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Nr. 44. Sächsische Volkszeitung Seite 7 Der Mger zweier Reiche Fasienhlrlenbrief des Viscl'oss von Mißen Petrus Legge Der katholische Christ als 1. Das gewaltige und herrliche Weltall konnte der Glorie des Ewigen völlig genügen. Ader da unser armes Menschenherz keine Ruhe findet, wenn es nicht Gott gefunden hat, so hat der Herr in der von ihm ge schaffenen Welt geheiligte Orte ausgewählt, wo er sich würdigt, seine Gegenwart zu offenbaren. Aus der Fülle der Zeiten ertönt eine Stimme: „Ecce venio", Siehe ich komme, hier bin ich. „Er hat sich selbst entäußert, indem er Knechtsgestalt annahm" (Phil. 2,7). Dreiund- dreißig Jahre hat Jesus Christus in dem demütigen Ge wände unserer menschlichen Natur mit seiner Gegenwart alle begnadigt, die in seiner Nähe weilen durften. Wer damit gab sich die Heilandsliebe nicht zufrieden. Mit dem Fleisch der Sünde bekleidet, hat er sich am Kreuze sterbend der göttlichen Gerechtigkeit hingegeben, um uns arme Menschen vom ewigen Tode zu erlösen. Kann jemand noch eine größere Liebe erwarten? Gewiß nicht, aber unser Heiland tat noch mehr. Er wollte auch als Opferlamm nicht nur in der Erinnerung der Christen heit fortleben. Die Kette seiner Gnadengaben an die Menschheit will er nicht unterbrechen, sein Volk dem Schmerze der Trennung nicht überlassen; so wohnt er in unserer Mitte, gering und klein und erniedrigt, den Sinnen verborgen, nur vom Glauben erfaßt und opfert sich täglich unblutiger Weise für uns alle im hl. Meß opfer. Diese Opserliebe des Meisters hat die Christen heit begriffen, sie spricht in tiefem Glauben: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes" (Matth. 16,16). Um Christi willen ragen die hohen Türme der Dome zum Himmel, um Christi willen steht in Einsam keit das kleinste Diaspora-Kapellchen. Für ihn, den Meister der Liebe und des Opfers, hat die Kirche die geheimnisvolle Pracht der Liturgie ersonnen und ent faltet. Katholischer Gottestempel, du bist das immer weite, das immer herrliche Haus der Liebe des Ewigen; erbaut für Gott, wurdest du groß gemacht für uns, sein Volk. Deine Pforten stehen allzeit offen, keine Schild wache hindert uns am Eintreten, wir brauchen keinen Ausweis vorzulegen. Gott selbst ruft uns: „Ich habe diesen Ort erwählt und habe ihn geheiligt, auf daß mein Name, mein Auge, mein Herz hier seien jetzt und allo Zeit." (3 Könige 9,3.) Gottes Haus ist seines Volkes .Haus! „Siehe das Gezelt Gottes mitten unter den Menschenkindern" (Geh. Off. 21,3) in der großen Volksgemeinschaft, unter all den Kreuzträgern. Hier will der Heiland tröstend und Wohltaten spendend durch die Jahrhunderte sein Lebenswerk fortsetzen, das er in der lebendigen Gemeinschaft mit dem Volke be gonnen hat, als er auf Erden ivandelte. „Kommet alle zu mir, die ihr mit Mühe und Arbeit beladen seid, ich will euch erquicken" (Matth. 11,28). Du wirst sehen, mein Christ, wie sie bleich und abgehärmt kommen aus den Hütten der Armut, aus herrlichen Palästen, wie sie hcraussteigen aus den eleganten Autos, wie sie selbst von Fürstenthronon herabsteigen. Es kommen aber nicht nur die großen Krcuzträger des Volkes. Der Heiland sieht sein gläubiges Volk in heiliger Gemeinschaft noch zu vielen Millionen auf der Welt an den gebotenen Sonn- und Feiertagen um sich geschart. Aber selbst der Werk- tagmorgcn kann noch Millionen zählen; Menschen aller Stände, aller Berufe, Männer und Frauen, Greise und Kinder, Gesunde und Kranke, Sünder und Heilige, die große Volksgemeinschaft, die zum Opferpriester eilt, um gemeinsam mit dem zu opfern, der sich für sein Volk uublutigcrwcise hingibt. Die Kirche aber ist die große Lehrmeisterin und Erzieherin der Menschen. In der herrlichen Liturgie, mit der sie das