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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.01.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-01-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110127016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911012701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911012701
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-01
- Tag 1911-01-27
-
Monat
1911-01
-
Jahr
1911
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Bezugs-Preis L.LL »lenrlttdrl. V»rch dt» D»A: L«ul>ch>aild« und d«r »«Nchi» ä»l»nt« «ierrrlithrt. <t.«> ^U, «»»all. I«r< «u4jchl. Poswrslrllgcld. Hrrner m vrl-ien, Dänemark, d«n Donaullaaten, Italien. Lurrmdurg. -itederlaade, Star» UXüen^ Oenerirutz Ungarn, Andland, tzch,°«t>r», Schn»«» ». Spanian. Ja all« übrige, Staat« ,« »<rr0 durch dt» ütalchtttdiiaü« da» vlau« «^»tUtch. La» Lrtpelge, Lagedian ertrdenu tt uml tlgltch, Sann- » Art erlag« ««, ««gea». Ldan»e . «l.«nnahi»< Lagaltusplatz 8, bet unter« Lrtgern. HiUal«, Lpedoaur« u»d L»aat>inellcllen. kowle Poütmtr« aud Bnetrrüger». lktugglderlauttprei» »ar ««am». »utgade I« dar «bead-»«aab» » »4, «ed-ktton »ab «es<däft»ae»rr JuhauniegaNe «t. S«>chM»ch«r, l4ü^ l4«U I40V4 Morgen-Ausgabe. UtWigcr Tageblait Handelszeitung. AmtsSkatt des Aales und -es Notizeiamtes der Lla-t Leipzig. Sluzeigeu Prets W» Sataral, aus Uervvg und Umgeduug du Sgeipaltene bl> mm dr«n Letttzetl» 2d ch, dt» 7« mm brau« Matta aiegetl» l «» «»wär» 1t dtatlam« U!L- aM I»t»rat» »« Oeddrd« n» «mUUY« lall die 74 mi» dritte Petireatl, 40 Gel<t>4lt«antemen <nn S »»»»rudrilr« »ad I» der Lvendautgad« >m Prei>« erhöht. Haban nach Larii. Srilagegrdühr s o. lauleno exkt. Loltgebüchr. Hestert eilt« Luttrage können nicht ,nrück- g»»ag« werden. Für da« trtchein« an battuumtrn lag« und LlLgen wir» kria» Sarantt« üdernomm«. «ngetgen. »anahnee: Lagust »splutz VH bei sämtlich« HU laten u. all« Siinon«»- Itkbadlrmnen d« In» und »Utlande«. Haavt-Sillal« «rrlt», Carl Luack,,. »ereogt vatir. posbuch» Handlung vunowüradr II» SaUvdon Vl. «r. 4000». chaual.Stltal» Lretdem Kaeltr u»e 4, t tLeluchon 4üU1t. Nr. 27 Freitag, üen 27. Januar lSll. l05. Jahrgang. Das Wichtigste. * König Friedrich Augu st hat das Pro tektorat über das vom 2. bis 9. Juli inLeipzig stattsindende Mitteldeutsche Bundes- schießen angenommen. * Kaiser Wilhelm vollendet am heutigen Tage sein 52. Lebensjahr. (S. Leitart.) * Der Reichstag begann am Donnerstag die erste Lesung des Gesetzentwurfes über die elsaß-lothringische Verfassung. (S. Reichstagsbericht.) * In Leipzig starb der Geheime Postrat Post - direktor Hänel, der langjährige Vorsteher des Leipziger Briefpostamtes. (S. Lpzg. Ang.) * Der bekannte englische Politiker Sir Charles Dille ist gestern in London gestorben. (S. Ausl.) * Neuesten Untersuchungen zufolge scheint es sich bei der Pest in der Mandschurei um eine noch nicht bekannte Abart dieser Seuche zu handeln. (S. Tageschronik.) * Die Dank von England hat am Donners tag ziemlich unerwartet den Diskont von 4>/2 auf 4 Prozent herabgesetzt. (S. Handelsztg.) Zum 27. Januar. Die geschichtliche Bewegung vollzieht sich in einem beständigen Jneinandergreifen von Per sönlichem und Zuständlichem, von Freiheit und Notwendigkeit. Mit Recht wird von namhafter historischer Seite