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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.02.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-02-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110211011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911021101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911021101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-02
- Tag 1911-02-11
-
Monat
1911-02
-
Jahr
1911
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veuMer LelchsMg. ir«. Sitz»««. Berit», iv. Februar. (Priv.-Tel.) SrimmunysdUü. Die namentliche Abstimmung über die Zusammen, setzung der Strafkammer verhalf dem Schöffen prinz i v rum Sieg. Mit 175 gegen 142 Stimmen wurde beschlossen, daß auch di« Berufungsinstanz der Strafkammer mit 3 Schössen und 2 Berufrrichtern besetzt werden soll, während die Kommission einer Besetzung mit 3 Richtern zugestimmt hatte. Das Plenum hat also wieder einmal anders entschieden, al» d«e Kommission Die Parteigruppierung war so: Dolkspartei, Sozialdemokraten und Polen geschlossen für die Schössen, Konservative und Reichspartet scheinbar geschlossen gegen die Schöffen, Zentrum, Nattonalttberale und Wirtschaftliche Bereinigung geteilt. Wir hatten dann zunächst wieder eine Debatte über die Kompetenz der Schwurgerichte. Hatte der Reichstag kürzlich einige knifsliche und wenig durch sichtige Straftaten, wie schwere Urkundenfälschung, Depotunterschlagung und betrügerischen Bankerott, den Schwurgerichten abgenommen, so begründete jetzt der sächsisch« Sozialdemokrat Redakteur Stücklen «inen Antrag, die Preßdelikte vor die Schwurgerichte zu verweilen. Herr Stücklen gab sich als Unitarier und meinte, es ginge nicht an, daß in dem einen Bundesstaat für Preßdelikte die Schwurgerichte zu lässig seien, und im anderen die Strafkammern. Abg. Müller-Meiningen sFortschr. Bpt.) beantragt ziemlich das gleiche, doch sollen Nachdrucksachen und Privatbeleidigungen ausgeschlossen sein. Das Zen trum schickte zur Vertretung des minderpopulären Standpunktes zunächst einen Süddeutschen vor, den Münchner Rechtsanwalt Mayer-Kaufbeuren, der durchaus nicht von dem milden Urteile der Schwur gerichte seiner Heimat gegenüber unsittlichen Druck schriften erbaut war. Darin sekundiert ihm der Norddeutsche Dr. Marcour (Ztr.). Die konser vative Partei und di« Nationalliberalen äußerten sich nicht In der Abstimmung lehnten sie, mit Aus nahme einiger Nationalliberaler, die Anträge ab, ebenso das Zentrum, so das, es in bezug auf die Prekdelikte beim alten bleibt. Wir steigen eine Etage höher und kommen zur Berufung gegen die Urteile der Straf- kamm « r. Diese Berufung soll neu eingeführt werden. Bisher bestand sie nur gegen Urteile der Schöffengerichte. Die Frage der Einführung kann als entschieden gelten. Der Streit wird nur um die Besetzung der Verufungskammer geführt. Regie rungsvorlage und Kommissionsbeschluß wollen das Laienelement nicht in den Berufungssenat. Anträge der Sozialdemokraten und der Bolksvartei verlangen auch hier die Zuziehung von Schöffen. Um gegen Ueberraschungen gewappnet zu sein, verlangt der Fortschritt namentliche Abstimmung. Müller- Meiningen verteidigt sein« Anträge, die mehrfach gegliedert sind, in der gewohnten drastischen Weise, und beruft sich auf das Wort des Leipziger Rechtslehrers