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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.07.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-07-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140723017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914072301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914072301
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-07
- Tag 1914-07-23
-
Monat
1914-07
-
Jahr
1914
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Morgen-Ausgabe Se,»-«preise: L'.Ws^.W«Kr;.M monatlich I.1S M., vlartellährllch,.75 M. Sei »er «efchSst.steU», unser« rlllalen ««»H«»gad»st»Ue« ad,,Helt: monatlich IM., »lertelj-drllch Z M. durch die Post: tunerhald drutschland, und »er »eut/che« «olonlea monatlich t^o M., vlerteliahrlich 4.50 M., auefchllegUch paftdesteUgei». Vae Leipzig« la,»blatt erscheint Werktag» »mal. Sonn» u. Zeiertagoimal. 5n Leipzig, »en Nachbarort»« an» »en Srteu mit eigenen Malen wir» »i, sid,n»au,gad, noch am ftden» Seo erscheinen» in» Hou, geliefert. v«rlInrr NrSakti»ur2n»,nzrlt,n,7,r»rnspr,ch«finschluS: Moabit Nr. 447. ?lrrrtsblrM desRortes und despoUseüuntes der Stadt Leipzig Ne-aktion unü »,schaft»sl,U«r 7»hanai«gaff» Nr.«. s jerasprech-finschluft Nr. >4»»r, >4»»3 un» >4b»4. WS. Jahrgang E»—sür Inserat» au» Leipzig UN» Umgeduag »>I /^NAeigenprelfsr ,spalti,»p»tiü»il»ups.,»i,n,nam«z»il», m., oon au»wart» 5S Pf., Neklamen I.2S M>, Klein« Nnzrigen »lepetitzelle nur rapf.d.wlederdol.Nad.,Inserat» von SehSrüen im amtlich,nte« »ie Petit» »eil, »o Pf. «»schäft»»«,eigen mit platzoorschrift im Preis« «dkht. Nadatt «ach «arif. Seilage«,Sesamtaufl.SM.»a»raus«n»auoschl.poslgedützr. ftnzeigen.ftnnohm«: lohonni-gosse«, dei sämtlichen JiNalen »«, Leipzig« Tageblatt»» un» allen flnnon«»a»e»p»»>ti»n«u »e» In» ua» fiuelaa»«». S»schüft»st«ll« sllr Vertin u. Sie pr. SranSenburg: virektionwalter jltegel Serltu S >4, vr«»»»n»rStraS,07. Z»rnsprrch»Nnschlutz: Moribplay iSU,. m. 36S. vonnerslag, Len 23. Juli. ISI4. das wichtigste. * Prinzessin Ad e l g un d e, die älteste Toch ter des bayrischen Königspaares, hat sich am Mittwoch nachmittag mit dem Fürsten Wil helm von Hohenzollern verlobt. (S. Drschs. R.) * Die Ueberreichung der österrcichischen Note an Serbien wird dem Bernehmen nach bestimmt Ende dieser Woche erfolgen. (S. bes. Art.) * In Witkowitz in Oesterreichisch-Schle- sien kam es am Dienstag wieder zu Zusam menstößen zwischen Tschechen und Deutschen. (S. Ausl.) * Die Vertreter der Großmächte haben die albanischen Aufständischen aufgefordert, ihre Wünsche schriftlich mitzuteilen. (S. bes. Art.- * In der mexikanischen Hauptstadt erwartet man einen Angriffder Zapatisten. (S. Ausl.) * In Riga streiken 13000 Fabrikarbeiter. (T. Ausl.) , Ehrenbürger knöpfler. Wie wir schon aus Zabern berichteten, machen sich im dortigen Gemeinderat Bestrebun gen geltend, dem von der Regierung nicht be stätigten Bürgermeister Knöpfler „in An betracht seiner großen Verdienste um die wirt schaftliche Entwickelung Zaberns" das Ehren- vmgerreckt zu verleihen. Im Gemeinderat selbst ist der Plan noch nicht weiter erörtert worden, bekanntlich hatte der Zaberner Gemeinderat im Januar dieses Jahres die Absicht, dem Kreis direktor Wahl gleichfalls das Ehrenbürgerrecht zu verleihen, diese Absicht ist jedoch nicht aus geführt worden, weil die Genehmigung für Ver leihung eines Ehrenbürgerrechts gleichfalls der Negierung zusteht. Auch in diesem neuen Fall wird eine Vertvirklichung der Absicht ausgeschlos sen sein, und zwar durch den Widerstand der Regierung. Erbaulich sind diese Dinge nicht, aber für so wichtig, wie sie nach der elsässischen Presse fein sollen, können wir sic nicht halten. Es nimmt weiter kein Wunder, daß der Gemeinde rat von Zabern dem scheidenden