erklärt, daß das geschichtliche Leben eines Nolles in der Entwicklung gewisser, das Gesamtdasein umfassender psychischer Fak toren, in der Entwicklung der Sprache, der Wirtschaft, der Kunst, der Sitte und des Rechts verläuft, aber nicht minder recht hatte Jacob Burckhardt, als er nachdrücklich betonte, daß es die Geschichte bisweilen liebe, sich einmal in einem Menschen zu verdichten, zu dem dann alle Welt aufschaut. „Schicksale von Völkern und Staaten, Richtungen von ganzen Zivili- sarionen können daran hängen, daß ein außer ordentlicher Mensch gewisse Seelenspan nungen und Anstrengungen ersten Ranges in gewissen Zeiten aushalten könne." Ein flüchtiger Blick auf die Geschichte aller Völker und Länder lehrt uns eine stattliche Reihe solcher überragender Gestalten kennen, die ihrer Zeit den Stempel ihrer Persönlichkeit aufgedrückt haben oder — um im Sinne der modernen Geschichtsauffassung zu reden — die als Typen ihrer Zeit zu betrachten sind. Zweifellos kann man für jede geschichtliche Periode einen Helden ausfindig machen, dessen Eigenschaften sich aus den ihn umgebenden Voraussetzungen ableiten lassen, ihn eben zum Typus seiner Zeit machen. Je weiter der Be trachter dabei freilich auf die Gegenwart zu kommt, um so strittiger werden hier und da die Grenzen für die Einschätzung wirklicher Größe. Und doch kann es keinem Zweifel unterliegen, daß Kaiser Wilhelm zu den großenJndividuen zu zählen ist, die den Charakter ihrer Zeit in ihren Vorzügen und auch in ihren Schatten seiten in sich zusammenfassend zum Ausdruck bringen. In den letzten Jahren war das Verhältnis des Kaisers zum Volk mannigfachen Trübungen ausgesetzt. Das deutsche Bürgertum ist zweifel los aufrichtig monarchisch gesinnt. Es erwartet aber, daß die Ausdrucksformen des monarchischen Gedankens den Erfordernissen eines modernen Staatswesens nicht widersprechen; es wünscht einen klar umrissenen Konstitutionalismus und zeigt sich empfindlich gegen alle absolu tistischen Velleitäten und gegen Ausflüße einer romantischen Weltanschauung, die nicht mehr in unsere Zeit paßt, sondern nur noch historisch gewürdigt werden kann. Diese Meinung des Volkes kam in den Novembertagen des Jahres 1908 überwältigend, stellenweise vielleicht in allzu leidenschaftlichen Formen zum Ausdruck. Wir dankten es dem Kaiser, daß er seit diesen Stunden der Aussprache die Tapferkeit bewiesen, die sich selbst bezwang; aber wir mußten im vergangenen Jahre die Tage von Königsberg, Marienburg und Kloster Beuron erleben. Neue Besorgnis bemächtigte sich aufrichtiger Vater landsfreunde, und sie begann erst dann einer ruhigeren Auffassung zu weichen, als weitere Kundgebungen solcher, das mündige deutsche I Volk schmerzenden Art unterblieben. Mit dankbarer Freude begrüßen wir die Zeichen dieser wiederholten Selbstbezwingung des Kaisers, und wir sind überzeugt, daß die auf rechten Staatsbürger eben deshalb dem Kaiser am heutigen Tage frohbewegten Herzens zu jubeln werden. Möge ihm noch ein langes, reichgesegnetes Leben in geistiger und körper licher Kraft beschicken sein! Aber zu diesen Wünschen gesellt sich eine bange Befürchtung. Die widerwärtigsten Schmeichler schleichen an den Thron heran und suchen in ekelerweckenden byzantinischen Floskeln den Kaiser in die Bahn zurückzu drängen, die er nun glücklich verlassen