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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 06.06.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-06-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140606021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914060602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914060602
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-06
- Tag 1914-06-06
-
Monat
1914-06
-
Jahr
1914
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Sette 2. Nr. 283. Menü-Ausgabe. Das Ministerium zählt ausgezeichnete Republikaner, deren Vergangenheit uns allen Vertrauen einflötzt. Sie mögen nur voll und tatkräftig ihren Willen bis zum Ende durchführen. Wir erwarten von ihrer Vergangenheit und von ihrem politischen Sinn, das; sie uns in der Regierungserklärung das Programm von Pau bringen werden. Auch das Blatt Briands, die „Petite Re- publique" nimmt das Ministerium nicht unsym pathisch auf und meint, jedenfalls werde das Drei- jahresgesctz gerettet, weil Viviani selbst dessen un- abweisliche Rotwendigkeit empfinde und weil das Parlament kein Ministerium auch nur 24 Stunden dulden würde, welches in die Regierungserklärung in diesem Punkte irgendwelche zweideutige Formel einschmuggeln würde. Iaur(s schreibt in der „Human it<>": Man kann sagen, das; das Ministerium Viviani ein Mi nisterium Doumergue mit größerer Aktionsfreiheit ist. Die Wahl Messimys wird allerdings gemischte Gefühle Hervorrufen. Die republikanischen Offiziere machen ihm einen Vorwurf daraus, das; er die Re aktionär« im Generalstab begünstigt habe. Ander seits hat Messimy in der Begründung seines An trags auf Einführung der dreißigmonatigen Dienst zeit mehrere nützliche Fingerzeige gegeben, die für das Dreijahrsgesetz zu verwenden sein würden. Der „Figaro" sagt zu der Bildung des neuen Ministeriums: Alles in allem genommen hat der Vollzugsausschuß der Geeinigten Radikalen gesiegt. Er hat ihm seine Anschauungen aufgedrängt und scheint Herr der Situation zu sein, da ihm von 12 Mitgliedern des Ministeriums nicht weniger als neun angehörcn. Der „Rappel" schreibt zu der Ministerkrisis: „Fede Ministcrkrisis enthält eine stets wachsende par lamentarische Konfusion und eine stets ein schneidendere politische Zersetzung. Noch eine oder zwei solcher Krisen und wir werden keinen Minister präsidenten mehr zu sucl^en brauchen, sondern einen K o n k u r s ve r w a l te r." Hauptversammlung -er Deutschen KolonialgeseUschaft Hx. Danzig, 5. Juni. In der Sitzung nm Nachmittag sagten Verb treter der Deutschen in Togo und S n dwestafrika der Kolonialgeseilschaft Dank und versicherten sic der Treue der Ansiedler zum deutschen Vaterland. (Stürm. Beisall.) — Dr. Karstedt Berlin berichtete über die Be- ratungcn der S e l b st v c r m a l t u n g s kom mt s s i o n und bat sie weiter bestehen zu lassen und ihr Mandat auf die Prüfung der Frage des Gouvernemenlsrats für Ostafr ka zu erweitern. — Prof. R a in d r u p h - Münster i. W- wünschte die Hinzuziehung von Autoriläten auf dem Ge biet der kolonialen Selbstverwaltung zur Kom mission. — Oberbürgermeister Dr. Külz- Zittau erklärte, das; Ostafrika mindestens einen solchen LandeSrat wie Südwest- afrika erhalten müsse, wenn die dortigen An siedler zusriedengestellt werden sollen, denn der Deutsche will sich auch in den Kolonien am öffentlichen Leben beteiligen. Auch kann man in Berlin niemals die Wirkung von Verord nungen so erkennen, wie