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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.03.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-03-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110302013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911030201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911030201
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-03
- Tag 1911-03-02
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Monat
1911-03
-
Jahr
1911
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Sitzung üer LMüwerarüneten. ' LeipjlL 2. Mär». Wie jeder log jein Ende findet, so hat ihn auch der gestrig« mit Spannung erwartete Tag der Ent» scheidung über die Bier st euer gefunden. Mit Aufmerksamkeit hört« man zunächst di« Aus führungen des Referenten Stadtv. Tobias an, die im nachfolgenden Bericht ausführlich wted«rgegeben find. An dieser Stelle sei nur noch erwähnt, daß sich der Redner auch mit der Eingabe des Hansabundes beschäftigte und sie etwas kritisch beleuchtete. Dem Referenten wurde Beifall zuteil. Dann kam der sozialdemokratische Vertreter Stadtv. Pollender zu Wort. Er schien «s auf eine Dauerrede abgesehen zu haben und ließ sich trotz mehrfacher Hinweise des Vorstehers, mehr zur Sache zu sprechen, nicht viel von seinen Abschweifungen abbringen. Schließlich ließ ihn der Vorsteher gewähren. Oberbürgermeister Dr. Dittrich verhielt sich streng sachlich und begründete die Ratsvorlage sehr eingehend. Von da ab schwand sichtlich das Interesse an den weiteren Reden. Gegen die Biersteuer wendeten sich die Stadtv. Roselt, Höhne und Seger. Letzterer, ein Sozialdemokrat, sprach fast wieder ein Stunde. Es war 4412 Uhr ge worden, als der Schlußantrag gestellt wurde. Schon nach der Unterstützung, die ihm zuteil wurde, war an seiner Annahme nicht zu zweifeln. Und nun kam di« große namentlich« Abstimmung, die die A n- nahme der Bier st euer mit 38 gegen S1 Stim men brachte. Betäubender Lärm brach auf der dicht besetzten Galerie aus, als der Vorsteher das Er gebnis verkündete. Es waren gerade keine Kose namen, die den Stadtverordneten von oben zugerufen wurden, und der Vorsteher mußte die Räumung der Galerie anordnen, etwas noch nicht Dage wesenes. Dann kam noch eine Geschäftsordnungs debatt«, schließlich die Annahme aller übrigen Be stimmungen des Ortsgesetzes. Aber selbst auf der Straße wurden einigen Stadverordneten noch wenig liebliche Zurufe zuteil . * Den Vorsitz führt der Vorsteher Zustizrat Dr. Rothe. Am Ratstischc anwesend Oberbürger meister Dr. Dittrich, Bürgermeister Roth, Po lizeidirektor Wagler, Stadträte Esche, Dr. Pal l- mann, Trautmann, Peters, Meyer, Dr. Göhring, Zopfs, Dr. Ackermann, Lampe, Dr. Barthol, Ryssel, Rurolph, Dr. Weber Franke, Schmidt, Seifert Hecker, Zanke, Hofmann, Dr. Koehler, L i st i n g. Eine Anzahl Einwohner der Naumburger Straße weisen in einer Eingabe erneut auf den schlechten Zustand dieser Straße hin; eine Neu pflasterung sei dringendes Erfordernis. Stadtv. Beck machte die .Eingabe zur seinigen. Eine Eingabe des Ortsvereins L.-Stötte- ritz, in der um Besserung der Pflasterung in der Stötteritzer Straße, Hofer Straße usw. ersucht wurde, machte Stadtv. Wildung zur seinigen. ' Die- Hausbefitzervcreine Leipzig-Süd (in L.-Connewitz) und L.