hat. Höfische Eeschichtsklitterer wagen sich dreist mit der argen Behauptung hervor, daß bei den Dezemberdebatten über die Kaiserreden, die die neue Beunruhigung erzeugt hatten, die maß gebenden Führer im Parlament Mann für Mann aufgetreten seien, „um sich von dem früheren Makel zu befreien". Eine kühnere Fälschung tatsächlicher Vorgänge haben wir in Deutschland in den letzten Jahren kaum erlebt;- denn zum mindesten den Wortführern des libe ralen Bürgertums darf man eine sylche Haltung nicht nachsagen. Immerhin ergeben aber solche Auslassungen die Vermutung, daß gewiße Kreise viel lieber die Fortsetzung eines gespannten Ver hältnisses zwischen Kaiser undVolk als dauernden Frieden wünschen. Vor solchen falschen Freunden, die sich plump an den Kaiser herandrängen, muß er unter allen Umständen zu seinem eigenen Heile und im Interesse des deutschen Vater landes bewahrt bleiben. Deshalb sei unser Wunsch für die Person des Kaisers noch dahin erweitert: Mögen in der Umgebung des Thrones jederzeit aufrechtstehende freimütige Männer vorhanden sein, die den Byzantinern die Larve vom Gesicht reißen und es verhüten, daß durch seiner Rede fortgleiten zu laßen. So war es heute, als er aus das Wahlrecht einging. Wie er schilderte, warum ein Wahlrecht, das Besitz und Bildung be günstige, sich für das Reichsland nicht empjehle, wurde ihm von links zugerufen: „Gerade uns in Preußen." Doch Delbrück schiffte an der Klippe un beirrt vorbei und jagte nur das, was er sagen wollte. Die Regierung hat gesprochen. Nun hat, wie es in deutschen Landen leider rechtens ist, das Zentrum das Wort. Der Straßburger Rechtsanwalt Bon de rsche er verkündet den Willen der Zentrums- gebietiger. Eine gedrungene Gestalt, so steht er auf der Trrbüne, und erledigt mit etwas schwerer Zunge mit Hilfe eines Manuskripts sein Pensum. Nicht ein Separatist, nicht ein Republikaner spricht, sondern einer, der weiß, was er der Mitgliedschaft des Zen trums schuldig ist, das die Throne stützt und der festeste Rückhalt des Staates ist. Dem Kaiser — auch das paßt in die gesamte Politik des Zentrums — wird ein Lob ob serr.er Ritterlichkeit gespendet. Aber die eigenen Wünsche werden doch nicht verhehlt. Sie sind in Kürze: ein eigener Landesherr, Sitz und Stimme im Bundesrat und Beseitigung der Ein schränkung des Wahlrechts zur Zweiten Kammer. „Sind Schwierigkeiten vorhanden, jo sind sie dazu da, um überwunden zu werden." Herr Vonderscheer zitiert es aus der Rede des Reichskanzlers vom März vorigen Jahres. Die „ruhige und sachliche" Rede des Staatssekre tärs wird auch von Emmel gelobt. Aus den Worten des sozialdemokratischen Elsässers klingt so etwas wie Patriotismus. Aus seinem Munde kommt der begeisterte Ruf: „Deutsche sind die Eflaß- Lothrinaer und Deutsche werden sie auch immer bleiben!^ Dann folgt aber die große Kritik der Vor lagen, die natürlich für die Regierung recht schlecht ausfällt. Der Sozialdemokrat wünscht sich Elsaß- Lothringen als Republik mit einer Kammer. Manches möchte auch Basser mann, der als dritter Redner aus dem Hause spricht, geändert sehen. So versteht er nicht, warum man dem Reichs lande nicht wenigstens bei wirtschaftlichen Fragen eine Vertretung im Bundesrate gewähren will. Naturgemäß wünscht Elsaß-Lothringen, bei den Schisfahrtsabgaben ein Wort mitzusprechen, da da durch