Dinding, der die geplanten Derufungssenate: Gebilde mit traoikomischem Antlitz genannt habe Doch ist jetzt die Einigung des Fort schritts nicht mehr vollständig. Ein anderer Müller, der Kölner Oberlandesgerichtsrat Müller-Iser lohn, ist mit eimaen Barteigenossen gegen diejenigen Teile der Vorschläge Müllers-Meiningen, die die Be- rufungsfenate bei den Oberlandesgerichten sstatt bei den Landgerichten) wollen. Auch Bassermann sNatl.s betrachtet die Errichtung bei den Land gerichten für praktischer, bequemer und billiger für Zeugen und Angeklagte. Staatssekretär Lisco ist in der Lage, sich auf seine früheren Erkiärunoen gegen Verwendung von Laien bei Berufungsgerichten zu beziehen, das beißt auf deutsch, sie ist für die Regie rung unannehmbar. Trotzdem werden sie auch für die neue Instanz mit 166 gegen 122 Stimmen be- ichlossen. Die Parteigruoprerung ist ähnlich, wie bei der vorigen namentlichen Abstimmung. Man unterhielt sich dann weiter über den Ersatz des Namens Schöffen durch Volksrichter, über die Zu lassung d?» Frauen zum Schöffen- und Eeschworcnen- amt und die Wahl aller Laienrichter durch Volks abstimmung mittels Verhältniswahl. Die Sozial demokraten drangen hier aber nicht durch. Großartige sachliche Einigkeit zeigte sich unter den Parteien in dtr Forderung, die Volksschullehrer zum Schöffen- und Geschworenenamte zuzulassen. Daß sich freilich Herr Dr. Hahn (Kons.) darauf zugute tat ici,r Antrag sei zuerst eingcbracht worden, war ein starkes Stück, weiß man doch, wie sehr sich die Kon servativen früher der Forderung widersetzt hoben. Der Rkgierungsvertreter empfahl einen Mittelweg: man solle die Zulassung zum Schöffen-, aber nicht zum Geschworenenamt erwägen. In später Stunde emp fahl der präsidierende Herr Spahnden Rednern, sich kurz zu fassen, da man heute zu Ende kommen müsse.. Slhungsverlcht. Am Dundesratstische: Dr. Lisco. Wermuth. Dr. Beselcr, Generalstaatsanwalt Supper u. a. Das Haus ist sihr gut besucht. Präsident v. Echwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 28 Min. — Die Spezialberatung der Novelle zum GerichtSverfafsungsgesetz wird fortgesetzt und zunächst die Abstimmung über 6 77 und die dazu gestellten Anträge vor genommen. Der Antrag Albrecht und Genossen (Soz.). die Strafkammer in der ersten und in der Berufungs instanz mit einem Richter und vier Schöffen zu besetzen, wird gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt. Hierauf folgt namentliche Abstimmung über den Antrag Müller-Meiningen sFortschr. Dpt.) und den diesem identischen Antrag Gröber sZtr.): Die Strafkammern in beiden Instanzen sind mit zwei Richtern und drei Schöffen zu be setzen. Der Antrag wird mit 175 gegen 142 Stimmen angenommen. Dafür stimmen die Sozialdemo kraten, die Fortschrittliche Volkspartei, die Mehrheit der Nationalliberalen, das Zentrum, die Polen, die Reformpartei und ein Teil der Wirtschaftlichen Ber einigung. Drei Abgeordnete enthielten sich der Ab stimmung. Zu 8 80 beantragen die Sozialdemokraten, die Preßdelikte vor da» Schwurgericht zu verweilen. Abg. Stückle» (Soz.) empfiehlt diesen Antrag: da durch würde die Strafkammer entlastet und auch den Interessen der Angeklagten gedient werden, da bei dem Schwurgericht mehr Richter aus dem prak- tischen Leben das Urteil fällen, als es von den gelehrten Richtern bei den Strafkammern zu