-Dölitz wenden sich in einer Eingabe gegen die Errichtung einer Bürgerschule an der Lößniger Straße. Die neue Schule liege sich ganz gut mit der 28. Bezirksschule in Verbindung bringen. Stadtv. Zähne macht« die Eingabe zur seinigen. Eine Eingabe des Privatmanns Güntz betr. di« Einführung der durchgehenden Ge- schäftszeit in der städtischen Verwaltung machte Stadtv. Reinhardt zur seinigen. Werter werden in einer Eingabe Vorschläge zur Abänderung des Bebauungsplanes Leipzia- Anger-Crottendorf — NorLwest gemacht. Stadtv. Röthig machte di« Eingabe zur seinigen. Sodann sind noch eingeaangen 10 Eingaben, die sich gegen die Einführung einer Bier steuer richten. (Die betreffenden Körperschaften, Vereine, sind meistenteils schon von uns früher ge nannt worden. Die Eingaben wurden von den Stadtv. Roselt, Klemm, Zonack, Lehmann u. a. zu den ihrigen gemacht. Schließlich ist noch dem Vorsteher ein Tele gramm aus Neumünster zugegangen, in dem „im Znteresse der gesamten Bürgerschaft" ein Herr Heinrich Hartmann um Ablehnung der Biersteuer ersucht. (Große Heiterkeit.) Dann wurde in die Tagesordnung eingetreten. Für Beschaffung von Mobiliar zur Ausstattung von 4 Manjardenzimmern in der Hilfsschule für Schwachbefähigte wurden 2350 be willigt. Für dieErrichtungeinesKnabenhorts an der 16. Bezirksschule von Ostern 1911 ab wurden an Einrichtungskosten 897 -4t und an Unterhaltungs kosten auf Zadr 1307,50 bewilligt. Ferner wurde der unentgeltlichen Ueberlassung von Raumen dieser Schule für einen Mädchenhort unter Be willigung von 320 -4t Kosten für bauliche Herrichtung der Räume und eines jährlichen Beitrags von 1200 ^t zu den Unterhaltungskosten zugestimmt. Die Eingabe wegen Asphaltierung oder Neu pflasterung der E i s e n b a h n st r a ß e ließ man „zur zeit auf sich beruhen". Der Asphaltierung der Straßenkreuzung der Elisen- und Scharnhorst st raße mit einem Aufwand von 4420 .tt, zu dem die Leipziger Elektrische Straßenbahn einen Beitrag von 1895 -4t zu leisten hat, wurde zugcstimmt. Zu der Ordnung, betr. den gewerbsmäßigen Be trieb von Kraftfahrzeugen für die öffentlich« Beförderung von Personen und Gütern im Gebiete der Stadt Leipzig, wurde das Gutachten im zu stimmenden Sinne abgegeben. Für die Verlegung der im Alten Rathaus unter gebrachten Ailial stelle der Sparkasse in den Laden Nr. 24 des Hande le Hofs wurden 3489 .<( an Einrichtungskosten nachbewilligt und die Begründung von 2 Deamtenstellen genehmigt. Der Abhaltung des 12. Deutschen Turnfest«, lm Zahre 1913 auf dem an den Tutritzscher Markt angrenzenden Gelände wurde zugestimmt. Zur Beschaffung der Einrichtung für den im Hauotgeschoß des Alten Rathauses unterzubringenden Teil des Stadtgeschichtlichen Museums wurde ein Berechnungsgeld von 24 700 -4l nachbe willigt. Für den Anbau an den Pferdestall imEchlacht - h of zur Erweiterung des Stalles, sowie zur Unter bringung einer Kantine und einer Garderobe »nr- den 49380 nachbewilligt. Der letzte Punkt der Tagesordnung betraf da» Ortsgesetz über die Vrhebunn einer Liicrft.ner, sowie Nachbewilligung von je 2800 für die Stellen eines Kassierers und «ine» Buchführers und 150 Zählaeld für den Kassierer, sowie je 2100 für die Stellen zweier Kontrollbe amten mit je 120 Bekletdungsgeld, 2000 Ul Lohn für 2 Kanzleihilfsarbeiter und 1210 Ul Berechnungsgeld für den sonstigen Aufwand, sowie die damit im Zusammenhang stehenden Eingaben. Der Finanz- und Verfassungsausschuß beantragen, der