eigene Interessen auf das empfindlichste be rührt werden. Lieber hätte Basiermann an Stelle des vorgeschlagenen das gerechtere, auch den Minder heiten Geltung verschallende Propcrtionalwahlrecht. Unentwegt durch die Angriffe von links und rechts, von allzu ängstlichen Patrioten und Stürmern, will die nationallioerale Partei für oas Zustandekommen deren Machenschaften eine neue Scheidewand zwischen Volk und Kaiser aufgerichtet werde! Als freie Deutsche, die offen ihre Ansicht be kennen, die aber auch bei einem Widerspruch nie vergessen, daß die Zukunft des Reiches nur in einem lebendigen Kaisertume gesichert ist, rufen wir am heutigen Tage: Heil dem Kaiser! Reichstag unü üte Reichslsnüe. (Stimmungsbild aus dem Reichstage.) I. Berlin, 26. Januar. (Priv.-Tel.) Als heute um 1^ Uhr Präsident Gras Schwerin die Sitzung eröffnet, sieht es nicht danach aus, daß die wichtige Frage der elsaß-lothringischen Verfasjungsreform zur Verhandlung steht. Die Pudlitumlribiinen sind zwar einigermaßen gut besetzt, die Plätze der Abgeordneten aber, und be sonders die Sitze des Zentrums und der Sozialdemo kraten, sind fasi leer, und da nimmt es weiter nicht wunder, Latz die Polen überhaupt nicht vertreten sind. Fast vollzählig sind nur die Nationalliberalen erschienen. Der Staatssekretär Delbrück und nicht der Reichskanzler, wie man erwartet hatte, ergreift Las Wort, um die Vorlage vor dem Reichstag zu ver treten. Er hat kaum begonnen, als auch der Reichs kanzler im Sitzungssaal erscheint. Waren verhältnismäßig wenig Zuhörer im Saal, so war das Interesse der Anwesenden um so größer. Wohl selten Hut man den Worten des Staatssekretärs so emsig gelauscht; und energisch heischte man Ruhe, als einige „Uninteressierte" sich Prioatgesprächen bingeben wollten. Nicht boHpolitiscl)« Darlegungen bot der Staatssekretär, er juchte sich auch aller poli tischen Randbemerkungen zu enthalten, so daß der verbitterte Elsaß-Lothringer keinen Grund hatte, sich gekränkt zu fühlen. Delbrück beschränkte sich darauf, testzustellen, was die Geschichte und die Wissenschaft schon lange bewiesen haben, und bekräftigte durch Zahlen, daß Elsaß-Lotmflngen auch 1870 noch in seiner überwiegenden Mehrheit deutsch gewesen sei. Ueber die Vorlage selbst und den Standpunkt der Regierung lieh er sich nur kurz aus. Der erste Teil und der Schlug seiner Rede bestand aus geschicht lichen und ethnographischen Untersuchungen, die er in ein feuilletonistisches Gewand kleidete. Aus allem sprach die feste Ueberzeugung von der im Kern deut schen Gesinnung der elsaß-lothringischen Bevölkerung, die er durch Erteilung einer freieren Verfassung mehr für die großen Ausgaben des Deutschen Reiches be geistern möchte. Rhetorische Mittel wendet er nicht an. Es ist bei ihm auch nicht so. daß die Sätze wle aus einem Vulkan von Vaterlandsliebe heraus brechen. Bismarck, dem er etwas ähnlich sieht, hätte sicherlich eine andere Rede gehalten. Aber trotzdem wäre es falsch, bei Delbrück auf den völligen Manael politischer Leidenschaft zu schließen. Wenn wir ihn recht verstehen, will er nicht die volle Gewalt einer Persönlichkeit einsetzen. Er ist der Sprechminister im Reiche. Heute soll er über Heimarbeit, morgen über das Berner Abkommen, übermorgen über da« Ver hältnis der Regierung zur Großindustrie und am nächsten Tage wieder