Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.02.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-02-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110218018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911021801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911021801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-02
- Tag 1911-02-18
-
Monat
1911-02
-
Jahr
1911
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Nr. 49. los. Jatzryaug. Leipziger Tsyedirm. sonnaveaü, l8. /rdruar l9li. betundet hab«. Er bittet die Versammlung, diese« Gefühlen mit de« EeUbui» der »nverbrüchlichen Treue de» Deutschen Landwirtschaktarat» und der . gesamten deutschen Landwirtschaft Ausdruck zu geben. Der starte, machtvolle Schirmherr der deutschen Land- wirtichaft er lebe hoch! Die Versammlung stimmte begeistert in das Hoch eia. Darauf teilte der Kaiser der Versammlung noch mit. dad Geheimrat Gras Etzdorfs, der frühere Landrat von Cadinen, drei Ausnahmen von Cadinen Vorjahren werde. Geheimrat v. Etzdorfs zeigte dann diese Lichtbilder. Das erste stellt den früheren Zustand dar. Das Wintereis hat die Wiesen be deckt. man sieht im Hintergrund die hohen Haff ufer. Das Zweite Bild zeigt die Wälle, die flachen Außenböschungen und den Schutz der Weideanlagen. Das dritte Bild zeigt die hcrgestellten Wiesen, die Schutzgräben und im Hintergrund wieder die hohen Haffujer. Sodann wurde noch ein weiteres Bild, die Gemarkung von Cadinen mit einem Teil des meliorierten Gebiete», gezeigt. Auch diese Vorführungen nabm die Ver sammlung mit großem Interesse entgegen. Es wurde dann die Diskussion eröffnet. Als erster Redner sprach Forstmeister Li rahm er, der Verwalter der König!. Hausfideikoinmißherrschaft Schmelsin. Er berichtete über den in den dortigen Mooren ganz auf neuzeitlicher Grundlage errichteten landwirtschast Großbetrieb, der nach dem Kaiser „Wilhelmshos" genannt worden ist. In einer Reihe Lichtbilder bietet der Redner eine interessante Gegenüberstellung der Schmelsiner Moore im früheren Zustand mit dem setzt geschaffenen ganz modernen Großbetrieb Wil beimshos. Geh. Oberregierungsrat Dr. Kröhne, Leiter des preußischen Gefängniswejcns im Mini sterium des Innern, spricht über die Verwendung der Gefangenen für diefe Kulturarbeiten. In Preußen bleiben 4-501)0 Personen für diese Arbeit übrig. Professor Dr. Baumann-München berichtet über die Tätigkeit der bayrischen Regierung auf dem Ge biete der Kultivierung der Moorflächen in Bayern. Die Moorflächen befinden sich zu 90 Prozent in Privatbesitz. Die Bemühungen der Regierungen, die Landbevölkerung für die Moorkultur zu gewinnen, sind von Erfolg gekrönt. — Regierungsrat Dr. PuhlOrt berichtet über die Siedelung und Urbar- machung von Oedländereien in Oldenburg, wo sie von ganz deionderer Bedeutung sei, da Moor und Heide noch rund 30 Prozent des flachen Landes einnehmen. Die planmäßige Besiedelung geschieht nur seitens des Staates. Der nächste Redner. Rittergutsbesitzer Beselcr-Kunrau, macht Angaben über die Steige rung der Erträgnisse durch die Kultivierung des Drömlingsmoors in der Altmark. Freiberr von Wangenheim - Kl. - Spiegel berichtet üoer seine Tätigkeit aus dem Gebiete der Mvorkultur auf seinen Gütern in Pommern. Man müsse wahre Humanität treiben, dann werde ein großer Teil der Gefangenen ipäter als Kolonisten dabehalten werden könne». Der Staat sollte die Moore nicht an Private ver