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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.05.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-05-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191405244
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19140524
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19140524
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-05
- Tag 1914-05-24
-
Monat
1914-05
-
Jahr
1914
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Delle 2. Nr. 260. Vonntags-Nasgsde. Leipziger Tageblatt. Borlag« so oder jo erledigt werden muß. Ohne d-i« Schließung sammelt sich, wie die Erfahrung zeiat, eine solche ungeheure Menge gesetzgeberischer Stoffe an, daß di« Uebersicht verloren wird und Planlosig keit und Arbeitsunlust entstehen. Die in der letzten Zeit viel bemerkte und beklagte Ueberlastung des Reichstags mit Be- ralungssroff rührt zum größten Teil daher, daß in dem jetzt zu Ende gehenden Tagungsabschnitt eine Menge unerledigten Materials aus frühe ren Zähren herübergenommen lverden mutzte. Hat hierin der Sessionsschluß Wandel geschaffen, so ist aus der anderen Seite zu beklagen, datz ein Teil der geleisteten parlamentarischen Arbeit nicht zu Ende geführt lverden konnte. Immerhin sind die meisten, jedenfalls die wichtigsten Vorlagen, zu Ende beraten worden. Soweit dies nicht der Fall ist, han delt es sich zum Teil um Vorlagen, aus die noch nicht viel Arbeit vom Reichstag verwendet worden ist, wie z. B. das Luftoerkchrsgesetz, das Gesetz gegen die Ge fährdung der Jugend durch Zur-Lchau-stel- lung von Schriften, das Rennwettgesetz, das Gesetz - zur Abänderung der Vorschriften der C-ewerbeordnung über die Konkurrcnzklaujel. Ver andern Vorlagen find die Verhandlungen soweit gediehen, datz sie bei späterer Gelegenheit alswert - barer Kon, misitons bericht vorliegen, so z. B. bei dem Gesetz über das Verfahren gegen Jugendliche und über die Wiederaufnahme des Dis ziplinarverfahrens. oder es ist durch eingehende Kom- mifsionsberatung wenigstens klargestellt worden, welche Anschauungen von den Parteien des Reichstags gegenüber der Regierungsvorlage ver treten werden. Dies gilt beispielsweise von der Sonntagsruhe im Handelsgewerbe und von der Aenderung von Vorschriften der Gewerbeordnung über Wandergewerbe. Schliesslich noch einige Gesetzentwürfe, über die eine allgemeine V ersländigung zwischen den verbündeten Regierungen und dem Reichstage nicht zü erwarten war, z. V. über die Gesetze zur Errich- rung eines Kolonialgerichtshofes und den Verkehr mit Leuchtöl. Datz ein Versuch unternommen worden ist. den Gefahren vorzubeugen, die durch ein Privatmonopol der Standard Oil Com pany für den deutschen Verbraucher und den deutschen Petroleumhandelerwachsen. cnlsprachdenForderungen des Reichstages und ist allgemein bewilligt worden. Wenn be, dem Vorschläge wegen der Schaffung einer eigenen Vertretergesellschast bisher dasZiel nicht erreicht wurde, so ist dies im wesentlichen auf die Meinungs verschiedenheiten der Parteien über die zweckmäßigste Form der Organisation zurückzusühren. Die Rot wendigkeit eines Eingreifens sowie die Durchführ barkeit des geplanten Unternehmens steht fest. Wenn auch zuzugestehen ist, datz seit der Ein bringung des Monopol - Gesetzes die Verhält nisse im deutschen Petroleumverkehr