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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.02.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-02-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110225013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911022501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911022501
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-02
- Tag 1911-02-25
-
Monat
1911-02
-
Jahr
1911
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Anzeigen-Preis Mr Ins««» an« Leipzig »n» Umgeb,«, di, »gespalten« SO nam breit« Petitzeile 2L «i. di« 74 nun breit« Xeklamezeil« l vea «»»wärt« bt) »i«klamen TL) Inserate von Behdrden >m amUichen Teil di« 74 wo» breit« Betitzeil« 40 «eschäft«an,eigen mit Ptatzoorschrisreu und in der ALeiidaudgab« im Preis« rrddht. ttiadati nach Laris. Beilagegedübr ü p. Lautend exN. Poitgebühr. st esterteilt« Aufträge kSiinen nicht zurück gezogen werden. Für da« eirscheitien an bestimmten Tagen und Platzen wird kein, ülaranti« übernommen Anzeigen-Annahme: Augustutzplatz ki, de: sämtlichen Filialen u. alle» Annoncen- cklpeditionen de» In» und «»»lande«. -anpt-Silialr Berlin. Sari Duncker, Herzogl. Bapr. Hofbuch, handlung Lützowstrake 10. sTelipbon VI, Sir. 4tXB>. Haupt-Silialr Dretden: Lecitrabc 4,1 (Teleshan 4ü»'l,. ISS. Zshrgsng Nr. SS Sonnsvenü, üen 2S. /evrusr 1911. Dss Wichtigste. * Der Reichstag beschäftigte sich am Freitag nach Erledigung der namentlichen Abstimmung über den 1. Paragraphen der bereits am Tage zuvor ange nommenen Heeresvorlage mit der zweiten Lesung desHeeresetats. (S. Reichstagsber.) * In B e r l i n tagte am Freitag der Gesamt- ausschuß des Hansabundes. (S. d. des. Art.) * Die französische Kammer lehnte einen Antrag Jauräs', die Verhandlungen bis zur Beschlußfassung über die Anträge der Mariue- untersuchungskommission zu vertagen, mit großer Mehrheit ab. (S. Ausl.) * Nach einer Blättermeldung beabsichtigt Spanien einen neuen militärischen Vor stoß zur Unterstützung Frankreichs in Marokko. (S. Ausl.) * Friedrich Spielhagen ist schwer er krankt. (S. K. u. W.) Line glückliche Lösung. Wir find zu unserm Leidwesen selten in der Lage, unseren Offiziösen beipflichten zu können. Diesmal dürfen wir es tun: „Die Frage, ob der Kaiser zu den Jubiläumsfestlichkeiten nach Rom gehen soll, wäre an sich durchaus dis kutabel. Sie ist nur schwierig gemacht wor den durch die überaus ungeschickte Be handlung, die sie gefunden hat." In der Tat, das kann man nur unterschreiben. Italien begeht dieses Jahr das fünfzigjährige Jubiläum seiner Einigung. Gut und schön. Es hat das Recht dazu, und wir werden ihm gewiß dabei mit den Gefühlen zusehn, die man in der internationalen Diplomatensprache als „herzlich" zu charakterisieren pflegt. Daß wir diese unsere herzliche Teilnahme irgend wie auch offiziell zum Ausdruck bringen werden, ist selbstverständlich. Italien ist unser Verbündeter, und seine Einigung geschah zur gleichen Zeit, zum Teil unter den gleichen Umständen wie die unsere. Daß der Kaiser persönlich zu den römischen Festen erscheint, wäre an sich möglich. Nicht aber darf man die geradezu grotesken Be hauptungen aufstellen, Italien habe ein mo ralisches Anrecht auf den Kaiserbesuch zu seinem Jubiläum, oder das deutsche Volk werde es nicht verstehen, wenn der Kaiser nicht nach Rom führe. Wenn das tatsächlich der Fall wäre, dann