: Graf Pourtale», hiervon unterrichtet, lud mich nun ein, für diese Zeit im preußischen Gesandt schaftshotel meinen Aufenthalt zu nehmen, wa» ich als ein seltenes, ja nie in gleicher Weise mir wider fahrenes Entgegenkommen mit ahnungsvollem Danke annahm. Am 12. Juli entließ ich Minna nach Soden und kehrte am gleichen Tage im Gesandtschaftshotel ein, wo man mir ein freundliches Stübchen, mit der Aus sicht auf den Garten und weitem Blick über die Tuilerien, anwies. In einem Bassin daselbst badeten zwei schwarze Schwäne, zu denen ich mich in träume rischer Neigung hingezogen fühlte. Als der junge Hatzfeld mich hier aufsuchte, um sich im Namen meiner Gönner nach meinen Bedürfnissen zu erkun digen, überwältigte mich seit langer Zeit zum ersten mal eine große Ergriffenheit, ein tiefes Gefühl von allem, was man gewöhnlich unter dauernden Lebens verhältnissen versteht. Ich erbat mir, meinen „Erard", welchen ich nicht mit dem übrigen Mobiliar hatte einpacken lasten, für die Zeit meines Aufenthalts herbeischaffen lasten zu dürfen, und wurde mir hier für ein schönes Zimmer in der Beletage eingeräumt. Hier arbeitete ich des Morgens an der Uebersetzung des „Fliegenden Holländers" und verfaßte zwei Albumblätter, von denen das für die Fürstin Metternich bestimmte, ein seit langer Zeit mir vor schwebendes artiges Motiv enthaltend, späterhin bis zur Veröffentlichung gelangte, während ein gleiches für Frau von Pourtales mir abhanden gekommen ist. ! (Schluß folgt.) Kunst unü Mllenlchsst. * Maifestspiele in Leipzig. Die im vorigen Jahre mit so großem Erjolg in Leipzig eingeführten Maifestspiele des Leipziger Stadttheaters wird Direktor Volkner auch in diesem Jahre veranstalten, und zwar wiederum unter Mitwirkung hervorragen der Dirigenten und Darsteller. Als Spieltage find festgesetzt: Sonntag, der 7. Mai, in völlig neuer Inszenierung „Der fliegende Holländer", Donnerstag, der 11. Mar, ^Figaros Hochzeit" und Sonnabend, der 13. Mai, „Tannhäuser". * Der gekürzte Rosenkavalier. Richard Strauß bat, wie di« „Zeit" berichtet, an seiner Oper „Der Rosenkavalier einschnerdende Kürzungen und Aende- rungen, namentlich im zweiten und dritten Akt, vor genommen. Das Werk wird rn dieser Form in Wien und Berlin zur Aufführung gelangen. Dem gleichen Blatt zufolge arbeitet Strauß zurzeit an einer modernen komischen Oper, zu der wiederum Hofmannstbal das Libretto schreibt. Das Werk wird voraussichtlich eine Musikkomödie werden. Außerdem will der Komponist eine bereits begonnene sinfonische Komposition vollenden. * Ei» »Rattenorozeß". Durch Verfügung des Poli zeipräsidenten mußte, wie noch erinnerlich sein durfte, rn Hauptmann» neuestem Stück „Die Ratten" der Name des früheren Berliner Polizeipräsidenten Madai gestrichen werden. Bei der Premiere wurde zwar trotz dieses Verbotes der Name Madai ge- oraucht, aber Reicher erklärte, dast ihm das Wort nur au, versehen entwischt sei. Später machte dann die Direktion des Lessingtbeatcrs aus Madai — Krawutschk«. Direktor Braym hat nun gegen da» verbot de» Polizeipräsidenten Klage beim Bezirk,- ausschust erhoben. In nächster Zeit dürfte man daher erfahren, ob diese Instanz für Madai oder für Kra- wutschke ist. * Der geschwärzte „Pan". Soeben hat der Verlag Cassirer in Berlin eine zweite Ausgabe des konfis zierten 7. Heftes der Zeitschrift „Pan" herausgegeben, in der — nach russischer Art und Weise — jene Stellen im Tagebuch Flauberts, die von der Polizei be- anstandet worden sind, mit Druckerschwärze bedeckt sind. * Hermann Gura tritt spätestens zum 1. März an die Spitze der Berliner Komischen Oper, die er mit dem Ensemble des Direktors Gregor bis zum 1. Juli weitersührt. An diesem Tage beginnt die Herrschaft des Hamburger Operettenunternehmers Bcndiener. * Die Lisztfeier in Pest. Das Programm für die Liszt-Zentenarfeier in Pest wurde jetzt festgestellt (21.—25. Oktober d. I.). Sie beginnt mrt einer Fest messe in der Matthiaskirche, während welcher die Krönungsmesse von Liszt unter der Leitung von Felix von Weingartner zur Vorführung gelangt. Abends wird in der König!. Oper das Oratorium der heil. Elisabeth aufgeführt werden. Am 22. und 23. Oktober werden Klavierkonzerte unter Mit wirkung von Eugen d'Albert, Frederic Lamond, Moritz Rosenthal, Emil Sauer, Bernhard Staven- Hagen, Sophie Menter und enderen hervorragenden Künstlern gegeben. Zwischen den Klavierpiecen werden berühmte Sängerinnen Arien von Liszt zum Vortrag bringen. Ain 24. Oktober findet in der König!. Oper ein Sinfoniekonzert unter Leitung Siegfried Wagners statt, bei dem die „Faust" - Sinfonie, das Es-Dur-Konzert für Klavier, ein Sinsoniegedicht und eine ungarische Rhapsodie zur Ausführung gelangen. Den Schluß der mehr tägigen Feier bildet am 25. Oktober die Aufführung des Chnstusoratoriums unter der Leitung Hans Richters in der König!. Oper. * Einen „Bund der Brieffreunde" hat die Re daktion der Zeitschrift „Der Brief" begründet. Alle Freunde intimer Briefkultur wollen ihre Adresse an den Herausgeber A. Halbert, München, Neureuther Straße 16, senden, damit sie Aufnahme in der Adressenliste finden. 8t. Hochschulnachrichten. Der Privatdo ent für Geographie in Bonn Dr. O. Schlüter hat den Ruf als Ordinarius nach Halle angenommen und wird zu Ostern sein neues Lehramt übernehmen. — Pro fessor Dr.Erhardt Schmidt, Ordinarius der Mathe matik an der Universität Erlangen, hat den an ihn ergangenen Ruf nach Gießen abgelehnt. — Der ordentliche Professor für neutestamentliche Exegese Dr. Johannes Gußleiter in Greifswald hat einen Ruf als Nachfolger von Professor E. von Dob- schütz nach Straßburg erhalten, aber abge lehnt. — An der Universität Greifswald habili tierte sich Dr. W. Vorkastner sür Psychiatrie. — Der ordentliche Professor der Pädiatrie an der Hochschule in Florenz und Leiter der Klinik für Kinderkrankheiten Dr. Giuseppe Mva ist ce« storben. Er war auch bekannt als Fachichrtftsteller. — Die Professorenkonferenz de» Züricher Poly- technikum» hat einstimmig beschlossen, dem Bundesrat vorzuschlagen, dast der birherige offiziell« Name. „Eidgenössische Polytechnische Schule" in „Tech nische Hochschule umaeändert werde. — Geh. Rat Penck, der Berliner Geograph, Sven von Hedtn, und der Tienschanforscher Prof. Dr. G. Merzbacher sind zu Ehrenmitgliedern der Geographischen Gesell schaft in Rostock ernannt worden.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)