insbesondere für den Detailhandel eine gewisse Besserung erfahren und die Tochtergesellschaften der Standard Oil Company sich in der Preisbesserung Zurück haltung auferlegt haben, so besteht doch keine Gewähr dafür, datz die Besserung der Zustände an dauert. Die Regierung kann daher die Angelegen, heil für erledigt halten. Welche Maßnahmen sie nunmehr treffen wird, um das Ziel zu erreichen, wird von den Ergebnissen der unablässig fortzu setzenden Beobachtung der Verhältnisse auf dem Mineralölmarkte abhängen. Wenn der Reichstag im Herbste wieder zu- sammengetreten sein wird, wird er sich nach der Wahl feines Präsidiums nur mit dem Material zu befchältigcn haben, da» ihm alsdann zugöhen wird. Alsdann werden die Vorteile in die Erscheinung treten, die sich aus der Schließung derSefsion für die Erledigung der parlamentarischen Geschäfte ergeben. Der Reichs kanzler ist geneigt, einem vielfach geäußerten Wunsche, Laß beim Beginn der neuen Tagung ein Arbeitsplan zwischen ihm und den verhandelnden Körperschaften vereinbart werden soll, nach Möglichkeit zu ent sprechen. Die letzte Sitzung des Reichstags ist von der sozialdemokratischen Fraktion zu einer Kundgebung gegen das Oberhaupt des Reiches ausgenützt worden, über die man nicht mit einem Achselzucken hinweggehen kann. Es handelt sich hier um mehr als schlechte Manieren. Es liegt eine wohlüberlegte Demonstration der monarchiefeindlichen Gesinnung der Sozialdemokratie vor, deren regel mäßige Wiederholung zu erwarten wäre, wenn der Reichstag nicht die Mittel finden sollte, in seinem Hause dem Kaisertum, mit dem er zu- gleich selbst geboren wurde, die gebührend« Achtung zufichern. Den bürgerlichen Parteien des Reichstag» stellt sich hierin für die nächste Session ein« Aufgabe, die sie, wie wir hoffen, mit fester Hand in Angriff nehmen werden. Mißtrauen in Italien. In Italien wird die Frage leidenschaftlich erörtert, welchen Anteil Oesterreich an der Ver bannung Essad Paschas gehabt hat. Die nativ- nalistischen Blätter greifen die österreichische Po litik heftig an, während die Regierung und die besonnene Presse für ein gemeinsames Vorgehen ekntreten. Wir verzeichnen folgende Meldungen: Angriffe auf die österreichische Politik. Nom, 23. Mai. Die Oesterreich feindlich gesinnten Blätter kommen zu merkwürdigen Widersprüchen in ihrer Beurteilung der Vor gänge in Durazzo. So schreibt der „Messag- gero" über Essad Pascha: „Seine Macht stand auf tönernen Füßen, gewalttätig und ehrsüchtig, hatte er durch Räu bereien sein Herrschaftsgebiet erweitert und sei nerzeit selbst als türkischer Äendarmeriekomman- dant von Janina Raubzüge unternommen. Un vergessen ist seine blutige Unterdrückung des Malissorenaufstandes. Man schreibt ihm die Er mordung des ersten Verteidigers von Skutari, Riza Bey, zu, auch soll er bei der Uebergabe Skntaris an die Montenegriner hinterhältige Absichten gehabt haben. Es mutet höchst be fremdend an, daß die italienische Regierung sich zur Ausübung ihres Einflusses in Albanien auf diesen räuberischen und blutdürstigen Ränke schmied gestützt hat." Aber obwohl das Blatt demnach die Besei tigung Essads wünschen mußte, sind ihm die Ereignisse in Durazzo sehr unangenehm, weil sie mit auf den Einfluß Oesterreichs zurückzu führen sind. Der „Messaggero" erhebt schwere Vorwürfe gegen die eigennützige, hinterlistige Politik