diejenigen, die sie drau ßen am eigenen Leib erfahren. Redner bean tragt, die Hauptversammlung möge beschließen, daß sie die weitere Heranziehung der Bevölke rung von Deutsch-Oslasrika zur Selbstverwal tung für wünschenswert und durchführbar hält. Regierungsrat Dr. Z a ch e-Hamburg hält die jetzige Selbstverwaltung in Ostasrika für durch aus genügend, zumal da dort die Eingeborenen eine ganz andere Rolle spielen als in Südwest. — Oberbürgermeister Dr. Külz: Die Einge borenen sollen natürlich nicht an der Selbst verwaltung teilnehmen, aber unter 1000 Euro päern wird man doch 15 geeignete Leute finden! — Es wurde beschlossen, den Antrag Külz der Kommission zur Erwägung zu über weisen und ihr Dr. Külz zuzugcscllcn. Ein Antrag der Abteilung Berlin will E i n- Leipziger Lageblatt. sprach erheben gegen die Verallgemeine rung der Vorwürfe über einzelne M i ß stünde auf den deutschen Plantagen durch Redner der Budgetkommissiou des Reichstags. Der Plantagenbau ist ein wichtiger Faktor der kolonialen Entwicklung, Mißstände sind zu be seitigen, die deutsche Verwaltung hat selbstver ständlich für die Erhaltung der Eingeborenen einzutreten, über deren Gesundheitsverhältnissc eine Statistik gefordert wird. Konteradmiral z. D. Strauch-Berlin weist die unberechtigten Vorwürfe zurück, die im Reichstag den Pflan zern als fürchterlichen Ausbeutern gemacht wur den. Niemand bestreitet, das; Ausschreitungen vorgekommeu sind, aber die Schuldigen sind be strast worden, und gerade die Pslanzcr haben schwere Bestrafung weißer Negcrmißhändler vcr langt. Das Anssterben der Eingeborenen ist schon von Stanley beobachtet woroen, hat also mit den deutschen Plantagen nichts zu tun. Für die schwarzen Arbeiter ist viel getan worden, cs wird und muß aber noch mehr geschehen. Tie Neger können nur durch einen gelegentlichen krüstigeu Druck erzogen werden. Tie An siedler sind empört über die Angriffe im Reichstag, deren Zurückweisung wir ihnen schuldig sind. (Stürm. Beifall.) — Lange- Berlin oetout, daß die 707 Platttageiigesellschaf- lcn in Ostafrika nicht weniger als Kl Mi Ar beiter beschäftigen. (Hört! Höri!) — Konsul V o h s c u - Berlin erkennt die Schutzarbeit der Plantagen für die Arbeiter an. In der weite ren Debatte wird die Entvölkerung auf Ge schlechts- und andere Krankheiten zurttclgesührt, und Dr. H i n d o r f - Berlin macht darauf auf merksam, daß die Häuptlinge ost statt der zu erst vorgestellten träftigen Leute kranke und schwächliche auf die Plantagen schicken, die na türlich eher sterben als andere. Prügel sind Negern, die etwas angestellt haben, oft recht dienlich. Die Pflanzer verdienen Dank und Anerkennung, die Angriffe und Verleumdungen im Reichstag Zurückweisung. Darauf wurde der Anrrag Berlin einstimmig angc- n o m m e n. Schließlich beschloß man nach kurzer De batte, die Ausdehnung der Angestell te n v c r s i ch c r u n g auf die Kolonien, zu empfehlen, sowie regelmäßige Zählungen der farbigen Bevölkerung unter Festftellung von Volksstamm, Geschlechi, Aller u. dgl. auf Reichs kosten zu fordern. — Am Sonnabend gehen die Verhandlungen weiter. politische Ueberlicht Aentralverban- Deutscher Industrieller. Wir berichteten bereits in unserer heutigen Morgcnnummer über die Tagung der Vertreter des Zentraloerbandcs D«utscher Industrieller in Köln. Wir fügen dem noch folgendes hinzu: In der dem Vortrag« Schweighoffers folgenden Diskussion bedauerte Geh. Baurat Beuken- berg die Abwesenheit von Vertretern