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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.07.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-07-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140722028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914072202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914072202
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-07
- Tag 1914-07-22
-
Monat
1914-07
-
Jahr
1914
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Sette 2. Nr. 368. Nvenü-Nosgavr. Leipziger Tageblatt. Mittwoch. 22. Juli 1Sl4. vornherein «in Mißgriff war. Die Haltung I. Serbiens hat durch die Vorgänge in Albanien eine nachträgliche Rechtfertigung erfahren. Die neuen Unruhen und ihre gefahrdroyende Ausdehnung wurden begünstigt durch die Hehler, die übereifrige freunde Albaniens begingen, indem sie die Einfuhr von Waffen und Munition nicht nur nicht erschwerten, jondcrn mit alten Mitteln förderten. Diese Waffen waren allerdings zu anderen Zwecken bestimmt und sollten für andere Kämpfe dienen, aber jetzt werden sie zum Schaden Albaniens gegen die Einwohner selbst gebraucht. Serbien wußte von Anfang an, wie gefährlich der Besitz von großen Mengen ' Waffen und Munition in den Händen der Stämme werden tonnte, sowohl im Innern wie nach außen hin, und deshalb war bei der serbischen Besetzung die wichtigste Aufgabe, ein« allgemeine Ent waffnung vorzunehmen. Deshalb blieb auch während der Anwesenheit serbischer Truppen im Lande alles ruhig und Ereignisse, wie sie sich jetzt abfpielen, waren einfach nicht möglich Als sich die Serben dann gemätz den Beschlüssen der Londoner Botschastertonferenz aus dem Lande zurückzogen, wutzten sich die Stämme neue Waffen zu verschaffen, und die ersten unangenehmen Folgen mutzte Serbien am eigenen Leibe verspüren, als der bekannte Ein fall in sein Grenzland erfolgte. Die serbische Regierung hat durch den Mund ihrer Vertreter schon wiederholt erklärt, datz ihr jede Einmischung in die Verhältnisse Albaniens sowie jede Politik fernliege, die sie in Konflikt mit dem Beschluß der Mächte bringen könnte. Serbien steht dein Fürsten Wilhelm durchaus sympathisch gegen über und es hat alles Jntereffe an einer raschen und dauernden Besserung der zerfahrenen Verhält nisse. Der beste Beweis ist die Haltung Serbiens gegenüber der Ausstandsbcwegung, die von keiner Seite Unterstützung erfährt. Serbien bestreitet ganz entschieden die neuesten Ausstreuungen der bulgarischen Presse, da» den Führern des Ausstandes irgendwelche moralische oder materielle Förderung zuteil wird Serbien wird besonders schwer in Mitlcidenschalt gezogen, weil es von dem ihm in London gewährten Anrecht, freien Zugangzum adriatischen Meere durch albantsches Gebiet zu haben, bislang noch keine» Gebrauch machen kann. Cs hat jetzt nur den einen Wunsch, datz Albanien frei und unabhängig bleibt, so wie cs die Erotz- Mächte gedacht haben Denn es kann als aus geschlossen gelten, datz Albanien unter den Einflutz und in die Abhängigkeit einer oder zweier Mächte kommen fall, die dann seine Politik nach ihren Interessen lenken würden. Heutzutage mutz jedes Volk berufen und berechtigt sein, seine Geschicke selbst zu bestimmen und sich nach eigenem Ermessen zu entscheiden. Nachdem aber die albanische Frage durch den Bcschlutz der Mächte zu einer europäischen geworden ist, darf man wohl hoffen, datz dieser internationale Charakter auch gewahrt bleibt, und den Wunsch aussprechen, datz es den Grossmächten