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Sette 2. Nr. 3SS. Nbenü-Svrgadr. den „Steg oder die Niederlage" erwarten. Diese Tatsache bringt die Debatte auf ein falsche, Geleise und macht die Aufgabe des Gerichtshöfe» schwierig. Wenn man unparteiisch sein will, muh man sagen, das, die gestrige Sitzung für die An geklagte sehr günstig war. Im «New Pork Hrrald" prägt der geistreiche Pierre Beber in seinem Bericht über den Prozeß ein Wort, das sicherlich seinen Weg machen wird. Er nennt die Frau Eaillnux die „Charlotte Tor t'ay im Kochtopf" und sagt, der Prozeß der Frau Caillaux ist nicht der große Prozeh, den man erwartet hatte, und schon nach der ersten Sitzung er scheinen die Schauspieler dieses grohen Dramas alle etwas verkleinert. Im Laufe der Prozeftkampagne hatte man uns so oft Frau Caillaux als ein Un geheuer an Treulosigkeit oder als eine Heldin vor gestellt, sie ist aber weder das eine noch Las andere. Sie ist eine kleine Bürgersfrau, beunruhigt und aufgelöst, so, wie sie es jetzt selbst nicht mehr fassen kann. f*olitisetie Ueberlietü Monopolpläne! Obwohl die Reichsregierung wissen lieft, daß die Erörterung von Steuerptänen keinen rechtet, Zweck habe, hört das Hin- und Her raten nicht auf. Dabei geht cs natürlich ohne Beunruhigung des gewerblichen Lebens nicht ab. Heute wird die Brauereiindnstrie als erlesener Träger neuer Belastungen genannt, morgen der Tabak, übermorgen beide zusammen. Oder es werden von den unermüdlichen Steuersuchern ganz neue „Objekte" zu wohlwollender Er wägung empfohlen. Erbaulich ist das Getriebe für niemanden, am wenigsten für die, die — es angeht. Heute wird von dem Wolfsschen Bu reau folgende Meldung verbreitet: „Die..Rundschau" will mitteilen können, unter den Borschlägen der Reichsleitung zur Beschaffung weiterer Einnahmen dürfte (!) an erster Stelle ein Zigaretten Monopol stellen. Die Ab lösung würde etwa .'M Millionen kosten. Der Er trag werde auf 100 bis 120 Millionen jährlich ge schätzt. Das Monopol sei als Fabrikationsmonopol mit einem damit verbundenen Bcrkaussmonopol gedacht." Also das Zigarettenmonopol „dürste" an erster stelle stehen. Wie bekannt, ist von diesem Monovol fast bei jeder Steuerreform die Rede gewesen. Die Angaben des Blattes lauten indes diesmal sehr bestimmt, und cs wird behauptet, daft bereus Verhandlungen mit der Zigaretten industrie stattgesunden hätten. Zur Rechtferti gung des Monopolplancs wird zum Schluß bc- merU: „Reben dem finanziellen Ergebnis für das Reich würde das Monopol ferner bewirken, daft der c n g l i s ch-a mer i ka n i sch e Ta bak t r n st, der heute schon mehr als ein Biertel unserer Zigarettcuproduktion „toulrolliert", vollständig ausgeschaltet würde." Der parteilose Nelchsverbanü. * Der Reichsoerbaud zur Bekämpfung der Sozial demokratie versucht von neuem durch einen Ausruf, Gelder zu erlangen. Er verweist auf mancherlei Ein richtungen, die Gründung von Arbeitersetretariaten und aus die Zentralstelle für Arbeiteraufklärung, für die er um Spenden bittet. Das ist nun alles gut und schön, aber die Leitung des Berbandcs wird sich nicht wundern dürfen, wenn in den Kreisen, die vor zehn Jahren die Gründung mit mehr oder minder grohen Hoffnungen begrüßten, eine kritische Stimmung