Bürgermeister eine Ehrung bereiten will, aber ebenso selbst verständlich ist es doch wohl auch, daß die Ne gierung von ihrem Rechte, den Schritt zu hin dern, Gebrauch macht, handelt es sich doch nicht nm eine Ehrung von Verdiensten, sondern schlechthin um eine Demonstration. Man will Herrn v. Dallwitz einen Streich spielen, der ihn ärgern soll. Das ist alles. Nun ist aber Herr v. Dallwitz nicht Statt halter geworden, um die „Erinnerungen an Za berns große Tage" wohlwollend zu Pflegen. Es muß alles einmal ein Ende haben. Was bis jetzt von seinen Maßnahmen verlautete, scheint von dem Wunsche auszugehen, den offenen und geheimen Hetzern gegen alles Deutsche klarzu machen, daß die Regierung für eine Politik der Schwäche nicht zu haben ist. Wenn sich nun von neuem eine Kampfstimmung einstellt, so ist doch wohl zu beachten, von wem sie geschürt wird. In manchen deutschen Blättern werden unmer die „Französlinge" als die wahrhaft Schuldigen angeführt, und man könnte nach solchen Urteilen meinen, das ganze elsässische Aolk sei eine einzige Verschwörergesellschaft. Dem ist nicht so. Wie wir das schon öfter ausführten, ist ein Unterschied zu machen zwischen der großen einheimischen Bürgcrschicht, die in Ruhe zu leben und ihrem Erwerb nachzugehen wünscht, und der allerdings da und dort sich breitmachenden politisierenden Minderheit, die keine Ruhe, son dern ihre Sensationen haben will. Eines aber zeigt sich jetzt, wo die Zügel schärfer angezogen werden, mit voller Deutlichkeit: der Einfluß der klerikalen Presse! Sie ist es, die zurzeit we nigstens am eifrigsten die Aufbauschung der An gelegenheit Knöpfler betreibt und die Angriffe der sozialdemokratischen Blätter überbietet. Sie ücht los über das „System der eisernen Faust", über eine die tiefsten Gefühle der Bürger ver letzende Willkür usw. Dabei zeigt sich denn auch stellenweise die nur zeittveilig verdeckte Neigung der ülerus, politische Dinge nach der konfessio nellen Seite hinzudrehen. Alle, die das Elsaß und Lothringen kennen, wissen, wie es um den Klerus durchweg bestellt ist- Aus politischen und taktischen Gründen hat man bei uns immer wieder versucht, diesen Punkt zu übersehen. Das Zentrum weiß genau Bc- lcheid. Es hat seine liebe Not mit seinen Freun den in den Reichslanden, und man weiß, welche Verlegenheiten ihm bereitet worden sind. Wet ters, — der Name sagt genug. Die Führer des Zentrums sind niemals im Zweifel darüber ge wesen, daß der größte Teil des Klerus, insbeson dere die niedere Geistlichkeit, ein gutes Maß fran Vie große Parade in Parks. Bon Oberst a. D. Euse. Paris, 16. Juli. Was in Deutschland Kaisers Geburtstag, ist das Nationalfest in Frankreich. Hier wie dort ist es der Tag, an dem das Bolt den Streit der Par teien vergißt und seine Gedanken vorzugsweise dem Baterlande zuwendet. Aber allerdings die Art, wie sich diese Stimmungen äußern, ist recht verschieden. Steht bei uns das Bild des Kaisers im Mittelpunkt, so knüpft im Gegensatz hierzu die hiesige Feier an ein Ereignis an, das den Untergang des französi schen Königtums einleitete. Am 14. Juli 1789 wurde die Bastille gestürmt, die Zwingburg, in die die französischen König« die Männer zu vergraben pflegten, die ihrer grenzenlosen Willkürherrschaft im Wege standen, und so sieht man hier diesen Tag als den Geburtstag der französischen Freiheit an. Aller dings kamen inzwischen wiederholt Zeiten, in denen die Erinnerung verpönt war. Aber seit die dritte Republik am Ruder ist, behauptet er seinen Platz. Die Feier ist gesetzlich festgelegt, und sogar Borsorge getroffen, daß auch Tücken des Kalenders sie nicht beeinträchtigen können. Fällt beispielsweise der 14. Juli auf einen Sonntag, so wird der darauf folgende Montag zur Feier mit herangezogen, fällt er aber gar auf einen Freitag oder, wie