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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.03.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-03-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110303015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911030301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911030301
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
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Jahr
1911
-
Monat
1911-03
- Tag 1911-03-03
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Monat
1911-03
-
Jahr
1911
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Oie Märe Jagow. Wir haben dieser Tage die Meldung der „Frkf. Zeitung" erwäynt, daß zwischen dem Berliner Po- lizeiprüsitenten v. Iagow und dem Verleger der .seitschrisl „Pan", Paul Cassirer, eine Affäre schwebe. Herr v. Iagow hat an Frau Tilla Du- rieur, die Gattin Caßirer», einen Brief «richtet, der non ihrem Mann als Versuch einer außergesrll- jchaftlichen Annäherung aufgesaßt wurde. Er- llärungen Iagows, die Cassirer befriedigten, haben die Deurung des Briefes als grundlos bezeichnet. Trotzdem glaubten freunde des Herrn Cassirer die Sache weiter behandeln zu müssen, und Alfred Kerr hat sich so wenig geschmackvoll gezeigt, tatsächlich für die Zeitschrift „Pan" über diese An gelegenheit einen Aussatz zu verfassen, der offenbar von sensationellem R e k l a m e b e d ii r s n i s mehr Zeugnis ablegt als von seinem ethischen Empfinden. Wir würden aus die Angelegenl)eit nicht znrückkoinmen. wenn wir es nicht im höchsten Grade tadelnswert sanden, daß der Herausgeber des „Pan", Herr Paul Cassirer, seine Zeitschrift zu poin tierter Erörterung einer Angelegenheit ltergegeben har, die nach seiner eigenen Erklärung eigentlich als beigeicgt zu betrachten war. Auch der sehr gezwungen klingende Rechtfertigungsversuch Cassirers in seinem „Pan", er besitze gegenüber seinen Mitarbeitern und Mitherausgebern kein Vetorecht, vermag die Be- denken nicht zu tilgen, die sich gegen die Haltung seiner Freunde richten. Wenn man sich mit der Bei legung einer Affäre zufrieden erklärt hat, da«R hat man die Pflicht, unbedingtes Schweigen zn beobachten und Mitwisser ebenfalls da zu zu veranlasse n Nach einer Meldung der „Perl. Volksztg." soll Herr v. Iagow eine Disziplinär untersuchung gegen sich selbst beantragt haben und entschlossen sein, von seinem Posten zuriickzutreten. Wir fühlen wahrhaftig keinen Berus und keine Neigung in uns, den oft so widerspruchsvollen Ber liner Polizeipräsidenten zu verteidigen, stehen aber nicht an, zu erklären, das, die Art des „Pan", Herrn o. Iagow unmöglich zu maci-en, nach den zwischen diesem und Caslirer gewechselten Erklärungen sehr übel wirkt. W^it die geistigen Potenzen des „Pan" den Sturz Iagows erzwingen wollte«,, dann hätten ire es durch lcharse Kritik der politiscicen Leistungen des Polizeipräsidenten zu erreichen suchen müssen. Die moralindurchsäucrte Aufbauschung jenesAnnähcrungs' Versuches in einer durch Prüderie sich sonst nicht gerade auszeichnenden Zeitschrift ist jedenfalls das ungeeignetste Mittel, dein Berliner Po lizeipräüdenten etwas am Zeuge zu flicken. Mchinyspotttik. Unter dieser spitzigen, aber treffenden Spitzmarke lesen wir in der „Natl. Korr" folgende polemischen Sätze, die wir Wort für Wort unterschreiben: „Aus den Grenzgebieten zwischen den Parteien existieren gewisse Blätter, die ihren Mangel an po- Mischen, Einfluß und an politisch erzogenen und interessierten Lesern durch exaltiert« Einfälle und durch die Pose genialer Ueberlegenheit zu verdecken suchen. Dazu gehört vor allem die „Rhein.