Platz griff. Wie sehr diese überhand nahm, sehen wir aus einer Reihe von Zuschriften, die sich zum Teil ge radezu erbittert über das Perhalten des Reichsoer bandes äußern. Im Vordergrund steht dabei die Be hauptung, dah sich der Verband keineswegs immer nach dem Grundsatz, der ihm bei Wahlkämpfen zwi schen bürgerlichen Kandidaten Zurückhaltung auf erlegt, gerichtet habe. So hciht cs in einer dieser Zuschriften: „Wenn es schon fraglich ist, ob der Verband zur ^iekämvfung der Sozialdemokratie seinen wirklichen Zweck in befriedigendem Mähe erreichte, so kommt Vie Liede der drei Kirchlein. 53s Roman von E. Stieler-Marshall. NN , oivlti kw L t)c>„ 0. i» U It. l.stprt^.> Aber nun verlieft auch die Beherrschung das arme verängstigte Kind, es befreite seine Hände, schlug sie vor das Gesicht und weinte bitterlich. „Sre wcme' ja — guter Gott, was isch Ihne' dann? Wie komme' Sic hierher, altem und bei der Nacht ? Liebes, liebes Fräulein — ach was, wann ich Sie s o seih ' mnft, kamt ich nit Fräulein Kirchlein sage', da muft ich schwätze — grad >vie ich denk. Frauchen, liebes, liebes Frauchen — cs isch mir so komisch gewese' die letzte' Tag' daheim, kei' Ruh hab ich gehabt, als sort hat's mich 'rumgetricbe', ich muschl' hierher noch vor Le- mcschtcransang — der Berger hat mich verlacht, er isch nit mitkvnnne', er loscht' sei' Ferie' aus, hat er gesagt. Aber alsfort isch mir gewese', als rufe' >^ie nach mir, als täte Sie mich bräuche'. Ebe' noch am Bahnhof, cs treibt mich was, daft ich nit den nächste Weg nach der Stadt nehm': — geh über die Promenad', da wo du sie im Sommer immer 'tröffe' hascht — — und da, da finde ich Sie — so!" Tie standen beide erschüttert, die jungen Menschen, Ivie vor etwas Unbegreiflichem. Frauchen trocknete ihre Tränen. „Za —" sagte sie andächtig — „ja, cs ge schehen noch Wunder. Und nun ist alle meine Angst zu Ende. Kommen Sie, Herr Irmeling, nehmen Sie Ihren Koffer, ist er auch nicht zu schwer, wenn Sie mich nnn noch ein Stück chen begleiten? Ach freilich kann ich Sie brau- ck-en, Herr Irmeling — einen guten Freund —" Tic gingen die Promenade und Frauchen er zählte alles. Nichts verschwieg sie, auch nicht ihren letzten Besuch. Da rift der blonde Zunge den Hut vom Kopse und blieb schwer atmend stehen. „Es isch ein Engel »nt Ihne' gegange'," sagte er dann. Und nun wurde sein Herz weit^ Leipziger Tageblatt. dazu noch, dah der Reichsverband sich immer mehr zu einer Organisation gegen alles Nichtkonferoativo aus wächst. Sein Vorsitzender ist gegen nichtkonseroative bürgerliche Parteien gelegentlich scharf aufgetreten, e» sei nur an die Aeufterungen des Herrn v. Li«, bert in Stuttgart erinnert, wo «r offen zur Be kämpfung auch der Natronalliberalen aufforderte. Die nationalliberale Landesorganisation Würt tembergs hat aus diesem Grunde auch den Beschlug gefaßt, die Aufgabe der Mitgliedschaft und die Ver weigerung jeder finanziellen Beihilfe zu empfehlen. In Borna-Pegau z. H. hat der Reichsoerband, und hier haben wir genaue Beweise, nicht in erster Linie die sozialdemokratische, sondern die nationalliberale Kandidatur bekämpft. Wir können uns nicht denken, daft die Geldgeber, soweit sie zum nationallibcralen Unternehmertum zu rechnen sind, mit einer der