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I^Iotirsn kooseveit unä elie KstkoUken Die osfensichtlich günstigen Auswirkungen der neuen Wirtschaftspolitik in Amerika gewinnen dein Präsidenten Roosevelt immer mehr auch die Sympathie derjenigen Kreise, die ihm anfangs ablehnend oder zurückhaltend gegenüberstanden, wie z. V. die Katholiken. Denn aus) sie können nicht blind bleiben für seine Politik, seine Initiative, seine Energie und die zahlreichen Erfolge. Sie sind umso mehr zu einer Anerkennung geneigt, als er auch ihnen gegenüber sichtbar bestrebt ist, manche Un gerechtigkeit seines Vorgängers auszugleichen. Bekannt lich haben schon bei seiner Wahl die Katholiken eine nicht unbedeutende Nolle gespielt. Der Manager seiner Wahl kämpfe, M. Farley ist sogar Katholik, und wurde in An erkennung seiner Verdienste mit der Verwaltung des Postministeriums betraut. Auch in das Justizministerium wurde ein Katholik berufen, den allerdings noch vor seiner Amtsübernahme der Tod ereilte. Ein anderer Katholik, Frank Murphy, ehemaliger Bürgermeister von Detroit, wurde zum Keneralgouverneur der Philippinen ernannt. Dieser überaus wichtige Posten war bisher stets mit Protestanten beseht, obwohl die Bevölkerung fast ausschließlich katholisch ist. Auch der neue Gouverneur von Porto-Rico ist Katholik. Bekannt ist. das; Roose velt schon wiederholt die Gelegenheit wahrgenommen hat, um seine Bewunderung für die Kat ho- i lische Kirche und den Papst auszusprechen. Im ! Laufe seiner Wahlkampagne hat er seine Sozial theorien häufig auf die Enzykliken Pius XI. gestützt. Als er von der katholischen Universität in Washington mit dem Ehrendoktor ausgezeichnet wurde, widmete er dem Papst und dem amerikanischen Episko pat Worte höchster Anerkennung. Unseren Säuglingen nnno 2000 resenvient! In London ist gegenwärtig eine Reklameausstellung. Nicht weniger als 2v0 Pavillons machen uns mit den Grotztaten der Werbeindustrie bekannt. Sie sind eine einzige Widerlegung des Goethewortes: „Name ist Schall und Rauch." Denn Name, immer wiederholter, in tau send Abwandlungen bebilderter, gefunkter, gedruckter Name ist Geld, Geld, Geld. Was iväre Paris ohne Du- bonnet, Deutschland ohne Odol, Amerika ohne seine Kauguinmimarken? Der Mittelpunkt der Ausstellung ist Packeteria, das Warenhaus der Zukunft. Hier gibt es keine altmodischen Plakate mehr, die ja bloss den Blick fangen, hier sehen wir einen mit viel feinen Listen auf gebauten Kundenfangapparat. Kauf oder stirb! ist die Losung. Gleich beim Eingang erhältst du — rind nun lassen wir dem Londoner Berichter einer Wiener Zeitung das sachverständige Wort — „eine runde Einkaufsschach- tel, die du auf einer Schiene, entlang der ausgelegten Ware, vor dich k)erschieben mutzt. Jedes Muster kostet nur einen Pfennig ein für Markenartikel verlockend geringer Preis. Du wirfst die Dosen und Paketchon in deine Schachtel und freust dich über das reizende Arrangement der aus gestellten Gegenstände, über die Ucbersichtlichkeit der Anlage und über die Vielfältigkeit. Du erinnerst dich, dass du schon längst Zahnpasta besorgen wolltest, datz du unbedingt einmal diesen Jam, von dem du schon so viel gelesen hast, versuchen mutzt, datz Hustenpastillcn immer nützlich sind, und datz du auf jeden Fall ein Heilpslaster für Brandwunden im Hause haben mutzt. Zwischendurch bewunderst du die Krawatten und Strümpfe, die Schoko laden und Früchte, und wenn du beim Ausgang ange langt bist, weisst du, datz du tatsächlich alles, was dieser Laden bieten konnte, gesehen und bestimmt nichts ver gessen hast. Dio