Volltext Seite (XML)
Nr. 52, XXXIV. Jahrgang, Wochenberichte Leipzig, 24. Dezember 1919. Handelsteil der Leipziger Monatschrift für Textilindustrie A ” Zugleich: Wochenschrift für Spinnerei und Weberei. Handelsblatt Allgemeine Zeitschrift für die Textil-Industrie Begründet 1884 in leipzio. für die gesamte Textil-Branche. vormals „Die Textil-Zeitung“. Fachzeitschrift für die Wöll-, Baumwoil-, Seiden-, Leinen-, Hanf- und Jute-Industrie, für den Garn- und Manufakturwarenhandel, sowie die Tuch- und Konfektionsbranche. Nachdruck, soweit nicht untersagt, nur mit genauer Quellenangabe gestattet. Organ der Sächsischen Organ der Vereinigung Organ der Norddeutschen Textil-Berufsgenossenschaft. Sächsischer Spinnerei-Besitzer. Textil-Berufsgenossenschaft. LEIPzio, e Dörrienstraße '< ; v,rlM: Hl Herausgegeben von Theodor Martins Textilverlag in Leipzig. ||| T.ierS™ 0 ^ Diese Wochenberichte erscheinen jeden Mittwoch und bilden den Handelttell der „Leipziger Monat- ■chrift für Textil-Industrie“. — Der Preis für die „Leipziger Monatsohrlft für Textil-Industrie“ mit den viertel jähri. erscheinenden „Sonder-Nummern“ und den Beiblättern: Muster-Zeitung und Mit teilungen aus und für Textil-Berufsgenossenschaften beträgt für Deutschland, Österreich, Ungarn u. Tschechoslowakei?™ Halbjahr«* 8,—, übrige Länder pro Halbjahr «* 25.—. Die „Wochenberichte“ können zum halbjährl. Preise von «* 7,— für Deutschland, Österreich, Ungarn und Tschechoslowakei, übrige Länder zum halbjährl. Preise von «* 20.— bezogen werden. In der deutschen Post-Zeitungspreisliste sind die Monatschrift nebst Beiblättern (auf Seite 809) unter „Leipziger Monatschrift für Textil-Industrie“, die Wochenberichte (auf Seite 369) unter dem Titel „Wochenberichte der Leipziger Monatschrift für Textil-Industrie“ eingetragen. Die B ezugs-Geb ühr ist im voraus zahlbar. Wenn ein Bezug spätestens einen Monat ver SchluE des Halbjahres nicht gekündigt wird, gilt derselbe als fortbestehend. Anzeigen- Gebühr: Petitzeile (3 mm hoch und 43 mm breit) oder deren Raum Jf 1,—, Stellen gesuche 70 Pfg. Bei Wiederholungen Rabatt nach Tarif. Beilagen nach feststehendem Tarif. Adresse für sämtliche Zuschriften und Geldsendungen: Leipziger MonatSCbrift für Textil-IndUStrle, Leipzig, DÖrrlenstr. 9. Sächsische Textil-- Beruf sgenossenschaft. In der Vorstandssitzung vom 10. Dezember 1919 sind unter zeichneter Kommerzienrat Ernst Könitzer, Zittau, i. Fa. E. F. Könitzer, als Vorsitzender des Vorstandes, Herr Kommerzienrat Alfred Kahle, Leubnitz b. Werdau, Direktor der Vigogne-Aktien-Spinnerei Werdau, als stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes gewählt und Herr Kommerzienrat Stadtrat Franz Schneider, Mylau i. V., i. Fa. Schneider & Claviez, als Schriftführer des Vorstandes wiedergewählt worden. Leipzig, den 15. Dezember 1919. Der Vorstand der Sächsischen Textil-Berufsgenossenschaft. Kommerzienrat Ernst Könitzer, Dr. jur. Löhner, Vorsitzender. Direktor. Aus der Geschichte der nieder rheinischen Baumwollindustrie. (Schluß.) [Nachdruck verboten.] In der dritten nunmehr zu betrachtenden Periode reift die Baum wollindustrie zur Großindustrie heran. Zunächst ging man daran, anstelle der veralteten Maschinen fran zösischer Konstruktion die modernen englischen Spinnmaschinen