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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.02.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110222015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911022201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911022201
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-02
- Tag 1911-02-22
-
Monat
1911-02
-
Jahr
1911
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Ämtsvlatt des Rates und des Rokizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Press s»r Inserat« au» Lewing und umgedu«, »i« 6gc valt«a« S0 raw breit« Perttzetle L ch, di« 74 nrin breite Neklamezeil« l om, autwärt« 30 ch, Sieklamen 1.20 cht' Ioserate von vebtrden i« amtlichen Teil di« 74 rum breit« Vetttzeil« 40 ««schästsanzetgen mit Platzdorschrift«» and i» der Lb«ndau»zab« im Preise erhöht. Nadali nach Tarft.- Beilagegebübr a chk p. Tausend exkl. Postgebühr. Fefterteilt« Sufträa« können nicht juräck- ge»oge» »erben. Für da» itrscheinen an drstlmmtrn Tagen und Plätzen wird kein, Garantie übernommen. Sazeigen-Lanahme: Luguft»1pl«tz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Äunoncen- Grpedttionen de« In- und Au,lande«. Haupt Stltale Berit»: 2arl Dunller, Herzog!. Bahr. Hofbuch handlung Lüyowstraie 10. (Tel.phon Vl, Rr. 4M3). Haupt-Filiale Dresden: Eeestratze 4,1 (Telephon 4621). Nr. 53. Mittwoch, üen 22. Februar lSlt. 105. Zshrgsng. Das Wichtigste. * In der öffentlichen Versammlung des Ver bandes sächsischer Industrieller in Dresden hielten am Dienstag die Reichstags- obgeorkneten Dr. Iunck Leipzig und Dr. Strese - mann-Dresden Vorträge über aktuelle Tages fragen. (S. d. des. Art.) * Der Reichstag setzte am Dienstag die zweite Lesung des Haushaltplans mit der Beratung des Iustizctats fort. (S. Reichstags bericht.) — * Die Antwort Chinas auf die russische Rote ist nunmehr dem russischen Gesandten in Peking eingehändigt worben. Der Inhalt ist, wie verlautet, befriedigend. * Der Senator Aldrich richtete an Präsident Taft ein Schreiben, in dem jener die Haltung Tafts in der Frage des Ecgenseitigkeits- vcrtrages mit Kanada kritisiert. sS. Ausl-) * Die Gesamtzahl der Opfer der P e st in China wird bis jetzt mit 19 000 angegeben. sS. Letzte Dep.) Sünülerpsrsüe. Für seine diesjährige große Heerschau hatte der Bund der Landwirte einen Szenenwechsel vorgenomm.en: er hatte die traditionelle Stätte lärmender Erfolge, den Zirkus Busch, mit dem geräumigeren und behaglich-vornehmen Sport palast vertauscht. Wer infolge dieser Aenßer- iichkeit Ueberraschungen, Offenbarungen er wartete, ward gründlich enttäuscht. Der Sport palast genügte vollkommen zur Ausnahme der wie immer in starker Zahl zusammengeströmten Bundesmitglieder und ihrer Angehörigen; ja, nach glaubhaften Berichten gähnten hier und da Lücken, die auszufüllen den Managern der Bundesveranstaltung nicht gelungen war. Der sachliche Reiz von Tagungen des Bundes der Landwirte gehört der Vergangenheit an. Je häufiger sich die sorgsam vorbereitete Parade nach dem alten Schema wiederholt, je öfter die lieben, alten Kraftworte den alten Begeisterungs sturm auslösen, um so langweiliger und un interessanter werden diese Veranstaltungen für die am politischen Leben teilnehmende Oeffent- lichkeit. Bei genügsamen oder „geistig schwer fälligen" Versammlungsbesuchern wird zweifel los die bewußt erzeugte Stimmung der Be geisterung nachhaltig wirken. Tieferblickende vermögen in den zum Teil recht platten All täglichkeiten, mit denen die Zuhörer von den natürlich allesamt „stürmisch