über ein anderes Thema sprechen. Wäre er ein Draufgänger, ko entständen hundert Reibungen in der Rcichsmaschine. Daher hat er sich auch für sein parlamentarisches Auftreten die ruhige, fast pointenlose Diktion zur Regel ge macht. Aus Kranke muß es eine wohltuende Wirkung ausüben, den gleichmäßigen Wohllaut seines Organs aufzunehmen. Wo andere scharfe Zusammenstöße hätten, wendet er ein gemütliches Lächeln, oder eine abwartende Handbewegung auf, um ruhig den Fluß eines liberalen Gesetzes wirken, an dem — ohne Außerachtlassung der nationalen Gesichtspunkte — die Elsaß-Lothrmger Freude haben können. Ge schäftsmäßig, wie er es liebt, hatte der national liberale Führer gesprochen; gleich als scheue er sich, das, was er im Herzen empfindet, pathetisch hinaus zuschreien; aber di« innere Wärme drang doch durch. Sorgfältig vorbereitet und rhetorisch glänzend vorge tragen waren die Ausführungen Naumanns (Fortschr. Vpt.). Er hat die Verhältnisse des Reichs landes an Ort und Stelle studiert und hat, wie man weiß, auf ausschweifende Liberale des Landes mäßigend zu wirken gesucht. Manches, was er bot, war mehr die Aussprache von Wünschen anderer und die geistvolle Unterscheidung von Möglichkeiten, als eigene Entscheidung. So pflegt es ja aber bei den ersten Lesungen zu gehen. Die Parteien wünschen sich nicht sestzulegen. Sie bringen die Gesichtspunkte vor, die sich anwenden lassen, ohne zu sagen, wie ihr Votum aussallen wird. Doch konnte man empfinden, daß auch die Fortschrittliche Volkspartei auf das regste positiv Mitarbeiten wird. Herrn o. Dirksen (Rpt.) freilich hatte Naumann nicht gefallen, dagegen äußert er über den Gesetzentwurf eine recht günstige Meinung. Der Reichskanzler hatte fast bis zum Schluß der Rede o. Dirksens ausgeharrt. Dann verließ er den Saal. Er wird nun wohl am Sonnabend sagen, welche Eindrücke er empfunden hat. Die Kulltsnüe in üer sliMchen Türkei. Während im Parlament der Minister Rifaat und der Abgeordnete Ferid sich über die angebliche Be- drchung Mesopotamiens durch die Potsdamer Ab machungen unterhalten, wird der westliche Teil von Türkisch-Asien durch schwere Aufstände heimgesucht. Zunächst waren es die Drusen, die Bewohner des Libanon und des Hauran, die den so notwendigen Frieden des ottomanischen Reiches von neuem störten. Jnoes wurde ihr Aufstand von der seit dem Sturze des Absolutismus energischer gewordenen Zentralregie rung ziemlich rasch nievergebrochen und erreichte bei weitem nicht die Bedeutung seines Vorgängers vor einem halben Jahrhundert, der zu einer europäischen Einmischung führte, weil die von den Drusen be feindeten Maroniten in einem losen Verhältnis zu den christlichen Kirchen stehen. Gleichartig be schädigten Beduinen st ämme der nördlichen Wüste die Mekkabahn an verschiedenen Stellen; man wrnderte sich darüber weniger als früher über die glatt verlaufene Bauarbeit in der unwirtlichen Ein öde, wo es kaum möglich ist, jeden Kilometer mtt Iruvpenmacht zu schützen. Jetzt hat der Ausstand im Jemen wieder einc gefährliche Wendung genommen. E'n Zusammenhang »wischen den rebellischen Drusen und den arabischen Empörern dürfte schwerlich bestehen. Die Wahlschein- lich hethitischen Drusen sind mit oen schweifenden S'miten durch kein anderes Band als das ihrer on- genommenen arabischen Sprache verknüpft. Nicht