der Reichs ämter und Ministerien. Es wurde ein Beschluß antrag angenommen, worin der Zentralvcrband eine weitere Belastung der deutschen Industrie durch Einschränkung der Arbeitszeit gerade ange sichts der Berührung der Existenzbedingungen weiter industrieller Kreise durch die bevorstehende Neuregelung der Handelsverträge als ganz be sonders unangebracht erachtet, auch keinen Ausgleich für diese Belastung von einem internatio nalen Vorgehen erhoffen zu können glaubt. Nach dem bereits auf der Züricher Zusammenkunft der Internationalen Vereinigung für Arbeiterschutz 1912 fesrgesteUt worden sei, daß die abgeschlossenen Ver träge von einzelnen Vertragsstaaten nicht nur nicht eingehaltcn, sondern durch sehr weitherzige Aus legungen ohne weiteres umgangen würden, müsse die Erwartung ausgesprochen werden, daß vor jeder wei teren Abmachung auf diesem Gebiete den deutschen Arbeitgebern Gelegenheit gegeben werde, zu den An trägen bei der Internationalen Vereinigung, vor allem zu den auf der technischen Konferenz be schlossenen Erundzügen Stellung zu nehmen. Dazu sei erforderlich, daß den Beteiligten von dem der Konferenz zugrunde liegenden Material in voll em Umfange Kenntnis gegeben werde. Nach einer sodann angenommenen Resolution zur Kaltgcsetz Novelle, gegen deren Bestim. mungen sowohl aus allgemeinen finanzpolitischen und staatsrechtlichen Gründen als auch im Interesse der deutschen Kaliindustrie Widerspruch erhoben wird, wurde nach einem Referat des stellvertretenden Ge schäftsführers der nordwestlichen Gruppe des Vereins Deutscher Eisen- und Stahlindustrieller und des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaft lichen Interessen in Rheinland und Westfalen, Dr. Kind, über d-ie Kommunalabgaben in Preußen und die öffentlich-rechtliche Belastung der deutschen In dustrie eine Resolution angenommen, die die Er wartung ausspricht, daß der preußische Landtag die Interessen der Industrie besser wahren werde als der Entwurf, und in der die bisherigen Beschlüsse der Kommission mit Zustimmung begrüßt werden. Der 22. verbanöstag -es deutschen Lechniker-verban-es. Im Jahre seines 30jährigen Bestehens war der Deutsche Techniker Verband in den Pfingsttagen in Metz zu seinem 22. Verbandstagc zusammen getreten. Die 32 000 Mitglieder hatten etwa 150 Abgeordnete entsandt, so daß mit den anderen Körperschaften des Verbandes zusammen über 200 Mitglieder den Verhandlungen beiwohnten. In der Eröifnungssitzung hielt Landtagsabgeordneter Donnevert (Metz) den Festoortrag, der ein Bild von der Entwicklung der loziaten Bewegung gaö und in die Worte ausilang, daß auch der Kampf der deutschen Techniker um Erfüllung ihrer berechtigten Forderungen nicht nur ein Kampf um materielle Dinge sei, sondern vor allem ein Kampf um das Beste und Höchste, um „das größte Glück der Menschenkinder", um die Persönlichkeit. Reben der Erledigung der inneren Verwaltungsangelegen heiten nahm der Verbandstag zu einer großen Reihe wichtiger Tagesfrag«n Stellung. Er sprach sich nicht nur für ein einheitliches Angestelltenrechl, sondern auch für die Vereinheitlichung des Deamtenrechts aus, wandte sich in einer scharfen Resolution gegen die gelbe Bewegung, die auch in die Kreise der An- ^stellten einzudrinzen juche, und forderte in einer dritten Entschließung die Fortführung der Sozial reform besonders für die Techniker, die bisher das Stiefkind der sozialen Gesetzgebung gewesen seien. Von den übrigen Fragen, zu denen der