kaufen. denn damit würde nur der Bodenspekulation gedient werden, höchstens sollte er sie verpachten. Als letzter Redner sprach Geh. Oberregierungsrat Dr. Ramm vom landwirtschaftlichen Ministerium über die staatliche Kolonisation und die industriellen Unternehmungen auf dem Moor in Preußen Auch er verweist darauf, daß die Leistungen Friedrichs des Großen aus dem Gebiete der Moor- und Oedkutturen noch heute unerreicht dastehen. Während seiner Re gierungszeit wurden 250 000 b« der Kultur ge wonnen. Die Bevölkerung habe infolge dieser tolonisatorijchen Tätigleit um 10 Prozent zu genommen. Was in Preußen in neuester Zeit auf diesem Gebiete geschaffen worden sei, sei dem Umfange nach sehr wenig. Trotzdem seien die hierbei gewonnenen Erfahrungen von größtem Werte zur das jetzt geplante Vorgehen in großem Stile. Hierauf erhob sich der Kaiser mit seinem Gefolge und verließ unter Begleitung des Präsidenten Graf Schwerin-Löwitz die Sitzung (der Kaiser benutzte übrigens bei leinem Vortrag zum Ablescn feines Manuskripts einen Klemmer). Rach einer Pause wurde noch kurz die Debatte fortgcietzt. V. Wan gen Heim-Kl.-Spiegel drückt den Wunsch aus, daß auf gesetzlichem Wege Schutz maßregeln getroffen werden, um zu verhindern, daß bei der technischen Ausnutzung der Moore eine Devasticrung Platz greise, welche dre weitere landwirtschaftliche Ausnutzung unmöglich macht. Es müsse dafür gesorgt werden, daß die land wirtschaftliche Ausnutzung der technischen aus dem Fuße folge, wie es in Holland geschehen sei. Der zu oiejem Punkt vorliegende Antrag wurde darauf ein stimmig angenommen. Alsdann berichteten Geh. Bergrat Professor Dr. Jentsch und Professor Dr. Sauer-Stuttgart über den gegenwärtigen Stand der geologisch agronomischen Aufnahmen in Deutschland und ihre Nutzbarmachung iür die landwirtschaftliche Praxis. Vie Kreuzrettung" unü üer Gvsngettlche Lunü. Der aus 21 Mitgliedern (darunter einer Anzahl Konservativer) beftchend« Zcntralvorstand des Evangelischen Bundes erläßt in der neuesten Nummer der „Deutscher». Korr." «ine Ver- tranenskundgebung für seinen Direktor, den nationalliberalen Reichstagsabg. Eoerling, der von der Kreuzztg." mit derartigen persönlichen Ver unglimpfungen bedacht worden ist, wie sie sonst nur der „Vorwärt»" und die „Leipz. Volksztg." im politischen Kampf anwenden. Das Bundespräsidium bezeichnet darin die Angriffe des konservativen Haupt blattes mit Recht als „grobe Entstellungen und gehässige Unterstellungen" und sagt dann: „Der Zentvalvorstand weiß sich eins mit den Vertretern und Vorständen der Hauptvereine und mit allen seinen Zweigvereinen, wenn er diese unwahren Angriffe mit Empörung zurückweist. Aber er fühlt sich auch gedrungen, dem Präsidium wie insbesondere dem geschäjts- führcnden Vorsitzenden, Direktor Eoerling, sein volles Vertrauen und seine dank bar« Anerkennung auszusprechen für die tatkräftige und nach unserer Ueberzeugung ebenso be rechtigte wie durch die gegenwärtig« Lage not wendig gewordene Vertretung und Wahrung der deutsch-protestantischen Interessen." Von besonderem Wert ist eine Feststellung des Bundespräsidiums über den Ursprung dieser kon servativen Verleumdungen. Das Präsidium erklärt: „Die unwahren Beschuldigungen finden sich schon, teilweise im Wortlaut übereinstimmend, in einem Aufsatz, der am 28. September 1007 von der demokratischen „Volkszeitung" in Ber - l i n veröffentlicht worden ist." Das hat die „Kreuz