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XVII. Jahrgang No. 9. 140 15. Februar 1908. sieht man Radler Motorfahrzeugen in rasend schnellem Tempo folgen. Viel gesündigt wird von den Radfahrern auch in der Fahrweise auf den Landstraßen. Anstatt auf der rechten Seite hinter einander zu fahren, nehmen Gruppen fahrender Radler wie ein Flug Tauben oftmals die ganze Breite der Straße ein und weichen gewöhnlich erst im letzten Augenblick auf das Signal des nahenden Autos aus, nun aber nicht, wie es sich gehört, nach der rechten Seite der Fahrbahn, sondern regellos nach rechts und links, sodaß der Automobilist unsicher ist, wie er an den Radlern vorüberfahren soll. Das allergefährlichste Manöver aber, waches die Radler unternehmen, ist, daß sie im letzten Augenblick vor dem Auto mobil die Straße kreuzen, um dem Staube zu entgehen, der je nach der herrschenden Wind richtung nach der rechten oder linken Seite der Straße geweht wird. Mehrere sehr schwere Unfälle haben ihre Ursache in solch unbegreiflichem Handeln von Radfahrern gehabt. Radfahrer vermögen doch im allgemeinen Schnelligkeiten, z. B. die von Motor fahrzeugen, zu beurteilen und müßten wissen, wie rasch ein Motorwagen oder Motorrad herannaht! Daß der Automobilist bei solch unvermutetem Ma növer eines Radlers sein Fahrzeug nicht mehr recht zeitig abstoppen kann, leuchtet ein. Versucht aber der Autolenker, um den unvorsichtigen Radfahrer nicht zu treffen, seine Maschine mit scharfem Ruck zur Seite zu steuern, so kollidiert er mit den Straßen bäumen oder stürzt in den Straßengraben, wie tat sächlich aus vorstehend geschilderter Veranlassung vorgekommen ist, ebenso wie sich schwere Über fahrungen von Radfahrern aus deren unbegreiflichem Verhalten ergeben haben. Schließlich denke der Radfahrer beim Vorüber fahren an Automobilen auch immer daran, daß einesteils der Mechanismus der Motorfahrzeuge noch nicht vollkommen ist und daß in jedem Augenblicke sich Störungen ereignen können, welche deren Lenkbarkeit beeinflussen, daß andererseits bei nassen Wegen die Automobile leicht seitlich gleiten. Aus beiden Gründen sollte der Radler den motorisch angetriebenen Fahrzeugen immer in nicht zu knapp bemessener Entfernung ausweichen, um sich vor Schaden zu bewahren. Automobilist und Radfahrer müssen sich jeder in seiner Eigenart aneinander gewöhnen, je eher desto besser. Bei gegenseitigem guten Willen und rechten Verständnis ist dies auch wirklich gar nicht so schwer! Meine diesjährige Urlaubsreise per Rad. Von Oscar Mauermann, Niedersedlitz i. Sa. (Fortsetzung.) Nachdem der langanhaltende Regen endlich wieder etwas nachgelassen hatte, fuhr ich zum ersten Male, nachdem es bereits dämmerte, üle - die Saale und schon nach etwa 3 / 4 stündiger Fahrt langte ich am Zielort des Tages, der Stadt Freyburg a. d. Unstrut an, welche gleichfalls schön gelegen ist und wo das vom Thüringer Landgrafen erbaute alte Schloß Neuen burg hoch über die Dörfer hinausragt. Im Hotel „Ring“ am Markt fand ich recht gute Unterkunft und kann daher jedem Karneraden nur bestens dieses Hotel bei gleichen Touren empfehlen. Am frühen Morgen des 18. Juli stattete ich so dann im Verein mit vier Herren, die gleichfalls im „Ring“ logierten, der berühmten Grabstätte des Turn vaters Jahn einen Besuch ab. Am Turnsaal ange baut, inmitten eines schönen Gartens, befindet sich sein Ruheplatz, auf welchem sein Standbild, von der deutschen Turnerschaft errichtet, mit der sinnreichen Inschrift steht: „Die Nachwelt setzt jeden in sein Ehren recht“. Hinter dem Turnsaal befindet sich das Jahnmuseum, in welchem alle seine Werke untergebracht sind; leider kann ich mich auf nähere Details dieses um fangreichen Museums nicht einlassen, nur erwähnen möchte ich als weiter sehr interessant die Spott lieder auf Napoleon L, seine Waffen, die von Kranz spenden aus aller Herren Länder herrührenden Schleifen mit Widmung. Nach längerer eingehender Besichtigung führte uns hierauf unser Weg zu der berühmten Sekt kelterei von Kloss § Förster, deren Besuch sehr lohnend und höchst lehrreich für mich war. In liebenswürdiger Weise wurde uns eine Besichtigung der einzelnen Kellerabteilungen gestattet und gelangten wir zunächst in einen als Speicher dienenden Keller, wo der junge Wein in mächtigen Fässern aufbewahrt wird. Von hier aus gelangt derselbe nach 2jähriger Lagerung in das Mischfaß, welches in besonderem Raume steht und 120000 hl faßt, ein kleines Heidel berger Faß! Nach genügender Mischung wird der Wein wiederum in Fässer gefüllt, die einige Zeit liegen bleiben. Hierauf erfolgt die Füllung desselben unter Zusatz von Hefe auf Flaschen, die in schräger Stellung, mit dem Kork nach unten, alsdann in eine Schüttelmaschine gebracht werden, in welcher sie abermals zwei Jahre verbleiben und von Zeit zu Zeit gedreht werden. Nach Verlauf dieser Frist hat sich die Hefe an Korken festgesetzt und müssen die Flaschen daher nochmals geöffnet werden. Um den Wein jedoch infolge der durch den Gährungsprozeß sich ange sammelten Kohlensäure beim Öffnen der Flaschen nicht entweichen zu lassen, bringt man mittels einer Gefriermaschine den Weih zum Gefrieren und ent fernt alsdann ohne weiteres die gefrorene Hefe von den Korken. Hierauf werden dem Weine die verschiedenen Liköre bezw. Essenzen, nach welchen der Sekt seinen Namen erhält, zugesetzt, nochmals geschüttelt, ver korkt und verstrickt, mit Etiketten versehen und ge langen alsdann nochmals vor endgültigem Versand einige Zeit zur Lagerung. Interessant war weiter auch die Flaschenwäscherei mittelst Maschinen, die Pack« und Expeditionsräume, die einen täglichen Versand von 6000 Flaschen ermöglichen. Nach einer