der österreichischen Monarchie und befürch tet, daß Oesterreich das Ucbergewicht in Alba nien erhalten werde. Für ein gemeinsame, Vorgehen. Rom, 23. Mai. In der „Stampa" be tont der Abgeordnete Cirmeniin einem offen bar inspirierten Artikel das gemeinsame Borge hen und die Uebereinstimmung Ita liens und Oesterreichs in Durazzo, die sich auch bei den Vorgängen der letzten Tage gezeigt habe. Die Rückkehr Turkhan Paschas. Triest, 23. Mai. Turkhan Pascha ist heute morgen nach Durazzo abgereist. v > 7 i i iLL poMetie Ueberliekt Nelchshaushalt un- Heer. Mit dem am letzten Dienstag, dem 19. Mai, in dritter Lesung bewilligten Reichshausbalt für 1914 steigt die Zahl der Offiziere in aktiven Dienst stellungen um 2 Generale, 32 Stabsoffiziere «davon 6 in Regimentskommandeurstellen), V1 Hauptleute, 226 Leutnants, 19 Offiziere z. D. ldavon 18 in Stellen mit Regimentskommandeursrang) und 25 Zeug-, Feuerwerker- und Festungsbauoffizieren. Durch den Nachtragsetat vom 25. April d 2., dessen Forde rungen gleichfalls die Billigung des Reichstags ge sunden haben, treten weiter hinzu: 1 General lDepartementsdirettor im Kriea»ministerium),38tabs- offiziere, lMilitärattachees auf dem Balkan), 1 Haupt mann, 1 pensionierter Offizier. Die Besetzung dieser 391 neugeschaff«nen Dienststellen durch den Kaiser wird in der neuen Woche erfolgen. Ebenso sollen dann — bei Gelegenheit der Potsdamer Parade — die in der militärischen Umgebung de» Monarchen vorausgesugten Umänderungen vollzogen werden. Sie werden bestehen in der Ernennung de» Komman deur» des Ersten Earderegiment» z. F. General- majors v. Friedeburg zum diensttuenden General - I» suito der Kaiser» lan Stelle de» nach St. Peters burg verletzten Generalleutnants von Chelius) und in der Bestellung des jetzigen diensttuenden Flügel- adjutanten, Obersten v. Mutiu», zum Kommandeur des Potsdamer Regiments. Für ihn wiederum ist Oberstleutnant und Flügeladjutant v. Estorfs zum Kommandeur der Schloßgarde-Kompanie ausersehen. Maura über -ie sparrlfthe Marokkopolitik. Der frühere Ministerpräsident Maura er klärte in der Kammer, die Verantwortlichkeit für den von ihm mit Frankreich beschlossenen Vertrag und die M a r o k k o p o l r t r k von 1907 bis 1909 zu übernehmen und protestierte gegen die augenblicklich dort verfolgte Politik. Im Jahre 1904 habe Spanien nur au der Kon ferenz von Algeciras teilgenommen und keine vertraglichen Verpflichtungen übernommen; er könne aber nicht die Verantwortung für alle Ereignisse in Melilla übernehmen. Weil Me lilla in den Kämpfen zwischen dem Sultan und dem Roghi hu leiden hatte, habe er im Jahre l909 eingreifen müssen. Man müsse jetzt der Mehrheit der Spanier den Irrtum benehmen, als würde in Marokko eine Eroberungs politik verfolgt; auch eine Kolonialunternch- mung daraus zu machen wäre töricht. Man müsse die Gewohnheiten und die Regierungs form der Marokkaner respektieren, sich auf die Wirksamkeit der Zivilgewalt unter dem Schutze der Armee beschränken und sich die Freiheit des Handelns bewahren. Demgegenüber sei die augenblickliche Politik dort verhängnisvoll und unbegreiflich, denn für eine friedliche Auf gabe seien dort zuviel Truppen und für eine kriegerische Unternehmung hätte man die Mobilmachung der Armee nicht unterlassen dürfen. Diese Politik könne nicht weitergehen. Redner bekämpfte die