-Westf. Zeitung", die sich den Faschingsdienstag dazu erkor, -en bewohnten Erdkreis auf eine Sache aufmerksam zu machen, die zu entdecken eben ihr vorbehalten war: die Parteiführer sind an allem schuld! Sowohl Herr Bassermann als auch Herr von Heydebrand, welch letzterem gleichzeitig das Zeugnis ausgestellt wird, sich durch die „zielbewuszte Vereitelung" der „um IN bis LN Jahre" verfrühten preußischen Wahlrechts reform „ein großes Verdienst erworben zu Haven, desien ganze Bedeutung von unserer bürgerlichen Welt heute noch nicht klar erkannt wird." Trotzdem soll es auch diesem verdienten Manne ebenso an den Kragen gehen wie allen andern Parteiführern, die „ihre Macht weit überschätzen." Und zwar ist die Sache verblüffend einfach: „WK-r die wirkliche Volks stimmung unserer bürgerlichen Wähler herauszu fühlen vermag, der wird zugeben, daß sie dahin geht: Weg mit den Parteiführern? Das geht so weit, daß, wenn jemand di« Losung ausAäbe: „Laßt uns überall da, wo ein Parteiführer zur Wahl steht, den Sozialdemokraten wäh le n , n u r um zu zeigen, das, wir dies elende Partei gezänk satt sind?", er damit bei vielen der besten Leute im Lande Anklang finden würde." Es must der „Rbein.-Wkstf. Ztg." zugegeben werden, dast in dieser Faschingszeit für einen solchen Artikel ein tatsächliches Bedürfnis vorlag. Was hätte cs auch für einen Sinn, die Wähler dazu auf zufordern, mehr als bisher darüber nachzudenkcn, welche grasten und ernsten Dinge hinter dem „Partei gezänk" stecken! Man must ihnen die Hirnarbeit erleichtern mit ter erlösenden Formel: „Weg mit den Parteiführern!" Die Narrenzeit verlangt es, andere zum Narren zu halten: nur mögen gewisse Leute zu sehen, dabei Richt selbst zum Narren zu werden." Deutsches Leich. Leipzig 3. März. * Der Sächsische Schulverei« zur Reform des Religionsunterrichtes (Ortsgruppe Leipzig) erlästt einen Aufruf, dem wir folgendes entnehmen: Die Gegner einer durchgreifenden Schulreform haben sich nn Loang. luih. Schulvcrcin zusammcngejchlossen. um ihren bestimmenden Einflust auch in Zukunft zu be- lxilten. Dem must enigegengeireten werden. Zu die sem Zwecke ist der Sächsische Schulverein zur Reform -cs Religionsunterrichtes gegründet worden. Auch in Leipzig hat sich eine Ortsgruppe gebildet. Der Sächsische Schulvereiu fordert eine der kindlichen Entwickelung entspreckxnde sittliche und christlich-reli- giösv Bildung, die im Einklang steht init dem Kultur- leben der Zeit und sich freihält von allem Dogmatis mus. Er erkennt das Interesse der Kirche an der religiösen Iugendbiidung an, verwirft aber jede geist liche Aufsicht im Religionsunterrichte. Der Aufruf schliesst mit einer Aufforderung zum Beitritt. * Die Nationalliberale Ortsgruppe »u Chemnitz hielt am Mittwochabend im „Deutschen Kaiser" eine Mitgliederversammlung ad. die gut besucht war Der Vorsitzende, Prof. Dr. Wend, gab in seiner Begrüßungsansprache einen kurzen Rückblick über die Ursachen der Entstehung der Ortsgruppe und ihre bisherige Tätigkeit. Der anwesende Herr Generalsekretär Dr Westen berg er regte die Frage einer Verständigung mit dem National liberalen Verein au. Die Versammlung erkannte das Bemühen um eine Verständigung an, sagte aber in Anbetracht der noch vorhandenen Schwierigkeiten