artigen Verwendung ihrer Gelder einverstanden sind." Es liegen uns weitere Zuschriften aus Sachsen vor, die noch sckzärser als es hier geschieht, den gleichen Vorwurf erheben. Der Leitung des Reichs- vcrbandes hat man verschiedentlich von diesen Be- schw.'rdcn Kenntnis gegeben, es scheint aber, als lege die Leitung den vorgebrachten Tatsachen wenig Gewicht bei. Da es sich keineswegs bloft um die „Nachwehen" einer Reichstagswahl handelt, meinen wir, es sei notwendig, diese Dinge zur Spreche zu dringen. Deutsches Reich. * Prinz Leopold und Prinzessin Gisela von Bayern besuchten gestern nachmittag den Herzog und dieHerzogin vonCum verland in Gmunden. Herzogin Thyra von Cumberland, ihre Tochter Prin zessin Olga von Cumberland und ihre Schwieger- tochter, die Herzogin Viktoria Luise von Braun schweig, trafen heute nachmittag im Automobil aus Gmunden in Ischl ein und statteten der Prinzessin Gisela von Bayern in der Villa am Eries einen Besuch ab. * Prinz Eitel Friedrich von Preußen und Ge mahlin trafen am Montag morgen an Bord der kaiserlichen Jacht „Iduna" vor Borgholm auf Osland ein, um der Königin von Schweden auf Schlaft Solliden einen Besuch abzustatten. * Zur Aussperrung in der Niederlausitz. Aus Kottvus wird berichtet: Wie verlautet, will sich der Regierungspräsident mit den maß gebenden Organisationen der beiden Parteien in Verbindung setzen, um den Kampf in der Lausitzer Tuchindustrie auf dem Wege der Vermittelung beizulegen. Ausland. Zrankreich, * Der Pfarrer als Spion. Wie aus Bernay gemeldet wird, sind in dem Hause des wegen Spionage verhafteten Pfarrers Heurteboud zahlreiche wichtige Schriftstücke beschlagnahmt worden. Heurte boud soll durch ein Inserat, m dem gutbegabte Mit arbeiter für eine Zeitschrift gesucht wurden, mit einem Spionagebureau in Verbindung getreten sein. — Die Blätter erzählen, er habe dem Stationsvor steher von Thiberrnlle mitgeteilt, daft er mit ihm zu sammen .'»00 000 Franken verdienen könne, wenn er ihm den M o d i l i s i e r u n g s p l a n der Nordbahn linien verschaffen würde. Die Untersuchung ergab, daft Heurteboud ein kostspieliges Liebesverhältnis mit einer Pariserin unterhielt. Auch in der Woh nung dieser Frau wurde eine Haussuchung vor genommen; cs wurden jedoch nur Liebesbriefe vor gesunden. * Verhaftung eines Anarchisten? In der Mon tagnacht wurde in Paris der Russe Wassili Kras - m i k verhaftet, der in der Rue Tivoli einen Mann mit einem Revolver bedrohte. Man glaubt, daft er ein russischer Anarchist ist und mit den kürzlich in Beaumont sestgenommenen Russen in Verbindung steht. KrchlanS. * Streik der Hafenarbeiter. Aus Reval wird berichtet: Die hiesigen Hafenarbeiter streiken. Sic fordern eine Lohnerhöhung. Die Ausladung der Schiffe steht still. Italien. * Der Dank der Friedcnsvermittler. Aus Rom wird gemeldet: Entsprechend dem Vorgehen Argen trotz Frauchens Kummer, er hatte das beglückende Gefühl, in dieser Stunde just der rechte Freund zu sein. Er war erfahren und stand doch noch nicht über diesen Erfahrungen. Er fühlte tief in des irrenden Knaben -seele hinein. „Das sind als Krise'," sprach er tröstend, „die macht jeder durch, der ein biftle Gemüt hat. Das Lebe', wcnn's halt so zu- erschl vor einein anfgeht, das hat