Vorlage zuzustimmen und die Ein gaben damit für erledigt zu erklären. Das Referat erstattete der Vorsitzende d«s Fi nanzausschusses Stadt». Tobias. Er führte etwa folgendes aus: Der Rat konnte sich schnell entscheiden, welche neuen Einnahmequellen er schaffen wollte, da wenig Objekte den Gemeinden bleiben: in der Hauptsache ein« Warenhaussteuer, die nichts einbrächt« oder eine Billettfteuer, bei der man erst die Höhe des eventuellen städtischen Zu schusses übersehen müsse, eh« man sich entscheid» n könne. Die einzig« Einnahmequelle, die etwas bringe, sei die Biersteuer. Zn Plauen eryebe sie beim fünften Teil der Einwohner von Leipzig etwa 100 000 .tl. Die Neichsbrausteuer im Leipziger Be- zirk habe im Zahre 1910 2 Millionen Mark ergeben, so daß die Schätzung des Rates auf 400 000 -ll Er trag wohl richtig sei. Als die Vorlage der Biersteuer einging, hab« man eine große Agitation erwartet; sie habe sich aber bis ins Maßlose gesteigert. Die große Anzahl Eingaben an die Stadtverordneten gingen auf die Sache selbst nicht ein; man klag« über allgemeine Verteuerung, Vernichtung von Existenzen usw., be rühre aber den Kern der Sache selbst nicht. Die Stadtverordneten hätten rein sachlich zu urteilen und ihre Beschlußfassung über die ihnen unterstehenden Angelegenheiten nicht vom einseitigen Standpunkt, von dem die Petenten die Angelegenheit auffassen, sondern von allen Seiten zu beurteilen. Ein« der artige Agitation könne keinerlei Einfluß auf das Votum der Stadtverordneten ausüben. Für uns als Stadt Leipzig komm« einzig in Frag«, ob wir auf das, war in allen größeren Städten des Reiches und speziell Sachsens eingeführt sei, und was nirgends zu Unuträgl i ch k e i t en geführt habe, verzichten sollen. Zn allen größeren Städten Sachsens, Dresden, Chemnitz, Plauen, sei die Biersteuer erngeführt, und trotzdem koste das Bier daselbst nicht einen Pfennig mehr als in Leipzig. Warum haben sich denn in Dresden, Chemnitz, Bautzen, Crimmitschau, ja in ter nächsten Nähe von Leipzig, Wurzen, Grimma, nicht Uebel- stände herausgebildet? Dresden, wo die Verhält nisse ähnlich wie in Leipzig liegen, belaste die Wirte außer auf Bier noch durch andere Verzehrungs steuern, wie ein Oktroi auf Geflügel und Wild. Tas Bier koste trotzdem in Dresden nicht mehr als in Leipzig, dabei befinden sich in Dresden Brauereien, Wirte und Publikum wohl. Wenn eine Leipziger Brauerei Bier nach Wurzen oder Grimma verkaufe, seien die 65 Pf. dort auch zu zahlen. Wenn Grünte angeführt werten könnten, daß in Leipzig die Einführung dieser 65 Pf. anders wirke als wie in Dresden oder andern großen Städten, so könnte man sich belehren lassen, so aber spreche im Gegenteil für eine solche Steuer, daß durch sie das von auswärts hier eingesührte Bier mit betroffen werde. Dabei seien die Erhebungskosten ganz gering. Es sei sogar ein« große, nicht wieler gutzumachende Unterlassungssünde ter Statt Leip zig, daß sie die Biersteuer nicht längst eingefllhrt habe. Zetzt könne man nur Zz, höchstens 44 Pf auf das Glas Bier schlagen, während die Gesetzgebung den Städten, die die Steuer schon vor Zähren ein geführt haben, diese auf früherer Höhe belassen habe. Wären wir weitsichtiger gewesen und hätten diese Einnahmequelle uns schon früher gesichert, würden wir heute über 2 Millionen daraus ziehen und viel leicht vor manchen Kopfschmerzen wegen Aufbringung ter