begrüßten" Sprechern der großen Versammlung bewirtet wurden, nichts Schöpferisches, nichts Zu kunftsförderndes zu erblicken, und darum hinterläßt diese Bundesversammlung, wie schon die vorjährige, den Eindruck einer peinlichen Oede, einer nüchternen Langweiligkeit, trotz der rustikalen Bonmots, mit denen man zur Er wärmung und Erhitzung der Gemüter die sonst so inhaltlosen Reden verbrämte. Zweierlei ist allenfalls besonderer Hervor hebung wert. Das ist einmal die aufdringliche Selb stgefälligkeit, mit der sich die Agrarier unter kecker Verleugnung ihrer wilden Ver gangenheit als die dauerhaftesten und halt barsten Stützen des Thrones marktschreie risch anboten. Wer Selbstverständliches allzu vernehmlich betont, läuft Gefahr, in den Ver dacht entgegengesetzten Trachtens zu kommen. Die Geschichte des Bundes der Landwirte ver anlaßt uns ganz besonders, derartigen Loyali tätsdeklamationen gegenüber ein sehr kühles Herz zu bewahren. Es wäre erfreulich gewesen, wenn auch die verantwortlichen Ratgeber des Kaisers von gleichen Gefühlen beseelt gewesen wären und ihren Herrn über das wechselvolle Gesicht des Bundes der Landwirte genau unter richtet hätten. Die außerordentliche, in andern ähnlichen Fällen nicht immer beobachtete Prompt heit der Beantwortung des Huldigungstele gramms der Bündler an den Kaiser muß bei ihnen wie ein Ansporn wirken, auf den be schrittenen Wegen weiter zu wandeln. Daß diese Pfade aber zum Besten der Allge meinheit führen, kann nicht gesagt werden. Zwar glaubt Dr. Oertel einen „agrarischen Zukunftsstaat" skizzieren zu können, „wo sich die Orden gewandelt haben in fruchttragende Ackerländer, wo die Heiden zu nährenden Weiden geworden sind, wo überall die Saatenwogen segensreich, goldig wehen, wo Zehntausende neuer Bauern angesiedelt werden, wo erst Bruch und I Moor war, wo Millionen sich wieder zurück gefunden haben zur Scholle, von der sie ihre Nahrung seelisch und physisch beziehen." Aber diese friedvolle, freudvolle bukolische Vision eines tellurischen Lyrikers bleibt für immer mit dem Charakter des Phantastischen behaftet, weil sich ihr Erdichter ebensowenig wie ein sozial demokratischer Schildere! des Zukunftsstaats seiner Partei an die Bedingtheiten der Wirk lichkeit gehalten hat. Wir wären wahrhaftig die Letzten, die die deutsche, für das gesamte Volk so überaus wichtige Landwirtschaft von der deutschen Scholle verbannen wollen, wir vertreten auch stets den Gedanken ihres berechtigten Schutzes, aber um die Tatsache, daß sich Deutschland immer mehr zu einem Industriestaat entwickelt hat, und daß dieser Entwickelung überall in der Gesetzgebung und in der Verwaltung Rechnung zu tragen ist, kommt man mit den schönsten Redensarten von „Ackerkultur" nicht herum. Man wird vielmehr durch die Forcierung derartiger Ideen die Gegensätze nur noch verschärfen. Dazu ist in der Tat in der Bündlerversamm- lung wesentlich beigetragen worden. Man schlug auf den Liberalismus los und stellte sich selbst als harmlos dar. Man beklagte die Zerrissenheit und Verdrossenheit in Deutschland, ließ aber nicht die geringste Neigung spüren, zu einer nachhaltigen Besserung der Lage selbst die Hand zu bieten und eigene Opfer zu bringen. „Wir bleiben was wir sind und wie wir sind — wenn sich die an deren uns gefügig zeigen, wenn vor allen Dingen die Nationalliberalen bedingungslos dem agrarischen Geßlerhute die schuldige Reve renz erweisen, dann ist eine Einigung möglich." So ungefähr klang es derb aus aller Redner Mund. Für dcn Liberalismus und für die Natio nal liberalen im besonderen war es schon