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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.05.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-05-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191405244
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19140524
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19140524
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-05
- Tag 1914-05-24
-
Monat
1914-05
-
Jahr
1914
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Sonntag. 24. Mal 1914. Leipziger Tageblatt. Nr. 2S0. Sounrags-Nusgsde. Seue 7. Kunst unct ^issenseklast KNSNWW Zrieörich Trenüelenburg zum 70. Geburtstag. Wenn am heutigen Sonntag Geheimrat Trendelenburg im Kreise lieber freunde und Verwandter in Bertin-Nicolassee seinen 70jäh- rigen Geburtstag feiert, so ziemt es nicht nur seinen Kollegen und Schülern, dankbar seiner zu gedenken, nein, vor allem auch den vielen, denen er während der langen Jahre seiner hie sigen ärztlichen Tätigkeit ein Berater und freund, lind den meisten sogar ein Helfer in schwerer Not geworden ist! Geboren am 24. Mai 1844 zu Berlin als Sohn des bekannten Philosophen, widmete sich Friedrich Trendelenburg von 1862—1868 dem Studium der Medizin in Berlin, Edinburg und Glasgow, um dann gleich im Kriege gegen Oester reich als Militärarzt das Gelernte praktisch zu verwerten. 1868 trat er dann in die berühmte Klinik Langenbccks als Assistent ein, war im Deutsch-Französischen Kriege abermals im Felde lätig und wurde 1874, als kaum Dreißigjähri ger, zum Chefarzt der Chirurg. Abteil, des Städt. Krankenhauses im Friedrichshain zu Berlin gewählt, um nach einem Jahre bereits als Nachfolger Königs die ordentliche Professur für Chirurgie in Rostock zu übernehmen. Bon dort folgte er 1882 einer Berufung nach Bonn und im Jahre 1895 als Nachfolger Thierschs dem Rufe an unsere sächsische Landes-Universi tät. Was er hier als glänzender Operateur alles geleistet, wie er hier als Lehrer und Chef arzt einer der größten Kliniken vorbildlich ge wirkt, dürfte noch in aller Erinnerung sein. Für die theoretische und praktische Chirurgie liegt aber die Bedeutung Trendclenburgs vor allem in einer großen Anzahl wissenschaftlicher Ar beiten, die seinen Namen weit über Deutsch lands Grenzen hinaus bekannt gemacht haben, Seine ersten Arbeiten, die noch m die Zeit der Entwicklung der Antisepsis fallen, beschäftigen sich naturgemäß noch mit dieser damals so wichtigen Frage, dann aber war Trendelenburg einer der ersten, der die Gelenkchirurgie aus baute, der es wagte, Kniescheibenbrüche offen zu behandeln und Frakturen des Oberschenkel halses mit Elfenbeinstiften und Silberschrauben wieder zu vereinigen. Es gibt wohl kaum einen Teil des menschlichen Körpers, über den er nicht mir Erfolg wissenschaftlich gearbeitet hätte. Für den Luftröhren-Schnitt, dessen Technik er verbesserte, gab er eine besondere Kanüle an, die auch nach ihm benannt ist, für Magen-Opera tionen machte er neue Methoden ausfindig. Ihm verdanken wir auch die sog. Beckenhoch lagerung, eine geradezu bahnbrechende Neuerung, der die ganze, heute auf beträchtlicher Höhe befindliche Unterleibschirurgie erst ihre Entwick lung verdankt. Auf dieser neuen Lagerungsart bauen sich wieder andere Operationen Tren- delenburgs aus, wie die der Blasenscheidenfistel und ähnlicher Mißbildungen. Auch über die Entstehung der Krampfadern, jenes so weit ver breiteten Leidens, hat er gearbeitet, und alle Aerztc untersuchen heute dabei ihre Patienten auf das Trcndelenbnrgsche. Phänomen hin und operieren dann nach seinen Angaben. Mit sei nem Namen eng verbunden bleiben ferner be- merkenswerie diagnostische