müßte man das deutsche Volk eben auf klären und ihm zeigen, daß Italien keinerlei moralisches Anrecht auf einen Besuch des Deut schen Kaisers zustehl. Wenn man die italienische Einigung als Parallelfall zur deutschen auffaßt, so soll man doch nicht vergessen, hinzuzufügen, daß sie ebensogut auch als Kontrastfall zur unseren dargestellt werden kann. Italia tarä üa »e, ein so prahlerisches Wort hat die deutsche Einigung nicht begleitet. Deutschland hat alles nur aus sich geschaffen. Italien dankt alles Frankreichs Waffenhilfe, Napoleons des Kleinen Wohl wollen und den deutschen Waffen, die ihm wie Venetien so Rom als unverdiente Frucht in den Schoß warfen. Mit der inneren Ähn lichkeit seiner Einigung und der unseren sieht es also windig aus. Daß Preußen und Italien 1866 auf derselben Seite fochten — Preußen als glänzender Sieger, Italien als rühmlos Be siegter — ist richtig. Der Deutsche Kaiser, der nach Rom ginge, käme aber nicht als Preuße, sondern als Deutscher dort hin. Er erschiene dort auch als Vertreter Sachsens, Bayerns, Württembergs, Badens, deren Heere 1866 im gegnerischen Lager standen, und als Verbündeter Oesterreich-Ungarns, unseres treuer« Bundesgenoffen. Sollte er da die kurze preußisch-italienische Waffengenoffen schaft betoasten? Bismarck berichtet uns, daß ihn die napoleon-freundliche Gesinnung Vittore Emanuels 1870 mit ernstlicher Sorge erfüllte. Er mußte mit der Möglichkeit rechnen, Italien durch die Unterstützung italienischer Republi kaner zu insurgieren, um den Velleitäten des Königs ein Paroli zu bieten. Dazu kam's, durch Spichern. Weißenburg, Wörth, die Metzer Schlachten, nicht. Wohl aber zum phantastischen Kriegszuge des italienischen Nationalhelden Garibaldi gegen uns, der vom Jubel seiner Landsleute umbraust wurde. Entwächst solcher Erinnerung der Zwang für das Deutsche Reich, seinen Kaiser zum Jubelfest über die Alpen zu senden? Wer diesen Zwang aus der Gegenwart ableiten will, muß keine Augen haben. Italien scheinen allerdings die Extratouren etwas leid geworden zu sein. Das zeigt, daß es etwas mehr Blick für politische Realitäten besitzt als viele deutsche Publizisten. Daß das amtliche Italien nach der bosnischen Kraft probe danach gestrebt hat, den Anschluß an den Sieger wiederzugewinnen, mag den Marchesen di San Giuliano das italienische Volk, hat ihm nicht der Sieger zu danken. Mit dem dank baren Einverständnis des italienischen Volkes in die amtliche Politik seines Landes ist es aber nicht besonders bestellt. Wer wüßte nicht daß in Norditalien Patriotismus fast durchweg mit Deutschenfeindschaft zusammenfällt? Die Irredentisten haben sehr gut begriffen, daß Deutschland und Oesterreich ihnen gegenüber zusammengehören. Wer hier durchaus nicht klar sehen wollte, den sollten die Versuche zur „Befreiung des Gardasees" zur Klarheit ge zwungen haben. Deutschlands Diplomaten werden daher, wenn sie auf die Frage der Kaiserreise die Ant wort suchen, vor allem auch die anderen hier wichtigen Machtfaktoren ins Auge zu fassen haben. Da ist einmal Oesterreich. Die Er innerung an Italiens Einigung ist für Oester reich verknüpft mit der Erinnerung an Land verluste außerordentlichen Umfangs, die ihm nicht Italiens Kraft, sondern Frankreichs Waffen und die Lage 1866 nach Königgrätz ab gezwungen haben. Die Hoffnung der italieni schen Radaupatrioten — die sicher im Jubel jahr nicht eben stillschweigen