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Zu ver weißgetanchten Turmzelle holte er einen Scherben unter seiner Lutte hervor. Darein spiegelte er prüfend sei» Antlitz. Dan» schüttelte er murmelnd den Kops: „Tut mich keiner kennen mehr. Bet Wenzel» Blut! Trug nicht ver Vtattmer von dazumal langen Bart und lange» Haupthaar- Und hat nicht die Narbe hier über SNrn und Nase mein Antlitz verstellt? Zieh die Mönch- kapuze tteser in» »«sicht - MSnchletn, und hab Mut." Wieder ging er die Stiege hinab zum Saal, wo mächtige Tannenscheitt im Samt« schwelten. Dort saßen im Krühlicht am plumpen Holztische drei Männer. Die lösselten au» irdener Schüssel den heißen Morgenbret. Ver Mönch schlug ein Kreuz und sprach den Segen. Dann setzte er sich bescheiden an» untere Ende der Tafel. Die drei anderen »ahme» wenig Notiz voa ihm. Sie wäre» zu sehr in ihr Gespräch vertieft. Am oberen Tisch ende nahe dem Samin saß Nikola«» Berka von der Duba. Sein dunkelroter Mantel war mit Pelz verbrämt. Er hatte ihn trotz der Nähe de- Samin» noch über den Leib rock geworfen. Sei» linke» Bein war dick umwickelt und lag erhöht aus einem Schemel. Ihn plagte da» Zipper lein so arg. Ein großer grauer Bart hing ihm in langen Zotteln über die breite Brust. Haarlos und blank wie die Eisscholle» im Elbwasser war sein Haupt. Seine Augen blickten wässrig und trübe, sie hatten wohl zu oft 1» den Wetnkrug geschaut. Er war dem Burggrafen vom Steine verschwägert und hatte vor Zeiten auq^ixmtztaub- nest 1» den Felsen oberhalb der Me nach Bimmen be sessen. Da» hatten ihm Nachbar» in einer Mybe ge- nommen. Hetzt lebte er von der Gnade seines Schwager-, der ihm aus dem Nathen ein Unterkommen gewährte, wo er mit Sausen und Würfelspiel dem Bogt die langen Winterabende verkürzte. WratiSlav, der Bogt, ein echter Böhme von Gewand, Aussehen, Schmutzigkeit und hün discher Unterwerfung, saß neben ihm und sog an seüiem Holzlöfsel, daß chie Mehlsuvpe an seinen langen Bart enden wie Eiszapfen troff. Dem Bogt gegenüber, an der anderen Seite des Berke», saß der junge Benejch Duda, Neffe des alten. Ueber sein blaue- TuchwamS huschten setz« die ersten Strahlen der Morgensonne durch» schmale Fenster, an dessen Gitterstäben der Rauhrsif wie weiße Bartzotteln hing. So saßen die drei Männer in ihren bunten böhmischen Gewändern m der eigentümlichen Be leuchtung der blassen Wtntersonne und der rötlicher Flammen, die aus den Kienschelten sprangen. Der Junge im kornblumenblauen WamS stützte den Sops in die Hände und nagte die stzrke llnterlitzve. „Bei König Ottokars Todl Meint Ihr, Ohm, mir gefiele daS Herumliegen hier länger- Aehd wM ichl Myd brauch ich! Sonst sterb ich. So nichts zum Beißen und Brechen haben, nur von der Gnade anderer leben — pfui Teufel! Dazu sind wir Berken von der Duba zu schade. Ein Ge schlecht wie unser- könnte den ganzen Taub hier be herrschen." Der Ohm griff an sein krankes Bein. „Geschlecht wie unsers- Du träumst wohl, Söhnchen! Werden'» nicht mehr erleben. Heuer sind die Berken von der Duba nur gelittene Gäste beim Burggrafen vom Steine." Die schwarzen Augen de» Jungen blitzten. «Heuer la — ader e» kann ander» kommen. Berkisch Blut ist heiß, da» schreit nach Laten!" Auf und nieder strich der Alte mit seiner runzligen Hand über da» verbundene Bein. „Taten? Wo gibt'» die, he? Ja, dazumal, al» ich noch jung war. Ader setzt?" Der Junge pfiff durch die Zähne. „Lu hast recht, Ohm. Kaiser Rudolf ist alt. Aber dann, wann sie einen neuen küren, gibt'» allemal Streit. In Herzog Albrecht loht der Jähzorn, wenn sie einen anderen küren als ihn, den Sohn, nach de» großen Vater» Tode. Sein eigener Schwager, König Wenzel, ist ihm reindc mzusrtedm der steirische Adel." Er stand ans und stocherte