erwarten ist. und die Vorberatung der Anklagen ist in diesem Falle sorgfältiger, und leichtfertige An klagen werden vermieden. Insbesondere leiden die sozialdemokratische» Redakteure unter dem bisherigen Zustande, und zwar sowohl bei Prioat- wie auch bei Majestätsbeleidtgungen. In Bayern und Baden hat sich die Praxis, die Preß oergehen vor dem Schwurgericht abzuurteilen, vorzüg lich b e w ä h r t. Es ist deshalb nicht ersichtlich, wes halb der Bundesrat sich so sehr gegen unseren Antrag sträubt. Damit wollen wir nicht sagen, daß die Schwurgerichte unser Ideal find. sHört. hört!) Bei der Auswahl der Geschworenen wird die Bevölkerung zu sehr gesiebt, immerhin halten wir di« Schwur gerichte noch für die beste Rechtsreform. Jetzt, wo die Preßfreiheit durch die Lex Wagner mit den hohen Strafen erdrosselt werden soll, ist es immer nötiger, die gelehrten Richter von dieser Recht sprechung auszuschließen und diese dem Schwurgericht zu überlassen. Lassen wir uns nicht abschrecken durch ein abermaliges „Unannehmbar". Abg. Dr. Müller-Meiningen fFortschr. Bpt). bean- tragt gleichfalls, die Prekdelikte mit gewiNen Ausnahmen vor das Schwurgericht zu stellen. Ein Idealgericht erblicken wir in unseren heutigen Schwurgerichten auch nicht. sHört. hört!) Eine liberale Reorganisation wäre dringend er forderlich. wir nehmen aber davon Abstand, um nicht die reaktionäre Gegenwirkung wachzurufen. Zum mindesten aber muß die Zuständigkeit auf die Preß sachen ausgedehnt werden, damit würden unsere Richter von einer großen politischen Ver antwortlichkeit befreit werden. Ich bitte Sie. unseren Antrag anzunehmen. Abg. Mayer-Kaufbeuren (Ztr.): Die Ansicht der Vorredner, daß die Aburteilung der Preßdelitte vor den Schwurgerichten Süddeutschlands sich so sehr gut bewährt habe, wird dort in weiten Kreisen nicht ge teilt. (Hört, hört!) Die meisten Fälle werden auf dem Wege der Privatklage verfolgt. Das Schwurgericht tritt nur bei Rcligionsvergehen, Majestätsbelc.idigungen und Sittlichkeitssachen ein. Meist handelt es sich auch nicht um Zeitungen, sondern um Flugblätter und pornographische Produkte. Auch vom Standpunkte der anständigen Presse aus ist die Ausdehnung des süddeutschen Rechtsstandpunktes auf ganz Deutschland nicht er wünscht. Sie will auch nicht, daß em Asyl ge schaffen werde für Pornographen und ähnliche Ele mente. Abg. Marcour sZtr): Auch der gelehrte Richter ist stets imstande, seinen persönlichen Standpunkt hintenan zu setzen und auch Preßdelikte rein objektiv zu beurteilen. Mißgriffe und gar zu strenge Urteile, wie sie auch während des Kultur kampfes gefällt wurden, sind immer nur Ausnahmen. Abg. Eraef-Weimar (Wirtsch. Bgg): Wir meinen, die Hanptmißstände beim Schwurgericht liegen darin, daß die Geschworenen keinen Einfluß auf die Beweisaufnahme, auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugen und auf das Strafmaß haben. Die Anträge bitte ich abzulehnen. Abg. Müller-Meiningen sFortschr. Dpt.): Daß dem Zentrum die „Simplizissimus"-Prozcsse in den Magen gefahren sind, ist nicht unsere Schuld. Daß Bayern ein Asyl für Pornographen geworden sei, ist eine ungeheuere Uebertreibung. Ich warne davor, aus einem einzigen Prozeß Verallgemeine rungen zu ziehen. Ich bitte, unseren Antrag an- zunebmen. Abg. Stadthagen sSoz.): Die Presse hat das größte Interesse daran, vom