werden — schweift weit über die Grenzen Italiens hinaus und will dem österreichischen Staat nicht nur Süd tirol und die Küstenlande, sondern vor allen Dingen auch das einzige große Tor zum Meere, Triest, abnehmen. Der Blick auf unseren zweiten Verbündeten, auf unfern ersten besser, auf den, der der Probe bisher Stich gehalten hat, kann nur zur Vorsicht raten. Vor allem aber muß der Vatikan ins Auge gefaßt werden. Nicht als seine Freunde, nicht als die Anwälte seiner Interessen sagen wir das, sondern lediglich als deutsche Politiker. Der Umstand, daß der Vatikan das italienische Jubeljahr zum Trauerjahr erklärt hat, dürfte gewiß nicht verhindern, daß der Deutsche Kaiser Rom besuchte, wenn andere Er wägungen das wünschenswert erscheinen ließen. Wenn es llnehre brächte, einem Konflikt mit der Kurie auszuweichen, wären wir gewiß die letzten, die diesen Weg empfehlen würden. Andererseits haben wir auch keine Veranlassung, Italiens wegen einen Zwist mit der Kurie mutwillig vom Zaune zu brechen. Die katholische Kirche geht zurzeit durch eine schwere innere Krise, deren Nach wirkungen sich bereits im so fest gefügten Zen trumsturm erkennen lassen. Dieser Entwicklung wollen wir freien, freiesten Lauf lassen. Wir wollen, solange es in Ehren geht, alles ver meiden, was der Kirche und dem Zentrum Ge legenheit zu der ihnen so erwünschten Digresfion nach außen gäbe. Wer die Kulturkampfsehn sucht der ultramontanen Presse gegenwärtig beobachtet, der kann nicht darüber im Zweifel sein, wem der Nutzen aus einem Konflikte erwüchse, der jetzt um der schwarzen Augen der Italiener willen entstehen würde. Jetzt, nach dem Modernisteneid der Kirche und vor den Reichstagswahlen dem Zentrum Gelegenheit zu geben, alle langsam Auseinanderstrebenden im Katholizismus unter dem Zeichen der „Dio- kletianischen Verfolgung" zu sammeln: wer dazu raten kann, den beneiden wir nicht um sein politisches Verständnis. Im Reichskanzlerhause und im Auswärtigen Amte zu Berlin find alle Möglichkeiten zweifel los reiflich erwogen worden. Dort fand man aus den verschiedenen Schwierigkeiten einen glücklichen Ausweg, eine Lösung, mit der sich vorurteilslose Staatsbürger nur befreunden können. In Vertretung des deutschen Kaiser paares wird das Kronprinzenpaar im April im Quirinal vorsprechen; der Erbe der deutschen Kaiserkrone wird offiziell die Glück wünsche seines Vaters dem Könige von Italien überbringen. Damit wird aber von deutscher Seite der bundesgenössischen Verpflichtung in einer Weise genügt, die in Italien nur dankbare An erkennung, in Deutschland freudige Zustimmung Hervorrufen kann. Wenn wir für den offiziellen Besuch des deutschen Kronprinzen am italie nischen Hofe einen Wunsch hegen, so ist es der: möge es dem Kaisersohnc gelingen, in der Hauptstadt Italiens ähnliche moralische Eroberungen zu machen, wie es seinem Großvater, ebenfalls als Kronprinzen, 1878 geglückt ist. Dann brauchen überängstliche Politiker von dem römischen Besuch des Staats oberhaupts von Frankreich nichts zu befürchten. Im Vatikan aber wird man klug genug jein, nicht durch falsche Prätcnsionen neue Schwierig keiten zu schaffen. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Der von uns angekllndigte Besuch des Kronprinzenpaares zum italienischen Nationalfest in Rom wird von den größeren deutschen Zeitungen durchweg sympathisch ausgenommen; eine Ausnahme machen zunächst nur dcts „Berliner Tageblatt" und die „Vossische Zeitung", die in rührender Uebereinstimmung wieder einmal an der Ent schließung der Regierung herummäkeln, aller dings mit folgendem Untc.schied: Die „Voss. Zeitung" schreibt: „Die Entschließung über den Kronprinzenbesuch in Rom jei ein Sieg des Vatikans"; das „Berl. Tageblatt" setzt sich ihn selbst aufs Konto. Es wird beiden Blättern überlassen werden können, die Frage, welche von beiden recht hat, unter sich auszufechten. Die geplatzte Seikenblsle. Die große Aktion, mit der Graf Mirbach und die Seinen in dem todeswütigen Streit denen um Hsydebrand zur Seite zu treten gedachten, ist ver pufft. Eigentlich hatte inan sich darauf gefreut und für Sonnabend zum heuern Fest gerüstet: da wollten die Koryphäen der Staats- und der gelehrten Sachen, wie Graf Mirbach oder Dr. v. Burgsdorfs, der Regierung aufgeben, sich als konservatives Wahlbureau zu installieren und auf Kosten der Allgemeinheit Flugschriften und Leitartikel Herstellen zu lasten, die die ..große patriotische Tat" von 1909 in Einzelschilderungen der dankbaren Nation zu Eemüte führen sollten. Nun ist, ehe noch der Vor hang in die Höhe rauschte, die Vorstellung abgesagt worden. Warum? Zarte Rücksicht auf den allge meinen Nutzen gehört im Grunde nicht zu den her vorstechenden Eigenschaften der Agrarkonservativen. Insbesondere den Grafen Mirbach hat die Furcht, sich lächerlich zu machen, noch nie davon abgeschreckt, aussichtslose oder absurde Dinge, wie den Uebcrgang zum Bimetallismus, die Aenderung des Reichstags wahlrechts und neue Sozialistengesetze, Jahr für Jahr im preußischen Herrenhause zu fordern. Dazu hat er zuviel von der schönen Selbstsicherheit des preußischen Junkers, der sich in solchen Stücken einfach hors de concours über das Profanum vulgus un endlich erhaben vorkommt. Es müssen den Herren also kurz vor dem zwölften Glockenschlage doch wohl noch andere — nennen wir es ruhig: egoistische — Bedenken gekommen sein. Es ist bereits mehrfach bemerkt, daß der klügste Kopf, über dell die Konservativen im Herrenhause verfügen, der alte Botho Eulenburg, den An trag nicht mit unterzeichnet hat. Statt seiner finden wir freilich Wagners Unterschrift. Aber das kann nach der empörenden Behandlung des verehrten Mannes durch die Steuer- und Wirtschafts reformer und seinen jüngsten Publikationen doch wohl nur ein Irrtum sein. Graf Botho Eulenburg jeden falls fehlt unter den Unterzeichnern, und das ist mehr als ein Zufall. Das bedeutet, daß weitsich tigere Politiker von diesem agitatorischen Be gehren sich von vornherein keinen Erfolg ver sprachen. Wem hoffte man denn damit unangenehm zu werden? Den Liberalen! Die haben sich nach gerade an Stärkeres gewöhnen müssen. Gewiß, die Herausforderung, die in dem Antrag des Grafen Mirbach lag, war keck. Aber doch eigentlich mehr von der naiven Art, die unwillkürlich lächeln macht. Aus der Mitte der neuen Fraktion, die im Herrenhause den Liberalismus repräsentiert, wäre denn auch, möchten wir vermuten, dem Antrag eine lächelnd ab wehrende Antwort zuteil geworden. Man hätte vielleicht dem Grafen Mirbach, der ja ein schristge- wandter Mann ist, geraten, sich seine Polemiken doch gefälligst selber zu schreiben. Im übrigen aber hätte man schwerlich sich weiter echauffiert. Im Lande hätte zudem diese Traktätchenliteratur dem Liberalismus kaum erheblichen Schaden zugefügt. Auch bei