Verbandstag Stellung nahm, seien genannt: die parteipolitische Neutralität des Verbandes, das Koalitionsrecht, der alternde Techniker, Maximalarbeitszeit und Mindest lohn, Techniker als Baukontrolleure, Techniker als Fortbildungsschullehrer. Zum Vcrbandsvorsitzenden wurde Architekt Paul Reifland wiedergewählt, lieber die Verhandlungen wird ein gedrucktes Pro tokoll erscheinen, das von der Buchhandlung des Deutschen T«chniker-V«rbandes, Berlin LlsV-, Wil- Helmstraße 130, zu beziehen ist. Sozialdemokraten und kaiserhoch. Unter der anheimelnden Ueberschrift „Kindisches, allzu Kindisches" antwortet der „Vorwärts" auf die Angriffe, die die „Genossen" Heine und Edmund Fischer gegen die neue Taktik der sozialdemokra tischen Reichstagsfraktion, beim Hoch auf den Kaiser sitzen zu bleiben, gerichtet haben. Dabei kommt „Genosse" Heine wesentlich besser weg, als „Genosse" Fischer. Denn diesem wirft der „Vorwärts", ohne eine sachliche Auseinandersetzung auch nur zu ver suchen, bloß persönliche Verunglimpfung vor. „Er betrachtet", schreibt der „Vorwärts" vom „Genossen" Fischer, „die Politik vom Standpunkte desHande ls- m annes, der sich mit seinen Gläubigern um jeden Preis ausgleichen möchte; da er nichts in seiner Masse weiß, erscheint ihm jeder Ausgleich barer Gewinn." — Aus solchen Freundlichkeiten kann man auf die Mut schließen, in die der „Vorwärts" durch Fischers Eingeständnis versetzt wurde, daß die Prä sidenten bureaukratisch regierter Republiken nicht selten schlimmere Tyrannen seien, als absolute Monarchen cs je gewesen! Dem „Genossen" Rechtsanwalt Heine gegenüber Sonnabenü, 6. Juni 1914. beschränkt der „Vorwärts" eine Anzapfung persön licher Art auf die Behauptung: ihm sei wieder ein- mal das juristische mit dem politischen Denken durch gegangen. Der Beweis hierfür wird jedoch vom „Vorwärts" in der Polemik gegen den „Genossen" Heine nicht geliefert, da an dem Gegensätze, der den „Vorwärts" vom „Genossen" Heine in der Beurtei lung des Kaiserhochs trennt, rein politische Mei nungsverschiedenheiten schuld sind. Politisch ist zu nächst Heines Widerspruch dagegen, den Kaiser per sönlich für die Politik der Regierung verantwortlich zu machen, weil Heine diesen Widerspruch haupt sächlich damit begründet, daß das Gegenteil eine Anerkennung dessen bedeute, was die Sozialdemo kratie immer bekämpfe, sobald sie die im Namen des monarchischen Prinzips erhobenen Ansprüche vom Standpunkt des freien Staatsbürgertums ablehne. Auf solche politische Folgerichtigkeit pfeift der „Vor wärts", sobald sie seiner Ausfassung des Partei interesses nicht dienlich erscheint. Politisch ist ferner die Besorgnis des „Genossen" Heine, es könnten durch die neue Taktik der Reichstagsfraktion weite Wählerkreisc in Stadt und Land kopfscheu gemacht werden. Dieser revisionistischen Auffassung stellt der „Vorwärts" den radikalen Gesichtspunkt entgegen, „daß es nicht n"r darauf ankommen darf, Wähler stimmen zu gewinnen, sondern unsere Wähler zu auf geklärten, zielbewußten Sozialdemokraten zu machen." Von diesem Standpunkte aus will der „Vorwärts" „unsere demokratische Ucberzeugung" „mit aller Schärfe" zum Ausdruck gebracht wissen. Das sozial demokratische Zentralorgan verleugnet jedoch in der weiteren Auseinandersetzung mit dem „Genossen" Heine das Hauptmerkmal demokratischer Ueber- zcugung, indem es den Vorwurf Heines, die sozial demokratische Neichstagsfraktion habe durch ihr Ver halten beim Kaiserhoch die dem Reichstage von