einzu führen, beschränkte sich aber vorerst noch auf die Fabrikation der groben, für die Biberfabrikation zur Verwendung kommenden Garne, da nur sie durch den nach dem mangelhaften Zolltarif bestehenden Gewichtszoll einen hinreichenden Schutz genossen. In diesen groben Nummern bis etwa Nr. 16 nahm die Baumwollspinnerei des niederrheinischen Bezirks in den 50 er Jahren einen bedeutenden Aufschwung. Eine ganze Anzahl noch heute bestehender bekannter Spinnereien wurde um diese Zeit ge gründet. Bereits Anfang der 60 er Jahre hatte sich die mechanische Baumwollspinnerei so befestigt, daß sie in den groben Nummern den Bedarf der heimischen Weberei zum größten Teil decken konnte. Im Anschluß an die verbesserten Spinnereien entstanden die mechanischen Webereien. Besonders die Biberwebereien nahmen mit ihren Kraft stühlen einen bedeutenden Aufschwung. Ebenso entwickelten sich die Druckereien, Färbereien und Appreturanstalten. In die Zeit dieses Aufschwunges fiel der nordamerikanische Bür gerkrieg und rief in der niederrheinischen Baumwollindustrie eine schwere Krisis hervor. Die Baumwollzufuhren wurden immer geringer. Die Baumwollpreise stiegen um das Vier- bis Fünffache und erreichten damit eine Höhe, wie man sie seit der Kontinentalsperre nicht mehr erlebt hatte. Die Fabrikanten sahen sich bei der immer stärker werden den Baumwollhungersnot gezwungen. Ersatzartikel für Baumwolle zu suchen- Man machte Versuche mit Jute, die sich aber als nicht stark genug erwies. Man verspann Spinnabfälle aller Art. Der Leinwand faden kam wieder zur Geltung und auch die Wolle fand als Einschlag viel Verwendung. D Erst mit Ende der 60 er Jahre begann ein neuer Aufschwung der KOTn,m n ii,„j....<—• iederrheinischen Bezirk. Die unheilvollen Fol- ’ünderjahre traten kaum in Erscheinung. Erst rat wiederum ein allgemeiner Konjunkturrück- •ch eine Reihe ganz besonderer Umstände. ■lischen Baumwollspinnerei war um diese Zeit worden. Tn Nordamerika hatte die Baumwoll- Aufschwung genommen, daß sie den Garnbedarf sache selbst befriedigen konnte. Die Kaufkraft r infolge einer gewaltigen Hungersnot aufs äußerste geschwächt. Der Export nach den Hauptabsatzgebieten Eng lands stockte somit fast vollkommen. Nun strömten Massen, von eng lischen Garnen nach Deutschland mit seinen niedrigen Zollschranken, und die Garne wurden zu Schleuderpreisen auf den niederrheinischen Markt geworfen. Hatte so die Baumwollspinnerei unter diesen beson deren Gründen schwer zu leiden, so kamen als allgemeine auch die Weberei benachteiligende Ursachen, die großen Preissteigerungen von Baumaterialien, von Eisen, Maschinen, Kohlen usw. in Frage. Dazu kamen die um 25—35 % gestiegenen Arbeitslöhne und die auch auf allen anderen Wirtschaftsgebieten eingetretene Geschäftsstille, die den Garn- und Gewerbekonsum verringerte. Der Niedergang der Baumwoll industrie führte zu starken Betriebseinschränkungen und teilweise sogar zu vollkommener Stillegung von Betrieben. Die ungünstige Konjunktur für die Baumwollindustrie hielt bis zum Jahre 1879 an. Mit diesem Jahre trat ein Vollkommener Um schwung in der deutschen Handelspolitik ein. Überall wurde der Ruf nach stärkerem Zollschutz laut. Auf das energische Drängen der Baum wollspinner wurde 1879 eine Enquete über die Lage der deutschen Baum wollindustrie veranstaltet. Das Ergebnis dieser Enquete war ein Tarif mit so hohen Zollsätzen, wie sie selbst der Zentralverband deutscher Industrieller nicht beantragt hatte. Der Zoll für Garne eindrähtig roh pro 100 kg betrug: bis Nr. 17 ’. . 