diesmal, einen Dienstag, dann steht sich der französische Bür ger besonders gut. Dann wird der Einfachheit hal ber der zwischen Sonntag und dem 14. Juli liegende Wochentag gleich als Feiertag mit hinzugenommen. So stand denn Paris diesmal drei Tage hinter einander unter dem Zeichen der nationalen Feier. Alle Läden, Bureaus, Posten, Banken usw. waren drei Tage geschlossen. Aber, was sie an Länge ge wonnen, schien die Feier an Teilnahme eingebüßt zu haben. Ich habe Paris nie so leer gesehen, wie in diesen Tagen. Man sagt, daß namentlich das bessere Bürgertum die Gelegenheit der dreitägigen Ee- schäftsruhe benutzt habe, um in Scharen aufs Land zu fliehen. Zwar fanden auch diesmal auf einer großen Zahl von Plätzen und Straßen des Nachts die üblichen Tänze statt. Aber auch sie waren zum Teil nicht übermäßig stark besucht. Nur ein Ereignis gab es, das eine unbeschreib liche Anteilnahme erweckte: die große Parade auf dem Rennplatz oon Longchamp am Morgen des 14. Und in der Tat es war ein hochanziehendes Schauspiel, dem beigewohnt zu haben mich nicht ge reut. Ein köstlicher Morgen leuchtete dem Fest. Als ich an einer Kaserne vorüberging, hörte ich vom Hose bei die Marseillaise ertönen. Es gefiel mir, daß schon das Antreten der Truvpen benutzt wurde, der Bedeutung des Tages gerecht zu werden. Als bald öffneten sich die Tore, und dos Regiment trat heraus. Wieder weckte der Anblick des mächtigen Musikkorps meinen Neid. 56 Mann hat die fran zösische Republik hierfür übrig, während wir uns mit 36 und oft noch weniger oegnügen müssen. Die französische Marschmusik ist eigenartig. Sie wird be herrscht oon Fanfaren, die hier überhaupt eine Rolle spielen. Die in Frankreich sehr Hellen Signalhörner schmettern die einfache, aber packende, nur aus Krundtöncn bestehende Melodie voraus, und das Musikkorps wandelt sie, während Hörner und Trom meln von Zeit zu Zeit mit Wucht dazwischen fahren, ständig ab. Hört man es zum ersten Male, ist man gepackt von der hinreißenden Gewalt dieser musikali schen Sprache. Aber auf die Dauer wirkt sie er müdend. Man kann nicht immer in Superlativen sprechen. Sehr beachtenswert ist aber die Haltung des Volkes. Niemand versäumte, die Fahnen zu grüßen. Eine, die von einem ruhenden Truppenteil etwas versteckt niedergelegt war, bemerkte ich erst, als ich die ganze vor mir marschierende Menge die Kopfbedeckung lüften sah. Zwei Stunden vor Beginn der Parade auf dem Felde angekommen, fand ich es bereits von einer fabelhaften Menge besetzt. Es mag richtig sein, was vielfach gesagt wurde, daß viele die Nacht im Bois verbracht hatten, um ja rechtzeitig auf dem Platze zu sein. Nur mit Mühe fand ich noch einen Plötz auf dem höchsten Punkte der an sich schon sehr hohen Tribüne. Dafür war aber auch der Blick von hier aus um so schöner. Fast wie aus der Vogelschau sah ich auf den wunderbaren Rennplatz von Lonachamp herab, und so vollzog sich der ganze Aufmarsch der gewaltigen truppenmass« fast zu meinen Füßen. Es muß anerkannt werden, daß er in Ruhe und Ordnung geschah, und auch die Aufstellung, so weit ich sie von meinem Platz aus beurteilen konnte, nichts zu wünschen übrig ließ. Jedenfalls war der Vorder mann in dem mir gegenüberstehenden Bataillon so, zösischer Sympathien mit sich herumträgt. Man kann deswegen nicht einmal viel Vorwürfe wegen dieser Gesinnung erheben. Die jungen Priester find eben Träger einer Tradition, und es ist ein Ergebnis ihrer Erziehung, wenn sie von dem Mißtrauen gegen das ,protestantische Deutsch land" nicht losrommen. Warum werden die zahl reichen Französisch sprechenden Geistlickzen stets wieder durch Französisch sprechende ersetzt, und zwar auch da, wo die Bevölkerung nur ihre eigene deutsche Mundart zu sprechen pflegt? Wenn da die höchste Kirchenstelle cingrcifen wollte, wieviel