seinen Mitgliedern geschuldete Rücksicht verletzt, mit den charakteristischen Worten beantwortet: „Wir empfinden es als Anmaßung und unerträglichen Zwang, uns zur Beteili gung an einer Kundgebung nötigen zu lassen, die unserer Ueberzeugung widerspricht und zu der uns nichts verpflichtet." Das heißt nicht mehr und nicht weniger, als die Herrschaft der sozialdemokratischen Minderheit über die nichtsozialdemv- tratische Reichstagsmehrheit aufrichten wollen. „Demokratisch" ist solche Minderheits- Herrschsucht nicht, vielmehr bedeutet sie die voll ständige Preisgabe des ersten demokratischen Grund- satzes, nämlich der Achtung vor der Mehrheit. Wo hat aber die Sozialdemokratie jemals Bedenken ge tragen, diesen Grundsatz zu verleugnen, sobald es ihr in den Kram paßte? Deutsche» Reich. * Der Landesverband der Fortschrittlichen Volks partei im Kgr. Sachsen hält seinen diesjährigen Landesparteitag am 13. und 14. Juni in Dresden im Palmengarten ab. Die Tagesordnung umfaßt folgende Hauptpunkte: Geschäftsbericht (Stadtrat Beck Dresden und Generalsekretär Ehrich-Leip-ig), Kassenbericht (Landtagsabgeordneter Professor Koch- Dresden), Beschlußfassung über die neuen Satzungen des Landesverbandes (Fabrikbesitzer Graf-Leipzig), das Wahlabkommen mit den Nationalliberalen für die Landtaoswahlen 1915 (Chefredakteur Steinsdorff- Zittau) und Rückblick auf die Landtagsverband- lungen 1913/14 (Landtagsabgeordneter Professor Koch- Dresden/. * * Der Große Eeneralstab mit dem Kron. Prinzen ist um 8 Uhr heute früh von Metz weitergefahren, zunächst nach Diedenhofen, um dort einige Forts zu besichtigen, und sodann über Trier in die Eifel nach Kyllburg zu fahren. * Ein halbes Dementi. Die „Franks. Ztg." mel det aus Berlin: Die Tatsache, daß gleichzeitig mit dem Kaiser Staatssekretär v. Tirpitz als Jagd gast bei dem Erzherzog Thronfolger Franz Ferdinand in Konopischt weiten wird, gibt einzelnen Blät tern zu der Vermutung Anlaß, daß bei dieser Ge legenheit marinepolitische Besprechungen gepflogen werden sollen. In einzelnen Leitartikeln werden diese angeblichen Besprechungen sogar in Verbindung gebracht mit der Frage einer englisch russischen Flottenentente, die unseres Wissens eine Frage, aber noch nicht mehr ist. An den unter- Vas Slück ckrr anckerrn. Ivj Roman von Fritz Stüber-Gunther. «Oorixiiedt UN4 b/ OrotliloiL <t Co, (4. w. d. ll. Aber ein lächerlich zweckloses Beginnen, sagte er sich unwillig, wäre cs gewesen, hier den Tugendspion und Tugcndwüchter machen zu wol len. Mochte ihn Paul nicht ins Vertrauen ziehen — sich in sein Geheimnis zu schleichen, dazu war Anton Gottsmann doch zu stolz. Ihn von sich stoßen wollte er ja gewiß nicht. Das Geld, das dort im Alkoven in der cinbruchfesten Kasse lag, das kleine Vermögen, das er unter Knickern und Knausern gehäuft batte, war zwar vor allem bestimmt, mit seinen Zinsen ihn selber für den Abend seines Lebens freiznmachen und ihm die ausschließliche, geruhige Pflege seiner heißgelieb ten Kunst zu ermöglichen. Aber unangetastet sollte es, sobald er starb, an Paul fallen. Dieser unumstößliche letzte Wille war längst in den Händen des Kaiserlichen Notars. Mehr konnte doch wahrlich niemand von ihm verlangen. Mehr konnte selbst kein Vater für sein Kind tun. Und da er sich so in Unmut und Härte hin- cingeredet hatte, der Herr Revisor Anton Gotts- mann, da spürte er plötzlich einen Stich in seinem narbigen und runzligen, selbstsüchtigen alten Iungaesellenherzen, nnd da ging er