Schaffung einer Kolo- nialarmee und befürwortete eine oberste Zivilbebörde für Marokko. Zum Schlüsse er klärte Maura, er nehme die Untersuchung einer Kommission an, und sprach die Hoffnung aus, daß die Regierung die Meinung der ganzen Kam mer in Marokko in die Tat umsetzen und ihre Politik ändern werde. « Auf der Straße wurde Maura lebhaft be grüßt; eiu Arbeiter, der dagegen protestierte und sich Maura zu nähern suchte, wurde fest genommen. Deutsches Reich. * Begnadigungen. Der König hat aus Anlaß seines Geburtstage» 45 Strafgefnnsenen aus Gnaden die Freiheit geschenkt. * Verein der Fortschrittlichen Bolkspartei Leipzig- Nord im 13. Reichstagswahlkreise. Am Mittwoch, den 27. Mai, '/-9 Uhr hält im Restaurant „Lindhof", Leipzig-Eohlis, Ecke Aeußere Haitische- und Ltnden- thaler Straße, der den Lesern des „Leipziger Tage blattes" bereits bestens bekannte Herr Hugo Lberwein einen Reisevortrag über: Erlebtes und Erschautes von meiner Reise nach dem englisch- ägyptischen Sudan. O * Der Tank des Kaiser» für die freiwilligen Wehrbeiträgr. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht Son»«,, 24. Mol ISI4. folgend«» au» Wiesbaden vom 14. Mai datierte» Erlaß de» Kaiser« an den Reich»kanzler: „Aus Ihrem Bericht habe Ich mit großer Be friedigung vernommen, daß zahlreiche Deutsch« im In- und Auslande freiwillige Beiträge zu den Kosten der Verstärkung der Wehrmacht geleistet haben. Es ist Mir ein Herzensbedürfnis, allen denen, die durch solche Beiträge vater ländischen Opfersinn in rühmlicher Weise betätigt haben, Anerkennung und Dank aus zusprechen". * Unfall de» Generalobersten ». Scholl. Der Kaiser unternahm am Sonnabend früh mit Gefolge einen Spazierritt auf der neuen Kreischauffee. Zwischen dem Neuen Palais und Nedlitz stÜrrte Generaloberst v. Scholl, der sich im Gefolge des Kaisers befand, mit dem Pferde und zog sich einen Schlüsselbeinbruch zu. Erzellenz v. Scholl wurde zunächst nach den, Krankenhause Herrmanns- werder gebracht. Da sich die Verletzung als voll kommen ungefährlich herausstellte, entließ man ihn in seine Wohnung, wo er in Behandlung verbleibt. * Landwirtschaftsrat und deutsche Handels politik. Der ständige Ausschuß des Deutschen Land wirtschaftsrates wird, wie wir hören, am 28. und 29. Juni in Koblenz tagen. Als Hauptgegenstand der Beratung steht die Stellungnahme der deutschen Landwirtschaft zu der deutschen Handelspolitik aus der Tagesordnung. Seitens des Deutschen Land- Wirtschaftsrates ist bereits ein handelspolitischer Ausschuß mit 3 Unterausschüßen gebildet worden. Dr. Frhr. v. Cetto-Rcichertshausen ist Vorsitzender des Ausschusses und gleichzeitig des 1. Unteraus schußes für Getreide- und Futtermittel. Frhr. v. Wangenheim-Kl.-Zpiegcl ist Vorsitzender des 2. Unterausschußes für Viehzucht und tierische Er zeugnisse, während Landesölonomierat Bartmann- Lüdicke Vorsitzender Les 3. Unterausschußes für Gartenbau, Gemüse-, Obst- und Weinbau ist. Die Unterausschüße sind bereits im Mai d. I. zusam- menaetreten, und zwar die erstgenannten beiden in Berlin, der dritte in Wiesbaden. Die Verbände des Wein-, Obst- und Gemüsebaues haben an Len Sitzungen teilgenommen, nachdem sie ihrerseits be reits vorher Stellung zur Frage der Neuregelung der deutschen Handelsverträge genommen haben. * Die Kleinhandels-Umfrage. Die bereits zwei mal mit Rücksicht auf die