gelingen möge, unter Wahrung der legitimen und anerkannten Interessen der Nachbarstaaten die Ord nung in dem von ihnen geschaffenen Staate wieder- hcrznstellen. Zahlreiche bulgarische Staatsmänner haben letzt- hin in Reden und Veröffentlichungen den Buka rester Vertrag scharf kritisiert und als eine stündige Gefichr für den Frieden aus dem Balkan bezeichnet. Hieraus ist klar ersichtlich, datz die Bul garen nur einen Frieden unter gewissen Bedingungen wollen, einen Frieden, der auf der Aenderung und dem Umsturz bestimmter vollendeter und feststehender Tatsachen beruht. Rian kann daher die Frage aus werfen. wie sich Bulgarien eigentlich eine Revision des Bukarester Vertrags denkt? Denn gerade die Kundgebungen hochpolitischer Natur in der aller letzten Zeit, die Thronrede König Carols, sowie die Trinksprüche bei dem Zarenbesuch in Konstanza, nicht zuletzt dieses wichtige Ereignis selbst, taffen erkennen, datz nirgends von einer Revision in ehr die Rede ist, noch sein kann. Serbien, Mon tenegro, Griechenland und Rumänien, unter dessen Auipizien der Friede geschlossen worden ist. sind durchaus entschlossen, das in B u k a r e st f c st g e st e l l t e Gleichgewicht auf dem Balkan gegen jede Verletzung, von wclcher Sette auch i m m e r s i e a u s g e h e n mag, zu verteidigen. Es liegt wirklich im Interesse aller Balkanstaaten, sich mit den vollendeten Tatsachen abzufinden und sich mehr der inneren Fe ngung und Kulturarbeit zuzu wenden, als falsche Hoffnungen auf eine ungewisse Zukunft' u setzen. Serbien will den Frieden und wünscht mit allen seinen Nachbarn in gutem Ein vernehmen zu leben, sowie freundschaftliche Be ziehungen mit ihnen zu unterhalten. Aber es mutz auch ein starkes Heer haben, um diesen Frieden und die Sicherheit feines Landes gegen etwaige Angriffe verteidigen zu können, denn es ist nun einmal eine unumstößliche Tatsache, datz der bewaffnete Friededtecinzigczu verlässige Gewähr bietet. Oesterreich und Serbien. Di« Rote »» Serbien. W i en, rr. Juli. De« »Neue» Wiener Tagbl»tt" »ird von informierter Seite mitgeteilt, datz die Mel dung, wonach die vom Grafen Berchtold gestern de« Kaiser unterbreitet«» Beschlüsse die S « nktia » des Kaisers erhalten habe«, zutrifft. Ministerpräsident Graf Tisza wird heute im ungarischen Abgeord- netenhause Mitteilungen darüber machen. Die gestern kursierende» verschiedenen Versionen Über de» Zeitpunkt, die Form und Art der in Belgrad zu unter nehmenden Schritte sowie Uber die für die Antwort ^Serbiens zu setzende Frist beruhen auf Kom binationen. — Aus Pest wird gemeldet, datz die Nette, die der serbischen Regierung überreicht werden soll, in höflicher, aber bestimmter Form gehalten und Serbien Gelegenheit bieten wird, ein« ent sprechende Antwort zu erteilen, die die Aufrechterhal tung normaler, friedlicher Beziehungen ermöglicht. Es würde keine Frist für die Erteilung der Ant wort erlangt werden. Man müsse ihr daher mit Ruhe und Geduld in den nächsten Tagen ent- gegensehen und man müsse, ohne den Ernst der Situation zu verkennen, allen beunruhigenden Ge rüchten, die über Matznahmen berichten, die erst in jenem späteren Zeitpunkte nach einer unbefrie digenden Antwort Serbiens in Betracht kämen, mit aller Entschiedenheit als st ar k v e r f r ü h t e n Kom binationen entgegentreten. Sin österreichisch-serbischer Krenzzwischensall. Wien, 22. Juli. Der österreichisch-ungarische Ge sandte Freiherr v. Giesl übergab der serbischen Re gierung, wie das „Neue Wiener Tagblatt" aus Cemlin meldet, eine