Erkenntnisse bei Hüft- gclenkSverrenkung und seine Versuche zur opera tiven Behandlung des Kindbettfiebers. Noch vor einigen Jahren erregte auf dem Berliner Chirur- gen-Kongreß Trendclenburgs neuester Versuch berechtigtes Aufsehen, die durch Blutgerinnsel verstopften Lungenarterien operativ von diesen zu befreien, so daß der heute Siebzigjährige mit verdientem Stolze zurückschauen darf „auf diese Fülle wissenschaftlicher und praktischer Ar beiten, durch welche Grundlagen geschaffen wur den, auf denen die jüngere Generation weiter baut". Daß er noch recht lange der Muße, zu der ihn Gesundheitsrücksichten zwangen, im Kreise seiner zum Teil auch schon in hervor ragender Stellung befindlichen Kinder sich er freuen möge, das ist der Wunsch aller, denen er hier als Lehrer und Helfer nahegestanden! vr. ^Volkk. Leipzig, 24. Mai. Neues Operettentheater. (Erstaufführung: „Der keusche Josef." Operette von Siegfried N i ck la tz - K e m p n e r.) Ein Erbstück aus Robert Volkners Zeit. Drei Autoren bemühen sich, nach der Idee eines vierten etwas zu schaffen. Sie machen ßch's bequem und arbeiten mit bekannten Mitteln, wie sie etwa Offenbachs Pariser Leben", Strauß' „Fledermaus" oder Heubergers „Opernball" dar boten. So entstand eine grausame, alltägliche Typenoperette oder musizierende Maskenleih anstatt. Ganz schablonenmäßig erscheinen da d'e Ge stalten des gealterten, viel betrogenen Ehemanns, der flirtenden Frau, des eleganten Dandys und all derer Gefolgschaft. Die schauerliche Versreimerei der Herren Pohl und Decker entspricht den abgedroschenen Phrasen des geistlosen Dialogs. Die Geschichte, kaum umständlicher Erzählung wert, dreht sich um einen Museumsraub und einen Ehebruch. Nebenbei Ver kleidungen, Verwechselungen, ein Künstlerfest u. a. Das Ganze ist der glänzendste Beweis für die Tat sache, mit welch simpeln Mitteln sich heute ein schlech tes Operettenbuch Herstellen läßt. Auch die Musik entbehrt der Physiognomie und vermag dieser Operette bzw. lahmen Burleske nicht aufzuhelsen. Der Kom ponist soll sich bisher erfolgreich auf dem Gebiete der Kabarettmusik betätigt, hier jedoch seinen ersten Schritt auf die Bühne getan haben. Eine sehr ori ginelle und entschiedenes Talent für groteske Komik verratende Nummer ist die Katzenjammcrariette des bezechten Museumsdirektors. Entschiedene Kräftigung des erfinderischen Vermögens vorausgesetzt, ist dem musikalischen Autor weitere Entwickelung kaum ab zusprechen. — Die Aufführung war teilweise recht gut. — R. Haas, dessen Regie besonders im zweiten Akte lebhaft bewegte Bühnenbilder sckuf, war in der Titelrolle ausgezeichnet, Anny Untucht gab der Fran cine Elan und Charme, und Marie Seuberts Stuben mädchen Babette hatte viel Witz und Uebermut. M. Rößner sekundierte vortrefflich in einer Sou brettenpartie. Ein wenig farblos gestaltete O. Wehle den Landbaron, völlig schablonenhaft war der Mauri- koff W. Mertz-Lüdemanns, der keinem Künstler, son dern mehr einem der Siegesallee entsprungenen Heros glich und versuchen sollte, endlich einmal, in einer Rolle ohne Monocle auszukommen. Mas Nicklaß-Kempners Musik nur an irgend passablen Stellen enthielt, brachte Kapellmeister Findeisens lebhafte musikalische Leitung zu guter Geltung. * Städtische Theater. Der Komponist Paul Graener, früher Direktor des Mozarteums in Salzburg, ist zu den Proben seines Musikdramas „Don Juans letztes Abenteuer" einge troffen. Die Uraufführung des Werkes findet am Sonnabend, den 30. Mai, im Neuen Theater statt. — Die Operette kann in dieser Woche wieder zwei Jubiläen begehen: am Mittwoch die 25. Auf führung von „Polenblut", am Sonnabend die 50. von Lehars „Idealer Gattin". * Auszeichnung Dresdner Bühnenkünstler. Der Hofopern- und Kammersängerin Eva Plaschke - von der Osten wurde die goldene Medaille „Virtnti et ingevio" verliehen mit der Berechtigung, diese am Bande des Verdienstordens um den Hals zu tragen. Hofopernsänger Vogel ström erhielt das Prädikat Königlicher Kammersänger, die Hof- opernsänaerin Serbe das Prädikat Königliche Kammersängerin, der Kammermusiker Starke den Titel Kammervirtuos und der Regisseur Toller den Titel Oberregisseur. * Protest der Bühnenangestellten. 