zeitung" nicht gehindert, sich dieser Quelle noch nach :0,s> Zähren für ihre unlauteren Zwecke zu bedienen, und zwar unbekümmert darum, daß das Präsidium des Evangelischen Bundes schon damals die Aus streuungen der „Volksztg." in schärfster Form öffent lich brandmarkte und zurückwies. Für den konser vativen „Mut zur Unwahrheit" ein neues, beschämen des Zeugnis! Deutsches Kelch. Leipzig, 18. Februar. * Aus dem 19. sächsischen Reichstagswahlkreise. Am Donnerstagnachmittag fand in Aue ein« Ver sammlung von Vertrauensmännern der national- liberalen Partei im 19. sächsischen Reichstags wahlkreise (Stollberg-Schneebcrg) statt, in der zu der von konservativer Seite aufgestellten Kandi datur des Dr. med. Geitner Stellung genommen wurde. Die liberalen Parteien beabsichtigen, mit einer eigenen Kandidatur hervorzutreten. * Nicht „anschlußbedürstig"? Die auch von uns nach der „Ostpr. Ztg" gebrachte Meldung, daß die drei Reformer, die im Königreich Sachs en bisher als Reichstagskandidaten aufgestellt worden sind, sich verpflichtet haben sollen, für den Fall ihrer Wahl der deutschkonservntiven Fraktion als Hospl- tanten beizutreten, wird von der „Kreuzztg." und anderen konservativen Blättern als „in temer Weise den Tatsachen entsprechend" bezeichnet. Dann werden sich also vermutlich die drei Reformer, falls sie überhaupt gewählt werden, wieder wie bisher der Reichspartec zuzählen lassen, damit sie in Kom missionen vertreten sein können. Eine „An lehnung" an stärkere Parteien ist für sie jedenfalls unumgänglich.' -rii- * Eine Englandreife des Kaisers! Das Gerücht, daß der Deutsche Kaiser im Mai zur Enthüllung des Königin - Viktoria-Denkmals nach London kommen wird, findet Bestätigung. Das „Berl. Tgbl." fügt hinzu, die Enthüllung des Monumentes für die Königin Viktoria findet nicht, wie gesagt worden ist, am 20. Akai, sondern schon am 0. Mai statt. Vor einigen Tagen hat der Kaiser ein Schreiben des Königs von England erhalten, in welchem der König ihn in sehr warmen und herz lichen Worten ein lud, zu der Feier nach London zu kommen. Es war in dem Schreiben betont, daß Einladungen an andere Souveräne nicht ergehen würden, daß der König und die Königin es aber mit großer Freudigkeit begrüßen würden, wenn der Kaiser als Enkelsohn der Königin Viktoria an der Feier teil nehmen wollte. Imolge dieses Schreibens kann die Londoner Reise des Kaisers als ziemlich sicher gelten. * Weitere Opfer des Moderniftencibes. Wie d-i« „Straßb. Post" erfährt, werden nun auch alle Pro fessoren der Straßburger katholisch-theologischen Fakultät «mit allerhöchstens einer Ausnahme^ den Modernisteneid leisten. Diese „allerhöchstens eine Aus nahme" ist natürlich Professor A. Ehrhard, der neugewäblte Rektor der Kaijer-Wilhelms-Universität. Der bischöflick)« Druck ist in Straßburg besonders stark, da die Regierung seinerzeit bei Errichtung der katho lischen Fakultät die Theologieprofessoren in die ärgste Abhängigkeit vom Straßburger Bischof gebracht hat. Die Folgen jener kurzsichtigen Politik zeigen sich jetzt. Als Nachfolger de» zum Bischof von Epeier ernannten Professors Faulhaoer ist ein bereits mit dem Modcrnisteneid belasteter Theologe berufen worden. Möchte der Universität die Blamage erspart werden, daß ihr Rektor schließlich auch zu Kreuze kriecht. Wie Professor Ehrhard Uber die Lage denkt, weiß man aus seiner bekannten Aeußerung in der „Internationalen Wochenschrift" vom 18. Januar 