Meßopfer umgibt, hat sie Ausdrucks formen gesunden, die ganz dem Geiste der versammelten Volksgemeinde entsprechen. Wie oft fügt die Kirche den Tages-Orationen der HI. Messe die allgemeinen Gebete für alle Lebenden, für alle Verstorbenen, in allgemeinen Nöten hinzu. Kein Priester opfert Brot und Wein, ohne im vorgeschriebenen Gebet der gesamten Christenheit, der Lebenden wie der Verstorbenen zu gedenken. Vor dem heiligsten Augenblick der ganzen Meßfeier, der hl. Wandlung, betet der Priester still mit ausgebreiteten Armen die uralten Gebete des Kanon. Zweimal schließt er jedoch betend die Hände, wenn er spricht: „Memento, Domine, famulorum, famularumque". Gedenke, o Herr, deiner Diener und Dienerinnen. Der Katholik, der von Kindesbeinen an gewohnt ist, sich stets in dieses Fürbitt- gebet der Kirche einzuschließcn, weiß, welche Bedeutung diese Gebete für die innere Glücksgemeinsä)aft des Volkes haben. Und wenn dann der Priester zwischen Wandlung und Kommunion das herrlichste aller Gebete spricht, das der Heiland uns selbst gelehrt hat, dann fühlt jeder nach denkende Mensch: Hier mahnt der Meister uns zur echten Demut in rechter Volksverbundenheit. So sollt ihr beten, sprach der Herr: „Vater unser . . . zu uns komme dein Reich . . . unser tägliches Vrot gibt uns heute . . . vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unfern Schuldigern. Führe uns nicht in Ver suchung, sondern erlöse uns von dem Uebel. Amen." Wo dieses Gebet mit dem Priester beim HI. Opfer betrachtend Bürger seiner hl. Kirche: gebetet wird, da muß in Menschenherzen sich das Tor auftun, um die Gnade einzulassen: die Gnade der Er kenntnis, daß wir alle Kinder eines Vaters, Glieder eines Leibes, arme Sünder sind, die der Huld und Gnade Gottes bedürfen, die aber alle eint: ein Glaube, eine Hoffnung, eine Liebe. Wir arme Menschen sind trotz unseres Elends alle von der Sehnsucht nach Ehre und Größe erfüllt. Eine Würde, die alle zufriedenstellen könnte, weil sie alle in hl. Gleichheit verbände, wäre wohl in der Welt un möglich zu finden. Aber in dem Baterhause des christ lichen Volkes ist dieses wunderbare Schauspiel zu sehen. Der Heiland will nicht nur unter seinem Volke wohnen, er will in der hl. Kommunion zu einem jeden von uns persönlich kommen. Wenn sich nun diese geheimnisvolle Verbindung unseres Lebens mit dem göttlichen voll zieht, dann müssen doch alle Unterschiede und alle Un gleichheiten dieser Welt vor der geheimnisvollen Würde der mit dem Fleische Jesu Christi gespeisten Christen verschwinden. Alles, was nur irgendwie getan werden kann zur Förderung wahrer Volksgemeinschaft, ist nichts gegen die wahre, edle Gleichheit einer gemeinsamen HI. Kommunion. Zu diesem Gastmahle im Hause Gottes sind alle geladen ohne Unterschied des Ranges, an dieser hl. Tafel versammeln sich Herr und Knecht, Arm und Reich lind werden alle aufs innigste mit demselben Gott vereinigt. 2. Gemeinschaft fordert Opfer. Darum fordert die hl. Kirche, diese herrliche seelische Volks gemeinschaft, von jedem Gläubigen auch Opfer. Stelle Dich, mein lieber katholischer Christ, opferfreudig in die Reihen der treuesten Diener des allerhöchsten Herrn, da ist Dein Ehrenplatz. Wir alle wollen als gläubige Men schen unserem lieben Volke dienen, freudig und begeistert dienen; zum opferbereiten Dienen gehört aber die tiefste Erfassung des 4. Gottesgebotes: „Du sollst Vater und Mutter ehren." Warum nenne ich gerade dieses Gebot? Weil die treue Erfüllung dieses Gesetzes die beste Ge währ bietet für den Bestand des Vaterlandes und jeder Autorität. Es ist so eigenartig: Die Liebe der Eltern zu den Kindern hat Gott in kein hl. Gebot ausgenommen, wohl aber in besonderer Weise unter Hinzufügung seines Segens die Pflichten der Kinder gegen ihre