Note, in der Beschwerde dar über erhoben wird, Latz vor einigen Tagen ser bische Gendarmen auf österreichische Unter tanen, die auf einem Kahn am Donauufer landen wollten, geschossen hatten. Nach der Note seien 10 Schüsse gegen die österreichische Grenze abgefcuert worden. Die Schüsse trafen nicht. — Die serbische Re gierung hat eine Untersuchung zur Bestrafung der Täter eittgelcitct. Der Dank an die serbische Nationalpartei. Bad Ischl, 22. Juli. Der gemeinsame Finanz minister von Bilinski sprach am Dienstag einer Abordnung der serbischen Nationalpartei des bosnischen Landtags seinen Dank dafür aus, datz die Partei entschlossen sei, auch weiterhin an der bisherigen politischen Richtlinie fcstzuhalten. Die Abordnung versicherte, die serbische Nationalpartet werde auch weiterhin ihr Programm einer der Dynastie und der Monarchie treuen positiven Arbeit für das Wohl Bosniens bei behalten. Der Minister erklärte, wenn die serbische Bevölkerung Bosniens ihre Anhänglichkeit an die Dynastie und Monarchie durch die besonnene patrioti sche Haltung beweisen werde, so könne niemals der Gedanke aufkommcn, gegen die Serben zu regieren. Eine italienische Stimme. Mailand, 22. Juli. Der römische Mitarbeiter des „Corriere della Sern", der Abgeordnete Torre, be spricht in einem längeren Artikel den österreichisch serbischen Konflikt. Seine Haltung ist um so bemer kenswerter, als feine Beziehungen zur Konsulta seit einiger Zeit nicht mehr bestehen, so datz seine Anschau ung eine gewisse Opposition gegen die offizielle ita lienische Politik vertritt. Torre stellt zunächst fest, datz die grotzserbische Bewegung so verbreitet und so heftig sei, datz die Souderbcstrebungen Serbiens in der Donaumonarchie nicht aufhören würden, wenn die serbische Negierung untätige Zuschauerin bleibt. Deshalb kann man Oesterreich als wahr haft bedroht bezeichnen. Torre glaubt nicht, datz Oesterreich eine direkte Mitschuld der Belgrader Regierung nachweisen könne. Daraus sei zu schlic hen, datz die eventuelle österreichische Forderung einer Untersuchung in Serbien durch österreichische Beamte schlictzlich d«n Krieg bedeuten würde, da Serbien als unabhängiger Staat seine Souveränität nicht an tasten lassen werde. Vie albanischen wirren. Die angestrebten Verhandlungen zwischen den Aufständischen und den Vertretern der sechs Grog- Mächte sind, wie nach dem anmatzenden Auftreten der Albanier zu erwarten war, nicht zustande ge kommen. Infolgedessen bereitet man sich m Durazzo auf neue Kämpfe vor. Wir verzeichnen folgende Meldungen: Durazzo, 22. Juli. Da die Aufständischen es ab gelehnt haben, auf einem Kriegsschiff mit den Ver tretern der internationalen Kontrollkommission zu verhandeln, weigern sich die europäischen Ver treter, weiter mit ihnen in Verbindung zu treten. Auf Befehl des Majors Kroons find die Ver teidigungsarbeiten in der Stadt, insbeson dere bei den Drahtverhauen, wieder ausgenommen worden. Sämtliche Gejchäftsläden sind geschlossen. Gestern sind 300 Mallisoren aus Kasfowo in Durazzo eingetroffen. Durazzo, 22 Juli. Aus Berat traf die bisher unbestätigte Meldung ein, datz die regierungstreue Bevölkerung von Berat die Aufständischen au» der Stadt vertrieben habe. Die Regierungstreuen sollen 12 Tot« und 30 Verwundete gehabt haben. poMetie Ueberliekl verüächtlgung einer nationalliberalen Parteileitung. Ueber ein unschönes Manöver von Konservativen gegen Nationalliberale wird aus Gera berichtet. In Nr. 104 des „Heimatboten" halte der konservativ- bündlerische