folgenden Beschlug: Die Ortsgruppe erklärt, dast für sie die Vor aussetzungen für eine Vereinigung mit dem alten Nationalliberalen Verein noch nicht gegeben sind, erllärt aber weiter, dast sie in politischer Ve- ziehnng im Interesse der Gejamtpartei ein Neben- einanderwirlen bciocr Gruppen für sehr möglich und erspriesslich halt. Zur Vorbereitung der Rcichstagswahlen sagte die Ortsgruppe einstimmig folgende Ent schließung: Die Nationalliberalc Ortsgruppe steht der Bildung eines nationalen Ausschusses durch aus sympathisch gegenüber und ist bereit, sich einem solchen anzuschließcn, falls sämtliche bürgerliche Parteien dies tun. Die von einer Kommission ausgearbeiteten Satzungen der Ortsgruppe wurden nach geringer redaktioneller Aenderung einmütig angenommen. Die Wahlen des Vorstandes ergaben: Prof. Dr. Wend als Vorsitzender, Gölitz als Schatzmeister, Rechtsanwalt Schmalz als Schriftführer, Dr. Pe ters und Hans Vogel als Beisitzer. ' Ans dem 23. ländlichen Wahlkreise wird uns geschrieben: Der konservative Landlagslandi- -at, Gemeindevorstand Feller, hielt am letzten Sonnabend eine Versammlung in Erobern ab. In seinen Ausführungen hielt er sich an das konser vative Programm und trat dem Liberalismus scharf entgegen. Von der Fortschrittlichen Volkspartei hob ein Dcbattercdner hervor, dast Herr Feller durch die strenge Betonung seiner konservativen Anschau ungen ein neues Moment in den Wahlkampf werfe, und dast er die Konsequenzen daraus selbst werde ziehen müssen. — In einer Versammluiia in B a a l s- dors entwickelte Herr Feller dasselbe Wahlpro- aramm. Hier entgegnete ihm Parteisekretär Eh rtch von der Fortschrittlichen Volkspartei. * * Die militärische Feier des Diensteintritts de» Prinzen Joachim in das erste Garderegiment z. F. fand am Donnerstag nachmittag drei Uhr im grasten Exerzierschuppen in Gegenwart der Prin zen des königlichen Hauses, der Generalität und der fremdherrlichen Offiziere statt. Die Kaiserin und Prinzessin Viktoria Luise waren gleichfalls zugegen. Der Kaiser schritt zu erst die Front des Regiments, das in einem offenen Viereck Aufstellung genommen hatte, ab. 2n der Mitte des Vierecks leistete sodann der Prinz den Fahneneid. Hieraus hielt der Kaiser eine Ansprache, auf die der Regimentskommandeur mit einem drei fachen Hurra erwiderte. Es folgte noch ein Parade marsch des Regiments, an dein sich der Prinz in der Leibkompanie beteiligte. * In der Donnerstagsitznng des Bundesrats wurde dem Anträge Bayerns betreffend die Prägung von weiteren Denkmünzen anläßlich der Feier des neun zigsten Geburtsfestes des Prinzen Luitpold, des König reichs Bayerns Verwesers,sowie dem Anträge Württem bergs betreffend Prägung von Denkmünzen anläßlich der Feier der silbernen Hochzeit des Königspaares von Württemberg zugestimmt. Der Entwurf des Gesetzes, betreffend die Tagegelder. Fuhrkosten und Umzugskosten von Kolonialbcamten, der Entwurf des Gesetzes, betreffend den Patentausführungszwang, und die Vorlage, betreffend Berechnung der Ma- trikularbeiträge zum Etat für 1611, gelangten zur Annahme. * Die Denkschrift des Reichvkolonialamts, unter welchen Vorausietzungen und in welchem Umfange ein Schutzgebiet durchdirckte Besteuerung zur Deckung der Kosten heranzuziehen sei, die aus den Kricgsmastnahmen diesem Schutzgebiete erwachsen, ist soeben dem Reichstage zugegangen. Die Denk schrift bringt eine genaue Untersuchung des kolonia len Finanzsnstems in fremden