vor der Bundesversammlung selbstverständ lich, daß ein so ungleicher schmachvoller Pakt nicht geschlossen werden kann. Alles Drohen der Herren Hahn, Oertel und Oldenburg, alles An schwärzen wegen des „sozialdemokratischen Ba zillus" war offensichtlich darauf berechnet, die bestehende Kluft zwischen rechts und links ganz im Sinne des Herrn v. Heydebrand zu ver tiefen, vielleicht aber auch einige National liberale, die diesen Namen schon längst nicht mehr verdienen, für die bündlerische Fahne zu gewinnen. Ebensowenig wie es für den arggehaßten Bauernbund, für den recht niedrig beschimpften Hansabund eine Ver ständigung mit dem Bund der Landwirte geben kann, ebensowenig dürfen und werden die Nationalliberalen aufhören, den Bund der Landwirte, diese Organisation wirtschaft licher Einseitigkeit und Begehrlichkeit, zu be kämpfen. Und sie werden sich dadurch sicher den Dank der Allgemeinheit verdienen, denn ihr Kampf richtet sich gegen die Leute, deren eigennütziges Tun die Sozialdemokratie erst wieder groß gemacht hat. Die Weltteile Les Kronprinzen. Von Dr. Oscar Bongard. Benares, 29. Januar. Benares, die heilige Stadt, ist seit dem grauen .Altertum ein religiöses Zentrum. Schon im 6. Jahrhundert vor Christi Geburt war es der Mittelpunkt des Buddhismus, der aber dem Brahmanismus wieder weichen mußte. Heute ist es die heiligste Stadt der Hindu und Tausende pilgern täglich aus ganz Indien dorthin, um im Ganges zu baden oder das heilige Wasser zu holen, das in Krügen zu den fernskn Grenzen In diens getragen wird, wo es den Kranken Genesung oder seliges Sterben bringen soll. Der Brahmanismus der Gegenwart zahlt gegen 156 Millionen Anhänger, die in viele Sekten zer fallen, je nach der Gottheit, deren Kult die Verehrer neben den andern vielen Göttern hauptsächlich dienen. In der ältesten Form gab es nur ein Urwesen, das Brahma, aus dem all« Wesen hervorgehen, um sich später wieder mit ihm zu vereinigen. Die Erkennt nis des Menschen, daß er Brahma ist, und di« Ver einigung mit dem Brahma sind das Poga, da» Auf gehen im Nichts, das nur durch geistiges Sichver- senken erreicht werden kann. Solange diese Seligkeit nicht erlangt wird, ist nach der spateren Form der Mensch der Wiedergeburt unterworfen. Je nach dem Verdienst seiner Taten erfolgt di« Seelenwanderung de» sterbenden Wesens in einen Gott, einen Menschen, «in Tier, «inen Höllen- bewohner usw. Eine derartige unpersönliche, rein philosophische Religion könnt« nicht Vokksreligion bleiben. Brahma wurde zur persönlichen höchsten Gottheit, als Erschaffer, und ihm gesellten sich dann seine Ver körperungen bei, Wischnu. der Erhalter der Welt, unv Siwa, der Zerstörer und Wiederhersteller. Brahma als persönlicher Gott trat immer mehr zurück, so daß ihm heute nur noch ein einziger Tempel gewidmet ist. Aber auch Wischnu und Siwa sind nicht die ein zigen Kötter geblieben: ihre Söhne, ihre Frauen, ja die Personifizierung ihrer einzelnen Wiedergeburten als Menschen werden als Gottheiten verehrt. Dazu kommt noch ein ganzes Heer von andern Göttern, männlichen und weiblichen, gütigen und Schaden bringenden: ferner heilige Tiere, nützliche und schäd liche. Ihnen allen sind unzählige Tempel, Altäre und Schreine gewidmet. Die bildliche Darstellung der Götter ist von un glaublicher Vielgestaltigkeit, da in jeder Figur soviel wie möglich von den Eigenschaften und dem Wirken des Dargestclltcn symbolisch enthalten sein soll. Mehrere Köpfe und Arme, allerhand Geräte in den Händen, beigegebene Tiere und Schmuck eigen artigster Art sind daher Regel. Wir haben schon