vn. dev Msenstange in den Holzkloben im Kamin, daß die Schotte nachten und «in Funkregen stob. «Lkalte Weihnacht Heuer l" Und NikolaÄ-Ulte sich fröstelnd tu Mm Mantel. „Kommt mein gestrenger Schwager, ver Burggraf, schon? Und sei» «achthaattge» Kind?" Der Bogt kaute an snnen Bartende» «ch schüttelte den Bep». - „Vie Sonne ist noch Ms, Herr Nikolaus. Die nacht- haarige Jadwtg schläft gern länger. «iS zur Messe ist» ja noch Zett." Bet dem Worte Messe schien ihnen der Mönch am unteren Tischende einzufallen. Der hatte seine Suppe ausgegessen und starrte au» dunklen Auge» vor sich hin. Der junge Duda schlug mit der eisernen Feuerstange aus den Tisch. ,Heda, Pater, warum so schweigsam- Wa» gibt'» Neues tm Kloster?" Der Mönch zuckte die Achsel». „Neue», junger Herr? Rosenkranzbeten und Geißel schwingen den ganzen Tag." Hell lachten die beiden Berken setzt aus. „Oh, ihr fuchslistigen Mönche! Mr kennen daS. Nie mand hat besseren Wein tm Keller, al- euer Abt. Kein« fettere Karpfen und saftigere- Wildbret. Ihr schaut frei lich nach magerer Kost aus. Wie ein Würfelbecher sä tief liegen Eure Wangen zwischen den Knochen." Der Mönch nickte. ,Mm lange siech. Aber gebt mir noch einen Teller Suppe. ES ist kalt." Er löffelte sie langsam, den Kopf tief gesenkt. Dann fuhren sie plötzlich alle auf. Pferdegetrappel wa» hikckar auf der Zugbrücke. Lwch schon der Burggraf zu so früher Stunde?" Der Bogt polterte die Stiege hinunter, desgleichen der junge Duba. Der Alte konnte sich seine» Zipperlein wegen nicht rühren. Der Mönch war an da» schmale ver- Merke Fenster getreten und sah in den Hof, wo jetzt der Burggraf vom Steine von feinem Rappen sprang. Er war von hagerer, sehniger Gestalt. An seinen und seiner Mannen Bartenden hing weiß der Rauhreif. Scharf unS hart waren seine Augen, fest und schmal seine Lippen. Er gab dem Bogt und dem jungen Duba die Hand zum Gruß. Dann wandte er sich und hals seiner Tochter vom Falben. Schwer hingen die schwarzen Zöpfe über da- blaue Tuch ihre- Mantels herab. Mehr konnte man nicht erkennen vom oberen Saalfenster aus. Da entstand ein Getümmel und Schreien hinten Svt den letzten Mannen an der Zugbrücke. Der Burggraf, Ser just tu die Stallung den Pferden nachgehe» wollte, wandte de« Nwf. „Ekmt Ihr denn nimmer Ruhe halten, böv-iHH Tolk? KaS gibt'» wieder?" Bchl hinten über die Zugbrücke brachte» Rr Whmen einen Gebundenen. Sie stießen ihn mit rohen SchNr-vortsrt vor 8« Grafen. „Den fingen wir im Walde ad, Herr. Schsut »ch, rk eS mcht der Ratimer ist." Der Graf fchaute dem Gefesselten Urs AnKitz. Dem hingen die Haare wirr ins Gesicht, da- entstellt war sock Narben und Wunden. Der vom Steine zuckte die Achseln. ,Hch kann's nimmer erkennen jetzt, müßt ihn erst ordentlich säubern und waschen. Sind schon zuviel Jahre her, seit ich den Ratimer zuletzt sah. Sperrt ihn solange in- Verließ." Dor Gefesselte winselte und sank vor dem Gestrengen la die Knie, die naß wurden vom Schnee. Von den Rossen her, wo sie bis dahin schweigend ge standen, trat jäh des Burggrafen Tochter. Sie hob deck rechten Arm, der die Peitsche trug, und wteS auf deck Knienden. „Das ist nicht on Ratimer, Bater. Laß ihn lausen." Der Vogt hob ängstlich den Kopf. „Wißt Jlr das so genau, Frau Jadwtg?" Etwas wie Spott sprang um ihre Lippen. „Das weiß ich genau, WratiSlav. Den» ich Hatz- Ratimer gekannt." Der Bogt nickte ehriA. «uch, Frau Jadwtg — wir auch. Moe kmgs Pükpe veemrdern viel." Sft wür digte den Bogt keiner Antwort und trat auf SV8 ättse« z»i. mich über dich, Bater, über euch alle. Sich dä. VW ksc-mmergestalt dort an tm Schnee. Und dann sag» mir, 4« — und ihr anderen aller Saht ihr je mals den Ratimer knien ?" Und dann sprach sie herrisch zu den Leutenr „Schneidet Hm