Arbeiten des Reichstags und des preußischen Landtags verschobene Konferenz über die Abhaltung einer Kleinhandels-Umfrage findet uunmehr am 9. Juni im Reicheamt des Innern statt. Einladungen dazu sind ergangen an die Regierungen der Bundesstaaten, an eine Reihe von Mitgliedern de» Reichstags und des preußischen Abgeordnetenhauses, die seit Jahren für die Lage des Kleinhandels ein be sonderes Jntereße bekundet haben, und an die Detaillistenverbände, die eine Reihe von Vertretern entsenden werden. Es handelt sich bei diesen Be- ratungen noch nicht um die Umfrage selbst, sondern lediglich um eine Besprechung über den Umfang der Enquete und über die Mittel und Wege zu ihrer Durchführung. Es wird dabei auch dieFrage zuerörtern sein, ob die gewünschten Feststellungen über die Lage des Kleinhandes durch Versendung von Fragebogen oder durch direkte Vernehmung einer größeren Zahl von Beteiligten zu gewinnen sind. Es handelt sich beim Kleinhandel naturgemäß um eine außerordent lich große Zahl von einzelnen Betrieben, so daß es nach früheren Erfahrungen zweifelhaft erscheint, ob die Verwendung von Fragebogen zu einem Ergebnis .führen bann Die.Umfrage ist überhaupt mit man cherlei Schwierigkeiten verbunden, weil beispiels- weise für die Beurteilung der Lage des, Klein- Handels auch die Frage der Betriebsmittel eine wesentliche Rolle spielt. Ob die beteiligten Kreise aber geneigt sein werden, gerade hierüber im Rahmen einer Umfrage Auskunft zu erteilen, erscheint recht zweifelhaft. * Benzlers Erkrankung. Die Blättermeldung über eine schwere Erkrankung des Bischofs Benzler in Metz ist unbegründet Der Bischof hat sich infolge Ueber- anstrengung bei einer Visitationsreise eine leichte unbedenkliche Magenverstimmung zugezogen. * Staatsrat Dr. Quarck. Die Ernennung des bisherigen nationalliberalen Reichstagsabgcordneten Dr. Quarck zum Staatsrat und Chef der Coburger Ministerialabteilung ist nunmehr vollzogen worden. Spiele -er Völker. Studien und Eindrücke aus einer Weltreise. Von Dr. Carl Hagemann. II. Negertänze. Eins allerdings hat der Neger, was man ihm vielleicht doch als eine künstlerische Mitbcgabung an rechnen könnte: ein starkes und straffes rhythmisäxs Gefühl. Hier könnte manches europäische Orchester und vor allem manä>er deutsche Chorverein von ihm lernen. Nicht nur, daß sie ihre Ngomas — wie die Nrgertrommeln heißen, die dann auch den Tänzen selbst den Sammelnamen gegeben haben — außer- crdcntlich rhythmisch schlagen, in einer gleichbleibend zupackenden, unerhört präzisen Art, die geradezu auf regend wirkt und für Enropäernerven nicht lange zu ertragen ist. Die Leute tanzen auch alle rhythmisch, absolut korrekt, und bis zum letzten Atemzuge mit aller zur Verfügung stehenden Kraft und Hingabe. Dabei sind die rhythmischen Verhältnisse ost sehr kompliziert. Der Tanz liegt nämlich nicht immer nur über einer einzigen Taktart, wie bei uns in Europa, sondern ist so zusammengesetzt, daß Schritte aus verschiedenen Taktarten miteinander abwechseln. Dazu werden dann noch ganze Takte und Teile von Takten durch Pausen ausgefüllt, was die Sache noch mehr kompliziert, so daß man in den meisten Fällen auch bei angestrengtester Aufmerksamkeit den kom binierten Tanzrhythmus der einzelnen Ngomas nicht odsolut genau festzustellen vermag — um so mehr, als bei einem solchen Volkstreiben, wie