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XVH. Jahrgang No. 9. 141 15. Februar 1908 vorgenommenen Kostprobe verabschiedete ich mich sodann von meinen Begleitern, um mich nunmehr zur Weiterreise zu rüsten, die ich um 11 Uhr vor mittags antrat, immer im Tale der Unstrut entlang fahrend, auf welcher schwer mit Steinen etc. be ladene Kähne langsam an mir vorüberzogen. Jenseits des Ufers zogen sich die Weinberge hin, während diesseits ein Höhenzug das Tal einschloß. So passierte ich bei schöner Fahrt das kleine Städtchen Laucha, von wo an der Weg infolge gepflasterter Straße recht schlecht wurde und das Angenehme der Fahrt allerdings etwas beeinträchtigte. Kurz hinter dem Orte Bebra verließ ich die sich bis dahin sehr erweiterte Unstrut und gelangte kurz vor Querfurt auf die nach Artern führende schöne Straße. Gegen 5 Uhr passierte ich das Soolbad Artern, von wo an die Unstrut schiffbar wird. Ohne Aufenthalt zu nehmen, radelte ich weiter und erreichte 1 / 2 6 Uhr Frankenhausen, das ich aber gleichfalls nur passierte, da ich der Barbarossahöhle noch einen Besuch ab statten wollte. Der Weg von hier aus nach der Höhle ist der denkbar schlechteste und habe ich während meiner ganzen Tour niemals derartige schlechte Straßenverhältnisse weiter kennen gelernt. Wie eine geschüttelte Sektflasche kam ich gegen 6 Uhr zur Höhle, die ich ohne weiteren Aufenthalt mit besichtigte, da sich hierzu gerade sehr günstige Gelegenheit bot. Die Höhle wurde im Jahre 1865 von nach Kupfer grabenden Bergleuten entdeckt, nachdem dieselben einen Stollen von 180 m Länge in den Felsen ge trieben hatten. Nachdem in den 70er Jahren die Kupferpreise derart fielen, daß sich die geringe Aus beute dieses Metalles nicht mehr verlohnte, wurde die Höhle dem öffentlichen Verkehre überlassen und deren Besichtigung zugestanden. Vor ca. 10 Jahren wurde ein weiterer, fast schnurgerade laufender Stollen von nur 160 m Länge nach der Höhle ge trieben und dient derselbe nunmehr heute als Ein gang. Nach Durchschreiten dieses mannshohen be quemen und elektrisch erleuchteten Ganges gelangt man in den sogenannten Empfangssaal von ca. 50 m im Durchmesser, erleuchtet durch indirektes Bogen licht. Die Decken und Wände, aus Gipsstein be stehend, versetzen den Besucher infolge ihrer wunder vollen Bildung in unendlicher Mannigfaltigkeit unwill kürlich in Erstaunen und kaum kann sich das Auge satt sehen an diesen herrlichen, durch die Natur er zeugten Gebilden. An den Empfangssaal schließt sich die Neptungrotte mit zwei Seen an, von welch letzteren die Höhle insgesamt 7 besitzt. Das Wasser ist vollständig klar, sodaß man bis auf den Grund sehen kann, besitzt eine beträchtliche Tiefe, ein stets gleich bleibendes Niveau und eine Temperatur von 6 0 C. Bei bengalischer Beleuchtung macht dieser Teil der Höhle einen wahrhaft bezaubernden Eindruck. Ein weiterer interessanter Teil ist die sogenannte Lohgerberei, wo mächtige Tropfsteingebilde, Leder ballen gleichend, von der Decke herabhängen, ferner die Speckkammer, in welcher wiederum die Steine Speckseiten gleich übereinanderliegen, gerade als wenn sie von Menschenhand in diese geordnete Lage gebracht worden wären. Auf engen Pfaden, unter sachkundiger Führung, kommt man alsdann in den größten Teil der Höhle, dem sogenannten Tanzsaal von ca. 50 qm Flächeninhalt, weiter in die Alpen von 20 bis 30 m Höhe mit natürlichen Gletschern, ein ewiges Rieseln des Wassers aus den Höhen ist hier zu vernehmen; hierselbst kann man auch ganz deutlich die Ablagerung der verschiedenen Metalle sehen, auch die Kupfererzadern, immer in der Erd drehung von Westen nach Osten. An der Mündung des früheren Stollens vorüberkommend, verließen wir sodann hochbefriedigt die Höhle und nach kurzem Verweilen in der zur Höhle gehörigen Gastwirtschaft fuhr ich nach dem nahen Rottleben, woselbst ich im dortigen Gasthofe übernachtete. Am nächsten Morgen verließ ich früh 8 Uhr Rottleben und wanderte, mein Rad schiebend, auf dem nicht schönen Wege über die Kyffhäuser-Stein- brüche nach dem 486 m hohen Kyffhäuser. Nach etwa 8 / 4 stündigem Marsche erreichte ich die schöne und breite, von Frankenhausen nach dem Kyffhäuser führende Straße, auf welcher ich stellenweise fahren konnte. Im prachtvoll an der Straße, unweit des fürstlichen Jagdschlosses, gelegenen Gasthaus Rats feld verweilte ich kurze Zeit beim Frühstück und erreichte sodann gegen x / 4 10 Uhr das sagenumwobene Kyffhäuser-Denkmal, einem mächtigen Bauwerk, dessen Grundstein am 10. Mai 1892 gelegt wurde, während die Einweihung desselben am 18. Juli 1896 erfolgte. Das nach einem Entwurf von Bruno Schmitz-Berlin von den deutschen Kriegervereinen ihrem Heerführer Kaiser Wilhelm 1. errichtete Denkmal, dessen Gesamt masse 25000 cbm beträgt, ruht auf einer gewaltigen halbkreisförmigen Ringterrasse von 96 m Durchmesser, auf welcher sich in künstlerisch reichem, architektoni schem Aufbau das eigentliche Denkmal in einer Gesamthöhe von 69 m erhebt. Beim Aufstieg über die breite Treppe zur zweiten Terasse erblickt man unter einem hohen Steinberge die von Geyger in rotem Sandstein gemeißelte Figur des Kaisers Friedrich Barbarossa, gen. Rotbart, im Ornat auf dem Thron, das Haupt stützend, sitzend, um ihn herum liegt sein Gefolge im tiefen Schlaf, während über ihm der Aar kreist. Seitwärts davon führen wieder Treppen zur Hochterrasse empor. Auf der oberen Terrasse erhebt sich der kolossale viereckige Turm, dessen Seitenlänge 20 m und dessen Höhe 57 m beträgt; bekrönt wird er von der 6,5 m hohen deutschen Reichskrone. Aus einer Turmnische tritt das 9 m hohe, von Hundrieser-Berlin modelierte und von Seitz-München in Kupfer getriebene Reiter standbild Kaiser Wilhelms I. hervor, mit den alle gorischen Figuren „Deutsche Kraft“ und „Geschichte“ zur Seite. Im Turme selbst führt eine Wendeltreppe empor, von dem man eine wunderschöne Aussicht in die güldene Aue und über das ganze Kyffhäuser- gebirge hat. Auf höchster Bergesspitze thront noch der Barbarossa- oder Kaiser Friedrich-Turm, nur noch einige 20 m hoch, mit mächtig starken Mauern, welche einst das Hauptbollwerk der ganzen Burg, von der nur noch wenige Reste zu sehen sind, bildete, dagegen ist der Wallgraben noch sehr gut erhalten. Die am Fuße des Berges errichtete Denk malswirtschaft mit prachtvollen Ahnen- und Ritter-