den Kreisblattlesern nicht, sofern sie nicht sonst schon von den konservativen Gebietigeren in Furcht und Schrecken gehalten werden. Unbequem mochte die Aktion höchstens der Regierung werden. Wir denken uns überhaupt, daß derlei Diskussionen über die Finanzreform ins besondere dem Herrn Reichskanzler nicht gerade an genehm sein können. Er hatte zuerst, gleich dem Herrn v. Rheinbaben, der Ausdehnung der Erb schaftssteuer widerstrebt, und war dann genau so wie sein weniger glücklicher Rivale zum Paulus ge worden. Später hat er trotzdem als junger Kanzler seine Unterschrift unter ein Steuerkonvolut setzen muffen, das die soeben von ihm noch emsig ver fochtene Erbschaftssteuer ausdrücklich ausschloß, und auch sonst kaum noch Wesentliches von den ursprüng- lichen Regierungsvorschlägen enthielt. So etwas tut man wohl, wenn man unbedingt muß, und kein anderer Ausweg mehr winkt. (Nebenbei bemerkt, auch nur in Preußen-Deutschland: in andern Ländern wäre ein leitender Minister nach solchen Antizeden- tien kaum möglich.) Aber man kann nicht gut verlangen, daß dieser Minister sich dann auch noch in die Unkosten einer vergiftenden Agi tation stürzt, die die Verbitterung schließlich gegen ihn selber kehren muß. Und das wird wohl den Ausschlag gegeben haben. Die Konservativen sind in diesen ihnen nicht sonderlich günstigen Zeit läuften aus die Regierung angewiesen. Man wird ihnen bedeutet haben, wie sie draus und dran seien, einer ihnen im allgemeinen wohlwollenden Negierung zwecklos Schwierigkeiten zu schaffen. Unter dem Druck solcher Einwände hat Graf Mirlmch ver mutlich sein temperamentvolles Herz zügeln gelernt und hat verzichtet. So bleibt aus dem verpufften Unternehmen nur ein Gewinn: die abermalige feierliche Konstatierung, daß für die Rechte dis sonst ängstlich gehüteten K o m p e t e n z b e d e n k e n in dem Augenblick n i ch t mehr bestehen, wo sie von ihrer Mißachtung sich Erfolg versprechen. Wie hat in der Blockzeit — jeder Zoll ein stolzer Preuße — Herr v. Heyde- brand auch den schüchternsten Versuchen widerstrebt, die Parteigruppierung des Reichstages für die Land- tagsqeschäfte verbindlich oder wenigstens in gewißem Sinne vorbildlich zu machen. Von solchen ver- sapungsrechtlichen Bedenken war hier, wo das Herrenhaus in einer Angelegenheit, die es wirklich nicht das geringste angeht, bemüht werden sollte, nichts mehr zu spüren. Und das muß für zukünftige Fülle wohl vorgemerkt werden. König /erüinanü von Bulgarien vollendet am Sonntag sein .fünfzigstes Lebens jahr. Diesem aus einem deutschen Fürstenhaus,: entstammenden Herrscher hat. seitdem er den bul garischen Thron bestieg, ganz Europa das leb hafteste Interesse entgegengebracht. Geboren am 2V. Februar 1861 in Wien als jüngster Sohn des Prinzen August von Sachsen - Koburg, gehört König Ferdinand dem katholischen Zweige Ko- Hary der gothaischen Linie an. Er war Premier leutnant der ungarischen Landwehrreiter, als ihn die bulgarische Nationalversammlung nach dem Sturze Alexanders von Battenberg am 7. Juli 1887 zum Fürsten wählte. Trotzdem ihn weder die Pforte noch die Großmächte anerkannten, trat er die Regierung an. Mit Rußland befand er sich sogar in offener Fehde, als er den Thron bestieg, und lange machten sich noch die Nachwehen der Aera Kaulbars in seinem Verhältnis zum Zaren bemerkbar. Es bedurfte eines besonderen Maßes von Takt und diplomatischer Geschick