Schriftsteller Ernst S ch o t t aus Langen berg die Behauptung ausgestellt, die nationalliberale Parteileitung des Fürstentums Reutz j. L., im be sonderen die Herren Fabrikant Arno Luboldt als Vorsitzender des Nattonalliberalen Landesvereins und Generalsekretär Gras wurm seien bei der lebten Landtagswahl an derHerstellung und demVertrteb eines sozialdemokratischen Flugblattes be teiligt gewesen, in dem zur Wahl des national- Uberalen Gutsbesitzers Panndorf gegen den konser vativen Oberlandmesser Block aufgefordert wurde. Gegen den Artikel Schotts erhoben die Herren Lu- dolot und Eraswurm Privatbelcidigungsklage, die am letzten Donnerstag vor dem Schöffengericht in Gera verhandelt wurde und die ganze Haltlosigkeit der Schottschen Behauptung ergab. Der Beklagte sah sich veranlatzt, dies in folgender Erklärung anzu erkennen: Der Angeklagte erklärt, datz er den Vorwurf, der aus dem Artikel in Nr. 104 des „Heimatboten" vom 31. Dezember 1913 mit der Ueberichrift „Das Wahl manöver" herausgelesen werden kann, als sei die Parteileitung des Nationalliberalen Landesvereins, im besonderen die Herren Luboldt und Graswurm, an der Verfassung und Verbreitung des sozialdemo kratischen Flugblattes mittelbar oder unmittelbar beteiligt gewesen, nicht hat machen wollen, und datz er nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung den Vorwurf auch nicht hat machen können. Er be dauert, datz der Artikel dazu geeignet gewesen ist, einen solchen Anschein zu erwecken. Nach Abgabe dieser Erklärung zogen der „Geraer Zeitung" zufolge die Privatklägcr die Klage gegen Schott zurück. Sie begründeten die Zurückziehung damit, datz sie an einer Bestrafung Schotts nur ein bedingtes, ein unbedingtes Interesse aber an der gerichtlichen Feststellung des wahren Sachverhalts hätten. Dieser sei in der mehr als jechsstündigen Verhandlung festgestellt worden. Eine Denkschrift zur Zrage eines Staatssrbeiterrechts. Wie die „Deutsche Parlaments - Correspondenz" erfährt, wird das Reichsamt des Innern dem Reichs tag eine Denkichrift zur Frage der Schaffung eines Staatsarbeiterrechts zugeben lassen. Im Reichstag sind die Verhältnisse der Arbeiter in den Betrieben des Reichs und der Bundesstaaten in rechtlicher und tatsächlicher Beziehung wiederholt zum Gegenstand von Erörterungen gemacht worden. Im vergangenen Jahr wurde durch eine Eingabe die Schaffung eines Staatsarbeiterrechts gefordert. Die verbündeten Re gierungen sind in ihren Erwägungen über diese Resolution zu einem ablehnenden Bescheid gekommen. Trotzdem ist die Reichsregierung bereit, zur Prüfung der ganzen Frage eine Denkschrift vorzulegen, in der das gesamte Material und die Stellungnahme der Bundesregierungen behandelt werden. Die Sache enthält eine Reihe erheblicher Schwierigkeiten. So kann cs zweifelhaft sein, ob es Sache des Reichs ist, die Regelung von Fragen aus dem Arbeiterverhältnis auch bei den Arbeitern der Staatsbetriebe durch I Reichsgesetz zu regeln, oder ob eine solche Regelung I nicht den Bundesregierungen vorbehalten werden I mutz. Die Staatsarbeiter vertreten den Standpunkt, datz die Reichs gesetzgebung hierzu befugt wäre, da sie auch auf ähnlichen Gebieten durch die sozialpolitische Gesetzgebung etngegrtffen hat. Vor allem wird Wert gelegt auf «ine völlige Klar- stellung de» persönlichen Verhältnisses der Staats arbeiter zu ihrer vorgesetzten Behörde. — Die Zahl brr Staatsarbeiter im Deutschen Reich beläust sich auf rund drei Viertel Millionen. Dsrrtsches Reich. * Der Kaiser hörte, wie