Mittel für notwendige Zwecke bewahrt bleiben. Wolle man nun der Frage eingehend nähertreten und sich die Faktoren, di« in Frage kommen, ansehen, so seien es zunächst die B r a u e r e i e n , die die 65 Pf. am leichtesten tragen könnten. Als die Rerchsbrau- steuer eingefllhrt wurde, antwortete die Börse, ein feiner Gradmesser für die Folgen solcher Maßnahmen, mit einer Hausse in Bieraktien. Die Brauereien haben von der Einführung der Neichsbrausteuer einen großen Vorteil gehabt. Sie haben nicht nur die Steuer selbst, sondern einen weit höheren Betrag auf die Gastwirte abgewälzt. Das sei dadurch möglich gewesen, daß die Brauereien die Steuer nicht nach dem Hektoliter Bier, sondern auf die Braustoffe bezahlen. Sie lassen sich von den Gastwirten 2,70 -4t pro Hektoliter vergüten, die wirkliche Steuer betrage aber bei weitem weniger, so daß, wenn man die 65 Pf. den Brauereien aui- erlegte, die Zahlen des Zahres 1910 zugrunde legend, immer noch nicht ein Betrag von 2,70 erreicht würde. Also die Brauereien würden keine Belastung haben. Wie dieselben stehen, be weisen ihre Abscylüsse: Riebeck 944 Prozent Divi dende, Kurs 187, Vereinsbrauerei 15 Prozent Divi dende, Kurs 238, Altenburger Brauerei 9 Prozent Dividende, Kurs 163, Gohlrser Brauerei 6 Prozent Dividende, Kurs 130, Schultheiß^ 14 Prozent Divi dende, Kurs 266, Tücher 14 Prozent Dividende, Kurs 255, Dortmunder 20 Prozent Dividende, Kurs 340. Nimmt man von den sächsischen Städten, wo die 65 Pf. Steuer eingeführt sind, oie hauptsäch lichsten heraus, so ergebe sich für das letzte Geschäfts jahr folgendes Bild: Bautzner Brauerei 10 Prozent Dividende, Kurs 185, Riesa 8 Prozent Dividende, Kurs 122, Felsenkeller Dresden 25 Prozent Dividende, Kurs 760, Plauenlcher Lagerkeller 8 Prozent Divi dende, Kurs 137, Schloß Chemnitz 12 Prozent Divi dende, Kurs 242, Reisewitz 6 Prozent Dividend«, Kurs 155; also auch sehr günstig. Wie stehe es nun mit den Gastwirten? Das Geschäft könne nicht so schlecht sein, da ein großer An drang zu diesem Stand stattfände, was au» den vielen Nachsuchen zu/neuen Konzessionen heroorginge. Di« Gastwirte hätten auch «inen großen Vorteil Lurch ihr Privilegium. Jeder Kaufmann, Bäcker, Fleischer, Arzt, Zurist müsse sich gefallen lassen, wenn im Neben haus ein Konkurrenzgeschäft sich auftue. Der Gast wirt werde ebenso wie die Apotheken geschützt, ohne dafür etwa» zu bezahlen Zn vielen preußischen Sttidttn bezahlten die Wirte neben der Gewerbesteuer noch eine vetriebefteuer, weil sie eben da« Privi legium haben. Di« heutigen Verhältnisse seien ganz andere wie bei Einführung der Neichsbrausteuer. Erst hätten die Brauereien den Wirten einen höheren Satz als die Steuer abgenommen, dann die Wirte dem Publikum, sei es durch Herabsetzung des Maßes von V" auf 314 oder '/», sei es durch Preiserhöhung von 3 und 5 Pf. pro Glas. Bei einer Mehrbelastung von 14 Pf. zahlten die Wirte bei weitem noch nicht das, was sie seit Einführung der Lrausteuer mehr vom Publikum »ahmen. Auch das Brot ließen sich viel« Wirte letzt bezahle», gäben es aber nicht einmal zvm Ein kauf, sondern genießen von den Bäckern noch einen Rabatt von 20 bis 25 Prozent. Außerdem nähmen die Wirte ihre eigenen Steuern — in Gestalt des schlechten Einschenkens. Wenn jemand 1 Kilo Kaffee oder Fleisch verkauf«, müsse er 1 Kilo liefern, für 1 Liter Milch 1 Liter geben, bei 10 Meier Stoff müßten es 10 Meter Stoff sein, nur beim Bier werde nicht das Bezahlte gegeben, also daraus allein ließe sich dies« Steuer bezahlen. 