Schwurgericht abge urteilt zu werden. In vielen Fällen lassen sich die Berussrichter dock von politischer Leidenschaft zu schwerer Beurteilung der Preßdelikte, namentlich gegen Sozialdemokraten, bewegen. Das Schwur gericht würde vielfach von der Erhebung der An klage gegen sozialdemokratische Redakteure ab sehen. Die Anträge werden abgelehnt. Zu 8 81 beantragen die Sozialdemokraten folgende Fassung: Die Schwurgerichte bestehen aus drei richterlichen Mitgliedern, mit Ein schluß des Vorsitzenden, welche ständig angestellte Richter sein müssen, und aus zwölf zur Ent scheidung der Schuldfrage berufenen Geschwo renen. — Nach kurzer Befürwortung durch den Abg. Stadthagen wird der Antrag ange nommen. Die Paragrav-en 99.1 und folgende regeln die Zusammensetzung der Berufungssenate für Straf sachen. Die Berufungssenate sollen außer halb der Hauptverhandlung in der Be setzung von drei Mitgliedern, einschließlich des Vor sitzenden, entscheiden. In der Hauuptverbandlung sollen sie mit fünf Mitgliedern, einschließlich de» Vorsitzenden, besetzt werden. Die Sozialdemokraten beantragen zwei Mitglieder und fünf Schöffen, wobei die richterlichen Mitglieder ständig angestellte Richter sein müssen. Die Frei sinnigen wollen die Berufungssenate mit zwei Richtern und drei Schöffen besetzen. Hierüber wird namentlich abgestimmt werden. Abg. Bassermann lNatl.): Ich bitte Sie. es ber den Beschlüssen der Kommission zu belasten. Abg. Dr. Barenhorst lRpt.) tritt gleichfalls für die Beschlüsse der Kommission ein. Staatssekretär Dr. Lisco: Ich bitte Sie, die Be rufungssenate am Orte der Landgerichte und nicht der Oberlandesgerichtc zu bilden. Die Laienrichter bitte ich hier abzulehnen. Zlbg. Müller-Meiningen sFortschr. Bpt): Wir bitten Sie, für die Berufung gegen Strafkammer urteile Derufungssenate bei den Oberlandesgerichten zu bilden Dadurch wird den Berufungssenaten größere Autorität beigelegt werden. Abg. Stadthagen sSoz.) empfiehlt den Antrag seiner Partei. Im übrigen stimmt er dem frei sinnigen Anträge zu. Abg. Gröber (Ztr.): Wir find für die Zu- ziehung der Laien, aber gegen die Angliederung der Berufungssenate an das Oberlandesgencht. Abg. Müller-Iserlohn sFortschr. Bpt.) und Abg. Graes-Weimar (Wirtsch. Vg.) erklären sich gegen die Anträge, ebenso Abg. Dr. Wagner-Sachsen sKons.), der nachweist, daß der Antrag Müller- Meiningen auch vom Standpunkte derer, die für die Beteiligung von Laien eintreten, nicht annehm bar sei. Nach Ablehnung des sozialdemokratischen An trages und der freisinnigen Anträge, die die An gliederung der Berufungssenate an die Oberlandes gerichte verlangen, wird über den Antrag Müller- Meiningen — die Berufungssenate mit zwei Richtern und drei Schöffen zu besetzen — namentlich ab gestimmt. Bon 294 Abgeordneten sind 166 dafür und 123 dagegen: der Antrag ist somit angenommen. Fünf Äbgeordnete hatten sich ihrer Stimme ent halten. Mehrere Paragraphen werden in der Kam- missionsfastung angenommen. Die zu 8 99L und 8 109 gestellten freisinnigen bzw. Zentrumsabände rungsanträge werden nach kurzer Erörterung, in der Staatssekretär Lisco ihre Annahme verwirft, a b - gelehnt. Bei Titel 7«. „Schöffen und Geschworene", be gründet Abg. Frohme sSoz.) einen Antrag, diese Üeberschrift umzuändern in „Bolksrichter". Oberlandesgerichtsrot Dr. Schnitz: Ick bitte, diesen Antrag