lichkeit beim Fürsten Ferdinand, damit er das ihm anvertraute Staatsschiff glücklich an allen Klippen vorbeisteuerte. Das ist ihm im wesentlichen auch geglückt. Mag auch manches, was unter seiner Re gierung geschehen ist, nicht die allgemeine Billigung gefunden, mag auch Europa geraume Zeit hindurch keine rechte Freude am bulgarischen Staate gehabt haben, heute muß doch anerkannt werden, daß Ferdinand sich als ein kluger Fürst erwiesen und die Erwartungen erfüllt hat, die man in ihn setzte, als den 26jährigen Prinzen das Verlangen nach großzügiger Betätigung nach Sofia führte. Fast ein Jahrzehnt hat Ferdinand I. auf die offi zielle Anerkennung warten müssen. Seitdem ist es sein Bestreben gewesen, mit den europäischen Mächten, auch mit der Türkei, in gutem Einver nehmen zu leben. Seinen persönlichen Be mühungen soll es zu verdanken sein, daß der Friede mit der Pforte gewahrt blieb, aber auch seinem Einflüsse ist es zuzuschreiben, daß Bulgarien die Oberhoheit des Sultans abschütteln und ein unabhängiges Königreich werden konnte. Als solches vermag das Land, das während des letzten Menschenalters schon so große Fortschritte auf allen Gebieten gemacht hat, sich kräftig weiterzuentwickeln unter den Augen seines Herrschers? der jedenfalls zu den interessantesten Persönlichkeiten gehört, die einen Thron einnahmen. Gin agrsrilcher Ketzer. In der „Vereinigung Deutscher Schweinezüchter" in der „Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft" hat Prof. Dr. Auhagen von der Berliner Landwirtschaft lichen Hochschule einen Vortrag über „Viehzucht und Fleischverforgunq Deutschlands vom volkswirtschaft lichen Standpunkte unter Berücksichtigung der Schweine zucht" gehalten, der ob seiner „ketzerischen Ideen" sowohl bei den agrarischen Zuhörern als auch be sonders bei der agrarischen „Deutschen Tagesztg." das größte Mißfallen erregte. Der Redner verhielt sich dem heutigen Seuchenjchutz und den zurzeit geltenden Vieh- und Futtermittelzöllen gegenüber so skeptisch, daß er wiederholt den stürmischen Wider spruch der Versammlung hervorrief. Da indes die Darlegungen Auhagens von großer Sachlichkeit geleitet scheinen, seien sie in ihren Haupt zügen wiedergegeben. Er sprach zunächst die Meinung aus, daß der heutige Seuchenjchutz in mancher Be ziehung zuweit gehe, z. B. hinsichtlich des Fleisches, wo man vielleicht allzu einseitig auf die Ansicht der tierärztlichen Spezialitäten Rücksicht nehme. Auch wenn bei der Einfuhr von 100 t.« gefrorenen Fleisches ein Zoll von :Lerhoben werde, so werde man sich fragen müffen, ob hier nicht des Guten zu viel getan sei. Ferner plädierte der Redner für denWegfall des Zolls auf Futter gerste, der nach seinen Berechnungen den Reingewinn au» der Schweinezucht um 100 Prozent erhöhen werde. Auch der Maiszoll ist seiner Ansicht nach zu hoch. Die Fleischteucrunst führte er hauptsächlich auf die hohen Viehpreise zurück, die sich in den letzten 20 Jahren für alle Viehsorten ganz erheblich ge steigert hätten. Es sei darum erwünscht, daß unsere Fleischproduktion auch in Zukunft Fortschritte mache und womöglich in einem noch schnelleren Tempo, als dies in den letzten Jahrrebnten der Fall gewesen sei. Das war denn doch zuviel für die Schweinezüchter, s und kein Geringerer al» der frühere Landwirtschafts- I Minister v. Podbielski wurde als Geaenredner
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