die Fesseln durch und laßt ihn laufen, die ihr au» AnaL vor einem Ratimer LMert Wrüs!aüerrr.hö Sie sahen scheu aus den Burggrafen, aber der sagte nicht- mehr. Er nickte nur seiner Tochter zu und brummte r „Kannst schon recht haben, Jadwtg." Dann 'schritt er mit in die Burg. Den Gefangenen band man los und ließ ihn laufen. In der Frauenkammer half die alte Magd Frau Jad wtg die schneenassen Schuhe ausziehen. Dabet schwatzte sie emsig von diesem und jenem. Des Burggrafen Tochter saß schweigend in dem hohen geschnitzten Stuhl rmd horte zu. Sie hatte das Haupt mit den dunklen Flechten an die Stuhlwand zurückgelehnt. Ein müder, stolzer Zug lag um thre Lippen. Sie hatte etwas Herrische» und man ge horcht« ihr ohne Widerssruch. Ein Jahr lang war sie eine» böhmischen Edlen Weib gewesen. Die alte Magd hat den Tag nicht vergessen, als die Jungfrau Jadwtg mit dem finsteren Böhmen davonzog, auf Befehl des Bater». Lin lachendes, wildes, übermütiges Sind. Nach Jahresfrist war sie hetmgekehrt als Wittib, eine ernste Frau mtt fest verschlossenen Lippen, die nie kundtun würde«, was fte ge litten. — Die Sonne war höher gestiegen und malte leuchtende Ringe auf die weiße Kalkwand der Kammer. Die alte Magd hob sich keuchend von den Knien, als sie der Herrin daS Schuhwerk gewechselt. „Der Pater ist auch schon da zur Messe heute nacht. Aber ich muß flugs hinunter in die Küche, Herrin, daß mir der Festkuchen nicht verbrennt." Frau Jadwig hob den Kopf. „Sage dem Pater, ich will beichten vor der Messe. Der Knecht soll dir die Wachskerzen geben aus meinem Pferde sack für den Altar." Damit stand sie auf und ging die Stiege hinunter in den Saal zu den Männern. Bon der Burgmauer her kam der Mönch. Er hatte einen Pergamentstreifen und einen Stift in der Hand. Seine scharfen Augen, die unter den dichten Brauen lagen, waren überall. Auf dem Pergament standen Striche und Zahlen gekritzelt. Es sah fast aus, als nähmen seine Augen Maß an jedem Balken. Jetzt kam er zur Zugbrücke Da lief ihm die alte Magd humpelnd über den Schnee nach. „Frommer Pater, ich soll Euch sagen von Jadwig, daß fte noch beichten will bet Euch vor der Messe." Dann, neugierig näher kommend: „Was tut Ihr denn hier mir dem Pergament? Sprüche aufschreiben?" Er nickte gleichgültig. „Freilich, Alte, Sprüche auf schreiben. Bestellt Frau Jadwig. es wäre gut. Ich würde hur Stelle sein." Damit ließ er die Alte stehen und ging langsam über die Zugbrücke in den Wald. Er kam erst zurück, als eS dämmerte. Der Torwart sah ihn erstaunt an. „Was ist Euch denn begegnet, Pater? Lin blutig Tuch Um die Stirn? Habt Ihr Streit gehabt?" Der Mönch schüttelte den Kopf. „Ich bin gefallen in den Felsen, da wollt daS Blut Nicht aushören. Eure Alte kann eS mir noch einmal besser verbinden." Er ging über den Burghof zurück. DaS dunkle Tuch lag breit über der Stirn und dem linken Auge, so daß VS sein Antlitz fast beschattete. — Ueber dem Elbtal stand die heilige Weihnacht. Wunder sam leuchtend hingen die Sterne wie ewige Lampen am Ftrmwnent. Ueber die dunklen Tannen im Tal stieg weiß der Vollmond. Es war kalt. Der Schnee stöhnte und knirschte unter den Schritten der Mannen, die quer über den Burghof zur Kapelle gingen. Auf dem Altar brannten die hohen Wachslichter. Matten, rötlichen Schein warf die ewige Lampe auf die Steinfllesen. Dunkel lagen die feuchten Wände im Hinter gründe, denn das matte Licht reichte nicht weit. Borm Beichtstuhl kniete tm blauen Mantel Frau Jadwig. Hinter dem Gitter saß der Mönch mit der verbundenen Stirn. Es war noch niemand sonst in der Kapelle. Sie war eine andere hier al» draußen auf dem Hof bet den Mannen. Ihr Gesicht war weiß, und ihre Augen groß und dunlel. Sie kniete mit gefalteten Händen, das Haupt