könnte sie dem Deutschtum nützen! Warum tut sie es nicht ? Das steht heute außer Frage: der Statt halter hat die klerikale Presse gereizt. Zu der Hansi-Geschichte kommt der Fall Knöpfler. Ist es nicht bezeichnend, wenn ihm der „Elsässer Ku rier", das Blatt des Priesters und Reichstags abgeordneten Dr. Haegy, die „Erbitterung der Katholiken" drohend vorhält? Als ob jene Vorgänge etwas mit der Konfession zu tun hät ten! Wird Herr v. Dallwitz auch angesichts solcher Gegnerschaft fest bleiben?! Laß auch ein deutscher Bataillonrkommandeur zu frieden gewesen sein würde. Um 8 Uhr erschallt Kanonendonner, Trommeln wirbeln, schmetternde Fanfaren erklingen, und sämt liche Musiken blasen die Marseillaise: das Staats oberhaupt trifft ein. Vom rechten Flügel anfangend fährt der Präsident mit dem Knegsminister, in einem L In Daumont bespannten Wagen sitzend, im Trabe die Fronten entlang. Vor jeder Föhne lüf ten beide mit gleichmäßiger, fast theatralischer Ge bärde den Hut. Ein eigenes Bild für einen deutschen Offizier, der sich von der Vorstellung nicht los machen kann, daß solche Huldigungen nur dem obersten Kriegsherrn gebühren! Mit Spannung sah ich dem Vorbeimarsch der Truppen entgegen. Um es gleich vorauszuschicken, muß ich sagen, daß er meine Erwartungen über troffen hat. Ohne der französischen Armee zu nahe treten zu wollen, die ich in vielen Manöoern beob achtet habe, gestehe ich doch, daß ich mir von ihren Leistungen in der Parade nicht viel versprochen hatte und besonders in diesem Jahre nicht viel erwartete, weil zwei Rekrutenjahrgänge gleichzeitig auszubil den waren. Um so mehr überraschte mich das Ge sehene. Die Formation der französischen Infanterie zum Vorbeimarsch ist eigenartig. Die 4 Züge, aus denen die Kompanien hier bestehen, marschieren in Marschkolonne, Zugführer voran, dicht nebeneinan der. Zwei Kompanien voran, zwei dahinter bilden sie ein massiges Viereck, in dem Ordnung, insbeson dere die Glieder klar zu erhalten, bekanntlich nicht leicht ist. Fast durchweg war aber beides einwand frei. Besonders gut kam die Kriegsschule von St. Cpr vorbei, was das Volk mit den hier üblichen Beifallskundgebungen, Händeklatschen usw. begeistert anerkannte. Nur eines vermißte das deutsche Auge: die gestreckten Knie. Besonders gespannt war ich auf die Kavallerie, weil sie bekanntlich aus Anlaß der bisherigen zwei jährigen Dienstzeit mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt hat und weil bei ihr mehr als bei anderen Waffen der Parademarsch einen Prüfstein für die kriegsmäßige Ausbildung abgibt. Denn während die Formen, in denen sich beispielsweise die Infanterie bei der Parade bewegt, im Gefecht kaum Vorkommen, ist dies bei der Kavallerie der Fall, und außerdem läßt das Verhalten der Pferde im Glieds einen Schluß auf die reiterliche Ausbildung, die Grundlage des Dienstes dieser Waffe, zu. Auch hier mußte ich die Leistungen anerkennen. Wenn auch das Tempo des angeschlagenen Galopps im allge meinen etwas kurz war, so kamen doch einige Schwa dronen in einem schönen langen Sprung vorüber, ohne daß Richtung und Gliederubstände verloren ge gangen wären. Kopf- und HalsstellunA der Pferde waren fast durchweg gut; man sah nur wenig hohe Nasen. Erwägt man, daß wohl zwei Drittel der Leute Rekruten gewesen sein mögen, so gibt dies Ergebnis zu denken. Weniger befriedigte mich die hier übliche Schlußattacke gegen die Präsidenten tribüne, da sie durch das kurze Tempo, in der sie geritten wurde, enttäuschte. Eine Eigentümlichkeit französischer Paraden sind Veranstaltungen, die entweder durch ihre Neuheit oder durch ihre Ursprünglichkeit das Volk besonders anzuziehen geeignet sind („nttraotions"). Neu war diesmal der Vorbeimarsch der neu aufgestellten schweren Batterien. Eine eigenartige Truppe! Je ein