Eltern. Es ist wieder so eigenartig: Zum lieben Heiland kamen, als er auf Erden wandelte, so oft die Eltern, um für ihre Kinder etwas zu erbitten, niemals aber kam ein Kind für seinen Vater oder seine Mutter. Doch ein Beispiel der Sorge des Kindes für die Eltern nennt das Evangelium. Am Kreuze auf Golgatha hängend spricht Jesus das Wort zu Johannes: „Ecce mater tua!" „Siehe da deine Mutter" (Ioh. 19,27). Der beste Sohn der ganzen Welt gibt hier ein Beispiel; katholischer Christ, horche auf und lerne von Deinem Meister zu Deinem eigenen Glück und Heil, zum Segen Deines Volkes. Die Kirche befiehlt, den Freitag als fleischlosen Tag zu achten aus Liebe zum sterbenden Heiland. Das geforderte Opfer ist wahrlich nicht groß. Schau ost in das brechende Auge Jesu, das Leiden und Sterben Deines Herrn wird lehren, treuestes Glied der Opfer gemeinschaft der hl. Kirche an jedem Freitag zu sein. Die Kirche hat angeordnet, die geschlossene Zeit zu halten. Darum wohnt ein treues Kind der katholischen Kirche vom 1. Adventssonntag bis Weihnachten und vom Aschermittwoch bis Ostern keiner Lustbarkeit bei. Diese Zeiten gelten im Kirchenjahr als Tage stiller Einkehr und Zurückgezogenheit. Wenn Deine Mutter, die HI. Kirche, betet und fastet, dicht und sühnt, muß doch wohl der brave Katholik sich von den Weltfreuden sernhalten. In dem Meßopfer unserer hl. Kirche sprudeln reiche, klare und gesunde Quellen der innigsten Volks gemeinschaft. Aus diesen unversiegbaren Quellen muß das Volk immer wieder sich die erforderlichen Kräfte holen. Es ist daher nicht nur unerläßlich, daß die an dächtige Teilnahme am hl. Opfer an allen Sonn- und Feiertagen eine selbstverständliche Pflicht jedes Katho liken ist, sondern alle verantwortlichen Katholiken müssen Sorge tragen, daß immer und überall eine an dächtige Teilnahme am hl. Meßopfer allen ermöglicht werde. Wenn endlich oft Eltern am Tisch des Herrn er scheinen, um gute Väter und Mütter zu sein, wenn un schuldige Kinder mit dem göttlichen Kinderfreund im Herzen versprechen, ihm und ihren Eltern Freude zu machen, wenn Jünglinge und Jungfrauen häufig an der Kommunionbank erscheinen, um in Unschuld und Liebe im Elternhaus zu leben, dann steigt das katholische Volk mit Christus in echt geistlichem Gemeinschaftssinn den Berg hinauf zur Höhe des Glückes, dann wird die Zeit nicht fern sein „bis alles durchsäuert ist". 3. Der universelle Missions- und Taufbefehl des Herrn an seine Apostel lautet: „Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker" (Matth. 28,18). Begnadigt und gestärkt durch die Kraft des Hl. Geistes haben die Boten Christi das Samenkorn seiner Lehre in das Erdreich gelegt, es wuchs und wurde zu dem großen Baume der Kirche. Diese Kirche soll die Menschenseelen zu Gott führen. Nun ist Gott überall, darum soll auch überall seine Wahrheit leben, seine Gnade walten, sein Gesetz herrschen. Darum geht die Kirche Gottes über Landes grenzen hinaus, sie will Weltkirche sein, denn sie will allen das Heil bringen. So ist das Gottesreich hienieden Wachstum, Entwicklung, Ausbreitung, immer Leben und Streben. „Wo die Kirche ist, da gibt es keinen Tod" (St. Augustin Eunar. Ps. 40,6). Drum hat die Kirche keine Zukunftssorgen um ihren Bestand. Wenn die Be wohner eines Weltreiches dem Heiland keine Herberge mehr gewähren wollen, dann kommen, ivie die Geschichte immer gezeigt hat, andere Völker und nehmen ihn mit Freude auf. Weil die Kirche immer Wachstum, immer Leben ist, darum ist ihre Arbeit der Kamps um die Er oberung aller Seelen für Christus. Doch kommt es der Kirche letzten Endes nicht auf eine Zahlenparade an, die Kirche will die Herzen. „Das Reich Gottes ist innen" (Luc. 17,21). Letztes Ziel der Kirche ist die voll ständige Durchdringung des Innemnenschen