es in Dares salam mit besonderer Bravour und Ausdauer viele Stunden lang vor sich ging, fünfzehn bis zwanzig Ngomaorchester gleichzeitig ertönten. Der Tanzorganismus der Neger wird nun aber bei den einzelnen Ngomas dadurch noch wieder kom pliziert, daß die Musikanten manchmal noch wieder unter sich aus verschiedenen Taktarten schlagen. So konnte ich einmal deutlich unterscheiden, wie drei verschiedenartige Rhythmen übereinander lagen. Der eine bearbeitete mit zwei Holzschlägeln ein grell klingendes Blech in einem höchst aufregenden, wahn- sinnig schnell genommenen Zweivierteltakt — die große, an einem Mangobaum befestigte Hauptngoma wurde dazu im Dreivierteltakt (und zwar in der Wiener Art mit den kürzer genommenen beiden letzten Vierteln) geschlagen —. und zwei kleinere Ngomas gaben zum Üeberfluß noch den genaueren Tanzrhqthmu, an und unterstützten damit die Aus- iührenden. Daß diese Art von Musiziererei die meist«» «uropäischen Ohren wie ein Chaos anmutet, ist natürlich nicht zu oerwundern. Di« einzelnen Rhythmen werden aber immerhin so tadellos aus- gefuhrt, daß sich «in gut durchgebildetee rhytbmtsch- muükalische» Gefühl mit d«r Zeit doch in diese Art des Ueberrhythmisierens hineinlebt, und trotz alles feineren Empfiichen» noch in künstlerischen Begleit erscheinungen gewiße Reize verspürt. Bei den Negern tanzen die Männer und Frauen zumeist getrennt. Viel seltener schließen sie sich zu gemeinsamer Uebung zusammen: für allerlei Werbe tänze. Doch liegt da» dem Neger im allgemeinen weniger. Er wirbt um keine Frau, bemüht sich nicht einmal sonderlich darum. Er kauft sich das Weib, das er haben will. Deshalb bleibt er auch bei seinem Vergnügen lieber unter sich, und läßt die Frauen ebenfalls allein. Die Texte der Ngomagesänge — zu den meisten Ncgertänzen wird gesungen — haben vielfach ihren festen Wortlaut und gehen auf jahrhundertelangen Gebrauch zurück. Sie sind von äußerster Naivität und Einfachheit in den Gefühlen und Gedanken, wie in der Form, und laßen verhältnismäßig wenig dichterische Begabung erkennen. Oft wird aber auch für den einzelnen Zweck improvisiert, worin es so gar manche Vortänzer zu einer großen Fertigkeit bringen, was ihnen dann wieder eine gewiße Popu larität einträgt. Insofern haben manche dieser Negcriänze etwas von der alten europäischen Steg- reiskomödic. Als wir zu den Wangonileuten heran traten, die sich gerade zu ihrer Jgambangoma an schickten, machte der Anführer sofort ein Spottlied auf uns, dessen Refrain die anderen mit besonderem Vergnügen nachsangen. Sie sollen sich darüber lustig gemacht haben, daß wir von ihren Tänzen nichts verständen — was schließlich noch gar nicht einmal so unrichtig ist. Denn in das letzte Wesen seiner festlichen Amüsements können wir doch nicht ein dringen, wie es uns ja auch nie gelingen wird, des Negers letzte Menschlichkeit durchaus erschöpfend zu ergründen. Da kamen wir bei den Wassorama schon besser weg. Sie lassen ihre Sakorengoma von einem eigenartigen Instrument in Form eine» gerippten und gespalteten Bambusstückes begleiten, da» mit einem Stäbchen gekratzt wird und einen Höllenlärm macht. Da sie unser Interesse merkten, machten sie eine Tanzpause und reichten das Ding her, um «» uns besehen zu lassen. Al» sie dann wieder an fingen, besangen sie diese erschütternde Tatsache und gaben ihrer