abzulehnen. Ein« Verschönerung des Gesetzes wird dadurch nicht erreicht. Der Gegen satz zwischen Berufs- und Bolksrichter« würde un- nötig verschärft werden. Der Antrag wird abgelehnt, ebenso die zu den 88 118.1 und 118L vorliegenden sozialdemokra- tischen Anträge. In 8 118.1 heißt es nach der Kommissionsfastung, daß Volksschullehrer nur zum Amte eines Schössen der den Jugendgerichten berusen werden. Ein Antrag Kreth und Dr. Haha (Koni.) will diese Bestimmung streichen, dasselbe null ei» Antrag Koelle (Wirtsch. Bgg.) und Wetzel-Eßlingen lNatl.). Aba. Dr. -ah» (Kons.): Der Antrag soll berech tigte Strömungen im Volke berücksichtigen. Der Lehrer, ist vermöge seiner genauen Kenntnis des Volksempsindens hervorragend geeignet §um Schöffen amt. Wir haben zur Vertretung der Lehrerinteresten ein eigenes Blatt gegründet. (Lachen links. Zuruf: „WaszahltoerBundderLandwirteda- für!" Lärm. Glocke.) Dtese unerhörten Invektiven weise ich zurück. sLärm. Glocke.) Wir lasten uns an Lehrersreundlichkeit durch die Herren im Roten Hause nicht übertreffen sZuruf links.) Herr Fisch beck, Sie benehmen sich, als wenn Sie rin Roten Hause wären. sLärm links. Heiterkeit rechts. Glocke.) Wir protestieren dagegen, daß man die,en Antrag .parteipolitisch ausschlachtet und uns unterschiebt, als ob wir die Lehrer in ihrem sozialen Streben auf halten wollten. sBraoo! rechts.) Abg. Kopsch sFortschr. Bpt ): Dr. Hahn hat alle in der Kommission von mir voraebrachten Ee- dankenzu den seinigen gemacht! Jntere sant ist, daß Dr. Hahn sich mit dem neuen deut chen Lehreroerein identifizlert. Das wird draußen gehört werden, daß er als Anhängsel des Bundes der Land wirte angesehen wird. Für die Brauchbarkeit des Lchrerstandes zum Posten eines Laienrich ters hat sich auch der deutsche Anwaltoerein ausgesprochen. Auch die Regierung hat sich günstig darüber geäußert, es müssen daher recht schwerwiegend« Gründe für ihre Ableh nung vorgelegen haben. Die Unabkömmlichkeit der Lehrer ist nicht stichhaltig, wenn wegen Paraden, Volks-, Vieh- und Berufszählung, kirchlicher Feste und Hosfesten ohne Bedenken die Schule ausfällt: so häufig wird der Lehrer auch nicht durch das Schöffenamt be hindert werden. Daß die Lehrer selbst das Schöffen amt ablehnen, trifft nicht zu. Viele Petitionen, vor wiegend von Landlehrern, besagen das Gegenteil. Der Lehrerstand will wie jeder andere Staatsbürger behandelt werden. Abg. Wetzel sNatl.) befürwortet den Antrag seiner Partei, der ebenfalls die Zulassung der Volks schullehrer zum Amt der Laienrichter nicht nur bei den Jugendgerichten verlangt. Mit der Ausnahme stellung der Lehrer müsse künftig gebrochen werden. Ein Vertreter der preußischen llnterrichtsverwal- tung stellt fest, daß lediglich fachliche Motiv« gegen die Zulassung der Lehrer zum Schöffenamt sprächen. Vizepräsident Dr. Spahn «nacht darauf aufmerksam, daß morgen die Debatte nicht fortgesetzt werde, und verlangt daher die Loyalität, noch heute alle Parteien zu Worte kommen zu lassen. Notwendig sei dazu, daß sich di« Redner möglichst kurz fassen. Abg. Frohme sSoz.): Wir werden stets für die Lehrer einen menschenwürdigen Zustand anstreben, der auch des Deutschen Reiches würdig ist. Abg. Fleischer (Ztr.): Hier handelt es sich um kein« hochpolitische Angelegenheit. Hier sprechen ganz nüchterne Erwägungen der Zweckmäßigkeit