1908: „Treten die praktischen Maßregeln der Enzyklika ins Leben, dann wird der Tag nicht ausbleiben, an dem die katholisch-theologischen Universitäts fakultäten Deutschlands in das Grab ihrer älteren (d. i. der französischen und italienischen) Schwestern hinab st eigen werden: Siehe „die Füße derer, die sie begraben wollen, stehen schon vor der Tür". Dann wird aber auch eine Tatsache verwirklicht sein, die nichts weniger bedeutet als den Anfang — vom End «." Die freimütige Aeußerung eines um seine Kirche ernst besorgten Mannes hat Ehrhard damals den Prälatentitcl gekostet. Damals ging er hin und unter warf sich. Wird er diesmal feststel)en? * Zum Berliner Prosefforenstreit. Auf die letzte Erklärung Bernhards erläßt Professor Serina eine Erwiderung, die nicht ganz so entschieden lautet, wie manche erwartet haben mögen. Er geht auf den im „Plutus" erschienenen Aufsatz ein, der behauptet, er Hütte Versuche gemacht, seinem Kollegen Exzellenz Adolf Wagner eine Vorlesung „abzu kaufen". In dem gutachtlichen Urteil der akademi schen Kommission heißt es zu dieser Sache: Es wäre anstößig, wenn ein Professor bewogen werden sollte, sich den Verzicht auf eine Vorlesung oder die Billi gung einer Konkurrenzvorlesung mit einer aus Staatsmitteln gewährten Entschädigung abkaufen zu lassen. Die Kommission ist überzeugt, daß dies nicht beabsichtigt war. Sie hält die in bester Absicht ge führten Verhandlungen nur deshalb „nicht für ganz einwandfrei", weil auch der Schein hätte vermieden werden müssen, als läge eine derartige Absicht vor. Sering sagt weiter, über die Angriffe auf ihn sei im Dezember v. I. vor Vertretern des Kultusministe riums mit dem Ergebnis verhandelt worden, daß Herr Ludwig Bernhard schließlich schriftlich er klärte: Den in den Zeitungen anonym erschienenen ehrverletzenden Angriffen gegen meinen Herrn Fachgenoffen stehe ich fern und miß billige sie als irreführend. — Professor Bernhard wird vermutlich behaupten, daß im letzten Satz der Nachdruck auf das Wort „ehrverletzend" zu legen sei, nur von solchen Angriffen sei er abgerllckt. Nichtig ist, daß auch die Gegner Bernhards, wenig stens teilweise, den Zeitungen Material gegeben haben. * Da» Verfahren gegen die Königsberger Stu denten, die sich bei der Wahl in Labiau-Wehlau beteiligt haben, ist nach der „Königsb. Hartungschen Ztg." eingestellt worden, weil sich die Be schwerden gegen die Studenten als übertrieben herausgestellt haben. Nur in einem Falle ist eine Ermahnung erteilt worden. Pro rektor und Senat richteten an die Stu dentenschaft die Mahnung, falls sie sich wieder einmal bei der Wahlagitation beteiligen sollten, dann ein besonneneres und dem akademischen BUrger entsprechendes Verhalten cm den Tag zu legen. — Die von uns erwartete Einstellung des Verfahrens ist wieder eine empfindliche Schlappe für die konservativen Heißsporne. Ueber die Notwendigkeit der „Mahnung" läßt sich vorläufig nichts sagen, solange nicht Einzelheiten über deren Veranlassung bekannt werden. * Der „Wahrheits"mann Bruhn will seinen be fleckten „Wahrheits"schild durch eine Reihe von Preß- beleidiaungsprozeffen wieder rein waschen. Er hat dabei jedoch wenig Glück. Kürzlich klagte er gegen den Herausgeber einer Berliner Korrespondenz als den Verfasser eines Artikels, den etwa 60 deutsche Zeitungen abgedruckt hatten, und der sich mit dem Prozeß Dahsel beschäftigte. In dem Artikel war ausgeführt worden, daß Dahsel