Freude Ausdruck, datz un» ihr eigen artiges, von keinem andern Stamm benutzte» Reib holz so gut gefall«» hatte. Sehr passend war übrigen, auch das Improvisationsthoma, da» die bei d«n Euro päern dienenden Suaheliboys ihrer Ngoma zugrunde gelegt halten, und das also bedeutete: „Wenn wir noch einmal einen Ausstand machen, kriegen wir von den Europäern wieder Prügel" — was allerdings ohne Schwierigkeit vorauszusehen ist, den säng«rn aber immerhin «ine hinreichende Kenntnis der Ver hältnisse bezeugt. Unter den zur Begleitung verwendeten Instru menten spielen, wie gesagt, die Ngomas — mit Fell überzogen« ausgehöhlte Baumstämme aller Größen — die Hauptrolle. Die ganz großen werden an einem Baum aufgehängt und mit festen Knüppeln geschlagen — die mittleren und kleinen entweder im Sitzen mit hochgezogenen Knien unter die Kniekehlen geschoben und dann von beiden Seiten, oder auf den Boden gestellt und einseitig bearbeitet: beide mit den Hän den. Man stimmt sie, indem die Felle am Stroh, feuer erwärmt oder mit flackernden Feuerbränden bestrichen werden, wobei die in den einzelnen Or chestern verwendeten Ngomas — es sind mindestens zwei und selten mehr als sechs — verschiedene Ton höhen erhalten. Dazu bläst vielfach ein einzelner ein dudelsackarttg klingendes Instrument von der Form einer Oboe, indem er von Zeit zu Zeit seine Backen fast bis zum Platzen voll. Lust zieht, au» diesem Vor rat seine Flöte speist und dabei gleichzeitig sehr kunst voll durch die Nase atmet. Was er auf diese Weise, oft stundenlang ohne aufzuhören, von sich gibt, ist mit seinen merkwürdigen Intervallen und der Steine erweichenden Monotonie bei stets gleichbleibender Intensität des Tons für europäische Ohren meist noch weniger gut zu ertragen als die Trommelei. Außer diesen allgemeiner üblichen haben die einzelnen Stämme dann oft noch ihre ganz besonderen Instru mente. Von den Reiohöljern der Wassorama sprach ich schon. Im übrigen fielen mir bei einer Wadtgo- ngoma eine Art von Okkarina, bei den Teufelstänzen der Manyema ein richtiges Xylophon und bei den Wabanga mit kleinen Steinchen gefüllte Blechdosen auf, di« die tanzenden Frauen zum Rhythmus zweier Ngomas an Stielen taktmäßig hin und herschwangen. Bei dem großen Sinn des Neger» für Schmuck, Putz und Tand kann es nicht wundernehmen, daß er sich für sein« Feste ganz besonders, und zwar, seinem Geschmack nach sehr bunt und grell, überhaupt sehr ausfallend und oft ohne Sinn und Maß herrichtet, so daß viele s«in«r Tänze für uns etwas ungemein Komisches haben. Aber nur für uns. Denn der Neger meint da» alles sehr ernst. Harlekinaden. das heißt absichtlich komisch angelegte Ngomas, glaube ich nicht beobachtet zu haben. Am reichsten schmücken sich natürlich die Frauen. Nicht nur, daß sie zum Fest mit ihren schönsten und farbenfreudigsten Tüchern auswarten, ihre komplizierten Frisuren mit besonde- rer Sorgfalt behandeln, die buntesten Stücke in die Ohrmuscheln und da» olitzendste Knöpfchen in den rechten Nasenflügel treiben und allerlei verzierte Kreise auf Stirn und Backen malen — sie ziehen auch hellfarbige Höschen an, die nach Biedermeierart bis auf die Knöchel reichen und mit ihren langen Rüschen kokett unter dem Leibtuch heroorlugen und behängen Hal, und Hüften über und über mit Ketten von Glasperlen, Steinen, Muscheln oder wag sonst eine Negerin zu