Pennies werden an der Zahlkasse rasch addiert und erstaunt nimmst du das minimale Wechsel geld für das grosse Silberstück entgegen. Viel Zeit zu überlegen hast du nicht, da die eingekausten Waren schon in eine Papiertasche gelegt und bereitgehalten sind. Die anderen Kunden drängen schon nach und du stehst, von der flotten Expedition ein wenig benommen, wieder aus Nächtlicher Fackelzug Wien, 12. September. In einer grotzen Kund gebung der Vaterländischen Front hielt Bundeskanzler Dollfuss seine angekündigte Rede. Der Bundeskanzler erklärte, datz das Parlament, so wie es war, nicht mehr wiederkommen werde. Wir wollen nicht gewaltsame Politik treiben, wir sind aber verpflichtet, die Ruhe des arbeitenden Volkes vor allen Gewalttaten zu schützen. Nun stehen wir vor dem Neuaufbau unserer Hei mat. Wir sind unter allen Umständen gewillt, uns von keiner terroristischen Bewegung überrumpeln zu lassen und wir find unter allen Umständen allen Situationen gewachsen. Die Zeit des liberalistischen Kapitalismus und der liberal kapitalistischen Gesellschafts- und Wirtsä-astsordnung, der marxistischen Volksverführung und der reinen Parteiherr schaft yt vorüber. Wir lehnen GteichsäMung und Terror ab, wir wollen den sozialen christlichen Staat Oesterreich auf ständischer Grundlage aufbauen. Wir sind so selbstverständlich deutsch, datz ich es eigent lich als überflüssig empfinde, das zu betonen. Wir wollen die guten Charaktereigenschaften des Volkes pflegen, die zur Einheit führen; Selbstlosigkeit und deutsche Treue sind Tu genden, die wir in unserer Heimat pflegen. Wir werden uns davon auch nicht abbringen lassen, wenn man uns unser Neues Großfeuer in Vaden Zwei Wohnhäuser und drei Scheunen eingeäschert. Phillippsburg, 12. Sept. Die hiesige Einwohner schaft wurde gestern früh durch Feueralarm aus dem Schlaf geschreckt. Im Wohnhaus eines Bahnarbeiters war ein Brand ausgebrochen, der sich mit grotzer Schnelligkeit ausdehnte und trotz der grössten Anstren gungen der Feuerwehren im Verein mit SA., Polizei und freiwilligem Arbeitsdienst binnen kurzem auf ein Wohnhaus sowie drei mit Erntevorräten gefüllte Scheu nen Übergriff und sie in Asche legte. Auch hier waren wie in Oeschelbronn die Löscharbciten infolge des durch die lange Trockenheit verursachten Wassermangels sehr erschwert. Die Brandursache ist noch nicht geklärt. Schweres Autounglück bei Eastiglione A ch t T o t e. Arezzo. 12. Sept. In der Nähe von Eastiglione fuhr ein mit 8 Per sonen besetzter Kraftwagen in den Personenzug Florenz- Rom. Das Auto wurde von dem Zuge etwa KOO Meter weit mitgeschleist. Alle 8 Insassen des Wagens kamen ums Leben. der Strotze." Schrecklich, nicht? Der Kunde, einst ge mütlich zwischen den Tischen schlendernd, kommt in die ser Kaufzwangsanstalt zu keiner M'sinnung. Die Kauf kraft wird ihm gleichsam magnetisch aus der Tasche ge zogen; zuknöpfen Hilst nichts. Gottseidank verkündet der Ausstellungskatalog: Packeteria wird erst im Jahre 2000 Wirklichkeit werden. Wir dürfen uns also trösten, nur unsere Säuglinge werden diesen Reklamehimmel erleben. ehrlicl)es Deutschtum immer wieder abspricht. Wir sind und müssen uns dessen bewutzt sei, datz wir 'Deutsche sind und wenn uns auch der grotze deutsche Bruder heute absicht lich oder unabsichtlich missversteht — wir haben uns immer nur gewehrt und niemals angegriffen, och habe die Be reitschaft zur Zusammenarbeit immer wieder betont, kann aber diejer Tatsache heule nichts mehr hinzusügen, weil dies ein Winseln wäre. Wir wollen uns gemeinsam zu Oesterreich als unserem Heimatland in der