eine Wucht, zerschmettern lann's, wenn einer da nit stark isch. Da laust inan in der Irre, traut sich nit heim — das kenne' wir. AVer wer sonscht ge sund isch, er findl sich wieder zurecht." Sie waren in die stille Vorstadlstraße hin- ausgekommen, und näherten sich dem Hanse. „Fetzt, was fange' wir an? Daft ich hei der Nacht mit hinaufgeh', wo doch der Herr Professor nit daheim isch, das tüt' sich nit schicke' aver gesclzehe' must auch noch was heut in der Nacht " Mi»»a war gm Fenster. „Ist er zu Hanse?" rief Frauchen leise. „Nein," antwortete Minna. „Hast du was erfahren?" „Komm herunter, Minna, hier ist ein Freund." Minna kam geschwind, und staunte lind freute sich und nahm Irmeling den Koffer aus der Hand. „Kommen Tie nur getrost herauf, Herr Kandidat," — Minna nannte Studenten stets „Herr Kandidat" — „ich bitt ja da — ich vin für unsere Kinder mehr wie cin Dicnstmüdcttzm — und habe ich sie so groß gekriegt, so darf ich uiich jetzt auch noch mal einmischen, wenn Not ist. Sie kommen von der Reife, da müssen Sie zuerst einmal was essen, das muß auch sein — und wenn Sie erlauben, setze ich mich mit in die Stube und wir überlegen miteinander, was wir jetzt tun sollen." Dann geschah cs, wie Minna gesagt hatte. Irmeling aß schnell und griff tüchtig zu, denn er hatte wirklich Hunger. Dabei fragte er Frau- chen nach Werners LieblingStvegen. tiniens und Chiles hat auch Brasilien dem Staatssekretär Merry del Val den Dank für die Mitwirkung de» Heiligen Stuhles bet der Durch führung der Vermittlung zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten ausgesprochen. Spanien. * Energisches Vorgehen in Marokko. Nach einer Blättermeldung aus Madrid fand am Montag abend eine Besprechung des Ministerpräsi denten mit dem Minister des Aeuftern und dem Kricgsminister statt, der auch Generalstabsarzt Bar- rera beiwohnte, der kürzlich im Auftrage des Gene rals Marina eine eingehende Untersuchung über die Zustände im Gebiete von Tetuan angestellt hatte. Barrera erklärte, daft alle Versuche, den Andjera - stamm zum Einstellcn seiner Feindseligkeiten zu be stimmen, vergeblich gewesen seien. — Die Regierung beschloft infolgedessen, demnächst eine grofte mili tärische Operation gegen die aufständischen Andjeraleute oorzunehmen. — Aus Tetuan wird gemeldet: Bei einem Erkundungsritt wurde eine spanische Abteilung von Marokkanern angegriffen, wobei sechs Spanier verwundet wurden. Mexiko. * Die Abreise de» Expräsidenten. Aus Puerto Mexiko wirb gemeldet: Huerta und Blanquct find mit ihren Familien am Montag abend an Bord des deutschen Kreuzers „Dresde n" nach Jamaika abgereist. Kecht unck SeriGI. Reichsgericht. r/. Leipzig, 20. Juli. Trödler und Polizei. Wegen Hehlerei hat das Landgericht Königsberg i. Pr. am 30. Oktober o. I. den Trödler Max Neumann zu 6 Wochen Gefängnis verurteilt. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Arbeiter B. hatte am Abend des 21. Juni o. I. dem Lehrling K.. der auf einer Bank schlief, die goldene Uhr neost Kette im Werte von 200 .1t gestohlen. Mit der Kette kam B. in das Ge schäft des Angeklagten und bot sie zum Kaufe an. Der Ehefrau N., die zuerst im Laden war, fiel die Schwere der Kette auf, weshalb sie ihren Mann herbeiholte. Dieser kaufte die Kette für 3 .K an und trug sie als Doublö-Kette in fein Buch ein. Jedoch ging er hinterher zur Polizei und legte hier die Kette vor. weil er es nicht für ausgeschlossen hielt, daft die Kette von einem Diebstähle herrührte, ob wohl in der letzten, ihm zugegangenen polizeilichen Liste über die gestohlenen Gegenstände eine goldene Kette als gestohlen nicht aufgeführt war. Auf dem Polizeibureau traf der Angeklagte einen Polizei beamten an, der von einem Diebstahle an einer gol denen Uhr oder Kette nichts wuftte, weshalb der An geklagte die Kette wieder mitnahm. In der nächsten dem Angeklagten zugestellten Liste über die gestohle nen Gegenstände war jedoch die Uhr und Kette als gestohlen ausaeführt, was der Angeklagte auch ge lesen hat. Anstatt nun aber nochmals zur Polizei zu gehen und die von ihm angckaufte Kette noch mals vorznlegen. da cr annehmen mutzte, daft diese mit der als gestohlen gemeldeten identisch war, wollte er den Verbleib der Kette verheimlichen. Zu diesem Zwecke trug er in sein Buch hinter der Notiz über den Ankauf der Kette den Vermerk „Verkauft" ein. Als nun nach einigen Tagen wieder einmal ein Kriminalbeamter in dem Geschäft des Ange klagten erschien, um nach dem Ankauf gestohlener Sachen zu forschen, legte der Angeklagte die frag liche Kette nicht vor, und der Beamte glaubte auch, daft diese gemäß der Eintragung in dem Buche be reits verkauft war. Erst als der Kriminalkommissar auf dem Polizeibureau erfahren hatte, daft der An geklagte wenige Tage zuvor eine Herrcn-Uhrkette vorgelegt hatte, und er sich deshalb nochmals zu dem Angeklagten begab, legte dieser die Kette vor. Auf Grund dieses Verhaltens des Angeklagten ist das Gericht der Ansicht gewesen, daft der Angeklagte wohl gewußt hat, daft die von ihm angekaufte Kette gestohlen war und daft cr sie dem Beamten gegen über hat verheimlichen wollen, um sie gelegentlich zu verkaufen. Gegen das Urteil hatte der Ange klagte Revision eingelegt, in -er er rügte, daft der Begriff des Verheimlichens verkannt worden sei. Denn nachdem er bereits einmal auf der Polizei ge wesen sei, habe cr nicht die Verpflichtung gehabt, „Denn in der Stadt isch der jetzt nit," sagte er, „der isch in die Wälder. Der läuft unterm Sternhiminet 'rum und spricht mit seinem Herr gott. Das kenne' wir." „Vielleicht im Park drüben," meinte Minna. „Das glaube ich nicht," sagte Frauchen. „Gott bewahre, da isch er nit! Da, wo cr immer das Vaterhaus sehe' kann — das will er jetzt doch nit sehe' — — das macht ihm Vorwürfe, bild't er sich ein. Jetzt kann er bloß Waldvänme nm sich dulden — —" „Dann ist er das Sclltal hinauf," sagte Frauchen bestimmt. „Habe' Sie eine Laterne?" fragte Irme ling Minna — „Ich will gleich losgchc'." „Ich komme mit," rief Frauchen, „ich halte es sonst nicht aus." „Das müsse' Sic aber aushalle', Frauche, Sie dürfe' jcNt nit dabei sein, das verträgt cr jetzt nit. Sie, das isch das allerschlimmstc für ihn," er sagte es so zart wie möglich, der brave, blonde Bursch. „Da muß ich ihm erseht gut zurcde', bis ich ihn so weit hab', daß er Ihne' unter die Ange' geht." Traurig neigte Frauchen den Kopf. „Das Leben ist furchtbar," sagte sie. „Gar nit. Schön isch es und reich. Man muß es nur erscht zu nehme' verstehe'. Sie