aus Bal Hülm en, 21. Juli, gemeldet wird, nach der gegen 10 Uhr er folgten Rückkehr vom Landausfluge die Vorträge ber Ehef» des Marine- und Militürkabinett» sowie des Vertreters des Auswärtigen' Amtes Grafen v. Wedel und erledigte sodann Sacken für den nach Berlin zurllckreisendea Kurier. Nachmittags fand auf der kaiserlichen Jacht ein Bordfest statt, wozu etwa hundert Einladungen ergangen waren. * Der Kaiser hat der D ll p p e l a u s st e l l u n g in Sonderburg (Protektor Herzog Ernst Günther zu Schleswig-Holstein. Leiter Amtsrichter Ewold) auf ihren Antrag 20600 .XL bewilligt. * Der -erzog und di« -erzogin von Sachsen- Meiningen sind zu mehrstündigem Besuch bei der Kaiserin auf Schlotz Wilhelmshöhe etngetroffen. * Einigung der liberalen Parteien. Aus K o - bürg wird uns berichtet: Geheimer Staatsrat z.D. Bäudler in Koburg veröffentlichte gelegentlich der Reichstagswahl einen Artikel in den hiesigen Zeitungen, worin er eine Einigung der beiden liberalen Parteien— der nationalliberalen und der fortschrittlichen — zu einer grossen „libe ralen kaisertreuen Volkspartei" anstrebt. Er spricht die Ueberzeugung aus, datz die Sache des Libera lismus im Reiche eine noch würdigere, kraftvollere Vertretung finden und die unnatürlichen Kämpfe zwischen den im Grunde verwandten Parteien ver schwinden werden. * Maßregeln gegen die Cholera. Nachdem im russischen Grenzgouvernement Padolien in letzter Zeit eine Anzahl tätlicher Fälle von asiatischer Cholera zu verzeichnen waren, hat das Ministerium die zu ständigen Kreisregierungen in den Grenzgebieten zu weitgehenden Sicherheitsvorkehrungen gegen eine Verschleppung der Cholera nach Deutsch land angewiesen. Die die deutsche Grenze über schreitenden Bewohner der verseuchten Gebiete sollen ärztlicher Beobachtung unterworfen werden. * Ausbau der preutzischen Wasserstraßen. In den neuen preutzischen Staatsetat sind 21 Millionen Mark für Ausbau des preutzischen Wafferstratzennetzes ein gesetzt. Davon entfallen 18V, Mill. Mark auf Neu- sorderungen für den Rhein—Weser-Kanal und 2'/, Mill. Mark für die Fertigstellung der preutzischen Mainkanalisation (Donau—Rhein-Kanal). Ausland. Zrankrrlch. * Spärlicher Ertrag der Honfi-Sammlung. D e Sammlungen des Pariser „Figaro" für Len aus Deutschland geflüchteten Elsässer Waltz, genannt Hansi, haben innerhalb fünf Tagen nur 16^0 Franken erbracht, einschließlich der vom „Figaro" selbst gespendeten Summe von 1000 Franken. Rußlanö. * Der Besuch des Präsidenten Poincarö. Aus Petersburg wird gemeldet: Am Dienstagabend 0 Uhr besuchte Präsident Poincard das franzö sische Krankenhaus. Um 7 Uhr abends fand in der sranzösischen Botschaft ein Diner statt, an dem die Minister mit dem Ministerpräsidenten Eoremykin an der Spitze sowie der russische Bot schafter in Paris Iswolsky teilnahmen. Gleich zeitig gab die Stadtverwaltung dcn Offizieren des französischen Geschwaders ein Festefsen. dem im Rathaus« ein Rout folgte, woran etwa 000 Per sonen teilnahmen. Gegen 10 Uhr abends erschien auch für einige Augenblicke Präsident Poincarö mit den russischen und französischen Gefolgen und dem Minister des Innern auf dem Rout und wurde da selbst mit der französischen und russischen Hymne sowie Hurrarufen empfangen. Darauf kehrte der Präsident an Bord der Jacht „Alexandria" nach Peterhof zurück, überall von einer zahl reichen Menge begeistert begrüßt. Lgerialität: Kvlnils-tr-tv!. — 1'eiwpr. 