abermals zum Klavier und spielte und summte verträumt: „Nun, da die Frühlingsblumen wieder blühen, In milder Lust die weißen Wolken ziehen. Denk' ich in Wehmut deiner Lieb' und Güte, Du holdes Mädchen, das so früh verblühte... Wo du auch feist, im Herzen bist du mein. Was Gutes in mir lebt, dein ist's allein." .7. Kapitel. Am ersten Mai kam der Herr Revisor Anton Gottsmann bereits um ein Uhr ans dem Amte zum Mittagsmahl nach Hause, das Frau Kienast, dec Furcht vor Entlassung längst los und ledig, pünktlich nnd sorgfältig bereitet hatte. Ter frühere Lurcaujchlutz war ein übriggeblicbcncs Privileg aus jener längst vergangenen guten alten Zeit, da Aristo- und Plutokratie der Re sident diesen Tag zur öffentlichen Verherrlichung de» Wonnemonat-, zur großen „Maifahrt" au»- erwählt hatte, und das übrige Volk, zu dessen „besserem" Teile damals noch die Herren Be amten gehörten, schaulustig und devot die Staffage abgab. Eine andere Verwendung der ausnahms weise geschenkten zwei Frühtingsnachmittags- stundcn aber wußte sich auch jetzt fast jeder als zum Brüten über staubigen Akten. Auch der Herr Revisor Amon Gottsmann, hatte er schon keinen bestimmten Ausslugsplan, fühlte sich von der fast hochsommerlichen Himmelsbläue und Sonnenwärme und Windstille mit Macht hin- ausgezogcn ins Freie, weit hinaus, wohin die hochgehenden Wellen des unrnhcvollcn Arbeite ruhetages nicht mehr reichten. Als er aber, satt geworden von den gut ge meinten Kochlüttsten seiner kindergesegncten Haushälterin, ein Buch vom Bord zu Rate ziehen wollte, das die schöne landschaftliche Um gebung der Millionenstadt in allen Einzelheiten schilderte, da schrillte draußen die Klingel. Und gleich daraus steckte Frau Kienast das früh er graute Haar durch den Türspalt herein: „Bitt' schön, der Herr Spitzacker!" Paul! Also endlich wieder einmal Paul! dachte Gottsmann voller froher Ueberraschnng. Allein nicht Spitzacker der Jüngere, der Ober leutnant, sondern Hermann Spitzacker, der ver krachte Juwelier und jetzige Schatzkammerdiener, machte ihm einen Besuch. Er war sehr lebhaft und roch ein wenig nach Alkohol, wie dem Re visor schien. „Mich wundert eigentlich, daß -vir heute die Bude zugesverrt haben vor den Herren Ge nossen," sagte er, und um seine Mundwinkel, seine Nasenflügel zuckte es unwillig. „Wann's ans mich ankäm', dann müßt' an so einem Tag, wie der heutige ist, an dem die wildesten und niedrigsten Leidenschaften losgclassen sind, die Allerhöchste Schatzkammer mit scharfgeladenen Kanonen beschützt sein. Wenn das Unheil ein mal geschehen ist, dann ist's natürlich zu spät." Er sprang ans nnd rang die Hände und lies mit zappligen Schritten durchs Zimmer: „Was ich jür Not und Kummer und Ver antwortung hab'!" Anton Gottsmann, der fixen Idee seines Jugendfreundes überdrüssig, hatte ihm bisher gar nicht zugehört. Erst dessen letzte Worte er regten seine Aufmerksamkeit. „Was meinst du denn?" rief er erschreckt. „Ist etwas mit Paul —?" „Ich weiß gar nicht, wie du mir vor kommst!" gab der andere gereizt zurück. „Ich hab' unendlich Wichtigeres im Kopfe!" Und plötzlich blieb er vor Gottsmann stehen: „Willst du mich begleiten? Willst du — sagen wir — einen Ausflug mit mir machen?" „Einen Ausflug? Mit dir?" wunderte sich Gottsmann. Denn er wußte nur zu gut, daß Spitzackcr halbduntle städtische Weinschenken weit mehr liebte, als Wald und Feld und Auen. „Jo, ja, mit mir, und zwar sofort." drängte Hermann ungeduldig. „Ich hab' nicht viel