2600 Berliner Bühnena na e stellte, darunter auch erste Künstler und Künstlerinnen der Königlichen Theater, protestieren gegen die vom Berliner Magistrat geplante Ausdehnung der Lustbarkeitssteuer auf die Theater. * Reinhardt übernimmt nicht den Zirkus Schu mann. Nachdem mehrfache Verhandlungen über Erwerb bzw. Pachtung und Umbau des Zirkus Schu mann für die von Professor Reinhardt geplanten Aufführungen gescheitert sind, wurden jetzt die Ver handlungen endgültig abgebrochen * Ein Wiederauftreten Possarts. Die projze Ge meinde der Possartverehrer wird mit Freuden davon hören, daß der 73jährige Künstler am M ü i» ch n e r Hoftheater noch einmal als Franz Moor austreten wird. Possart wird in den Räubern am 8. Juni spielen' zur Erinnerung an den Tag, an dem er vor 50 Jahren l9. Mai 18641 diese Rolle in München zum erstenmal spielte. Es war das Debüt Possarts in München, lenes Debüt, das einen der bedeutungsvollsten Abende des Münchner Hoftheaters kennzeichnet: denn jener Abend begrün dete Possarts Weltruf. * Thilo Plajchinger, die vortreffliche, hoch dramatische Sängerin der Berliner Hofoper, wird ihrer Bühneiltätigkeit für immer entsagen. Ursprünglich Lehrerin, ließ sie sich in Wien zur Sängerin ausbilden und errang sich dann in wenig Jahren bei ihrer Tätigkeit in Hamburg, Straßburg, Bayreuth, Frankfurt a. M. und Berlin einen großen Ruf als Wagnersängerin. * Ein Hermann-Nissen-Erholunpsheim. Der Sohn Hermann Nistens hat auf Wunsch der Familie der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger die Summe von 10000./« überwiesen. Mit Zustimmung des Zentralausschusses soll dieser Betrag als Grund stock für das zu errichtende Erholungsheim dienen, das den Namen Hermann - Nissen - Erholungsheim führen soll. * Grabbe und Lortzing. Einer interessanten ge meinsamen Arbeit dieser beiden Autoren, die seit 85 Jahren verschollen war, wird man in Kürze auf den Bühnen begegnen. Für die Detmolder Ur aufführung von Grabbes „Don Juan und Faust" hatte Lortzing eine Bühnenmusik geschrieben, die nur in Detmold l1829) benutzt wurde. Erich Kühr er hat nun eine Bühnenvearbeitung von „Don Juan und Faust" vollendet, die sich möglichst eng an kdas Original anschließt und das viel um worbene Werk durch nur geringe szenische Straffungen und sprachliche Glättungen für das Bühnenrepertoire zu gewinnen sucht. In Zusammenhang mit dieser Bearbeitung hat G. R. Kruse, der bekannte Lortzma-Speztalist, die Bühnenmusik nach der in seinen Händen befindlichen handschriftlichen Partitur des Komponisten rekonstruiert und in einigen Teilen ergänzt. * Der Kapellmeister der Budapester Hofoper, Reiner, ist, wie unser Dresdener S.