1913 müßten ja sowieso die 14/- fortfallen, und da würden die Wirte, die jetzt 344/» verschenken, wohl auch nicht geben, sondern nur V». Also auch die Wirte könnten die Steuer ganz ruhig tragen; man könne aber annehmen, daß sie sich mit den Brauereien einigten. Der dritte Faktor wäre das Publikum. Be zahl« nun wirklich jemand 1 Pfennig mehr für das Glas und trinke dl« Woche 20 Gläser, so gebe er 20 Pfennige mehr aus, eine ganz geringfügige Be lastung, da sich die wirtschaftlichen Verhältnisse im allgemeinen gebessert hätten. Man könne aber an nehmen, daß das Publikum nicht in Frage komme, da, wenn man 1 Pfennig g«be, di« Steuern aber nur oder 14 Pfennig betragen, das Publikum das Vierfache der Steuer zahlen würde. Es könne also jede der 3 Kategorien zugunsten der Allgemeinl)eit leicht die kleine Steuer zahlen. Aus Liebhaberei würden keine Steuern eingefllhrt, nur aus Rot. Der vorliegende Abschluß der Einkommensteuer für 1910 ergebe gegen das Vorjahr in Wirklichkeit ein Minus von 200 000 Mark, weil nur durch eine besondere un vorhergesehene Einnahme von 300 000 -tz 100 000 .6 mehr l-erauskämen, trotz der guten Konjunktur. Die Einkommensteuer solle auch herangezogen werden, jetzt aber in Reserve bleiben. In dem Ausschuss« habe Herr Stadtrat Pallmanu erklärt, daß der Rat nicht leichten Herzens an die Vorlage herangegangen sei, der Rat wllrde aber sonst sich eins Pslichcoergessenheit zuschulden kommen lassen, weil das Reich vielleicht sehr bald die ganze Biersteuer an sich reißen wllrde. Man müsse neue Einnahmen schaffen, weil die Wertzu wachssteuer wegfalle. Versickert könne man jein, daß beim Rat das größteEntgegenkommen in der HandhabungderSteuer walten wllrde, das beweise ja schon, daß man nur 2 Kontrollbeamte verlangte. Größere Arbeit und Mühe hätten die Wirte auch nicht durch die Steuer, das Bier müsse sowieso gebucht werden und in anderen Städten ging: alles glatt. Die einzelnen Punkt« wurden bei der Abstimmung mit 14 ge^en 6 und die Vorlage als solche mit 12 gegen 8 stimmen angen 0 m m e n. Persönlich erörterte der Referent dann die nach der Ausschutzverhandlung eingegangenen Eingaben und bemerkte u. a., daß, w«nn ter Brauereiverein sage, man wolle die Brauereien ertraglos machen, das nicht objektiv sei. Man erwähne nichts davon, daß in der Bierstadt München die städtische Steuer doppelt so groß wie in Leipzig sei und jährlich I4l> Million dem Stadtsäckel zusühre, nach Abzug der Rückvergütung für ausgeführtc Biere. Dabei sei die Staatssteuer in Bayern nicht niedriger. Man könne die Meinung des einzelnen achten, man brauche sie deshalb nicht zu teilen. Was jetzt aber an wüstester Agitation geboten wurde, übersteige die Grenzen des Erlaubten. Das sei schon 1901 so gewesen. Damals habe Dr. Zunck wörtlich gesagt: „Es ist im Inter esse unseres Kollegiums, daß darauf hingewiesen wird, daß wir uns durch die Agitation, die draußen stattge'undeii hat, in unserer Meinung nicht haben beeinflussen lassen. Ich meine, daß die Reden in Volksversammlungen und die Zitierung berühmter j Nationalökonomen, die d>e Bierjtcuer für ungerecht « erklärt hätten, auf die meisten keinen so nachhaltigen Eindruck gemacht Haden, daß dadurch ihre Stellung- nohme zur Biersteuer bestimmt