solle es noch lerne', wie schön cs isch, Frauche' — und ich auch. . ." Seine blauen Trcinmeraugen schwärmten sie an. Da wurde das Frauchen ganz ruhig und zuversichtlich. „Sic werden mir meinen Werner wieder bringen," sagte sie und gab ihm die Hand. Er zerdrückte sie beinalfe. Minna brachte ihre Kellerlaterne. „Aber Sie werden sich am Ende verlaufen, Herr Kandidat. Sie wissen doch gar nicht so gut Bescheid hier." „Wo soll ich mich denn verlaufe"?" Da isch doch der Sell, der führt mich das Tal hinauf." „Wenn Sie den Grote noch mitnehmen könn ten", meinte Minna besorgt. Vlenstas, 21. Juli ISN. noch ein zweites Mal hinzuaehen, nachdem ihm die neue Liste über die als gestohlen gemeldeten Sachen zugegangen war. Daft er selbst in La» Buch den Vermerk „Verkauft" eingetragen habe, fei nicht er wiesen und deshalb sei zu Unrecht angenommen worden, daft er durch diesen Vermerk die Uhrkette habe verheimlichen wollen. Das Reichsgericht war jedoch der Ansicht, daft die Verurteilung des Ange klagten auf Grund der vom Vorderrichtcr getroffenen Feststellungen nicht zu beanstanden sei, und erkannte deshalb auf Verwerfung des Rechtsmittels. (3 O. 1386/13.) Schlecht belohnte Hausfreundschaft. Das Land, gericht Breslau hat am 10. Dezember v. I. die verehelichte Tifchlersfrau Ida Schifter wegen schweren Diebstahls in einem und wegen einfachen Diebstahls in drei weiteren Fällen zu einer Gesamt strafe von 3 Monaten und 10 Tagen Gefängnis ver urteilt. Die Angeklagte wohnte in dem Jahre 1911 bis 1913 in Wohlau und verkehrte hier freundschaft. lich viel in verschiedenen Familien. Diesen freund schaftlichen Verkehr benutzte sie aber wiederholt zu Diebstählen. So entwendete sie einmal in der Familie des Tischlermeisters S. einen Betrag von 3,50 Bargeld, das sie auf dem Tisch hatte liegen sehen, in einem unbewachten Augenblick. Einer Frau L. stahl sie ein Rabattmarkeubuch und hob von ihm bei dem Kaufmann V. den Betrag von 5 .ü ab. Aehnlich entwendete sie in einer anderen Familie einen kleinen Geldbetrag. Bei dem Bäckermeister Sch. erbrach sie in einem Augenblicke, da sie allein im Zimmer war, eine auf dem Vertiko stehende Sparbüchse und ent nahm dieser den Betrag von 5,15 Während in den drei ersten Fällen nur einfacher Diebstahl vorlag, hatte die Angeklagte sich in dem letzten Falle durch das Erbrechen der Sparbüchse eines schweren Dieb stahls schuldig gemacht. Trotzdem ein Sachverständiger die Angeklagte als erblich belastet und geistig min derwertig bezeichnet hatte, ist das Gericht doch der Ansicht gewesen, daft die Angeklagte für ihre Taten voll verantwortlich zu machen sei und hat sie deshalb zu der bereits erwähnten Strafe verurteilt. In ihrer Revision rügte die Angeklagte lediglich prozessuale Rechtsverletzung, indem sie dazu ausführte, ihr An trag auf Vernehmung eines zweiten Sachverstän digen bezüglich ihrer geistigen Zurechnungsfähigkeit und Verantwortlichkeit sei zu Unrecht abgelehnt worden, ebenso wie ein Antrag auf nochmalige Ver nehmung des Kaufmanns V. Das Reichsgericht hielt jedoch die Revision für unbegründet und erkannte deshalb auf Verwerfung des Rechtsmittels. (1 IQ. 121/14.) Königliches Lanögericht. Leipzig, 21. Juli. ; Der falsche Kriminalbeamte. Am 5. Mai hatte der Malermeister