mit. Will die gesamt« Lehrerschaft zum Schöffen- und Ee- schworenenamt durchaus zugelassen werden, so Haden wir nichts dagegen. Abg. Linz lRpt.): Wir stimmen den Anträgen ebenfalls zu. Die Lehrer sind ganz besonders geeignet zum Amt der Schöffen und Geschworenen. Ander seits sind wir davon überzeugt, daß die Regierung sich nur von triftigen Gründen hat leiten lassen. Wir wollen den Lehrerstand von jeder Ausnahmestellung befreien. Wir erkennen dankbar die Tätigkeit der Lehrer in den Ostmarken an. Nachdem noch Abg. Stychel (Pole) sich gesien di« Zulassung der Lehrer ausgesprochen hatte, wird nach kurzen Bemerkungen des Abg. Koelle (Wirtsch Dgg.) ein Schlußantrag angenommen. Der Passus, wonach Volksschullehrer nur als Schöffen bei Jugendgerichten zugelassen werden, wird gegen die Stimmen -er Polen gestrichen. Ihr« Z u - lassung als Schöffen überhaupt ist damit b e s ch l o f s e n. Darauf vertagt sich das Haus. Nächste Sitzung Sonnabend 11 Ubr. Interpellation Graf Kanitz betreffend Ueberschwemmung des deutschen Geldmarktes mit fremden Wertpapieren. Fortsetzung der heutigen Debatte. - Schluß um i/i9 Uhr. Sus üen ReichstsgstrvmmMillnen. Die Budgetkommisfio» setzte, wie schon kurz berichtet, am Donnerstag die Beratung über die Frage der Kostendeckung der neuen Militäroorlage fort. Ein natio nalliberaler Redner erklärte, man müsse die Deckung einerseits in Ersparnissen, anderseits rn Be steuerung des Besitzes entweder des Vermögens oder der Erbschaften suchen. Von fortschrittlicher Seite wird eine Uebersicht gefordert, wie sich die Mehransorderungen auf die ernzelnen Jahre ver teilen. Die Angaben des Korreferenten entsprächen doch wohl nur den Absichten und Wünschen der Heeresverwaltung. Für den Fall nicht vorhandener Deckung könnte nur eine steuerliche Heran zieh una von Vermögen Oder Erbschaften rn Frage kommen, vor allem aber müsse dahin gewirkt werden, an anderen Stellen, besonders im Militär etat, Ersparnisse zu machen. Der Schatzsekretär Wermuth betont, daß der Grundsatz „keine neuen Ausgaben ohne Deckung" unter allen Umständen aufrecht zu er halten wäre. Der konservative Redner lehnte es ab, zum zweiten Male das Odium der Bewilligung neuer Steuern auf sich zu nehmen. Generalmajor Wandel erklärte mit Bestimmtheit, daß in den Anlagen des Gesetzentwurfes alle Aus gaben enthalten wären, die durch diese Vorlage zu erwarten wären. Irgendwelche verschleierte Absichten auf weitere Forderungen in Verbindung mit dieser Vorlage lägen bestimmt nicht vor. Die Mehrkostenberechnung de» Korreferenten wäre vom Vertreter der Sozialdemokraten gründlich mlßver- standen. Ersparnisse wären durch Verzicht aus militärisch sehr wünschenswerte Abstriche bei der Musik vorgesehen. Bei der Infanterie, Feld- artillerie, Futzartillerie wären die Etats herabgesetzt. Weitere Ersparnisse würden erzielt durch Umwand lung von Maschinengewehr-Abteilungen in Maschinengewehr-Kompanien und durch Umwand lung von reitenden in fahrende Batterien. Don sozialdemokratischer Seite wird der Gegensatz Zwischen den Ausführungen der Korreferen- ten vom Mittwoch und vom Donnerstag hervorge hoben. In der Zwischenzeit müsse wieder eine Der- stL»di,»»H ht»t«r de» Kulisse» erfolgt sei». Der Krt«g»»t»ister legt entschiede» Ver wahrung ei» gegen de» von sozialdemokratischer Seite erhobenen vorw»rf, «« wäre mit