Zeit. Ich muß zur Bahn." Und er nannte als sein Ziel das nahe der Großstadt und doch vom Hauptverkchr ganz abgelegene kaiserliche Lustschloß, das berühmte Sommerschloß der Habsburg-Lothringer, in wel. chem die große Maria Theresia mit Vorliebe stille, schwüle Augusttage verbrachte, das allein von allen solchen Sommersitzcn auch ihr Sohn Josef schätzte, das aber erst dessen Neffe, der letzte römisch-deutsche und erste österreichische Kaiser, zu einer ebenso seltsamen wie wunder vollen Sehenswürdigkeit ausgestaltete, indem er in dem riesigen natürlichen Park, der mit ur alten Baumriesen und samtenen Rasenflächen und träumerisch dahinrieselnden Wasseradern das Schloßgebäude umgab, romantische Kunstbauten verschiedensten Stils errichten ließ und mit den weit und breit zusammengctragcnen kulturhisto rischen Schätzen vollstopftc wie Raritätenkam- mern; das schloß und den Park, die, nachdem sie die glänzendsten und rauschendsten Hoffest« erlebt hatten, plötzlich vereinsamten und ver ödeten und verwilderten, vom strenagehüteten Lieblingserholungsorte geheiligter Majestäten hcrabsankcn zum banalen Fciertagsziele schau lustiger und lusthungriger großstädtischer Ans- slüglcr. „In die Franzenoburg will ich," jagte Spitz acker und lächelte nervös geheimnisvoll. „Kommst du also mit oder nicht?" „Ja, ich begleite dick!" entschied sich GottS- mann nach kurzem Bedenken, eigentlich froh, daß der Freund mit diesem bestimmten Vor schläge seinem eigenen Zaudern und Zweifeln ein Ende machte. Aber als sic zusammen im Eisenbahnwagen saßen, und Hermann Spitzacker, nahe an ihn hcranrückcnd und sich zu seinem Ohre neigend, ihm den eigentlichen Zweck seines Ausfluges düster-schlau erklärte, da wäre er am liebsten wieder umgekehrt. Vergebens bemühte er sich, den Schatz kammerdiener von seinem neuesten Verdachte ab- zubringcn: „Du wirst dich täuschen, sicherlich. Wer weiß, was das für ein harmloser, anständiger Mensch ist, dem du jetzt wieder räuberische Ab sichten in die Schuhe schiebst . . ." „Nein, nein," unterbrach ihn aber Spitzackcr säst zornig. „Der gelbgesichtige, hagere Eng länder oder Amerikaner, den ich mir heut' aufs Korn genommen hab', ist ein gefährlicher Räuber. Eine innere Stimme sagt mir's. Sie sagt mir auch, daß der Kerl, der's in erster Linie aus die Kleinodien der Allerhöchsten Schatzkammer abgesehen hat, in zweiter Linie auch auf die historischen Raritäten der Franzensburg speku liert und gleich den heutigen günstigen Nach mittag benützen wird, um dort zu mausen — oder wenigstens die beste Mausgelcgcnhe.it aus- zukundschasten. Aber den Spaß werd' ich ihm versalzen!" Vergebens war Gottsmann bemüht, den armen Freund von seinem Starrsinn zu heilen. „In die Burg," sagte dieser, als sie, dem Eisenbahnwagen entstiegen, den Vorhof des Lust schlosses mit Zeinen langgestreckten, einstöckigen, ockergelben Wirtschaftsgebäuden, dunkelgrünen Fensterläden und silbergrauen Schieferdächern durchschritten, „in die Burg selbst darfst du nicht mit mir hinein. Du würdest mir durch irgend eine Unüberlegtheit den sauberen Vogel, der mir ins Garn gehen soll, verscheuchen. Du bleibst also im Park einstweilen und erwartest mich in — hm! — anderthalb Stunden beim — sagen wir — beim Haus der Laune . . ." Dem Herrn Revisor Anton Gottsmann blieb nichts übrig, als dem Befehle zu gehorchen und da- Weitere dem Schicksal anheimzugeven. (Fortsetzung in der Sonnbagsausgare.)
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