11189. kei ick ick da Der Professor konnte cs kaum erwarten, seinen (Karten wiederzusehen. Gleich nach sei nem Mittagsschläfchen ging er hinüber, trat dnrch die trauliche, kleine Pforte Ah wie das Wicscntal sich lieblich brei ¬ tete! Baumgrnppen hoben sich da und dort dunkel aus des Rasens hellerem Grün. Unlen floß breit und in gelassener Ruhe der mann- gewordcue Sell. Drüben an seinem anderen Ufer sah cs minder friedlich und freundlich aus — Arbeiter waren dort beschäftigt, Glashäuser zu errichten. Es war Helt, daß die Warmhäuser fertig wurden. Kirchlein erwartete große Sen dungen, Eroten, die er bestellt und die vor dem Winter herein mußten. Ihm wurde wohl wie einem Hcimgckchrtcn. Das gleiche Gefühl, das er drüben bei seinen Kindern, in seinem Hellen, kleinen Nest emp funden, wärmte ihm iviedcr das Herz. Er sah Grote bei den amerikanischen Bäu men arbeiten, im schneeweißen Hemd und blauen Leinwaudhosen, mit dem großen italienischen Strohhut, der stattliche, prächtige Bursche. Noch hatte er den Professor nicht gesehen. Der tffng ihn zu begrünen. „Nun, mein lieber Grore, was schaffen Sie Gutes?" redete cr ihn an. — Dor Mann fuhr auf, und Kirchlein erschrak über sein Aussehen. Er war verändert, ganz verfallen sah er aus, die früher so Hellen und frohen Augen waren verschleiert und blickten finster. „Grote, was ist denn — waren Sie krank?" Der Gärtner nahm den Hut ab, sah seinen Professor an, den er liebte. , „Nein, Herr Professor, krank bin nicht —" sagte er ruhig und vertrauensvoll „ich habe Kummer —. Und dann have auch einen Haß, der an mir frißt." „Das sino ja zwei schlimme Feinde, die über Sie gekommen sind, lieber Freund. Sie starker Mensch, können Sie mit denen nicht fer tig werden?" (Fortsetzung in der Morgenausgabe.) Und Kirchlein nahm seinen Inngcn fest ans Herz. „Las; gut sein, mein Sohn, und tröste dich. Die Kinderschuhe müssen wir alle ein mal ansziehcn, die einen früher, die anderen später. Manche schlüpfen nur so heraus und merken es kaum. Andere brauchen einen hand festen Stiefelknecht. Wem vielleicht gar eine rohe Hand die Kinderschuhe gewaltsam von den Füßen reißt, dem tut cs wohl weh. Da heißt cs die Zähne znsammcnl'cißcn und über seinen Schmerz mannhaft hinwegkommen. Mach einen Strich darunter, mein Jnngc. Werde ein rechter Manu, der sich des Lebens wahre Werte zu finden weiß. Es ist reich an Werten, das Leben, glaube mir, es ist wundervoll schön! Und nun komm heim, mein Kind, zn deiner Schwester. Kommen Sie, Jrmeling." Kirchleins schöne Augen glänzten und gleiß ten vor Herzcnsivcirme. „Ich freue mich, Ihr Jungen!" Dann gingen sie heim. Frauchen, das kleine Frauchen! Ach über das weiche, weibliche, liebevolle Herz. Was für ein sicheres, leichtes, schönes Brück chen sie dem Bruder baute! „Altes Schaf!" sagte sie zu ihm. Ihre Stimme klang sehr tief und zitterte bedenklich. Aber sic wurde darüber Herr. „Du Bum- mclantc. Seh dich an den Tisch, und nicht ge muckst!" Sie band ihm eine Serviette um den Hals. „Minna —" rief sic — „nun rasch das Arülfftück. Hier sind drei ausgehungerte arme Wie Werner sie noch ansah, unsicher, ge rührt, nach Worten suchend, zog sie iym ihre geliebte drollige Grimasse und sagte: „Pöh!" Damit war der böse Zwisckwufall für sic abgetan. Tie dachte niemals mehr daran zurück. Zn Werners Herzen stand von dem Augen blick an ein rofcngcfchmüctler Altar, der semer Schwester geweiht war. Der blieb darin stehen fürs Leben. len sie den frischen Dust, über dem frauenhaft feinen Mund schwebte das heitere Lied. Zrmeliug drückte Werners Arm. „Schau ihn dir an, Junge. Mus; einem das Herz nit