allerdings nach dem Ergebnis der Voruntersuchung schwer belastet er scheine, daß aber Bruhn und die „Wahrheit" gewissermaßen die Vorbedingung für die Affäre Dahsel gewesen seien, und daß Dahsel durch die Mit arbeiterschaft an der „Wahrheit" vollständig kor- I rumpiert worden sei. Die Klage Bruhns wurde j mit folgender Begründung von dem Vorsitzenden der für die Sache in Betracht kommenden Abteilung 145, Amtsgerichtsrat Wall ner, abgewiesen: „Die Privatklagesache des Verlegers Wilhelm Bruhn, M. d. R. zu Berlin, Privat klägers gegen den Journalisten Paul Schweder zu Berlin, Beschuldigten, wegen Beleidigung wird auf Kosten des Kläger» zuriickge wiesen. Kläger fühlt sich lediglich durch den Passus des Artikels „Dahsel sei durch die Mitarbeiterschaft an dem vom Kläger herausgegebenen Blatte „Die Wahrheit" vollständig korrumpiert worden", be leidigt, jedoch zu Unrecht. Denn es ist gc- richts notorisch, daß „Die Wahrheit" zu der in Betracht kommenden Zeit in weiten Kreisen der Bevölkerung als Bedrohung erachtet wurde und als solche auf diese Kreise wirkte. Wenn^nim mit Bezug hierauf behauptet wird, daß di« Mit arbeiterschaft an dieser Zeitung von verderb lichem Einfluß auf den Mitarbeitenden ist, so entspricht diese Auffassung den Tat sache n." Ob Herr Bruhn nun noch weiter große Lust hat zu prozessieren? * Reichsregiernnq und nächste Reichstagswahlen. In der Presse wird die Nachricht verbreitet, daß die Regierung sich entschlossen habe, den Termin für die näcbsten Neicbstagswahlen zu einem möglichst späten Zeitpunkt erst im Jahre 1912 ftstzusetzen. Wie die ..Inf" auf eine Anfrage erfährt, hat aber die Neichsregierung bis jetzt einen Entschluß darüber, wann die nächsten Wahlen stattsinden sollen, noch nicht gefaßt. Vermutlich ist die Meldung als ein Niederschlag von Ansichten aus parlamen tarischen Kreisen zu betrachten, die in An betracht der noch zu erledigenden gesetzgeberischen Aufgaben des Reichstages eine verhältnismäßig lange Dauer der jetzigen Session «"raussehen und demgemäß einen sehr späten Wahltermin an nehmen. Auslsnü. Oesterreich-Ungarn. * Das Heeresbudget. Im Heeresansskhuß der un »arischen Delegation erklärte der Kriegsminister, die Ausgestaltung der Armee sei eine Folge des all gemeinen Konkurrenzkampfes, den die Monarchie mitmachen muffe. Sie bezwecke die Be seitigung von Rückständigkeiten. Zur Versorgung länger dienender Unteroffiziere sei die Schaffung von 3000 Stellen innerhalb der Armee geplant mit steigenden Gehältern bis zur Hauptmannsgage. Die Bedenken gegen die zweijährige Dienstzeit teile er nicht. Belgien. * Ei« seltsamer Prozetz, der indirekt mit den Streitigkeiten um Körrig Leopolds Erbe zu- sammenhänat, fand jetzt vor dem Brüsseler Gerichts hof sein Ende. Als man die 30 Millionen Kongo werte in der Koburger Stiftung auffand, wurden, wie erinnerlich, die schwersten Vorwürfe gegen den Kolonialminister Renkin erhoben. Ein liberaler Abgeordneter sprach damals in einer Versammlung über diese Angelegenheit. Ueber diese Versammlung berichtete ein kleines Bc- zirtsblatt und nach diesem Bericht sollte der Re ferent der Versammlung ausgeführt haben, daß der Kolonialminister die Kammer in dieser Ange legenheit wissentlich getäuscht habe und daß er aus eine Anfrage des Demokraten Janson erklärt habe, bei der Uebernahme des Kongostaates durch den Staat sei alle» rn bester Ordnung. Renkin erhob darauf eine Schadenersatzklage gegen das