doppelten Karten gespielt worden. Wenn den Referenten eine Lus stellung in die Hand gegeben sei, die die Absichten der Heeresverwaltung für die voraussichtliche Ver teilung der einzelnen Forderungen auf die Jahre 1912 bis 1915 enthalte, so sei da» gerade in der Absicht geschehen, um Klarheit zu schaffen. Di« Auf stellung stehe nicht im Widerspruch mit den Anlagen der Borlage. Diese Ausstellung wäre dem Reichs schatzamt bekannt gewesen. Der Schatzsekretär unter stützt diese Zurückweisung de» sozialdemokratischen Borwurfes in entschiedenster Weise und bestätigt die Angaben de» Kriezsministers. Die Kommission tritt sodann in die Beratung des Z 2 der Heeresvorlage ein. Die Aussprache er streckt sich hauptsächlich auf die Ausstellung von 87 Maschinengewehr-Kompanien (eine Kompanie pro Brigade). Auf Anfrage des Kor referenten gibt Generalmajor Wandel nähere Er läuterungen. Er erklärt, daß die ungleichen Etats stärken bei der Infanterie nichts Ungewöhnliches seien. Die Einwendungen eines Militärfchriftstellers gegen unsere Maschinengewehre seien nickt berechtigt, da sie sicl) nicht auf Beobachtung deutscher Verhält nisse gründen. Ein Mitglied der Reichspartei bedauert die Herabsetzung der Etats bei einem Teil der Infan terie. Ern Vertreter der Konservativen schließt sich dem an, beruft sich aber daraus, daß der Kriegs Minister dafür die Verantwortung trage. Der K r i e g s m i n ist e r betont, daß er die Verant wortung voll übernehme. Von fortschrittlicher Seite wird erklärt, die Budgetkommission könne sich mit den Erklärungen des Kriegsministers zufriedcngeben und soll^ in dein Bedenken nicht weiter gehen als die Heeres verwaltung. Notwendige Fortschritte in der tech nischen Ausstattung der Truppenteile seien von seiner Partei stets bewilligt worden. Die Maschinengewehr-Kompanien werden be willigt. Von konservativer Seite wird bedauert, daß 23 reitende Batterien aus Sparsamkeitsrück sichten in Fußartillerie umgewandelt werden sollen Der Kriegsminister erklärt hierzu, ihm sei die Auflösung der reitenden Batterien ebenfalls sehr schwer geworden, besonders auch mit Rücksicht darauf, -aß es sich um Batterien mit ruhmreicher Vergangen heit handele. Am Freitag nahm die Budgetkommission den Ge setzenttourf über die Friedenspräsenz stärke des Heeres an und bewilligte die Neuforderungen. Die Reichsoerficherungskommissio» führte die Beratung des Abschnittes über Bescheid und Vorbescheid auch am Donnerstag noch nich « zu Ende. Don Bertretern der Rechten, ernjchließlcch der wirtschaftlichen Bereinigung, der Nationallibe ralen und des Zentrums wird in einem aus 45 Para graphen bestehenden Kompromißantrage eine völlig neu« Regelung vorgeschlagen. Von sozialdemokratischer Seite wird gegen diese emgewen- det, daß sie den Wünschen der Berufsgenossenjchaften entspreche, aber nicht die Wünsche der Versicherten be. rücksichtige. Der sozialdemokratisch« Redner gibt zu. -aß in zahlreichen Schiedsgerichten die Rechte -er Rentenberechtigten voll wahraenommen werden, das sei aber nicht überall so. Da» voraelchlagene Berfahren sei so kompliziert, daß der Versicherte sich darin nicht auskennen könne. Von fortschrittlicher Seite wird für möglichste Vereinfachuna de» Verfahrens einaetreten und eine Fassung vorgeschlagen, wonach der Rentenberech tigte vor dem Verficherungsamt vernommen