-Mitarbeiter tele graphiert, einstweilen bis zu den Ferien für die Dresdener Hofoper verpflichtet worden. Eine Ent scheidung über die Nachfolge Schuchs ist noch nicht getroffen worden. * Zum Streit im Hause Wagner. Die „Post" er hält eine Zuschrift, durch die das Haus Wagner ent lastet werden soll. Danach hätte die Familie Wagner, soll heißen Frau Cosima und ihr Sohn Siegfried, alles getan, um Frau Beidler von ihrem Vorgehen abzubringen, die Legitimations frage noch einmal aufzurollen. Ilm die Geldfrage handelt es sich überhaupt nicht (?). sondern nur um dm Versuch, den Rechtsspruch von 1883 anzufechten. Frau Beidler hätte selbst den Antrag des Anwalts ihrer Mutter, den Prozeß unter Ausschluß der Oeffentlichkeit zu führen, abgelehnt. * Musikchronik. Eine neue Motette für sechs stimmigen gemischten Chor: „Frohlocket, ihr Völker" von Theodor Raillard. die am Himmeliahrts- tage in der Peterskirche, am 23. d. in der Motette der Thomaskcrche zur Aufführung kam, ist im Ver lage von Paul Pabst, Leipzig, erschienen. * Eröffnung der Münchener Sezessionsausstellung. Die Sommerausstellung der Münchener Sezession wurde gestern mittag, laut Telegramm, in Anwesenheit des Königs und der Mitglieder de-. königlichen Hauses eröffnet. * Kunst- und Altertümer-Auktion in Jcua. Montag wird in Jena der Spierinasche Nachlaß ver steigert Die 28 bändige Ausgabe von Goethes Werken 1830, wie auch ein Siegelring des Dichter' rürsten, ferner Wagner- und Liszt-Briefe, antike Möbel usw sind hohen Interesses wert. Hervor gehoben sei auch noch ein äußerst wertvolles, vergoldetes Meißener Kaffeeservice. * Unbekannte Murillo» in Rußland entdeckt? Dem Rumjan-ew-Museum in Moskau sind einige alte Gemälde aus der Kathedrale in Achtyrka (Gouvernement Charkow) zur Verfügung gestellt worden. Die Bilder wurden von einer Kommiifion des russischen Archäologischen Instituts zur Erhaltung von Altertumsdenkmälern besichtigt, und nach der Besichtigung wandte sich die Kommission an den Vorsteher der Kirche, den Geistlichen Beloussow, mit der Bitte, die Gemälde restaurieren zu dürien. Die Kommission läßt die Möglichkeit zu, daß einige dieser Gemälde den bekannten spanischen Maler Murillo zum Schöpfer haben. Nach einer im Archiv der Kathedrale von Achtyrka vorliegenden Mitteilung wurden die Bilder „Christi Kreuzigung", „Jesu Geburt" und „Die Anbetung der Weisen" der Kathedrale im Jahre 1783 von der Gräfin A. R. Tschernyschewa geschenkt, die sie für 15000 Rubel erworben hatte. Die Vorbildung der Aerztinnen, Apothekerin nen usw. Für den Nachweis der wissenschaftlichen Vorbildung der Aerztinnen, Zahnärztinnen, Apo thekerinnen und Nahrungsmittelchemikerinnen sind vom Bundesrat ergänzende Bestimmungen getroffen worden. Als Nachweis der wissenschaftlichen Vor bildung der Aerztinnen waren bisher die Reifezeug nisse der preußischen und sächsischen Stu dienanstalten sowie der Mädchenober realschule zu Mannheim anerkannt. Für den Nachweis der Kenntnisse im Latein ist das Zeugnis des Leiters einer preußischen und sächsischen Studien anstalt oder der Schule in Mannheim vorgesehen. Auf Grund einer Prüfung kann dieses Zeugnis van dem Leiter einer preußischen und sächsischen Studien anstalt sowie des Mädchengymnasiums in Karls ruhe ausgestellt werden. Für die Apothekerinnen sind die Zeugnisse der Reise für die zweitoberste Klasse der preußischen und sächsischen Ctudienanstalten sowie der beiden Schulen in Karlsruhe und Mann heim vorgesehen, für deren Latein das Zeugnis des Leiters einer preußischen and sächsischen Studien- anstatt und der Lessingschule in Karlsruhe. Jetzt sind auch die Reifezeugnisse der hessischen Studienanstalten und der Studienanstatt in Sondershausen als aus reichend für Aerztinnen, Zahnärztinnen und Nah rungsmittelchemikerinnen anerkannt worden. Die Leiter dieser Schulen können auch die Kenntnisse im Latein durch ein Zeugnis über die erfolgreiche Teil nahme am wahlfreien Lateinunterricht bescheinigen. Die Zeugnisse der Reife für die zweitoberste Klasse dieser Schulen reichen für Apothekerinnen aus. * Hochschulnachrichten. Universitätsprosessor Wolters, der Direktor der dermatologischen Klinik in Rostock, ist im Alter von 55 Jahren ge storben.