einmal durch die Religion: der Glaube der Drusen scheint überhaupt nicht aus der mohammedanischen Wurzel entsprossen zu sein. Das uralte Volk gehört mit den arischen Kurden zu jenen freiheilstrotzigen Ge- birgs- und Wüstenbewohnern Vorderasiens, die un- zähmbar erscheinen und vielleicht nur dadurch an immer wieder erneuerten Angriffen auf die vor- dringende Kultur gehindert werden können, daß ein zielbewußter Eroberer sie austilat, wie Alexander der Große das Volk der Tossäer zerstampfte' Mit dem Teile der Araber, der noch heute noma- disiert wie vor Jahrtausenden, steht es nicht viel anders. Es-ist jetzt genau ein Jahrhundert herum, da hatte Inner-Arabien sich eine neue Religion ge schaffen, die von Mohammed nichts wissen will. Die Wa Habit en zerstörten Mekka und Medina, und schon zitterte das von der Janitscharenherrschaft ge schwächte Türkenreich vor ihrem Ansturm, bis d'r ägyptische Prinz Ibrahim ihre Macht brach. Aber nach er-Rijad, wo Allah ohne prophetischen Mittler im reinsten Eingottglauben der Welt waltet, wagt sich noch heute kein Türke. Dagegen sind die Stämme des Jemen im 19. Jahrhundert den Osmanen botmäßig geworden. Allein auch dort ist ihre Herrschaft nicht fest ge worden. In der Südwestecke der Halbinsel ist es inlks weniger die Natur des Landes, welche di-r Er oberung erschwert, als die gefährliche Nachbarschaft, welche die Vormacht des Islams bekommen hat. Dor achtzig Jahren hat sich E n g l a n d des die Meeres straße beherricheirden Felsens von Aden bemächtigt. Diese Erwerbung genügt aber, schon aus strategischen Gründen, dem seegewaltigen Jnselreiche so wenig, wie die Zwingburg am Westtore des Binnenmeeres zwischen Atlantis und dem Indischen Ozean, Gibraltar, ihm ohne Algeciras gesichert genug er scheint. Zudem reizt Jemen an sich, das „Glückliche Arabien" der Alten, das von der Steinwüste der übrigen Halbinsel gewaltig unterlchieden ist, die Begierden des Handelsvolkes. England hat zu der türkischen Festsetzung in jener Gegend von Anfang an scheel gesehen. Längst hat «s auf Mokka, die Heimat stadt des würzigsten Kaffees, Hand geregt. A i<r der Pascha von Sana bleibt ihm ein Dorn im Auge. Die tüchtige türkische Armee würde trotz des außer ordentlich heißen Klimas, der mittägig mehr als öOgradigen Schattentemperaturen wahrscheinlich längir mit den kriegerischen Stämmen der Asir und anderer fertig geworden sein, wenn sie jchlecht- bewaffneten Halbwilden gegenüberstände. An mangelnder Energie liegt die lange Dauer des Aus standes gewiß nicht. Im Jahre '906 drang der fähige Faimi Pascha wohl als erster Heerführer im heißen Mai mit Gewaltmärschen durch die schattenlose Wüste zwischen Bagdad und Medina. Aver im Jemen v^r- !^gte auch seine Kunst. Selbst Siege im Gefechte bringen keine Früchte, weil die eroberten Geschütze immer von frischem aus den Arsenalen von Aden ergänzt «erden. Di« feindlichen Stämme sind von englischen Lehrmeistern zur Bedienui a der Kanonen gedrillt und exerzieren im Feuer vorzüglich. Die Verluste der Türken sind selbst im Siege außerordent lich groß. Aber die schwierige Verpflegung entkräftet schließlich die wackeren Rumelier und Anatolen und das Ende ist —die Niederlage. Jemen ist ein offenes Grab für die türkischen Heere geworden. Nunmehr ist Sana selbst von den Insurgenten eingeschlossen. Rur