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IX. Jahrg. No. 23 371 10. November I900 Bronze, versilbert, vernickelt etc. zu einem wesentlich höheren Zollsatz zu behandeln, der die einzuführenden Glocken um ca. 15 -20 Proz. des eigentlichen Wertes verteuert, dabei aber noch lange nicht das Drittel des jenigen Satzes erreicht, der von den Fabrikanten für I Fahrräder und Fahrradbestandteile für den neuen Zoll I tarif beantragt ist. Deutschland im Vordertreffen. Das amerikanische Fach blatt The Motor Age bringt in einer der letzten Num- ! mern einen Artikel unter dem Titel: Deutschland im Vordertreffen, in welchem es unter anderem heisst: Deutschland will in dem grossen internationalen Auto mobilrennen, das heisst in dem Wettbewerb der Auto mobilindustrie, nicht Zurückbleiben. Bei jeder Gelegen heit drängt sich uns die unabweisbare Thatsache auf, dass die Automobilindustrie in Deutschland mit Riesen schritten vorwärts eilt und einen Faktor vorstellt, mit dem das gesamte Ausland ernstlich rechnen muss. Die neue Generation der deutschen Ingenieure ist mit allen j Geheimnissen der Motorkonstruktion, auf deren Aus gestaltung geniale Erfinder und Konstrukteure ihr ganzes Leben verwendet hatten, vertraut. Wenn ein solcher Konkurrent auf dem Felde erscheint, ist es Zeit, von seiner Existenz Notiz zu nehmen, und nicht, wie die englischen Fahrradfabrikanten, sich in dem sicheren Glauben zu wiegen, es gäbe niemanden, der ihnen ge fährlich werden, geschweige denn sie aus ihrer Position verdrängen könnte. Auf der Pariser Weltausstellung konnte man sich von den Fortschritten Deutschlands in diesem Industriezweige deutlich überzeugen, und jene Amerikaner, welche etwas in die Zukunft zu sehen ver standen, mussten sich wohl oder übel eingestehen, dass Deutschland sich denLöwenanteilsichern werde. Deutsch land hat wie Amerika dasselbe Ziel vor Augen, nämlich möglichst rasch die Metamorphose eines praktischen Strassenvehikels zu stände zu bringen, und nicht seine besten Kräfte in einem thörichten Wettkampf zu ver geuden, wie dies das sportsfreudige Frankreich mit seinen Rennwagen thut. Aber gerade deshalb erscheint Deutsch land als der gefährlichste Konkurrent Amerikas, es be obachtet mit scharfen Augen seine Mitbewerber. (A. A.-Z.) Radfahren in Frankreich. Ein Mitglied des „Cyclist Touringclub“ teilt der „Cyclist Touringclub-Gazette“ fol genden Vorfall mit: Vor einigen Tagen machte ich eine kleine Radtour von Lourdes aus; alles ging gut bis am zweiten Tag, als ich nach einer anstrengenden Fahrt nach Seissan, einer kleinen Ortschaft im Departement Gers einfuhr, wo ich auf ein gutes Nachtquartier rechnete, um mich für den nächsten Tag wieder zu stärken. Dis aliter visum. Ich hatte gerade zwei Gendarmen passiert, als einer der beiden, sich umwendend, mich zum Stehen bleiben aufforderte, mit der Frage, warum ich keine Laterne habe. Ich stieg sofort ab und erwiderte, dass meine Laterne kürzlich zerbrach und ich, nachdem ich nicht im Dunkeln fahre, keine benötige. Der ältere der beiden Gendarmen sagte französisch zu seinem Kame raden: „Wenn es ein Franzose wäre, könnten wir die Entschuldigung gelten lassen, aber weil es ein Englän der ist, werden wir ihn ein bisschen sekieren.“ „Sie gehen mit uns,“ sagte er dann zu mir in barschem Ton. Von meiner Unschuld durchdrungen, folgte ich willig, in der Absicht, alle Fragen mit gutem Humor zu be antworten. Im Amtslokale angelangt, entwickelte sich folgende Einvernahme: Gendarm: „Wohin fahren Sie?“ — „Nach Auch.“ — Gendarm: „Warum?“ — „Um die Gegend zu sehen.“ — Gendarm: „Das ist sehr ver dächtig. Entleeren Sie Ihre Taschen.“ Ich befolgte den Auftrag und legte mein Geld, die Uhr, einige Ansichts karten und- Landkarten auf den Tisch. Der Anblick der Landkarten brachte den Postenführer äusser Rand und Band. Gendarm: „Warum führen Sie diese Karten mit sich? Wo haben Sie dieselben bekommenI Wozu führen Sie diese Ansichtskarten mit sich? Woher haben Sie das Geld? Was werden Sie machen, wenn Sie es aus gegeben haben?“ Ich erwiderte darauf, die Landkarten brauche ich, um meinen Weg in der Fremde zu finden, das Geld habe ich von meinem Bankier, dem englischen Vizekonsul in Biarritz, wo ich mehl' liegen habe, als ich brauche etc. Nachdem der Chef-Gendarm alle meine Habseligkeiten inklusive Geld zu sich genommen hatte, fragte er noch: „Haben Sie Legitimationspapiere bei sich?