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Herausgegeben von Otto Oammer AchtlINdztvlINziglter Allljk'gllllss. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postämter. Wöchentlich ein Sogen MiMü^ Nr. IS. Friedrich Georg Wiecks Deutsche 1863. Posten nnd Telcgropyen. Von Or. H. Rcntzsch. II. Die Beförderung der telegraphischen Depeschen hat mit dem Brief verkehr außerordentlich viel Ähnlichkeit und leiden daher die meisten der bereits entwickelten Grundsätze und Ansichten auch hier volle An wendung. Hinsichtlich des Betriebes von Seiten des Staats oder der Privaten haben wir schon nachgcwiescn, daß der Staat die Be sorgung der telegraphischen Korrespondenz zur Zeit jedenfalls im Interesse des Verkehrs noch beibehält, und ist cs dankbar anzuerken nen, daß die deutschen Regierungen sich in der Mehrzahl nicht auf ein Monopol versteift, sondern auch den Eisenbahuverwaltungen ge stattet haben, Privatdepcschcn zu befördern. Bei vollständig freier Concurrenz würden zwar manche Mängel unseres hcntigen Telegra- phcnwcsens, in erster Linie der unverhältnißmäßig hohe Preis, sofort verschwinden, höchst wahrscheinlich würden aber Sicherheit der Be stellung und Korrektheit der Ausführung Vieles zu wünschen übrig lassen, und wenn ein Privatunternehmer allen Anforderungen genü gen sollte, so würde er höchst wahrscheinlich sofort ausschließliche Alleinbenutzuug für eine bestimmte Linie verlangen, so daß Handel und Industrie eher schlimmer als besser wegkommen möchten. Es ist ferner die Frage, ob der Staat bei der eigenthümlichen Natur der telegraphischen Korrespondenz, welche den Beamten zum Vertrauten machen muß, in der Lage sein würde, seine eigenen Depeschen dem Privatunternehmer anzuvertraucn, und obgleich von Staats wegen bei gewissen Nachrichten eine ganz unnöthige Geheimnißthuerei be obachtet wird, so können nnd werden doch Fälle cintretcn, welche zu nächst nur einen ganz engen Kreis von Vertrauten erheischen. Der Staat wird also in die Nothwendigkeit versetzt sein, für seine eigenen Zwecke entweder eine besondere Leitung selbst bei sonst freier Con currenz beizubehaltcn oder andere entsprechende Vorkehrungen zu treffen, nnd bleibt dies immerhin ein Moment, welches bei der Ren tabilität der staatlichen Telcgraphcninstitutc mit in Rechnung zu ziehen ist. Fast überall werden nämlich Regierungsdcpeschen nicht berechnet, und erklärt sich schon daraus die geringe Rentabilität, welche sofort geltend gemacht wird, wenn eine Reduction des Tarifs verlangt wird. Insoweit nun die Interessen des staats zu allgemeinen werden und auf die Gesammthcit der Staatsangehörigen zu übertragen sind, bleibt cs ungerecht, nur die Korrespondenz der Privaten zur Mitlei denschaft heranzuziehen und sie allein die Kosten der Regierungs depeschen mit aufbringen zu lassen. Ein anderer wesentlicher Unterschied zwischen Post und Telegra phie besteht darin, daß die Post in ihren Bricfbeuteln eine beliebige Anzahl von Briefen auf einmal befördert, während jede Depesche ein zeln befördert werden muß. Der Unterschied wird noch bedeutender, wenn man erwägt, daß bei der Korrespondenz in die Ferne nicht jeder Ort seinen besonder» Briefbeutel erhält, sondern daß die Briefe für einen größeren Bezirk vereinigt werden und der dortigen Postverwal tung überlassen wird, die specicllere Verthcilung vorzunchmcn. Die Telegraphie hilft sich zwar dadurch, daß sic ans ihren Linien mehrere Drähte neben einander legt, und in ähniicher Weise das Zusammen gehörige vereinigt, als nämlich hier und da ein Leitungsdraht aus schließlich für eine bestimmte lebhafte Korrespondenz reservirt bleibt — im Allgemeinen bleibt dieser Ausweg aber doch nur ein schwaches Anshilfsmittel gegenüber den großen Erleichterungen des Briefver- kehrs. Wenn trotz der erwähnten für den materiellen Reingewinn nicht unbeträchtlichen Differenz Handel und Industrie darauf dringen müssen, daß in ähnlicher Weise wie bei der Poft eine allmählige Re duktion der Tarife stattfinden möge, so läßt sich zwar eine Minimal taxe nicht mit derselben Genauigkeit als ein zu verfolgendes Endziel ausstellen, immerhin werden jedoch im Voraus feste Gesichtspunkte für eine stetige Erniedrigung gewonnen werden können. Seit der Gründung des deutsch-österreichischen Telegraphcnvereins hat sich die telegraphische Korrespondenz fortdauernd vermehrt und beträgt die Anzahl der Depeschen für Private durchschnittlich 1—t'/4"/n jämmt- licher Briefe, welche in demselben Vcrcinsgebict jäbrlick, befördert werden. Wir dürfen auf eine derartige Vergleiebung kein zu großes Gewicht legen, da mancher unnöthige Brief geschrieben wird, wäh rend meist nur in dringenden Fällen die Hilft des Telegraphen in Anspruch genommen wird. Deshalb giebt die Anzahl der rccomman- dirten Briefe in ihrem Verhältniß zu den Depeschen einen genaueren Anhaltcpunkt, und da die Dcpcschcnzahl im Durchschnitt der Jahre 1859 bis mit 1861 340/0 der recommandirten Briefe cinnimmt, so glauben wir uns weiterer Nachweise darüber enthoben, in wie hohem Grade selbst die tbeure tclegraphilche Korrespondenz benutzt wird. Cs ergeben sich z. B. für Oesterreich — em genaues Verzeichniß des DepesebenverkehrS im ZollvereinSgcbicte liegt uns aus früheren Jah ren nicht vor —