schweres Lastauto schleppt die Kanone, den Mannschafts- und den rottwagenartigen Munitions wagen baher. So ziehen sie zu vieren nebeneinander, auch die Offiziere in Autos voran, langsam an der Tribüne vorüber. Daß sie nur auf gut gebahnten Straßen verwendbar sind, schien mir einzuleuchten, da eine etwas weichere Stelle des Paradefeldes zwei Fahrzeugen fast zum Verhängnis geworden wäre. Ein lustiges Bild bot der Vorbeimarsch der Sa nitätshunde. Etwa 59 solcher Tiere wurden von je einem Manne in zwei weit geöffneten Gliedern vor übergeführt. Sie erregten natürlich großen Jubel, der nur noch von der Freude übertroffen wurde, als plötzlich Tausende von Brieftauben losgelassen wur den. Daß Flugzeuge in großer Zahl das Feld um kreisten, bedarf wohl kaum der Erwähnung. So kam denn das Volk, das in so großer Zahl hinausgepilgert war, um seine Armee zu sehen, reichlich auf seine Kosten. Aber auch der denkende Soldat trug feinen Gewinn davon, indem er einen neuen Beweis dafür erhalten zu haben glaubte, daß in der französischen Armee mit rastlosem Eifer ge arbeitet wird und daß das Herz des französicheu Volkes seiner Armee gehört. Oesterreich un- Serbien. Neber den bevorstehenden Schritt Oesterreichs in Belgrad wird in Wien an zuständiger Stelle das strengste Stillschweigen bewahrt. Man macht weder über den Zeitpunkt noch über den In halt der zu überreichenden Note irgendwelche Andeu tungen. Aus verschiedenen Umständen kann man aber schließen, daß der Schritt tatsächlich Ende der Woche erfolgen wird und daß die Forderungen Oesterreich-Ungarns nicht über das Maß hinaus gehen werden, das in der gestrigen Meldung skizziert wurde. Die Nachricht, daß die Mächte des Drei verbandes sich bezüglich ihrer Haltung in der öster reichisch-serbischen Streitfrage geeinigt hätten, wird mit dem Hinweis darauf bezweifelt, daß die Forde rungen Oesterreich-Ungarns noch gar nicht bekannt seien. Damit wird auch gesagt, daß die Meldung, das Wiener Kabinett habe die Mächte bereits von dem Inhalt der Note verständigt, unbegründet ist. Die österreichisch-ungarische Regierung wird die Großmächte von dem Inhalt der Note erst dann rer- ständigen, wenn diese überreicht ist, oder sie wird diese Verständigung gleichzeitig mit der Ueber reichung in Belgrad vornehmen. Das schließt natür lich nicht aus, daß Berlin und Rom über dir weite ren Absichten der österreichischen Regierung für den Fall einer Ablehnung ihrer Forderungen unterrich tet worden sind. Wie eine uns aus Berlin zugehende Mitteilung besagt, ist das sogar als sicher anzuneh men. Daher auch die in Berlin gegenüber den Wünschen nach einer beruhigenden Kundgsbung be wahrte Zurückhaltung. General st abschef v. Hötzendorf ist am Mittwoch nach Wien zurückgekehrt. Vie albanischen wirren. Wie wir bereits im gestrigen Abendblatt mit teilten, haben die Vertreter der Großmächte es abge lehnt, nach Schiak zu kommen, um mit den Auf ständischen zu verhandeln. Sie haben dagegen den Aufständischen den Vorschlag gemacht, ihre Wünsche schriftlich mitzuteilen. Im übrigen hat sich in der Lage nicht das Geringste geändert. Wir geben folgende Meldungen wieder: Durazzo, 22. Juli. (Durch Funkspruch.) Die Ver treter der sechs Großmächte teilten gestern den Auf ständischen mit, daß die diplomatischen Bräuche es ihnen nicht gestatteten, sich zu den Aufständischen nach Schiak zu begeben: doch seien sie gern bereit, die Wünsche der Aufständischen anzuhören, weshalb sie es für praktisch hielten, wenn die Aufständischen ihre Wünsche schriftlich mitteilten. — Der albanische Gesandte in Wien, Sureya Bei, ist gestern früh aus Valona hier eingetroffen und vom Fürsten in längerer Audienz empfangen worden. Der Gesandte setzte sodann seine Reise nach Wien fort. — Der Fürst stattete gestern an Bord des französischen