worden wäre." Man drohe schließlich auch mit den kommenden Wahlen. Wie dächten sich denn die Leute über haupt die Stellung ein«» Stadtverordneten? Habe man überzeugungstrcue Männer abgeordnet oder Waschlappen, die nur äußeren Einflüssen zugängig seien? Redner schloß mit den Worten: „Traurig wäre es mit derjenigen Stadtverwaltung bestellt, ' die solche schwankende Charaktere in ihren Reihen hätte, zu bedauern sei die Stadt, wo äußere Ein flüsse maßgebend sind." Vorsteher Dr. Roth«: Ich möchte zunächst ein paar Worte sagen, ohne ac.f di« Sache selbst einzugehen. Zch muß bedauern, daß die Agitation, die in den letzten Tagen, auch in Zuschriften an uns, sich erhoben hat, diese Formen an genommen hat. Wir erachten es durchaus nicht für zu gering, Laß wir in konsta»t«r Fühlung mit unseren Wählern bleiben. Wir wünschen, daß diese ihr« Ansichten uns mitteilen, und wir wollen unsere Ansicht gern danach modeln, wenn wir es können. Wenn aber Vorlagen außerhalb des Hauses besprochen werden, so geschieht es mit unter in recht einseitiger Weise. Solange diese Kritiken in sachlichen Grenzen bleiben, kann nie mand ettoas dagegen haben. Zn der vorliegenden Frage sind aber teilweise ganz falsche Informie rungen erfolgt. Wenn wir hier den städtischen Haushalt zu balancieren haben, so erwägen wir alles auf das gewissenhafteste. Wenn mir uns notwendig erscheinende Kulturauf- gaben in unser Bereich einbezichen wollen, müssen wrr auch die Deckungsmittel dafür finden, und die Bürgerichaft muß Las Vertrauen zu uns haben, daß wir diese Deckunasmittel nach bestem Wissen und Gewissen auswählen. Draußen ist gesagt worden, man solle alles durch eine progressive Einkommen steuer erreichen. Da scheint man aber in der Bürger schaft nicht zu wissen, daß erst im vorigen Zahre die großen Einkommen, soweit es die Aktiengesellschatten betrifft, in der Steuer wesentlich erhöht worden sind. Wir bitten, uns das Vertrauen zu schenken daß wir nicht engherzig eine Gruppe, sondern die Interessen aller Bürger vor Angen haben Deshalb müssen wir es zn r ii ck w e i s« n, wenn nns von der Bürger schäft Direktiven gegeben werden sollen, wie es in den letzten Tagen in Annoncen geschehen ist. W-r können uns dadurch nicht beeinflussen lassen, sondern nur das beschließen, was wir nach unserem Gewissen für das Beste halten. Zch bedauere cs. daß di« Agitation in der Weise geführt worden ist. wie es geschehen ist. Wir hätten uns besser mit unfereu Wählern verstanden, wenn das in anderer Weise geschehen wäre. Das festzustellen halte ich für meine Pflicht? (Bravo) Stadt». Pollender beantragt zunächst zu tztz 1 und 2 der Vorlage na m en t- liche Abstimmung, wie sich auch die Sozial demokratie Vorbehalte, bei eventuell zu stellenden Ad Snderungsanträgen namentliche Abstimmung zu de- antragen. Redner fährt dann fort: Ich möchte zu nächst eitrige kurze Wort« zu den persönlichen Aus führungen de» Berichterstatters und Vorsitzenden sagen. Zch habe die Empfindung, als ob man sich auf jener Seite außergewöhnlich empfindlich zeigen woll« bei dieser Angelegenheit, während es sonst gar keinen Anstoß gibt, wenn mal in der Erörterung öffentlicher Angelegenheiten etwa» weniger zart oer- fahren wurde. Wenn von Herrn Tobias gesagt wor den ist, daß für die Erörterung der Vorlage ge nügend Zeit gelassen sei, so vergißt der Referent ganz, daß man sich schon seit