Vaterländischen Front be kennen und ich hoffe, datz in der allernächsten Zeit Beschlüsse gefaßt werde», datz alles, was hinter der Regierung steht, gemeinsam in der grotzen patriotisct-en Bewegung zusam menarbeitet. Im Anschluß an die Kundgebung aus dem Trab rennplatz, veranstalteten die der Vaterländischen Front angeschlossenen Verbände einen Fackelzug. Den Vorbeimarsch nahmen Dr. Dollfuß, Fürst Starhemberg und Sicherheitsminister Fey, alle drei zu Pferde, am äusseren Burgtor ab. Der Fackelzug dauerte bis gegen Mitternacht. Im Anschlutz daran empfingen der Bundeskanzler und Frau Dollsutz anläßlich der 2.'>0jährigen Wiederkehr des Tages des Entsatzes von Wien das diplomatische Korps, die Spitzen der Behörden und andere. Naubüberfall auf Eisenbahnbeamte 100 000 Do klar erbeutet. St. Paul (Minnesota), 12. Sept. Auf zwei Eisenbahnbeamte wurde hier von acht Banditen ein Raubüberfall verübt. Die Räuber knebel ten die beiden Beamten und raubten 100 000 Dollar. Autounfall zweier SA.-Männer Ein Todesopfer, ein Schwerverletzter. Geisenheim a. Rh., 12. Sept. Auf einer Autofahrt verunglückten zwei SA.-Män ner vom Motorsturm Geisenheim kurz vor dem Orts eingang. Der eine SA.-Mann sand dabei den Tod, wäh rend der andere mit schweren Verletzungen ins Kranken haus geschafft werden mutzte. Hirtsiefer in Schutchast Essen, 12. Sept. Der frühere preutzische Minister Hirtsiefer, der gestern einen Zusammenstoß mit SA.-Männern gehabt hatte, ist in Schutzhast genommen worden. New Orleans. Bei einer Meuterei im Angolagefängnis sind 13 zu laugen Strafen verurteilte Verbrecher entkommen. Drei fanden den Tod. Kundgebung der Vaterländischen Front Oesterreichs programmatische Rede von Dollfuß 2l. kortsotruns» dlacliclruck verboten Frau Erepp hat gute Tage. Sie läßt Hella scheuern und putzen und sieht lächelnd zu. Schon immer wollte sie einmal gründlich Scheuerfest halten, aber es kam nie dazu, und nun ist sie froh, daß eine andere ihr die Arbeit aus der Hand nimmt. Von Edith bekommt Hella täglich neue Anregungen und Ermahnungen. Da ist zunächst das Aeutzere Hellas, das einer gründlichen Auffrischung bedarf. Als alle Bitten und Sticheleien, den Bubenkopf be treffend, nicht helfen, findet Edith, datz Hellas Haarknoten kleidsamer ausgestellt werden mutz. Und mit geschickten Fingern drückt sie Hellas blonde Zöpfe flach und zieht sie tiefer auf den Nacken hinab. Edith beschaut die Freundin prüfend. Der straffe Mittelscheitel kleidet Hella gnt. Sie kann bei ihrem zarten Gesicht sich diese Einfachheit erlauben. Dazu wirkt die Blässe ihres Gesichts eigenartig zu dem goldigen Blondhaar. Die Tage geben dahin, und am ersten Tage des Monats steht Hella morgens pünktlich vor dem Hause Kaiserallee vierunddreitzig. Die Frau Prosejsor führt sie selbst noch oben in das schräge Dachkämmerchen, darin sie wohnen soll. Und Hella packt ihre Habseligkeiten in die alte Klrsch- baumkommode und zieht das Arbeitskleid über. Bevor sie wieder nach unten geht, wirft sie einen kleinen Blick durch das kleine Fenster. Wie schön! In glänzender Vormittagssonne liegen die Gärten der Villen aneinandergereibt. Zwerge aus buntem Stein hocken auf dem Rasen zwischen den Blumenbeeten, und leise plätschert der Springbrunnen. Aus der dumpfen Kellerwohnung in dieses kleine, Helle Zimmer zu ziehen, das den Ausblick auf grüne Wipfel freigibt, ist wie eine Erlösung. Hella lebt sich schnell ein. Sie hat bald heraus, worauf es bei der Frau Professor ankommt. Flink und sauber mutz man sein, nie ein missgestimmtes Gesicht zeigen. An die Einteilung der Hausarlxit hat sie sich