mit dem Geiste Jesu „bis alles durchsäuert ist". Meine lieben Christen! Das Gottesreich ist Leben und Streben; mit Leben verträgt sich nicht Lauheit, nicht Halbheit, nicht Trägheit, Leben ist Kampf; Leben will Selbstentäußerung, Hingabe, Arbeit, Opfer, Mut und Kraft haben. Ein halbes, ein krankes, ein unehrliches Christentum ist nicht das Reich der Wahrheit und des Gesetzes Gottes. Darum stehen im Arbeitsprogramin der Kirche die Worte geschrieben: beten, opfern, leiden, Kämpfen, „bis alles durchsäuert ist". Du fragst mich, mein lieber Christ: wie ist das alles bei unserer menschlichen Armseligkeit zu machen? Darauf gebe ich Dir zur Antwort: Hin zu ihm, dem Heiland und Lebensquell! Er sprach doch: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" (Ioh. 14,6). Näher zum Opferaltar, näher zum Tabernakel! Sich' an die kleine Hostie: das ist das Leben. „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm" (Ioh. 6,56). Drum lasse Dir Deinen Herrgott oft ins Herz hineintragen, mache die Kommunionbank monat lich, ja wöchentlich und mehr für Dich zum Tische der Gnaden. Der holst Du Dir Mut uud Kraft und jenes Leben, das ein Gottcsreich in dein Menschenherzen braucht. Wenn Du dann erfüllt bist von Christi Liebe und Gnade, dann gehe als stiller Apostel Christi in die nach Leben dürstende Welt und erneuere durch Dein Tugendbeispiel das religiöse und das sittliche Leben, das Familien- und das öffentliche Leben. Mein lieber katholischer Christ! Wenn Du nun teil nimmst am hl. Opfer und Dein Herr und Kott aus der Herrlichkeit des Himmels herniedersteigt in die kleine Brvteshüllc, dann schau ihn gläubig in Liebe an; sprich mit Petrus: „Mein Herr und mein Kott" (Ioh. 20,28); Jesus, Dein bin ich; Christus, Dir lebe ich; ich werde nicht ruhen: „bis alles durchsäuert ist". Liebe Diözesanen! Wir sind Bürger zweier Welten. Mit der ganzen Glut unseres Herzens lieben wir unsere Heimat hienieden. Die Wurzeln unserer tiefen Heimat liche liegen im verpflichtenden Gotlesgesetz, darum lie ben wir das ganze deutsche Volk, darum verteidigen wir seine Rechte, darum ist unsere Vaterlandsliebe aber auch so festgegründet wie die Berge unserer Heimat. In treuer, hingebeuder, opferwilliger Pflichterfüllung wollen wir stets unserem Vaterlande dienen, nicht in Worten allein, in Taten zeigt sich die Liebe. So steht der katho lische Mensch stets positiv zu jeder gottbejahenden Zeit, also auch zu der heutigen. Als gottgläubige Men schen wissen wir, daß alle Zeit von Kott mit starker Hand geführt wird, daß Kott jeden noch so gewaltigen Umbruch der Zeit in seinen Weltenplan gesetzt hat, da mit er seinem Ratschluß diene. Wir sind Bürger zweier Welten. Unsere ganze Liebe gehört daher auch der Kirche, die unsere Seele und ihr geheimnisvolles Leben nährt, die uns auf engem und steilem Tugendweg zu Christus führt, die unsere Hoffnung nährt vom Paterhause des Ewigen und jener Heimat, wo der Wonne kein Ende ist. Sie ist von Kail errichtet als Grundfeste der Wahrheit; hineingestel't in die brandenden Wogen der Meinungen wird der Fels, auf dem sie steht, nie wanken und die Kirche nie in Trümmer stürzen. Darum: eile zum Zelte Kaltes, Halle fest die katholische Kirche, verlaß nicht den Hort der Wahrheit." (St. Augustin Ps. 30.) Aus ganzer Seele beten wir: Gott schütze Deine Kirche, Gott segne unser deutsches Vaterland. Hilf Herr und gib uns allen Mut und Kraft, daß wir nicht ruhen und rasten „bis alles durchsäuert ist". Es segne Euch der allmächtige Kott, 1 der Vater, 's der Sohn und 's der Heilige Geist. Amen. Gegeben zu Bautzen am Sonntag Septuagesima 1934. Bischof von Melsicn Der Wortlaut -es Hirtenbriefes Ist in einer gehesteten und kartonierten Ausgabe zum Preise von 30 psg. im Germania Verlag, Dresden zu haben