früher bei der Beschreibung der indischen Tänze am Hofe des Maharadscha zu Dschai- pur gesehen, daß die Aufführungen dem Europäer unverständlich sind, weil die meisten Bewegungen des Tanzes Symbole bilden. Aehnlich ist es auch mit der indischen Kunst, die im dritten Jahrhundert be ginnend in den Tempelbauten eine große Anzahl be deutender Denkmäler der Architektur und Bild hauerei geschaffen hat. bis im 11. Jahrhundert mit der Herrschaft der Mohammedaner die maurische Kunst ihren Einzug hielt, deren hervorragendste Werke der deutsche Kronprinz in Agra, Lahore und Delhi kennen gelernt hat. Die hinduistische Kunst in ihrer Eigenart der Symbolik bleibt dem Europäer fremd. Wie die heiße Sonne Indiens, so glühend ist die Phantasie seiner Bewohner, und der allen Indern innewohnende Mystizismus läßt sie zügellos, entfesselt Formen aus Formen häufen, bis Wände und Säulen über und über bedeckt sind, für unser Empfinden oft ein reines Durcheinander, da unser Kunstgefühl Ruhe und Harmonie verlangr. Die herrlichsten Tempelbauten weist Südindien auf: gewaltig in den Dimensionen, oft ein Tempel eine Stadt für sich bildend, überwältigend als Ganzes und fesselnd in jeder Einzelheit, erwecken sie Staunen und Interesse, aber keinen wirklichen Ge nuß, kein den Europäer erhebendes, begeisterndes Kunstempfinden Dio Priesterschast stellt die Kaste der Brahminen, die „dem Haupte Brahmas entsprossenen Erden- götter", die hoch erhaben über allen Kasten tatsäch lich im Volke göttliche Ehren genießen und sich durch sehr Helle Hautfarbe und intelligente Kesichtszüge auszeichnen. Das Kastenwesen ist für ganz Indien von so großer Bedeutung, daß ohne Kenntnis von seiner Einrichtung die Verhältnisse unverständlich bleiben. Ursprünglich war die Kaste die Unterscheidung folgender vier Stände: erstens der Priester, zweitens der Krieger, drittens der Bauern, Handwerker, zwei Gewerbetreibender, viertens der Dienenden. Im Laufe der Zeit entwickelte sich aus jedem Beruf eine besondere Kaste, und da die Priesterfchaft das Kasten wesen als einen Förderer und Sicherer ihrer Macht unterstützte, ging die Zersplitterung allmählich so weit, daß heute über 20 000 Kasten unterschieden werden, die sich allo streng gegeneinander abschließen. Aengstlich wird auf die Erhaltung der Kasten vorrechte, der Kastensitte und der Kastenreinheit ge achtet. Die Kastengesetze verlangen, daß der geschäftliche Verkehr zwischen Angehörigen verschiedener Kasten sich auf das Notwendigste beschränkt. Tischgemein schaft, Ehe oder sonstiger intimer Verkehr sind gänz lich ausgeschlossen, und Verstöße hiergegen ziehen die schwersten Strafen nach sich, deren höchste die Aus schließung aus der Kaste ist. das größte Unglück, das einem Hindu widerfahren kann. In welcher Kaste der Hindu geboren ist. in der bleibt er bis zu seinem Tode, und da die Kasten sich nach Berufen gliedern, muß der Sohn stets das Handwerk des Vaters er greifen. In dieser Zersplitterung des indischen Volkes liegt seine Schwäche. Die Hindus sind keine Nation, sie haben kein Gefühl der Zusammen gehörigkeit, keine gemeinsamen Ziele und Ideale. Sie sind eine Summe unzähliger Vereinigungen, die sich eifersüchtig gegenüberstehen und voneinander fernhalten, um nicht die «ine durch die andere ver unreinigt zu werden. Der ärmste bettelnde Angehörige einer höheren Kaste dünkt sich himmelhoch erhaben über dem mil lionenreichen gebildeten Kaufmann einer niederen Kaste. Nur diese Verhältnisse ermöglichen eine Fremd herrschaft in dem volkreichen Indien. Die höchste Koste, die Brahminen, übte als