schnell gewöhnt, ebenso daran, datz man sie hier bei ihrem vollen Namen „Helene" ruft. Es ist schwer, die Frau Professor zufriedenzustellen. Sie ist genau in allen Dingen und scheint einen Hang zum Mißtrauen zu haben. Weshalb sonst fragt sie mit einem so sonderbaren Blick „Auf dem Eckschrank lagen meine Schlüssel? Ich hätte dar auf geschworen, sie ins Körbchen gelegt zu haben —" Hella jedoch bleibt immer freundlich und zuvorkom mend und hat sich bald das Herz des Töchterchens erobert. Gabi ist jetzt ein hochaufgeschossenes Mädel mit schlan ken Beinen und mit aschblonden Zöpfen, die nach vorn über die Schultern gelegt sind. Der Herr Professor ist ein ernster Mann mit bartlosem Gesicht und goldgefaßten Brillen gläsern. Man dämpft unwillkürlich die Stimme In seiner Gegen wart. Wenn er jedoch mit seinem Töchterchen spricht, liegt ein freundliches Strahlen in seinen Augen und ein Lächeln um seine» Mund. Die ersten vierzehn Tage seit Hellas Aufenthalt in der Familie raube» der Frau Professor einen guten Teil Nervenkraft. Ueber zehn Augenpaare und ebenso viele Ohren müßte man verfügen, um seststcllen zu können, ob das Mädchen auch wirklich ehrlich ist. Das Haus ist geräumig, und an allen Ecken und Enden bietet sich Gelegenheit, irgend etwas verschwinden zu lassen. Man kann doch Wäsche und Silber nicht alle Tage von neuem nachzählen. So verfällt die Frau Professor auf alle möglichen Kniffe, die Ehrlichkeit der neuen Angestellten zu prüfen. »Ich glaube", sagt sie eines Abends zu ihrem Gatten, ..der Trick mit dem Fünfpfennigstück ilt zu plump. Wes« halb bringt Helene es mir nicht her? Weshalb bleibt es nach jedem Ctaubwischen auf dem Schreibtisch liegen?" Professor Eriebert putzt seine Brillengläser, „das Mädchen macht einen überaus günstigen Eindruck aus mich. Ich denke, du kannst ohne Sorge sein." Frau Professor wiegt zweifelnd den Kopf. „Man kann nicht wissen..." Sie hat allerlei Ersahrungen gesammelt und ist nur schwer zu überzeugen. In den nächsten Tagen hat Hella Gelegenheit, sich über eine Bonbontüte zu wun dern, die nicht von der Fensterbank im Wohnzimmer ver« thwindet. Zunächst gedankenlos, dann mit leisem Staunen schiebt Hella sie jeden Morgen nach dem Putzen wieder auf den gewohnten Platz neben den Blumentopf und ahnt nicht, daß die Bonbons jeden Tag aufs neue sorgfältig nach geprüft werden. Und Frau Professor schüttelt den Kopf. Es sieht aus, als ob sie enttäuscht sei „soll ich mich wirtlich diesmal geirrt haben? Soll man diesem treuherzigen Blick Glauben schenken können? Aber uwshalb um alles in der Welt hat sie nun gerade in einer Erziehungsanstalt gelernt?" Edith hat es cinzurichten verstanden, datz sie an diesem Tage ebenfalls frei ist. Sie trinken bei Frau Erepp in der halbdnnklen Küche Kaffee und schlendern daraus durch die Stadt. Zuguter letzt sitzen sie im Stadtgartcn aus einer Bank und schauen auf die blanke Fläche des Teiches, darauf das Blau des Himmels liegt. „Hier habe Ich mal eine interessante Bekanntschaft ge- macht'', jagte Edith und lächelt zu der Entenschar hinüber, die sich am Ufer tummelt, „aber das ist schon lange her. Fünf Jahre beinahe —" „So?" antwortete Hella und achtet weiter nicht darauf. Sie hat wenig Interesse für Ediths Bekanntschaften. Edith spinnt jedoch den Faden weiter. „Ein netter Mensch war das. Er nannte mir seine Adresse. Ich hab» sie jetzt vergessen. Ich Hütte ihn eigentlich noch einmal treffen sollen." „Weshalb hast du es denn nicht getan?" „Ich weiß es nickt. Ich hatte seinerzeit mehrer» Freund«, durch die ick davon abkam. " (Fortsetzung solgt.j