Kolonialstaaten und deren Verhalten in analogen Fällen. Sie be ginnt mit dem spanischen und portugiesischen System und lommt aut das holländische, belgische, nord amerikanische und italienische System zu sprechen, um mit der Untersuchung des französischen und englischen zu enden. Es ergibt sich aus dieser Untersuchung, daß die Belastungen der Kolonien aus Kolonialkriegen, obwohl einzelne Länder sehr schwer unter den Kriegen zu leiden hatten, von Nordamerika, Frankreich und Italien nie. von England nur ganz ausnahmsweise den Kolonien ausFrlegt wurden. Derartige Auflagen wurden nie als Steuern erhoben, sondern als An leihen von der betreffenden Kolonie übernommen. Dieses Vorgehen bewährte sich nur dann, wenn es ohne starke Belastung der Kolonie erfolgen konnte. Nach der Denkschrift ergibt sich hieraus für unseren Kolonialbesitz, dast dieser zur Deckung der Kriegs kosten jedenfalls nur herangezoaen werden kann, wenn hierdurch seine finanzielle Bilanz nicht beeinträchtigt und seine wirtschaftliche Entwick lung nicht gehemmt wird. Zurzeit find aber in keinem dcutichen Schutzgebiete die Verhältnisse der artig, dast ihnen eine Kriegskostenanleihe oder Kriegs steuern zugemutet werden konnten. * Das Reichsgeseh über die Zuwachssteuer ge langte soeben im Reichsgesetzblatt zur Veröffent lichung und tritt an« 1. April d. I. in Kraft. Tie Ausführungsbestimmungen sind ebenfalls fertiggestellt und werden in den nächsten Tagen publiziert werden. Die Kenntnis dieses in den Grundstiickverkchr tief eingreifenden Gesetzes ist für die weitesten Kreise, und zumal auch für die Grund- und Hausbesitzer, von Wichtigkeit. Im C. H. Beck- schen Verlag rn München ist soeben eine Textaus gabe des Gesetzes mit Sachregister lPreis in Lein wand geb. 80 -H) erschienen, auf die wir mit dem Bemerken Hinweisen, daß das Bändchen zugleich eine Ergänzung zu der im gleichen Verlag erschienenen Ausgabe der Reichssteuergesetze von 1609 bildet, mit der es auch in Format und Ausstattung über- emstimmt. * Reichstagskandidaturen. Eine stark besuchte Versammlung nationalliberaler Ver trauensmänner des Wahlkreises Syke-Hoya hat den früheren Abg. Held einstimmig wieder als Kandidaten für die nächsten Reichstagswahlen aus gestellt. — Wie das „Ereifsw. Tagebl." hört, beabsich tigen die Konservativen in Greifswald- Grimmen, den Chefredakteur der „Dtsch. Tages zeitung", Dr. O « rtel, als Kandidaten aufzustellen. - Am 11. März werden in Posen die Delegierten der Nationalliberalen, der Konservativen und der Fortschrittlichen Volkspartei der Provinz Posen zusammenkommen, um über ein Zusammengehen der drei Parteien bei den nächsten Wahlen zu verhandeln. — Eine Ver- trauensmännerversammlung der Konservativen des Reichstagswahlkreises Ansbach-Schwabach stellte wiederum den Abg. Hufncrgel als Kandi daten auf. Hufnagel nahm die Kandidatur an. — Im Reichstagswahlkreise Hof stellte die Mittel st a n d s p a r t e i den Mühlenbesitzer Richter von Oberkotzau als Kandidaten auf. — Die Fort schrittler stellten im Wahlkreise Heiligen- beil-Pr.