Wochen und Monaten unter der Hand eine Mehrheit verschafft hat. Der Bor- wvrf ist also al» berecÄigt anzuer-enne». (Grotze UnruHe. Rufe von der Tribüne. — Vorsteher Dr. Rothe ermahnt di« Tribünenbesucher zur Ruhe.) Redner fortfahrend: Wer im öffentlichen Leben steht, muß es sich gefallen lassen, heftig angegriffen zu werden. Wenn derselbe Herr es fertig bringt, ruhig zu erklären, mich gehr die öffentliche Meinung nichts an, so mag er sich darüber mit seinen Wählern aus- einandersetzen. Einem Kollegium, das auf Grund des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts gebildet worden ist, wäre die erneute Auflage der Biersteu«rvorlage zweifellos erspart ze- blieben. Die Ratsoorlage spricht nur von zwei früheren Fassungen. Mir ist aber bewußt, daß schon 1885 Oberbürgermeister Georgi sich für die Biersteuer aussprach, 1887 hatte sie Stadrrat Ludwig-Wolf aus genommen, 1894 wurde sie im Kollegium abgelehnt, 1901 und 1908 kehrte sie wieder. Wir Sozialdemo kraten sind Gegner der Biersteuer, weil wir grund sätzliche Gegner jeder Sonderbesteuerung sinö. Jeqt ist die Vorlage wieder eingebrach» wgrcen, und zwar »ruf die Festlegung einer Reihe von Mitgliedern des Kollegiums hin, die sich auf diese Weise für die Ratsvorlage verpflichtet haben, lange bevor sie erschien. (Große Unruhe. Zurufe: Hört! Hört! Unwahrheit!) Die Acnderung der Situation ist dem Umstande zu verdanken, daß inan den Führern der Hauebcsitzerpanei einen zarten Wink gegeben, Laß, wenn sie jetzt mit für die Biersteuer stimmt.'n. eine Mehrbelastung des Grundbesitzes nicht eintreren würde. Die Hausbesitzer haben sich eben eine andere Moral zu eigen gemacht. Dafür soll man es sich ge fallen lassen, daß ein einzelner Stand, der Gastwirte stand in unerträglicher Weise belastet werden soll. Ist es denn nicht unlogisch, daß, wenn man das Kapital treffen will, die Steuer auf die Gastwirte legt? Diese können sie nicht abwülzen auf die Brauereien, weil die Mehrzahl abhängig von ihnen ist. Wenn gesagt worden ist, daß sich so viele dem Gastwirtsgrwerbe zuwenden, so ist das doch bloß dem natürlichen Drang zur Selbständigkeit beizuinessen. Vernicht: man diese selbständigen Existenzen, so laufe man Gefahr, daß Angestellte der Brauereien an ihre Stelle treten. Aber wie man hört, soll die Einfüh rung der Biersteuer auch eine politisch-: Färbung haben. Es soll nämlich Kommerzienrat Tobias einer Abordnung von Gastwirten gegenüber geäußert haben, daß, wenn das Ergebnis der stadrvcrordncl.„wählen in der 3. Abteilung nicht so ungünstig gewesen, dann die Biersteuer nicht gekommen wäre. Zn diesem Falle wäre die Einführung L-r Biersteuer weiter nichts als ein Akt der Rachsucht. Ist denn die Steuer aber über haupt nötig? Ich muß diese Frage entschieden mit Rein beantworten. Wenn ab.'r die Stadl mehr Geld braucht, dann kann sie es sehr gut erlangen durch einen Zuschlag zum Rorinalsatz der Einkommensteuer. Mit der Einführung der Biersteuer wird der Ruhm, daß Leipzig die einzige Stadl ohne indirekte Steuer ist, zum Teufel gehen. — Redner schließt mil folgen den Worten: „Die Abrechnung über die Annahme der heutigen Bicrsteuervorlage werden Sie schon bei den nächsten Stadtverordneten- und Reichstagswahten er halten. Wenn Sie sich nicht genauen, heute di: Oppo sition zu machen, die gegenüber einer derartigen Ver gewaltigung notwendig ist. so müssen w i r sie