Heinrich Wilhelm L. einen heftigen geschäftlichen Aerger gehabt, und um sich davon zu er holen, hatte er eine ausgiebige Bierreise gemacht. Abends in der zehnten Stunde begab er sich auf den Heimweg und als er den Ranstädter Steinweg ent lang schritt, kam ihm eine Bieridee. Er faftte Posto und hielt jeden Radfahrer an, der vorbeifuhr, um sich die Legitimationskarte vorzeigen zu lassen. Gegen ein Dutzend Radler hatte er schon kontrolliert, da wurde ein Schutzmann auf den „Kollegen in Zivil" aufmerksam, er ging heran und fragte nach Namen, Stand und Wohnung. Darauf wollte L. sich indessen nicht einlassen, und so forderte ihn der Schutzmann auf, zur Feststellung der Personalien mit zur Polizei wache zu kommen. Als L. sich weigerte, wurde ibm die Arretur angekündigt, und nun hielt er sich an einem Laternenpfahle fest und stemmte sich mit den Füften ein, bis der Schutzmann Gewalt anmandte und ihn mitnahm. Auf der Wache bedurfte es der vereinten Anstrengungen dreier Beamten, um den rabiaten Arrestanten, der mit Händen und Füften um sich stieft, in die Zelle zu schaffen. Vor der Ferien strafkammer C des Landgerichts hatte L. sich nun wegen Anmaftung eines Amtes und Widerstands gegen die Staatsgewalt zu verantworten. Da er noch nicht bestraft ist und an dem Abende stark an getrunken war, so lieft das Gericht Milde walten und erkannte gegen ihn auf eine Geldstrafe von fünfzig Mark. Königliches Schöffengericht. Leipzig, 21. Juli. * Streikoergchen. Im Juni war in einer Fabrik in Lindcnau ein Streik ausgebrochen, an dem auch SvdrotdmLsvdmou turddiiucker u. Iroblepaplvre, Krimmuisvdv t>tr. 24. Her „Je weniger Mensche', desto besser. Einer isch fchctzt zn viel. Aber iveil ich's gerade bin, ich glaube, er und ich, wir werde' uns verstehe'. Hauptsache »sch, ich find ihn!" „Mir ist gar nicht mehr bange," sagte Frau chen froh. „>^ie sind eigens von weit her im richtigen Augenbtick hier angekominen, um mir meinen Bruder zu finden." Sie sahen sich in die Augen, lind dann ging Irmeling. 18. Auf der breiten, schönen Strafte, die eben und in großem Bogen hoch über den ganzen Waid führt, ging einer im goldklaren Morgen sonnenschein und sang laut, herzhaft und falsch. Hier konnte er niemanden damit stören, und ihn freute cs, ihm. tat es wohl, ihm war das Herz wieder einmal gar so jung und lustig in der Brust! Was so ein paar Fericnwvchcn doch tun, Wunder können die wirken. Grämlich, grau und müde greift man zum Wanderstab und kehrt heim, aufrecht und sonnverbrannt, mit blitzenden Augen und hat den ganzen Sommersonnenschein im Herzen eingcsangen, wie man bunte Falter in Netzen fängt. Willi Kirchlein brachte von seiner Sommer reise Gewinn mit heim in mehr als einer Hin sicht. Zuerst war cr einige Tage in Heidelberg ge wesen, tagsüber im Botanischen' Garten und abends aus dem Schloßberg. Vom Schcffeldenk- mal hatte er ins Tal hinausgefehen — — — verträumt und sehnsuchtsvoll wie ein Junge — und dann unter den Kastanien in der Gastwirt schaft bis in die sinkende Nacht feurigen, goldenen Dein getrunken. Wohl und weh war ihm zu Sinn gelvesen. Er hatte cs verspüren müssen und es oft leise und laut gesagt: „Er ist der alte, freigeborene Bogel nicht!" (Fortsetzung in der Morgenano-aLe-k < . .