Panzer kreuzers „Edgar Quinet" und des russischen un geschützten Kreuzers „Terez" Besuche ab. — Die Hauptführer der Aufständischen sind Dschafer Tajar, der früher unter dem jungtllrkischen Regime Militärgouverneur von Ipek, später unter Torgut Pascha auf dessen albanischer Expedition Oberst leutnant war, owie Gjenach Bei, gleichfalls früher General tabsoffizier unter Torgut Pascha, und Selim D*,ma, ein früherer Een- darmeriekapitän Essad Paschas. Die Beziehungen zwischen Serbien und den Aufständischen. Aus Uesküb wird der Wiener „N. Fr. Pr." ge schrieben: Die Dementis der serbischen Regierung, die behaupten, daß sie den albanesischcn Aufstand nicht unterstützen, erregen hier nur Verwunderung. Die Beziehungen zwischen der serbischen Regierung und den Leitern des albanesischen Aufstandes sind hier überall bekannt. Der hauptsächliche Urheber des Aufstandes, Arif Hikmet, wurde von den serbischen Behörden mit allen Ehren behandelt und erfreute sich ihrer offiziellen Förderung bis zum Schluß. Arif Hikmet ist von der serbischen Regierung in seiner Tätigkeit nicht nur nicht gehindert, sondern unter stützt worden. Er verkehrte intim mit serbischen Be amten, benützte Regierungsautomobile, erhielt ser bische Gendarmen zur Eskorte und reiste ungestört zwischen Dibra und Belgrad hin und her. Eine Protestversammlung in Bukarest. Die Bukarester albanische Kolonie hielt am Dienstag eine große Versammlung ab, um gegen die Einmischung der Serben und Grie chen in die albanesischen Angelegenheiten zu pro testieren. Mehrere Nedner brandmarkten die Misse taten der Epiroten. Unter den Rednern befanden sich auch einige Augenzeugen der Ereueltaten, die in den südlichen Städten Albaniens begangen wurden. Es wurde eine Resolution angenommen, in der gegen das Vorgehen der epirotischen Banden, die von Athen aus unterstützt würden, protestiert wird. Ver Eaillaux-Prozeß. Paris, 22. Juli. Als Labori den Gerichtssaal betrat, wurden ihm, offenbar wegen seiner gestrigen energischen Hal tung, oon den jungen Advokaten lebhafte Sympathie kundgebungen bereitet. Nach Eröffnung der Sitzung erhob sich General- staatsanwalt Herbaux und sagte, er sei zu der Erklärung ermächtigt, daß das sogenannte „Grüne Schriftstück" nicht existiere und auch nicht existiert habe und daß demzufolge die Ehrenhaftigkeit und der Patriotismus Caillaux' in keiner Weise angetastet erscheine. (Lebhafte Bewegung.) Gerichtspräsident Albanel erklärte, daß der Zwischenfall dadurch als erledigt anzusehen sei. Der Vertreter der Privatbeleidigten, Chenu, sagte: Der Zwischenfall ist zur Befriedigung des Herrn Caillaux erledigt, aber nicht zu der meinen. Herr Caillaux hat seinen Zweck erreicht. Er verläßt diesen Saal mit dem Zeugnis des nationalen Loyalismus. Caillaux protestierte mit heftigen Worten gegen diese Auffassung: auch Labori erhob Einspruch. (Heftiger Lärm im Auditorium. Präsident Albanel ruft das Publikum zur Ord nung.) Chenu ruft: „Nufen Sie lieber die Zeugen zur Ordnung!" (Lärm.) Der Präsident des Dcrwaltungsrates de» „Figaro", Prestat", verliest eine Erklärung, die im wesentlichen die heute im „Figaro" er schienene Zurückweisung der von Caillaux erhobenen Beschuldigungen (Angelegenheit der Dresdner Bank, Krupp-Affäre, Affäre Libscher und an- gebliche Subvention des „Figaro" durch die unga rische Regierung) enthält. Caillaux hält seine Angriffe aufrecht und verliest zur Erhärtung seiner Behauptungen mehrere Schriftstücke. Auf eine Frage des Rechtsanwalts Chenu ant wortend, versichert Caillaux auf Ehre, daß er am Tage des Dramas seiner Frau nicht» von feinem Schritt bei Poincarö gesagt habe. Damit war die Vernehmung Caillaux' beendet. Dann wurde die Vernehmung der vom Staatsanwalt geladenen Zeugen fortgesetzt.
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