Priester (nicht all« Brahminen find Priester) auf das religiöse Volk einen vollständig beherrschenden Ein fluß aus. Nichts einigermaßen Wichtiges wird be gonnen. keine Reise unternommen, kein Geschäft ab geschlossen, ohne daß die Priester vorher befragt wer den. Wahrsagen «nd Stern deuten sind in vollem Schwange, und wer es nur eben ermöglichen kann, läßt seinem Kinde bei der Geburt das Horoskop stellen. An Zweideutigkeit lassen die Antworten, ebenso wie di« alten Orakel, nichts zu wünschen übrig, so daß der schlaue Priester, der sich für sein« Mühe übrigens besten» bezahlen läßt, stet» gedeckt ist. Trotz de» vielen Schwindel», der hier im Lande des Aber glaubens und Götzendienstes die Regel bildet, bleibt bei dem Wahrsagen und Hellsehen des Wunderbaren genug, wie Leut«, die Jahrzehnt« im Lande leben und jeden Kuastkntff der Schlangenbeschwörer und Gaukler kennen, mir immer wieder versichern. Ich selbst habe ein Beispiel davon erlebt, da» mit dieser Reise im Zusammenhang« steht. Anführen will ich imr, daß indische Wahrsager in den hiesigen Zeitungen di« bevorstehende Erkrankung de« König» Eduard und die Verschiebung der Krö nung mit alle« Eimelheiten schon eine Woche vorher bekannt gegeben Haven. Für alle», was Brahmanismus anlangt, bildet Benares ein Zentrum, und nicht weniger als 1154 Hindutempel sind in der Stadt vorhanden, die 210 000 Einwohner zählt. Zur Zeit der großen Feste wächst die Zahl rer Wallfahrer auf Hunderttaujende täglich an, die alle im Ganges baden und unter vielen Zeremonien ihre Waschungen oollführen. Am Ufer des heiligen Stromes erheben sich Tempel an Tempel, und dazwischen die großen Pa läste der Hindusürsten, die zum großen Teil auch der Benutzung ihrer Untertanen dienen. Ueberall führen große Steintreppen zum Flusse hinab, auf denen Tausende zum Baden hinuntersteigen. Am 29. Januar, bald nach Sonnenaufgang, fuhr der deutsche Kronprinz mit seiner Begleitung in der großen, mit Purpur und Gold ausgeschlagenen Prunkbarkasse der Regierung den Ganges hinab. Die Nebel, die auf dem Wasser lagen, mußten bald dem Tagesgestirn weichen, und klar lagen im Sonnen glanze die wunderlichen Tempel. Pagoden und Götzenbilder da. Alte Mütterchen. Frauen und Mäd chen, bedeckt mit zarten Gewändern, verrichteten züchtig badend — ihre Gebete neben den Männern, die. mit Lendenschurz bekleidet, scheinbar viel mehr Zeremonien auszuführen haben. Ungefähr in der Mitte der Tompelreihe loderten die Feuer gen Him mel, die der Leichenoerbrnnung dienten. Aber sie ist nicht mit der Verbrennuirg in Bom bay zu vergleichen, von der ich früher schrieb: denn die Holzstöße sind nur klein, so daß die Leichen aus ihnen herausragen, ja herausfallen, und dann wer den sie mit langen Slangen in die Flammen zurück gestoßen, wobei oft halboerkohlte Leichenteile ab brechen und in den Fluß rollen. Das ist weder ästhetisch noch hygienisch, denn wenige Nieter davon entfernt stromabwärts trinken die Pilger das heilige ^Lasser und baden in ihm. Doch der grauenhafte Anblick schwindet bald, denn unaufhaltsam ändern sich die Szenen, eine malerischer, fremdartiger und interessanter als die anderen, und jedem Teilnehmer wird die Fahrt unvergeßlich bleiben. Am interessantesten ist ein Gang durch die Tem pel selbst. Meist liegen n« an engen, gewundenen Gassen, in denen unzählige Blumenverkäufer in ihren Läden oder vor den Toren di« Opferblumen seilhalten. Ebenso häufig werden kleine Götzen und Lingams zum Kaufe ausgeboten. Letztere sind hier nicht näher zu beschreibende Symbole der Fruchtbarkeit für den Siwakultus, der