Blatt und verlangte 10 000 Fr. Schadenersatz und Publi kation des Urteil» in 12 Zeitungen Das Gericht ging in seinem Urteil aber, so berichtet die „Voss. Zeitung^ aus Brüssel, nicht gaaz so weit und ver urteilte die Zeitung nur zu einem Schadenersatz von 1 Fr. Man lächelt vielfach boshaft über diesen Erfolg des Kolonialministers und erblickt in dem Urteil gewissermaßen eine moralische Niederlage. Türkei. * Die Kämpfe im Jemen. Eine Depesche an das Ministerium des Innern aus Hodeida meldet: Die Rebellen versuchten in Metuh bei Menaha einzu dringen, wurden aber unter großen Verlusten zu rückgeschlagen. Die Zahl der Rebellen, die um Menaha stehen, ist gering. * Die Ministerdemissionen. Auf den mit 65 gegen 48 Stimmen gefaßten Beschluß der jungtürkijchen Kammerpartei nahm der Obmann Halil das Porte feuille des Innern an.—Der UnterrichtsMinister reichte seine Demission ein. Neue Wunüer üer Lhemie. Der aufsehenerregende Vortrag, oen Prof. Emil Fischer in Anwesenheit des Kaisers aus Anlaß der Konstituierung der Kaijcr-Wilhclm-Gesellfchaft zur Förderung der Wissenschaften im Kultusmmisterium gehalten hat, wird jetzt in der von Prof. Hinneberg hcrausgegcbcnen Internationalen Wochenschrift ver öffentlicht. Er gibt einen umfaßenden Uebcrblick über sie erstaunlichen Erfolge, die die Chemie in den leh ren Jahren errungen hat, und vermittelt weiteren Kreisen die Kenntnis einer Reihe von hvchbeoeut- samcn Resultaten üer Forschung. Aus dem Gebiete der Radioaktivität gibt er Kunde von einer Erfindung des Pros. Otto Hahn, der in den Umwandlungsprodukten des bei der Fabri lation von Gasglühstrun'.psen gebrauchten Thoriums mehrere radioaktive Elemente entdeckt uns das wich tigste oavon Mesothorium genannt hat. Dieses Hahnsche Präparat, die Bromoerbinduna des Meso- ihoriums, ein weißes Salz, das dieselben durch dringenden Strahlen aussendet wie das entsprechende Salz des Radiums, könnte in Deutschland alljährlich aus den wertlosen Rückständen oer Thoriumsabri kation gewonnen werden, so daß dadurch die Radium not, die bisher in Deutschland herrschte, beseitigt sein dürste. Auch in der anorganischen Chemie, die man vor :)0 Jahren säst für abgeschlossen hielt, sino durch ganz neue Hilssmittel, wie die hohen Temperaturen, oie starken elektrischen Ströme, neu« wichtige Resultate erzielt worden. So ist die direkte Verwandlung der Luft in Salpetersäure gegenwärtig in das Stadium der Großfabrikation eingetreten, denn in Norwegen wirb in der Näb« eine» mäHtiaen Wasser falle» ein Riesenwerk von oentschen Fabriken in Ver bindung mit norwegischen Ingenieuren errichtet. Der Kalkstickstoff wird Lurch ein originelle» Verfahren aus Kalziumkarbid und Luftstickstoff bereitet, und schon ist ein drittes Verfahren angekündiat, welches darauf hinauslänft, den atmosphärischen Stickstoff direkt mit Waßerstof zu Ammoniak zu vereinigen. Die Her itellung solcher Stickstoffoerbindungen ist für die Landwirtschaft von höchster Bedeutung, da sie sie als künstlichen Dünger verwendet. Da nun nach dem Urteil von Sachverständige« die dentsche Landwirt schaft leicht oas Doppelte, ja das Dreifache des heuti gen Verbrauches an Stickstoffverbindungen bei Ver ringerung der Preise ausnehincn könnte, so sind der chemr.chen Industrie hier Aufgaben von großer natio naler Vedeulung «rönnet, denn bei einer Vermehrung des künstlichen Düngers würden sich vielleicht die Ernten so steigern laßen, daß Deutschland in