-Eylau den Gutsbesitzer Zielke- Pilgrimm als Reichstagskandidaten auf. — Für L ii - beck nominierten die Sozialdemokraten wiederum den bisherigen Abg. Schwartz als Reichstagskandidaten. — Im Reichstagswahlkreise Zweibrücken wurde der Aba. Stadtrat Keidel aus Pirmasens als sozialdemokratischer Kandidat ausgestellt. Der Bund der Land wirte stellte den Gutsbesitzer Schneider aus Rittershofen auf. — In Braunschweig beschloß der Liberale Wahlverein definitiv, in der Person des Rechtsanwalts Dr. Bracke einen eigenen Kandi daten aufzustcllen. Dr. Bracke wird sich im Falle seiner Wahl der Fortschrittlichen Volks partei onschließen. * Zum Fall Treutler, den wir dieser Tage an lei tender Stelle kritisch behandelten, sendet das Wolfffche Bureau den Zeitungen „eine wörtliche Uebersetzung des Telegramms aus Kalkutta vom 24. Mts", da» Aeußerungen de» Herrn v. Treutler über die Indien reise des Kronprinzen wiedergab. Danach fällt nur -er erste Teil der seinerzeit mitgeteilten Nachricht auf das Konto des tr)e sandten, die beanstandeten Stellen bilden einen Zusatz des englischen Reuterschen Bu- reaus. Die ganze Irreführung fällt also auf da» Wolfffche Brreau. * Erholungsheime für Kaufleute. In den letzten Wochen ist die Errichtung von Kaufmanns-Erholungs heimen vielfach behandelt worden. Dieses wichtige soziale Problem, an das lange hindurch niemand zu rühren wagte, wollte in der letzten Zeit überhaupt nicht mehr zur Ruhe kommen. Ja. es hat so recht eigentlich schon aufgehört ein Problem zu sein, nach dem als Folgewirkung der kürzlich erschienenen und viel besprochenen Schrift: „Ein soziales Problem des Kaufmannsstandes" von Joseph Baum, Wiesbaden, die „Deutsche Gesellschaft für Kaufmanns- Erholungsneim c" gegründet worden ist, die über das ganze Reich verstreut vorerst zwanzig Erho lungsheime in landschaftlich und klimatisch bevor zugten Gegenden ganz allein nur durch die Selbst hilfe des Kaufmanns,tandes errichten und zu einem außerordentlich niederen Satz pro Bett und Zimmer den Berufsangehorigen zur Verfügung steilen will, gleichviel ob sie Len Angestetltenlreisen angehören oder selbständige Kaufleute in nicht besonders guter Finanzlage sind. ÄUSlSNÜ. Frankreich. * Zur Neubildung des Kabinetts. Nach einer Aeußerung des Finanzministers Cai l lau x, der einein Berichterstatter gegenüber von einem eventuellen Portefeuilleaustausch zwischen Develle und Cruppi sprach, scheint es nicht ausgeschlossen, daß Develle das Ministerium des Auswärtigen und Cruppi das Justizministerium übernimmt. Develle war bereits 1893 Minister des Auswärtigen, Cruppi ist ein ehe maliger Staatsanwalt. — Die Urteile der Presse über das neue Ministerium erscheinen entschieden von der Parteistellung der einzelnen Blätter be einflußt und lauten demgemäß sehr widersprechend. Die gemäßigten und konservative:! Zeitungen äußern sich überaus abfällig und erheben besonders Ein spruch gegen die Ernennung Caillaux zum Fianz- minister, der durch seine Steuerpolitik die Geschäfts welt aufs tiefste beunruhigt habe. — Der „Eclair", das Blatt der katholischen Action Liberale, bezeichnet das neue Ministerium als unheilvoll und kritisiert jedes einzelne Mitglied des Kabinetts in scharfen Worten. — Die ,,R publique Franyaise" sagt: „Wir sind jetzt ganz offen zu diesem „verwerflichen Regime" zurückgekeyrt. Das ist der unverhüllte Cambismus mit leinen schlimmen Folgen." „Echode Paris" schreibt: Das Kabinett Monis ist mit jedem neuen Mann, den es sich gestern zugelegt hat, noch etwas schlechter, lächer licher und beunruhigender geworden. Der „Figaro" sagt: Der Amtseintritt Delcasst-s und der Eintritt Bertcaux', dieses zweiten Geuerals Andre-, rufen bei allen Friedensfreunden einmütige Befürchtungen hervor. Türker. * Eine stürmische Sitzung in der Deputierten kammer. In der Deputiertenkammer griff bei der