die Küstenstadt Hoherda ist noch unoedroht. Wie groß die Gefahr geworden ist, beweist die massenhafte Truppensendung, zu der sich die Re gierung trog der schlimmen Finanzlage entschlossen hat. Vielleicht geht Schefket, der Besieger Abdul Hamids und der Albanesen, in Person auf den Kriegsschauplatz, obgleich die innerpolitische Lage gerade jetzt ihm die Anwartschaft auf das Groß- wesirat mit außerordentlicher Machtvollkommenheit eröffnet. Aber den Verlust einer so wichtigen Pro vinz abzuwenden, ist doch die nächste, die höchste Auf. gäbe. Eine neue Niederlage vermag das unsichere Regiment der Jungtürken nicht mehr zu ertragen. Wie rührig England in Arabien am Werke ist, zeigt auch die Truppenlandung in einem Küstenplatzc Hadhramants, des langgestreckten Südlandes der Halbinsel. Indessen ist es verfehlt, wie geschieht, das Bombardement des Dorfes als «inen „englflch- türkischen Zwischenfall" zu bezeichnen. Auf Hadhramant hat die Pforte niemals Anspruch er hoben. Es geht aber aus dem Ereignis hervor, daß das Vritenreich. das längst in Koweit und Mascat seinen Einfluß geltend gemacht bat, ernstlich die Um klammerung ganz Arabiens m Angriff nimmt. Ge langen zuletzt beide Ufer des Rocen Meeres in serne Hand, so wird allerdings der Seeweg nach Indien menschlicher Berechnung nach sicher gedeckt jein. Reichstsgswstllvorberettungen. Das Blockabkommen zwischen Nationalliberalen und Fortschrittlern für B a de n ist jetzt dem Abschluß nahe. Schwierigkeiten hat besonders die Ueberlassung des Wahlkreises Freiburg an di« Fortschrittliche Volkspartei gemacht, wohingegen die Fortschrittler auf Konstanz verzichten müssen. Eine Freiburger Ver trauensmännerversammlung der Nationalliberalen hat unter energischer Einwirkung des Parteichef» Rebmann nach starkem Widerstand beschlossen, Frei- bürg der Dolkspartei zu geben. Wahrscheinlich wird durch das Blockabkommen folgende Verteilung der Kandidaten vorgenommen: Der Block stellt bei den Reichstagswahlen in 11 von 14 Wahlkreisen Kandi daten auf, und zwar nationalliberale Kandidaten im 1., 2., 4., 7., 9., 11., 12. und 13. Wahlkreise, Kandidaten der Fortschrittler im 5., 6. und 10. Wahlkreis. Viel- Vielleicht wird auch im 3. Wahlkreis ein nationallibe raler Kandidat ausgestellt. — Auch die Nationallibe ralen der Provinz Brandenburg haben in ihrer Provinzialversammlung dem Zusammengehen de» Nationalliberalen mit der Fortschrittlichen Volks partei bei der Reichstagswahl zugestimmt. Nach längerem Zögern haben jetzt auch noch die Antisemiten des Wahlkreises Eisenach-Derm bach einen Kandidaten in der Person de» Weimarischen Landtagsabgeordneten Landwirt» Kaiser (Tiefenort) aufgestellt. — Wie von natio- nalliberaler Seite bekanntgegeben wird, ist La» Wahlabkommen zwischen den Nationalliberalen und der Fortschrittlichen Volkspariei im Wahlkreis« Weimar-Apolda noch immer nicht perfekt, da einzelne Gruppen der Fortschrittlichen Volkspartet noch nickt dazu zu bestimmen waren, ihre Zustimmung zu den Weimarer Beschlüssen zu geben. Da ähnlich« Nachrichten auch aus verschiedenen anderen thürin gischen Wahlkreisen kommen, scheinen die Einigungs bestrebungen der liberalen Parteien doch leid«» manchen Mißerfolg zu zeitigen. — Im Reichstags- I Wahlkreise Hanau-Gelnhausen stellte da»
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