bezug auf Bodcnprodukte vom Ausland unabhängig wäre. Auch mit der Bereitung oer Metalle hat sich die wissenschaftliche Chemie erfolgreich beschäftigt. Da» Letzte auf diesem Gebiet ist eine neue Sorte von Eisen, das Elektrolyteisen, das sich durch seine außerordentliche Reinheit von allen anderen bekann ten Sorten, die im Hand-Z sind, unterscheidet. Die organische Chemie, die alle die komplizierten chemischen Stoffe im Pflanzen- und Tierkörper um faßt, rst mit üer Riesenausgabe beschäftigt, mit Hilfe der organischen Synthese aus wenigen Elementen, unter üen»n der Kohlenstoff hervorragt, nach wunder baren Methoden alle die Kombinauoncn der orga nischen Welt aufzubaucn, ähnlich wie üer Baumeister aus vemsclben Backstein oie verschiedenartigsten Ge bilde, erstehen läßt. Die Zahl der genau untersuchten organischen Verbindungen läßt sich heute auf 150 000 schätzen, und jedes Jahr kommen 8—9000 hinzu. Es läßt sich deshalb ausrechnen, daß am Ende dieses Jahrhunderts die organisch« Chemie den Formen reichtum der Lebewelt, Pflanzen und Tierreich zu- sammengcnommen, erreicht haben wird. Durch die künstliche Herstellung von Eiwcihstofscn, Kohlenhyüra- len, Fetten u>w. steht die organffche Chemie in engster Beziehung zu den biologischen Wissenschaften, so daß sie berufen ist, an der Lösung der großen Rätsel des Lebens mitzuarbeiten, an den Problemen der Er nährung, des Wachstums, der Vererbung, des Altern« und der mannigfachen krankhaften Störungen des normalen Zustande». Daneben hat aber die organisch« Chemie auch für die chemische Industrie und viele andere Gewerbe den reichsten Nutzen gestiftet. So ist z. B. eins der Läufigsten Kohlenhydrate, die Zellulose, das Material für unzählige Indu-trieprodukte geworden. Papier, Kollodium, Zelluloid, photographische Film«, rauch loses Pulver, künstliche Seide, lünstlichc Haare, künst liches Leder — oas alles wird aus Zellulose ver fertigt. In der F a r b st o f f i n d u st r i e hat die Arbeit des Chemikers den natürlichen Farbstoff schon fast völlig verdrängt. Das synthetische Produkt ist «ämlich nicht nur viel reiner und schöner, sondern „NUes um Liede." Komödie in fünf Aufzügen non Herbert Sulrnberg. Uraufführung «» Kgl. Nefidenztheater in München. Um es gleich vorweg zu sagen: sämtliche in dieser Komödie vorkommenden Personen sind verrückt — total verrückt, es ist nicht eine darunter, die nicht Anspruch darauf hätte, in einer psychiatrischen An- stalt nntergebracht zu werden. Aber vielleicht lag das gerade in der Absicht des Dichters, der uns im Hohlspiegel seines grimmen Humors ein Bild des Ledens geben und den alten Erfahrungssatz, daß Liede den Menschen verrückt mache, in grotesker Weise paraphrasieren wollte. Vielleicht steckt auch auch erheblich billiger. Die Kultur der Indigopflanze ist beispielsweise in Indien schon auf «in Sechstel des früheren Umfanges zurückgegangen und wird voraus sichtlich bald ganz verschwinden. Auch die Asiaten färben heute rhre Woll- und Baumwollstoffe mit deutschem Indigo, von dem im Jahre 1909 für 38 Mil lionen Mark exportiert wurde. Di« Untersuchung der wichtigsten Farbstoffe der Lebewelt, des Blatt grüns und des Blutfarbstoffes hat das merkwürdige Resultat ergeben, daß oie beiden Stoffe chemisch nahe verwandt sind, daß also eine Art Blutsverwandtschaft »wischen Tier- und Pffanzenreich besteht. Großartige Perspektiven für das Aufblüben neuer Industrien er öffnen die künstliche