Beratung des Budgets der Führer der Voltspartei den Finanrminister Dschavid Bey wegen seiner Finanzgebarung an, besprach ferner die Beschlüße des Zionrstenkongresses betreffend die Ansiedlung von Israeliten in Palästina und Mesopotamien und er klärte, die letzte Anleihe mit Frankreich sei nicht zustande gekommen, weil der Finanzminister mit zio nistischen Banken arbeiten wolle. Der Großwesir bezeich nete die Behauptungen des Redners al» «in Märchen und erklärte den Zionismus für ein Phantasiegebilde. Der Deputierte Ubeidullah bezeichnete die Oppo sition als böswillig, worauf sich bei den Oppo sitionellen ein großer Sturm erhob. Die Lärm- und Schimpfszenen dauerten lange an. Marokko. * Ein Aufstand gegen Muley Hafid. Aus Fez wird über Paris gemeldet, daß unter den Sche- radastämmen in der Nähe der Hauptstadt ein Aufstand gegen den Sultan Muley Hafid aus gebrochen sei. Der Sultan habe seine Kaids zu nächst berufen und beauftragt, mit ihren Ma- hallas gegen die Aufständischen zu marschieren. Er habe die französische Milirärmission ersucht, die Mahalla zu begleiten. In Fez herricht große Er regung, man glaubt, dast die europäischen Konsuln im Hinblick auf die ernsten Folgen des Aufstandes ihre Staatsangehörigen auffordern werden, sich zur Abreise aus Fez bereit zu halten. Theater unü Konzerte. Leipzig, 3. März SHsulpieltrsus. „Mann kommst du wieder?" Lustspiel in drei Akten von William Somerset- Maugham. Mit seinem Landsmann Shakespeare hat tieser englische Autor, dessen Lustspiel „Wann kommst du wieder?" gestern im Schauspielhause auf geführt wurde, nur den Vornamen gemeinsam. Das ist auch die einzige Beziehung, die ihn mit Shakespeare verbindet; sonst weist seine Ledens- und Menschen auffassung mehr auf die Marlitt und Ottilie Wilder- muth hin. Nicht stellt er Helden und Könige auf die Beine oter mischt er sich unter dcrl»e Handwerker mit ihren grotesken Späßen; sondern eine biedere englische Spießerfamilie ist es, in deren Mitte er uns führt. Nicht eininal der Sport, ohne den eng lische Gesellschaft nicht zu denken ist, findet in diesem friedsamen Spiel Erwähnung; es ist eine Nichtigkeit, eine lächelnde Plauderei, aver als solche nicht übel gelungen. „Wann kommst du wieder?" gehört zu den vielen Fragen, die ein verliebtes junges Frauchen an ihren Gatten richtet, wenn er sie zuweilen auf kurze Zeit «»erläßt Sie hegt und pflegt ihn und überschüttet ibn mit sorglichen Zärtlichleiten. Er aber wird in -em wohligen Leben übermütig, eine leise Lange weile macht sich geltend, und da» hold« Gut des liebenden Weibes wird dem Undankbaren lästia. Er gerät in die Netze einer Koketten, und allgemach ent gleitet er seiner Gattin. Dirke aber beruft resolut einen Familienrat; fte entschließt sich, ihre Politik von Grund aus zu ändern, und mit allen Mitteln weiblicher Klugheit unt Laune gelingt «» ihr, den Abtrünnigen wiederzuqewinnen und die Neben« buhlerin aus dem Hause zu treiben. Schließlich sind die Rollen vertauscht und der Luftiku« von Mann ist es nun, der heiß und sehnsüchtig die Gattin fragt: „Wann kommst du wieder?" So ha« die Moral in diesem Stück einen refpek tadle» Sieg errungen, und dieser Mann wird sein Weibchen nicht mehr verlaßen Ein kurze« Schein Leben führen dies« Gestalten; wenn der B«rhang ge fallen ist, geht ihnen der Atem aus, und sie versinken in blutleeren Schlummer. Nur mit leichten Strichen sind die Menschen gezeichnet, rasch und oberflächlich skizziert, und