über nehmen. Bei den nächsten Reichstagswahlen wird Ihnen die Quittung darüber ausgestellt werden! Ich ersuche Sie um Ablehnung der Ratsvorlage." Oberbürgermeister Dr. Dittrich: Der Rat hat die Vorlage zur Biersteuer nur ein gebracht, weil ihn die äußerste "Rotwendigkeil dazu treibt, und ich glaube, daß es einer eingehenden Be gründung wohl kaum bedarf. Meine Herren! Wir haben jetzt eine wesentlick)« Einbuße erlitten durch dos Inkrafttreten des Reichswertzuwachssteuergcjetzes. Wir haben unsere Wertzuw rchssteuer ja lxjtinin-.l, um unser Betriebsvermögen zu verstärken, und das ist auch für uns eine Notwendigkeit, da unser Betriebs vermögen gegenüber anderen Städten sehr gering ist. Dresden hat für seine Gemeinde ein Betriebsver mögen von 6 Millionen Mark und sür die Schulen von 2 Millionen Mark. Wir besitzen alles in allem glücklich jetzt 1 600 000 .8, wozu noch der Betiiebs- ressrvefands von 500 000 -8 kommt, also zusammen 2 100 000 ^t. Diese Summe wird gebessert, wenn wir den Ertrag unserer vorjährigen Wertzuwachssteuer hinzusetzen. Aber wir bleiben noch so weit hinter Dresden zurück, daß cs absolut notwendig ist. das Betriebsvermögen weiter zu oerrncyrcn. W^nn wir diese Steuer nun nicht mehr in dem Umfange wie bisher haben, so mußte es unser Bestreben sein, auf andere Steuerartcn zu sinnen. Es gibt eine ganz: Menge Ausgaben, z. B. Gehalte, die automatiich wachsen, weiter auch die Ausgaben, die mit unserer Bcvölkerungszunahinc zujanimcnhängen. Ich denke da z. V. an unsere Krankenhäuser, an unsere gesamte Wohlfahrtspflege, an unsere Schulen und Fortbil dungsschulen. Weiter müssen wir uns mit der Frage des obligatorischen Unterrichts für Mädchen beschäf tigen. Dazu kommt noch die Herstellung von Ge bäuden. Ferner kommt hinzu, daß wir uns in aller nächster Zeit mit der Wasserregulierung zu beschäf tigen haben werden, eine Ausgabe, die uns auf eine Neihe von Jahren unser Budget stark belasten wird, auch möchten wir unsere Volksbibliothekcn weiter ausbauen. Aber Voraussetzung von diesem allen ist, daß wir Mittel zur Verfügung haben. Wir werden uns trotzdem möglichste Beschränkung auferlegen, aber Geld brauchen wir. Von einer Ueberrumpelung kann keine Rede sein, da die Vorlage genau den Vor lagen entspricht, die wir Ihnen im Zahre 1901 und 1908 unterbreitet haben. Zch möchte feststellen, daß das. was der Vorredner gesagt hat, daß die Bier- stener schon sehr häufig avgelehnt worden ist. nicht richtig ist. Zn den Zähren 1884, 1891 und 1894 bat man sich nur mit der Frage einer Biersteuer ve- schäftigt, zu einer Borlage ist es aber gar nicht ge kommen. 1901 ist eine Vorlage den Stadtverordneten unterbreitet worden, und zwar mit einer ganzen Reihe anderer Vorlagen. Sie ist dann als zurzeit nicht nötig abgelehnt worden. Vom Vorsteher ist damals ausdrücklich erklärt worden, daß eine wirk liche Stellungnahme zur Biersteuer von feiten der Ausschüsse nicht stattgefunden hat. Ab gelehnt ist sie erst 1908 worden, und da war das Verhältnis im Ausschuß 11 gegen 9, nur im Plenum hat sich, nachdem die Annahme aussichtslos erschien, die Majorität noch erhöht. Unter diesen Umständen war es kein aussichtsloses Unternehmen, wenn wir auf diese Steuer zurück kamen. Es ist uns anheimgegeben word-n, die Wert i<al.oooiv7 HnsisepUzck, änyenekm effriZckenct im 6e5ckmäck
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