tief gesenkt. In halblautem Flüstern kam es von ihren Lippen. Sie sah nicht den Mönch, noch sein stählerne» Auge hinter dem Gitter. Denn es war dunkÄ km Beichtstuhl, voi dem st« kniete. Aber er sah sie. Und er neigte sein Ohr ihrem Llüstgg^ „Strafe mich nicht oarum, hetltge wrurrer Gotte-, daß ich die Tochter bin de» Manne», der einen anderen nm die Heimat gebracht hat. Und habe doch schuld daran, daß, Ratimer vom Rathen mußte." Ihr Atem ging schwer. Der Mönch rührte sich nicht. „Alle Weihnacht beichte ich dtr da», o du Hochgelobt««, fett Ratimer in der Ferne ist." Sie holte tief Atem. Da sagte der Mönch mtt heisere«, kaum hörbavep Stimmer „Und was tatest du, meine Tochter, da» Ratinwr zu Fäll brachte?" Sie wurde noch einen Schein weißer und sah sich einen Augenblick scheu um. „Als mein Vater Streit hatte mit Ratimer wegen d« Grenze und der Streit immer ärger wurde, daß wir mH unfern Mannen gegen die Burg gingen und ste belagertes traf ich beim vejaid den Ratimer im Walde. E» war tttz Herbst, wann die Hirsche schreie«. Er sah ele»d an» bat mich, b« meinem Bater ein gute» Wort für iHv einz», legen, daß man sich einige und die Belagerung aufhöoe. Ich lachte und ries übermütig:! „Ja, Herr Ratimer, ich wul'» tun, so Ihr mich auf den Kmen bittet." Da wurde er zornig. „Ratimer hat noch nte gekniet vor einem Weibe", ries er — ,^vtr kämpfen weiter". Sv schritt er fort. Ader tn mir kochte S. Ich war jung und stolz ucktz gewöhnt, daß man mir gehorchte. Boll Zorn kam ich heim zu meinem Bater, der alles tat, wa» ich wollte. Zu immer neuem Sturm gegen die Burg reizte ich ihn, bi» der Rathen fiel. Ich wollte den Ratimer vor mir auf dm Knieu sehen." — Wie au» weiter Ferne Nang jetzt die heisere Stimm» de» Mönches dazwischen: „Gelang Euch da»?" Ste preßte die Zähne zusammen. „Nte." „Und Ratimer'?" „Niemand konnte ihn sangm Bier Jahre schon suchet» ste ihn jetzt." „Warum da»?" „Er hat sich am König von Böhmen vergangen. HiH ihm den Lehnseid versagt und Mannen." „Weil er ein Deutscher war und kein Böhme." Der Mönch hatte e» zornig hervorgestoßen. Sie hob erstaunt den Kopf. „Woher wißt Ihr da»?" „Die Leute erzählen es. Ader die Zeit eilt, mein» Tochter. ES ist gleich Mitternacht. Bereust du deine Schuld'?" Sie fuhr zusammen bet dem strengen Tone de» Beicht vater». Sie hatte wohl einen Augenblick vergessen, wes halb ste hergekommen. Jetzt beugte ste wieder demütig da» Haupt. Ihr Murmeln ward leiser. Da erteilte er ihr Absolutton. Und eine Pönitmz, über die ste staunte. Daß ste heute die Messe nicht höre» dürfe. Sie war erschrocken darüber, aber beugte sich willig dem Ausspruch. Denn sie war eine gehorsame Tochter der Kirche. Gesenkten Haupte» schritt sie au» der Kapelle, alh e» Mittemacht schlug. Der Mönch sah ihr nach^ »Hätte deine scharfen Augm nicht brauchen köinien bet dem Altarltcht, Frau Jadwig. E» ist Vesser so. Wen« mich auch die Binde für andere unkenntlich macht." Und er trat au» dem Dunkel de» Beichtstuhl». L »apttet. Steil hebt sich der Hockstetn au» dem Polenztale mtt seinen jäh abstürzendm Wänden wie ein trutztger Wäch- ter. Auf diesem schier uneinnehmbaren Felsen, der nur durch vier schmale Bohlen, die eine Brücke darstellen, mit der Außenwelt verbunden ist, ragt die Burg Hockstein. Al» Ratimer vom Rathen tn Zorn und Trutz dem Böh menkönig die LehnSabgaben weigerte und dieser seinen Burggrafen Romuald Nieman» vom Könwstein gegen ihn entsandte, verlor Herr Ratimer tnnerhalb eine» Jahre» dm Rathen und dm Hockstetn. Persönlicher Haß de» Burg grafen hatte mttgespielt. Sie lebten schon lange wegm Gvmzstreittgkettm tn Fehde miteinander. Da ward Herr Ratimer tm Namen de» König» de» Lande» verwies« Eß» er die» Gebot ützerjchrttt, durfte ihn töt«, uw» ihn