es gebt uns mit ihnen wie mit dem Mond, von dem wir nur die eine mattbeleuchtele Scheide sehen: nicht vermögen wir in sein Inneres zu blicken, noch gar zu ergründen, was auf der an deren Seite fernes Daseins vorgeht. Könnten wir den Gestalten dieses Lustspiels ins Innere fchen, da würden wir uns wohl verwundern, eine wie große Leere wir oorfinden, die mit Säacspänen ausgefüllt ist, wie die Iahrmarktspuppen. Das Liebesverhält nis zum Beispiel, um das die Handlung sich dreht, ist ohne Saft und Mark geschildert, als oo ein Lehrer es für Kinder der Vorichulc in einem Lesebuch zu beschreiben hätte. Und doch — wie klar und einfach ist dieses Spiel gebaut, wie logisch wickelt cs sich ab, wie sicher ist die Stimmung festgehalten, die es von Anfang an bekerrscht. Der Engländer hat uns eine solid« und sauvere Arber» geliefert; mit Abschweifun gen hält er sich nicht aus. will von Sentimentalitäten nicht» wißen und vermeidet im allgemeinen auch Ge jchmacklosigkeiten. Es ist ein harmloses Werkchen, da» un» nicht reicher macht, noch unsere Menschen kenntnis vermehrt, und unser Gemüt bleibt unbe rührt; aber es ist erfüllt von einein trockenen eng lischen Humor, der mit all seiner gemächlichen Rübe und scherzenden Drolerie uns ein paar friedlicy- behaaliche Stunden schenkt. Kern starker Trunk aus den Quellen des Lebens wird uns gespendet, sondern es ist eine gut gesüßte Limonaoe, die wir kosten sollen, und können wir die Limonade auch nicht als Männertrunk ansprechen, so wollen wir sie doch nicht ganz verschmähen, vorausgesetzt, daß die Lßenz au« jaftm frischen Früchten gepreßt ist. Da« Lustspiel unterhielt denn auch sein Publikum «uf» beste, und »» wurde dan-bar und beifällig aus genommen. Die junge Fra« fand kn d«m Immer gern bei uns begrüßten Gast Frau KSt « Franck - W: t t »ine Darstellerin, di« den leichten Ion diese» Lust spieles durchaus traf. Frau Franck stattete die Rolle mit all der Gesundheit und Frische au», di« dieser Künstlerin eignet, nnd spielte sie mit einem lieber mut und einer Schalkhaftigkeit, die aus dem Piipp chen eine lebendige Gestalt machten. Für die zu Seitenfprüngcn neigende Weltdame, - die das Familienglück des jungen Paare» zu stören droht, fand Fräulein Lore Busch eine leicht audeuteude Charakteristik und ftnttet« st« mit der mühelosen Technik eines natürlichen Plauderlones aus. Herr Ostwaldt gab den Mann, um den zwei Frauen sich streiten, als einen derben Naturburschen, und wußte die komischen Wirkungen seiner Roll« mit sicherem Griff herauszuholen. Als die Eltern der jungen Frau gaben Frl. Hübsch und Herr Wötzel tüchtige Leistungen, und Herr Bornstedt, dem auch sie sorgfältige, flotte Vor bereitung der Novität zu danken ist, bot als harm loser Lebeonkel ein« wirksame Charge. Dr. Inickvix Ltottoubeiw. Neuuzehute» Sewandhau»konzert. Zum dritten Male erschien Richard Wagners T-Dur-Sinfonie »von der vor einigen Tagen an dieser Stelle ein- geyend gelmndelt wurde) im Leipziger Musikleben. Nachdem ihre Uraufführung iin Gewandhause 1833 stattgcfundcn hatte, ging 54 Jahre spater eine Wieder holung vor sich: Arthur Niki sch dirigierte Las Werk, dessen Stimmen man vom bayreuthifchen Wahnfried entliehen hatte, 1887 im Neuen Stadt theater. Bei ihrer gestrigen dritten Wiederkehr nun erregte di« Sinfonie besonder» vom zweiten (lang samen) Satze an steigendes Interesse. Als Las Werk eines erst Neunzehnjährigen nötigt sie gewiß auch dem Aachmusiker volle