Herstellung von Kautschuk und Kampfer, der jetzt bereits im großen künstlich ge wonnen wird. Sehr wichtig ist auch die Auffindung neuer Heil mittel, um die üie synthetische Chemie sich im engen Bunde mit der Medizin bemüht. Das Veronal, das Adrenalin, das Salvarsan Ehrlichs sind solche Lurch die Chemie gewonnene, für die Heilkunde sehr wichtige Mittel. Die Synthese des im Tee und Kaffee enthaltenen belebenden chemischen Stoffes, des Kaffeins, stellt auch die Möglichkeit in Aussicht, diese Getränke künstlich zu bereiten, wenn man erst so weit ist, auch das Aroma des Tees und Kaffees synthetisch herzustellen. Kroßes hat die Chemie in der Riech stoffindustrie geleistet, die heute allein in Deutschland Waren im Werte von 40—45 Millionen Mark pro duziert. Es gehört scbon eine feine Nase dazu, um die künstlichen Produkte von den natürlichen Düften des Flieders, Jasmins, Maiglöckchens und der Rose zu unterscheiden. O. L. noch ein tieferer Sinn in diesem Spiel, den heraus zufinden aber wohl den wenigsten Zuschauern ge lungen fein wird. Ich sage: vielleicht, weil ich zu meiner Beschämung gestehen muß, daß ich in die Tiefe dieser lyrisch-phantastischen Symbolik ebenfalls nicht einzudringen vermochte. Dieser Emanuel von Treuchtlingen, der von dem verstoroenen Grafen als Verwalter der Erbschaft der beiden Söhne eingesetzt wurde und der gewissermaßen diese beiden Söbne auf den rechten Weg bringen soll, läßt sich ja symoolisch interpretieren, aber der Dichter hat nichts getan, um zu verhindern, daß nicht die verschiedensten Interpretationen möglich wären. Er zählen kann man die weitausgeiponnene, dünne Handlung kaum oder überhaupt nicht, weil eine eigentliche richtige Handlung gar nicht vorhanden ist. das Stück besteht vielmehr nur aus einer Reibe Szenen, denen man es anmerkt, daß sie mit Absicht so absonderlich und skurril geschrieben sind als nur möglich, nur um originell zu scheinen. Das muß doch endlich einmal ausgesprochen werden. Eulenberg versteht sich auf die literarische Pose, er weiß genau, daß. wenn er im Personen, Verzeichnis schreibt: Florian, ein saudummer Kerl, oder wenn er den Schauspielern die Weisung gibt: die Tracht der Spieler sei stets phantastisch von heute, man bei gewißen Aestheten und ihren Nach betern in den höchst angenehmen Verdacht kommi, genial zu sein. Mit der großen dramatischen Kunst aber hat das alles nichts zu tun, und ihr bleibt Eulenberg auch fast alles schuldig. Ganz abgesehen von den technischen Mängeln und der Unbeholfen heit, mit der er die Szene führt, ist das Ganze obne jedes dramatische Leben, und die wenigen Ansätze zur dramatischen Entwicklung, die vorhanden sind, ersticken in der episch-lyrischen Breite und in der Redeseligkeit de» Shakespeare imitierenden Dia log». Gewiß wird man einzelne Szenen finden, die losgelöst und befreit von dem bizarren Rahmen von poetischem Reiz find, man kann sich auch über manches hübsche Wort und gescheiten Gedanken freuen, aber das macht nun einmal nicht den Wesens kern eines Bühnenwerkes aus. Seine Qualitäten liegen auf einem ganz anderen Gebiet, und dorthin hat Eulenberg noch nicht gefunden und wird er auch nicht finden, denn er ist kein Dramatiker, er markiert ihn nur. Die Schauspieler standen gestern auf einem ver lorenen Posten. Trotz aller Mühe, die sie sich gaben, war hier nichts zu retten. Schon vom ersten Akt an
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)