—Der bekannte Vertreter der Zoologie an der Kieler Universität, Geb. Rat Dr. phil. Karl Brandt, beging am 23. d. M. seinen 60. Ge burtstag. — Die Professoren an der Kunstgewerbe- schule in Stuttgart Paul Christaller und Albert Schiller sind in den Ruhestand getreten. kva Maria. 34s Von Margarete Richter. (Nachdruck verboten.) „M eine Eva Maria!!" und dann merkte er erst, daß sje sich schön gemacht hatte. „Dir zuliebe, Holger. Du sollst eine schöne Erinnerung haben," gab sie offen zu. Dann setzten sie sich, und keiner sprach. Es war ein lauerndes, quälendes Schweigen. Und wieder, wie aus einem düstern Nebel heraus fühlte Eva zivei Augen auf sich gerichtet — zivei forschende Augen, die nicht Holger ge hörten. . . . Sie schauerte leise zusammen. Es ivar wie ein nüchternes Erwachen ans einem heißen Traum. „Was wolltest du noch von mir, Holger?" fragte Eva, nur, um diese Stille zu zerbrechen. Ja, was wollte er noch von ihr, wenn sie so dasaß, so herb und ablehnend wie in diesem Augenblick! — Aber so war sie ja gar nicht, er hatte ja eben ihre Küsse gefühlt, diese wahn sinnig verlangenden Küsse —! „Ich habe dich lieb, Eva!" sagte er einfach und zog sie an sich. Eva schloß die Augen, während ihr Kopf an seiner Brust ruhte. Ach, wie das Wohltat, so ganz gefangen zu sein in der Liebe eines andern! Er küßte ihr die Haare — und immer wieder den Mund . . . Sie fühlte nur seine Nähe, nur ihn! Wie war man süß geborgen in seinen Armen — Der leise Duft, der ihrem Haar entströmte, erinnerte ihn an Rosen. — Ob sie es ihm er laubte? Langsam zog er eine von den großen Schildpattnadeln aus ihrem Haar. Sie sah auf zu ihm: „Was machst du, Holger?" „Ich will dein Haar offen sehen — darf ich?" Eva lächelte und half ihm. Dann stand sie auf und schüttelte den Kopf, daß das Haar lang herabfiel: „Magst du das?" Er sah sie an: „Dir fehlt etwas — . . . . ein Diadem, das deine Stirn krönt, oder — eine Schlange, eine grüne, schillernde Schlange, die zu dem Kleid paßt." „Holger!!" Wie ein leiser Klagelaut kam es ihm vor. Er stand rasch auf und legte den Arm um sie: „Nein, Eva! Ich will dir nicht wehtun. Stecke dein Haar wieder auf. Vor der Eva in dir habe ich immer Angst." Und er reichte ihr die Nadeln, die er noch in der Hand hielt. „Und nun setz dich noch eine Weile, Herze!" bat er dann, und zog sie sanft an sich. Eva aber streifte seine Hände ab. „Nein, ich muß nun gehen," sagte sie ruhig, und griff nach ihrem Hut. Ucber Holger kam eine qualvolle Angst. Er hatte ihr ja" noch gar nichts gesagt von alledem, was er sich zurechtgelegt hatte. „Eva! es ist unmöglich," stammelte er wirr. Sie ging auf ihn zu, nahm seinen Kopf in ihre beiden Hände, sah ihm lange in die schim mernden Augen und legte ihren Kopf auf seine Schultern. Wortlos hielt er sie an sich gepreßt. „Muß es sein?" sragte er endlich. „Ja. Es muß sein." „Ist das dein letztes Wort, Eva?" „Mein letztes! Nur das eine vergiß nicht, Holger! Ich danke es dir immer — du hast mir das Glück bis an die Lippen gebracht." „Wirst du es nie bereuen?" „Nie." Sie befreite sich von ihm. „So — nun geh, Holger! Mein wilder Bub!" sagte sie ton los, und wandte sich ab. Da riß er sie an sich und küßte ihren widerstrebenden Mund so heiß, so heftig, daß sie seine Zähne fühlte auf ihren Lippen. Sie machte sich los. — „Geh jetzt, Holger!" „Leb wohl, Eva Maria!" Er schloß die Tür auf und tastete nach der Klinke. Da wandte sie sich noch einmal zu ihm und küßte ihn auf seine trostlosen Augen „Könnte ich dich erinnerungsblind küssen!!" „Ich will nicht vergessen." Dann war Eva allein. . . . Sie setzte sich auf einen Stuhl, legte die Arme auf die Lehne und barg ihr Gesicht darein. Ihre Seele wand sich in einem lautlosen Schmerz. ... Nach ein paar Minuten raffte sie sich zu sammen. Sie mußte ja heim. Sie nahm den Mantel um, band die Schleife fest und verließ mit den Kassettten und dem Schirm in der Hand das Röntgenzimmer. 