Hochachtung ab, auch wenn der Eingangrsatz sehr Las bloße Studium und die rein« Schularbeit verrät. Aber schon im Andante kommen frappante Stellen vor. das Scherzo ergötzt durch Naivität und Frische und im Finale mach» sich ein jo liebenswürdig feiner Humor geltend, ist alles so fein und künstlerisch geformt, jo klar, durchsichtig und jachentsprechcnd instrumentiert, daß man recht wohl fein musikalisch Behagen daran haben mag. E» war entschieden wohl daran getan, aus tiefe Sinfonie im Rahmen der G«wanldhau»konzerte zuriickzujommen. Denn sie bildet ja da» End« der ersten musikalischen Jügend de» einstigen gewaltigen Meister». Ihr folgt, fodann ein« neu» Epoche, erfüllt von künstle, rischen versuchen und Unternehmungen, di« ihrerseits wieder in der Oper „Die Feen" gipfelte. Erst hier auf, in „Rtenzi", trat der Wagner hervor, den wir alle, den die Welt kennt und al» einen der größt*» und schöpferischsten Naturen aller Zeiten verehrt. — Herr Profeßor Nikisch ließ der Sinfonie eine ganz vortreffliche Ausführung zuteil werden und beschloß den Abend mit Robert Schumann» „Genoveoa"- Ouoertiire. So bedenklich«, unleugbar« Schwächen und Mängel die gkichmmriOe Oper diese» Meister« leider aufzeigt, die ihr einen festen Stan- im musika lischen Theaterspielplan von jeher einfach unmöglich «nachten, so jugendfrisch unL lebensfähig erweist sich immer wieder ihre Ouvertüre. Alles in diesem musi kalischen Märchenvorspiel atmet Leben, Stimmung. Gefühl und Leidenschaft, alles ist hier poetische Vor stellung, reine Musik, kraftvolle Erfindung, seelische Steigerung und Lebensmut, der sich in mancherlei Gegensätzen offenbart. Auch diese Komposition wirrte den Hörern vom Orchester in anziehendster Weise dargeboten. Einen ungewöhnlich starken Beifall trug der Ber liner Geiger Herr Fritz Kreisler davon. Ja, man beabsichtigte sogar dem Trefflichen noch eine Zugabe zu entlocken. Ader was sollte und konnte ans Brahms klassisch schönes Violinkonzert noch folgen? Doch höchstens Bach oder Beethoven, und so war es des Guten bereits ohnehin genug. Denn die Wieder gabe gerade dieser Komposition bedingt keine klein: Summe seelischer Kräfte und technischen Vermögens. Ein Künstler wie Fritz Kreisler verfügt über beides. Sein Ton ist gewiß nicht von jenem Volumen wie der eines Psane, Marteau oder Bnrmesrer, aber von vollendetem Wohlklange und seltener Eelangsfähig keit. Und was serner Len Kunstkenner und -freund stets einnimmt, ist auch bei diesem Künstler anzu treffen — nämlich die Einfachheit und gleichsam Selbstlosigkeit der künstlerischen Darstellung, deren Verinnerlichung und vollkommene Einheit aller Mittel mit oer künstlerischen Persönlichkeit. Die von Herrn Kreisler gebotene Leistung war vor allem auch eminent musikaltscher Art. Sie gab den versünlichcn Ton des Autors in unverfälschter Reinheit an. Noch viele» ließe sich zu Lob und Ruhm dieses Geigers anführen. Aber schließlich würde dann eine — „Krcioleriana" daraus. Und die haben ja zwei geniale Leute, ein Amadeus Hoffmann unü Robert kchumann, der Welt schon hinterlaßen. . . . Ole Lsuchltsüter /eltlplele. 6. Die Lauchftädter Festspiele werden, wie cru» Halle gemeldet wird, in diesem Jahre im Monat Juni stattfinden. Die Leitung bat Dr. Paul Schlcnther übernommen, der auch die Zusammen« stellung der Ensembles organisieren wird. Di» Stücke, die zur Aufführung gelang«, sind noch nicht
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