erfreuen vermag. Aber auch die Männer tun an solchen Tagen ein übriges. Und wenn sie sich nur ganz wahllos irgendeinen alten europäischen Gegenstand aneignen, um ihr tägliches Negerkleid ein wenig damit zu heben. So arbeiteten die Matumbe- leute mit ganz nackten Oberkörpern, an denen eine Unmass« schwerer Glasketten hingen, und hatten sich fabelhaft bunt« Wollfetzen um die Hüften geschlungen. Dazu trug der eine mitten auf dem Kopf einen langen europäischen Toilettenkamm im Wollhaar, der andere einen schmutzigen, grauen Filz hut, der dritte einen Gigerlstrohhut mit ganz schmalem Band — ein vierter hatte sogar eine schwarze Brille auf und was dergleichen Lächerlichkeiten mehr waren. Ein ganz besonderer Verkleidungsauswand wird natürlich bei den ausgesprochenen Phantasietänzen getrieben, mit denen stch unter anderen die Wasso- ramaleute belustigten. Hatten sie schon den Tanz platz mit mehreren phantastisch herausgeputzten so- genannten Stockpuppen eingezäunt, so boten die Tän zer selbst mit ihrem monströsen Kopfputz, in den sich Perlen, Hahnenfedern, allerlei grelle Lappen, zin nerne Lössel und dergleichen Zeug mehr zu einem wahren Bau auftürmten, dem flatternden, ebenfalls bunt bemalten Brustschutz und den dicken Wülsten an den Beinen einen geradezu grotesken Anblick. Das Tollste aber leisteten die Manyemaweiber in ihren beiden Teufelstänzen. Sie waren weiß angestrichen. Der Schwarze stellt sich den Teufel weiß vor. Wahr scheinlich aus dem Gegensatz zu seiner eigenen Haut farbe heraus und nicht, wie manche glauben, weil ihnen die weiße Rasse als ganz besonders teuflisch erscheint. Natürlich hatten sie sich so wüst zurecht gemacht, um den Teufel durch Beelzebub austrerben zu können. Der Teufel ist ja nur gegen die ihm ver fallenen Menschen srech. Vor seinesgleichen fürchtet er sich und kneift aus. Deshalb der herausfordernde Kopfoau: dieser Wust von bunten Fevern auf alten, kiepenförmigen Strobhüten oder auf richtigen Kölner Karneoalsmützen. Manche hatten ganze Hähne auf dem Kopf und mächtige Federkragen um die Schul tern. An den Hüften klapperten breite Muschelgürtel, und an den Fußgelenken kastagnettenartige Rasseln. Dazu die tollen Sprünge und die schlangenartig vom Kopf über die Brust nach unten verlaufenden ero tischen Tanzbewcgungen zu einem haarsträubenden Lärm besonders vieler, besonders großer Ngoma». Man konnte schon verstehcn, daß der Teufel vor die sem Apparat entfesselter Scheußlichkeiten die nötige Angst bekam. * - * Der Neger hat nie ein Theater gehabt und wird nie eins haben. Er bildet sich aber auch nicht» Derartiges ein und ist zufrieden mit dem, was er nicht besitzt. Das Volk, das heute Aegypten be wohnt, glaubt dagegen so etwas wie eine Kunst zu haben und spricht von seinem arabischen Theater. Des Negers Kunst ist ganz niedrig. Vielleicht bat er über, Haupt keine Kunst, sondern nur körperliche Fertig, reiten. Aber er kann doch irgend etwas. Was er macht, gehört ihm allein zu als auf eigenstem Boden gewachsenes Produkt seines Wesens. Der Aegypter ist dagegen «in Nichtskönner: ein elender Macher — ein satter, langweiliger Patron, dessen geistige Ge nügsamkeit nur noch von seiner Arroganz übertroffen wird. Ueber diese traurigste Deaenerattonserschei- nung, di« sich denken läßt, das nächste Mal
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