11. Als Professor Sebald Evas Brief erhielt, war sie bereits auf dem Wege nach Rom. Wenn sie ihm nur eher geschrieben Hütte! Sie hätten ihre Rückreise ganz gut um ein Paar- Tage verschieben können. — Oder wollte sie ihm ausweichen? Aber warum? Sie wußte doch noch gar nichts. „Von Eva Horn. Sie ist in Rom." Er schob feiner Schwiegermutter den Brief zn. Sie sah in sein enttäuschtes Gesicht. „In Rom?" Er deutete statt aller Antwort auf den Brief und verließ die Loggia der Villa, die er famr Bedienung für den Sommer gemietet hatte. Frau Präsident Eckart sah ihm einen Augen blick nach, nahm das Lorgnon zur Hand und las. Sonderbar... der Brief war sehr kühl. Ganz anders als die Briefe, die Eva zu schreiben pflegte an Menschen, die sie lieb hatte. Aber schließlich, es war doch alles natürlich. Eine Romreise ließ ftch nicht verschieben um irgend welcher durchreisenden Bekannten willen! „Un- erwartet begleiten darf", das sagte doch genug. Der Brief war in Eile abgefaßt. Der Geheimrat hatte sic offenbar in letzter Stunde erst aus- gefordert, und wie nett sie schrieb von Ulla! Nein, nein, Burkhards offensichtliche Verfilm- mung hatte nicht die geringste Ursache. Eva hatte ja auch keine Ahnung, was für Pläne ihre Abreise zerstört hatte. Wußte es Burkhard nicht selbst erst seit vierzehn Tagen? Und wer hatte ihm die Gedanken lenken müssen? Sie — Elsbeths Mutter! „Du solltest wieder heiraten," hatte sie ihm einmal ohne Umschweife gesagt, als sie beide am Strand lagen in dem warmen Sand, und Ulla jauchzend und lachend um sie herumsprang. Er hatte etwas verletzt den Kopf geschüttelt: „Ach, Mama, wie kannst du mir das sagen!" Aber sie hatte ihre Tochter doch auch lieb gehabt, sie trauerte nicht minder um ihr einziges Kind, als er um die geliebte Frau. „Doch, Burkhard! Du solltest daran denken: wenn nicht um deinetwillen, so doch um Ullas willen." „Sie hat ja dich", hatte er geantwortet. Und sie hatte leise geseufzt: „Wie lange noch. Ich muß ja um jede geschenkte Stunde froh jein." Sein Abwehren hatte sie nicht überzeugen können. Sie wußte es. Ihre Tage waren gezählt. Eigentlich hatte sie gehofft, seinen geheim sten Gedanken etwas entgegenzukommen. Aber es schien nicht der Fall zu sein. Oder doch? Ulla kam gerade herausgesprungen: „Du, Grvss- mama, jetzt baue ich mit Fredi eine grosse Festung für euch. Und Tante Eva darf auch hinein! Das schreibe ich ihr dann." „Das ist recht, Kind!" hatte sie genickt und Burkhard dabei angesehen. Eine feine Röte war über ein Gesicht geflogen. Sie hatten sich verstand en. „Das Kind hängt an Eva mehr, als an einer Mutter. Was denkst du davon?" hatte ie geradeaus gefragt. Und unsicher hatte er erwidert: „Sie will mich ja gar nicht!" Da hatte sie gemeint, das käme noch darauf an, und so war der Plan mit der Rückreise entstanden, und sie hatte versprochen, Eva ein bißchen aus- zuforschen. Und nun war alles ins Wasser gefallen, durch diese unerwartete Abreise. Ich muß ihr eben schreiben! dachte Frau Präsident Eckart re- solut und kam damit den Gedanken ihres Schwie gersohnes nahe. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.) T«I. 43SS, 14798,14424. llocckentroi« Xdöolung nnck Tlustelliniq »uoö ck« tloillitm Xattr»^«. lllvttsntötnnss. Rettteckernrellll^llüx. llonstetspksrsl. Uppivk-kvinigung untt bäcksa: Nnrtzt « 8I4»tr. 49 S»7«r»«I>»8tr.48 N»r»elin«»tr. O icirreddsrUitr. HO 1V» 88
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