“ Darauf bemerkte ich, dass ich dieselben in einem Koffer in Biarritz zurückgelassen habe, dass aber ein Telegramm an den Vizekonsul in Biarritz genügen würde, um die nötigen Auskünfte zu erhalten. „Mich geht der englische Vizekonsul in Biarritz gar nichts an!“ schrie der Gendarm. „Sie haben gegen das Gesetz gehandelt, da Sie ohne Legitimation reisten. Sie sind ein ganz ge meiner Spion. Gestehen Sie ein, dass Sie ein Spion sind oder ich lege Sie in Eisen und werfe Sie wie einen Hund ins Gefängnis.“ Ich konnte die Anklage nur ver neinen, worauf mich die Gendarmen in eine dunkle, enge Zelle einschlossen, in welcher nur am Boden ein wenig schmutziges Stroh als Lager zu sehen war. Der Geruch und die Hitze waren grässlich und Sie können sich vorstellen, dass ich die ganze Nacht kein Auge schliessen konnte. Ich sah mich schon als Ersatz für Dreyfus auf der Teufelsinsel, während Ratten und Mäuse auf meinem Körper einen Kotillon arrangierten. Als am nächsten Tage um 5 Uhr morgens die Thür meines Käfigs geöffnet wurde, war ich nicht nur krank, sondern halb wahnsinnig vor Aufregung. Erst nach vier Stunden liessen meine Gefängniswärter mich an den Vizekonsul nach Biarritz telegraphieren, auf dessen schleunige Ant wort ich auf freien Fuss gesetzt wurde. — Jeder in Frankreich reisende Ausländer sollte immer seinen Pass bei sich haben, um solchen Abenteuern zu entgehen. Die Verantwortung für die Richtigkeit der Meldung muss dem genannten Blatte überlassen bleiben. Wir gestatten uns etwas zu zweifeln. Rennfahrerverdienste. Die Braunschweiger Landes zeitung schreibt: Die Zeiten der Grossen Preise sind vorüber; gelangen auch noch „Grosse Preise“ zum Aus trag, so führen sie wohl diesen Namen im Verhältnis zu den sonstigen bei Fliegerrennen gezahlten Summen nicht mit Unrecht, gegen die vor einigen Jahren aber an allen Orten speziell Deutschlands sich schier über bietenden hohen Dotierungen reichen sie — mit Aus nahme vielleicht des Grand Prix de Paris — nicht im Entferntesten heran. Es ist deshalb auch nicht zu ver wundern, dass der „Verdienst“ der Rennfahrer zusammen geschrumpft ist; die Jahre, in denen die gute Veran lagung einem Michael 48000, einem Jacquelin 44000, einem Houbon 37000 oder Willy Arend 28000 Mk. ein brachten, kehren wohl nicht mehr zurück. Immerhin kann die Elite noch mit ihrem Verdienst zufrieden sein, umsomehr, da die nachstehenden Zahlen nur die aus geschriebenen Preise und nicht die Engagements gebühren etc. darstellen. Erfreulicher Weise ist zu konstatieren, dass das Verhältnis der Steher zu den Fliegern in dieser Saison sich bedeutend zu Gunsten der ersteren verändert hat; während die Dauerfahrer durch die zahlreich niedrigen Preise für die langen Rennen meistens nur halb so viel verdienten als die Flieger, haben sie in diesem Jahre die meisten über flügelt. Diesen Aufschwung haben sie wohl dem grösseren Interesse des Publikums an den Rennen über lange Strecken zu danken. Die Einnahmen der einzelnen Fahrer stellen sich bis zum 1. August wie folgt: W. Arend—Hannover 3545,50 Mk., A. Huber—München 3520 Mk., Th. Robl—München 3020 Mk., O. Meyer- Ludwigshafen 2096,65 Mk., P. Mündner—Berlin 1790 Mk., H. Mayer—Hannover 1577,50 Mk., A. Heering—Hannover 1293 Mk„ F. Seidl—Wien 1275 Mk., A. Köcher—Friedenau 1200 Mk., C. Käser-Basel 1120 Mk., W. Struck—Ham burg 1015 Mk„ C. Jörns—Kaiserslautern 975,50 Mk., F. Verheyen—Berlin 972,50 Mk., O. Breitling—Kaisers lautern 930 Mk., E. Dirheimer—Strassburg i. E. 775,50 Mk., R. Scheuermann—Breslau 763 Mk., O. Peter—Berlin 69551k., M. Herty—Kl. Steinheim 681,65 Mk., F. Althoff—Hannover 488 Mk., A. Schneider — Leipzig 435 Mk„ G. Albrecht— Hannover 420 Mk., R. Krische — Hannover 407 Mk„ B. Büchner—Berlin 350 Mk., A. Heimann—Magdeburg 350 Mk., A. Hansen—Berlin 340 Mk., A. Verheyen—Berlin 282,50 Mk„ A. Kannamüller—München 200 Mk., Wich mann-Hannover 177,50 Mk., W. Porte —Berlin 175 Mk., O. Grandpierre—Berlin 80 Mk. Ein Verfolgungsmatch zu Dritt. Der Sicherheitsagent Labeyrie war von Herrn 51. Braffay beauftragt, einen Mann Namens Louis Emilile Paradies aufzusuchen,, wel | eher des Diebstahls bezichtigt war. Der Polizist begab