aufgche"?" raunte cr ihm zu. „So ciucr isch dein Vater — Mensch — so ein Prachtskcrl. Der hat auch einmal so mit dem Lebe gerunge', kannscht's mir glaube'. Werd' damit fertig wie cr! Werd' nur so wie cr, dann darfscht du und die Menschheit mit dir zufricdc' sein!" Kirchlein ahnte Menschen, brach sein Lied ab, lauschte, wandle dcn Kopf. Da erblickte cr die beiden und lachte von Herzen froh. „Zunge, wie kommst du hierher? Und Zr- meiing, Sie? Wie weht euch denn der Wind am frühen Morgen ins Selltal? Seht ja fast aus, als hättet ^hr die Nacht kampiert?" Wie der große, ruhigc, freie Blick des Varcrs den jungen Menschen in die Seele leuch tete! Nachtgedanken mußten zerrinnen — — „Za, wir habe' auch kampiert, Herr Pro fessor, und schön isch die Nacht gewcse', Werner, gelt?" entgegnete Zrincling und legte seine Hand tn des Professors ausgestreckte Rechte. ES hörte ihn keiner. Vater und Sohn sahen sich an. Werner fühlte cs heiß in sich aufsteigen: Den Mann, diesen herrlichen Mann, diesen ge liebten Vater, dcn hatte cr einer heimlichen Schlechtigkeit für fähig gehalten? Ach Golt! Mit so plumpem Köder Halle cr sich fangeil lassen! Den angcbctctcn Vater hatte cr von dem giftigen Gerede eines fremden Menschen beschmutzen lassen hatte dieses Gift willig selbst getrunken! Eine ungeheure Scham trieb Tränen in seine Augen. Er lag an des Vaters Brust, klammerte sich fest, fest an ihn an. „Vater, geliebter Vater, vergib mir! Frage mich nicht, aä» bitte, frage mich'nie! Aber ich bitte, vergib mir!" Kirchlein stano erschüttert. Seine Augen be fragten Zrmeliug, und mit einem ernsten Blick, einem stillen Neigen des Hauptes, «mein bit tenden Lächeln gab der ihm Antwort. Vie Liede der drei kichleiil. ööj Roman von E. Ltieler-Marshall. '.e,'oi>>N"la NN > »V «lipiii ei» k « o.. a. m >> n. l.elpri?.) Wieder Hub Professor Kirchlein zu singen an. Ein Stückwen weiter unten im Tal, wo das Flüßchen einen großen Bogen mit eine grüne Wildnis zieht, lag zwischen Farren im iv'eiclien Moos am äußersten Rand dieser Halbinsel ein junger Bursche und schlief. Ein anderer saß auf einer großen Wurzel neben ihm -- hielt in dcn Händen eine riesige ausgebrannte La terne, saß wie ein Wächter aufrecht und neu — und schaute träumend und müde in den Wald. Plötzlich hob er lauschend den Kopf, und ein liebes Lächeln ging über dem bärtigen Ange sicht ans. „Jetzt — man sollte fascht meine', wenn man's nit anders wüscht — — so tät doch nur einer singe', so laut und jo falsch — — Der aber im Moose lag, richtete sich empor. „Der Vater! Wie ist das denn möglich? ES ist mein Vater großer Gott " Er sprang auf und wollte davon. Aber de- blonden Wächters mächtige Hand packte noch rechtzeitig seinen Arm. „Stillgestandc' und nit gezuckt," befahl er. „Mensch, Werner, tust denn nit cinschc' - uir Schöneres kann dir geschehe', um die Sache alsbald aus der Welt zu schaffe', als wenn wir jetzt mit dem Alte' hcimgche'. Es isch ja grad, als hätte' sich die Engel im Himmel verschwöre', dir - leicht zu mache'!" Oben auf dem Wege wurde der Professor sichtbar. Wie er so stattlich cinln'rschritt im schwarzen Rock — mit breiten, ruhigen, aus holenden Schritten, dcn Ziegenhainer in der Rechten, in der Linken das braungebrannte Strohhütchcn. Mit dem dichten schwarzen Haar spielte die Waldluft, Freude wohnte auf der gewaltigen freien Stirn, Freude glänzte in dcn großen, dunklen Augen — die etwas weiten Flügel der kurzen Nase bewegten sich, als trän-
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