in Benares seine Hauptstätte hat- Unaufhaltsam ergießt sich der Strom der Wallfahrer in die Götzentempel, aus denen das rotbemalte Bild des Affengottes Hanmnan herausleuchtet oder das des dickbauchigen Ganescha. der einen Elefantenkops hat. Heiligen Kühen und Stieren werden Opfer blumen vorgeworfen und den heiligen Pfauen Mais und anderes Futter, das die Pilger den Priestern übergeben. Der berühmte goldene Tempel liegt an der Stelle, wo das Gangeswasser am heiligsten ist: seine Kuppeln sind mit Goldblech gedeckt, und er weist den stärksten Besuch auf, da er das größte Heiligtum des Lingam kultus ist. Wirft man von außen einen Blick durch einen schmalen Spalt in der Mauer, so sieht man im Dämmerlicht des Innern Männer und Frauen unter den Zeremonien der Priester in wilder Ekstase, lln aufhaltsam ertönen die Gcbetsglocken. und von Zeit zu Zeit dröhnen dazwischen große Pauken und er klingen Gongs und Klarinetten. Zahllose Tauben flattern zusammen mit Papageien um di« Gesimse der Tempel, wenn sie von den Besuchern vom Genüsse der geopferten Körner verscheucht werden. Don stiller Andacht und Erbauung nach unfern Begriffen findet man in den Götzenhäusern keine Spur. Am tollsten ist das Treiben der heiligen Tiere »in dem der Durga oder Kali, der finsteren und grau samen Gattin Siwas, gewidmeten Tempel etwas außerhalb der Stadt, wo eine große Zahl Affen ihr Wesen treibt und gefüttert wird. Es geht lustiger dort zu als im Affenhause jedes zoologischen Gartens, aber die Tiere können auch recht unfreudlich werden, und mancher Pilgrim trägt als Dank für sein Opfer an Futter Kratz- und Bißwunden davon. Die Affen fühlen sich ganz als Herren des Tempels. Als ich eine Treppe hinaufstieg, um von der oberen Galerie das lustige Treiben zu photographieren, stürzten mir drohend und zähnefletschend einig« große Affen ent gegen, so daß ich samt dem mich führenden Priester schleunigst das Feld räumen mußte. Der Zusammenfluß so vieler Menschen, denen Reinlichkeit ein unbekannter Begriff ist. schließt viele hygienische Gefahren in sich, zumal da viele Schwerkranke sich nach der heiligen Stadt bringen lassen, um dort zu sterben und dann sofort zur Seliakeit einzugehen. Pest und andere ansteckende Krankheiten erlöschen deshalb nie in Benares. Das war der Grund, weshalb der Aufenthalt des Kronprinzen nur auf einen Tag bemessen war. Ueder Len nschven Lelchstsgswshlkampl hatte vor kurzem die „Nat.-Ztg." eine Rundfrage veranstaltet. Verschiedene Parlamentarier haben darauf geantwortet, und das zitierte Organ veröffent licht jetzt wieder Beurteilungen des Waylkampfes, die nicht ohne Interesse sind. So die vorsichtige Aeuße- rung des greisen Bebel: „Nur eine« möchte ich bemerken: Ich habe natürlich den dringenden Wunsch, daß mein« Pattei bei den Wahlen glänzend abschneide, aber zu der hohen Mandatsziffer, die uns Sozial- demokraten gegnerische Blätter als sicher in Aur- sicht stellen, versteigt sich mein Optimismus n i ch t." Ein klares und wohl auch in jeder Beziehung zu treffendes Bild von den kommenden Wahlen entwirft der sächsische nationalliberale Abgeordnete Dr. Weber mit folgenden Ausführungen: „Die politische Situation im Reiche hat sich nicht geändert. Noch immer find die Folgen der unsoaialen Reichsfinanzreform, der Beseitigung de» Reichskanzler» Fürsten Bülow durch die Konser vativen und de» Blockbruchs durch dieselben in Form tiefgehender Verbitterung und Erregung im Volke unvermindert in ihrer Stärke fühlbar. Es ist daher unschwer zu erraten.
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