werden mutz, wenn er es verlangt. Gegenüber den Aus führungen Les sozialdemokratischen Vertreters wird von Regierungsserte betont, Laß die örtliche Stelle, das Verficherungsamt, gerade eine große Gewähr für gründliche Prüfung der Berhältnrsse bietet. Don einem bayrischen Mitglied« des Bundesrates nur- zu dem Kompromißantrage erklärt, daß eine end gültige Stellung von den einzelnen Bundesregierun gen noch nicht genommen werden könne, da die An tragsdrucksache rhnen nicht früh genug zugegangen sei Der Regierungsvertreter bittet zu erwägen, ob es nicht zweckmäßig sei, daß das Bersicherungsamt seine Feststellung mache, bevor die Berufsgenossenschaft ein Urteil gefällt habe; es würde das der Regelung im Vorentwurf entsprechen. Der Wortführer der Konservativen bittet aber, auf den Dorentwurs im Interesse des Zustandekommens des Gesetzes nicht zuriickzukommen. Das Schreibwerk müsse unter allen Umständen vermindert werden. Am Freitag nahm die Kommission zu tz 1569, der dem Verletzten das Recht auf persönliches Gehör garantiert, «inen Antrag an. wonach die Kosten für di« Reis« zum Dersicherungsträger sowie der entgangene Arbeitsverdienst zu ersetzen sind. Die Kurpfuscherkommisfion führte am Donnerstag die Aussprache über Len grundlegenden § 1 zu Ende. Der bereits erwähnte Antrag Faßbender auf Beseitigung der Kurier freiheit mit Einführung einer Intelligenz Prüfung wurde zurückgezogen. Die Sozial demokraten verlangten die Verstaatlichung des Aerztestandes. Dieser Antrag wurde ab gelehnt, ebenso wie eine Reihe weiterer Anträge, die von sozialdemokratischer und von fortschrittlicher Seile Vorlagen. Angenommen wurde ein Antrag des Zentrums, daß al» gewerbsmäßig im Sinne des Ge setzes eine Behandlung nicht anzusehen ist, wenn der dafür entrichtete Betrag entsprechend der Erklärung Les Behandelnden ausschließlich und nachweisbar für wohltätige Zwecke Verwendung findet. Die Begründung dreses Antrages bezog sich besonders auf das Wirken de, Pfarrers Kneipp, der ein gottbegnadeter Arzt gewesen sei und den sogar der Papst zu seiner Behandlung zugezogen habe. Von einem volksparteilichen Mitglieds, das sich dem Zentrumsantrage sympathisch geaenüberstellte. wurde aber die Frage aufgeworfen, ob denn Leute wie Kneipp auch die im 8 3 den Kurpfuschern au? drücklich entzogenen Krankheiten, wie z. B. P e st und Pocken, behandeln dürfen, da sie ja dann nicht unter das Gesetz fielen. Die Anzeigefrist für Veränderungen des Wohn sitzes wurde von 3 auf 8 Tage verlängert. Mit diesen Aendcrungen wurde der S 1, der di« Anmeldepflicht iür alle nichtapprobierten Krankenbehandler aus spricht, angenommen. Die Kommission beschloß, immer am Mittwoch und Donnerstag Sitzungen ab zuhalten. Die Schiffahrtsabgabenkommisfioir. beri«t am Freitag über den Entwurf weiter. Der Referent Am Zehnhoff erörterte die Frage, ob erst das Gesetz vom Reichstage verabschiedet und danach mit den interessierten fremden Staaten verhandelt werden solle, oder ob der umgekehrte Weg ein zuschlagen sei. Der Staatssekretär de» Auswärtigen machte Mitteilungen, di« von der Kommission al» durchaus vertraulich erachtet wurden. Der Be richterstatter schlug vor, di« Kommission möge sich zur Information nach Duisburg. Köln. Frankfurt a. M. und Mannheim begeben und die Art der Er«
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