12 Jt Nr. 18 „ „45 18 „ „ 46 „ „ 60 24 „ „ 61 „ „ 79 30 ,. ,, 80 u. darüber 36 „. Die Sätze für rohes gebleichtes zweidrähtiges Garn beliefen sich auf 15 tv 39 «^ 6 ’ tül - gebleichtes oder gefärbtes auf 24—48 Die \\ eberei suchte man gleichfalls durch besonders hohe Zölle zu entschädigen, indem man für rohe, gebleichte und bunte Gewebe einen Zoll von 80, 100, 120 M festsetzte. Es trat dann ein allgemeiner Aufschwung in der niederrheinischen Baumwollindustne bis zum Jahre 1883 ein. Eine Depression infolge einer allgemeinen Überproduktion machte sich in den Jahren 1884 bis 1886 bemerkbar. Darauf folgen wieder 3 verhältnismäßig günstige Jahre. Im Jahre 1890/91 erfolgte seit 1879 der größte Tiefstand. Diese Konjunkturschwankungen in der niederrheinischen Textil industrie haben sich seit dem letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts noch ganz erheblich verschärft. Seit 1891 ist mit Ausnahme einiger Aufwärtsbewegungen im allgemeinen ein schleichender Geschäftsgang zu beobachten, der seinen Tiefstand im Jahre 1901 erreichte. Erst 1903 trat die Wendung zum besseren ein, und es entwickelte sich 1904/5 eine Hochkonjunktur, die mit dem Jahre 1907/08 ihr Ende erreichte. Einen Hauptteil der Schuld an den besonders häufigen und heftigen Konjunkturschwankungen in der Baum Wollindustrie tragen zweifellos die Erzeugnisse auf dem Baumwollmarkt, die sich mit der Zeit immer kritischer für- den Spinner gestalteten. Mit dem gewaltigen Aufblühen der Baumwollindustrie in den Vereinigten Staaten von Nordamerika und der Emanzipation der kontinentalen Spinner von den englischen Märkten war der Schwerpunkt des Baumwollhandels von Liverpool nach Nord amerika verschoben worden. Die Börsen von New-Orleans und New- York bildeten den Schauplatz für eine durch wilde Spekulation seitens einer mächtigen Unternehmergruppe hervorgerufene künstliche Preis treiberei. Die übermächtige amerikanische Spekulation beherrschte die Märkte derart, daß nicht nur die Terminpreise, sondern auch die Preise effektiver Baumwolle den größten Schwankungen unterworfen waren. Der Baumwollindustrie wurde damit jede Grundlage für eine sichere Berechnung entzogen. Am schwersten litt unter diesen ständigen Schwankungen die Baumwollspinnerei, weil sie sich am meisten den Bewegungen des Rohstoffinarktes anzupassen hat. Überblickt man die ganze Entwicklungsgeschichte der niederrhei nischen Baumwollindustrie, so drängt sich unwillkürlich ein Bild auf: der Vergleich mit einem Strome, der aus kleinen Anfängen heraus, nach Überwindung vieler Hindernisse und Klippen sich mächtig entwickelt. So begann auch die niederrheinische Baumwollindustrie klein und un scheinbar. Langsam ging ihre Entwicklung vor sich. Viele Hindernisse hatte sie zu überwinden. Als ein bedeutender Industriezweig trat sie in den Weltkrieg. Der Umstand, daß Deutschland gerade die Länder, von denen es im Baumwollbezug' abhängig ist. zu seinen Feinden zählen mußte, mußte natürlicherweise auch für die niederrheinische Baumwoil-