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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.07.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140728019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914072801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914072801
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-07
- Tag 1914-07-28
-
Monat
1914-07
-
Jahr
1914
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Kunst uncl wlssensetlllst MW!WWWW Wer ist -er Dichter -es Liedes -er Nibelunge! Die Beantwortung dieser Frage hat lange Zett die germanistische Forschung in Atem ge halten. Wenn sie heute auch mcht mit einem bestimmten Namen beantwortet werden kann, so wissen wir doch von der .Persönlichkeit des Dichters viele charakteristische Züge. Bon ihm, so schreibt der Literarhistoriker G. Holz*), dürfen wir behaupten, daß er ein Mann ritterlichen Standes und ein Oesterreicher war, da auf ihn doch wohl die genaue und sachkundige Beschrei bung der Reise Kriemhilts zurückgeht; auch die oft durchblickende Abneigung gegen die Bayern macht das wahrscheinlich. Wien ist ihm eine wichtige und bedeutende Stadt, in ihr läßt er Kriemhilts zweite Hochzeit gefeiert werden; es ist aber, wenn auch alt, doch erst durch den ersten Herzog Oesterreichs, Heinrich (f 1177), wieder aus jahrhundertelangem Verfall erhoben worden; Heinrichs Sohn nnd Nachfolger war der bekannte Leopold I. 1194), der Gönner Reinmars des Alten, des Lyrikers; unter ihm erlangte der Wiener Hof jene Bedeutung als Pflcgstätte edler Kunst, als welche er in der deutschen Literatur geschichte bekannt ist. So werden wir schwer lich weit neben das Ziel treffen, wenn wir an nehmen, daß der eigentliche Nibelungendichter unter Leopold I. und dem Einflüsse feines Hofes gewirkt hat, also etwa 1180—1190. An fernem Werke ist manches auffällig, was schon bei der Besprechung des Inhalts erörtert worden ist; sein Anteil an der Stofsmasse ist bedeutend: der ganze erste Teil des Liedes und der Anfang des zweiten bis gegen Str. 1526 ist formal ganz von ihm gestaltet und auch inhaltlich von ihm mit Ausnahme der Grundzüge im wesentlichen erst geschaffen; auf ihn gehen u. a. das Prinzentum Siegfrieds und die durch das selbe bedingten Szenen, auf ihn die Umschaffung des Spielmanns Volker in einen ritterlichen Sänger zurück. In der Schlußpartie des Epos benutzte er offenbar eine im wesentlichen bereits fertig vorliegende Darstellung (die älteste „Nibe lunge Not"), die auch dem Verfasser der Thidriks- saga bekannt gewesen ist; er hat sie stark über arbeitet und durch Eiufügung neuer Szenen und Personen (besonders des Dankwart) beträchtlich erweitert. Sein Anteil läßt sich mit Hilfe der Thidrikssaga ziemlich genau bestimmen: den Fährmann hat er aus einem einfachen, um Lohn arbeitenden Manne in einen Grenzwächter der Bayernfürsten umgeschaffen; die Verfolgung durch tue Bayern und der daraus sich ergebende Kampf ist sein Werk, ebenso die Angabe, daß die Burgunden mit einem Heere von zehntausend Mann nach dem Hunnenlandc gezogen seien, end lich gehört ihm rm wesentlichen die Reihe von Szenen, die im einzelnen so prächtig ausgeführt sind, jedoch mit dem Geiste der ganzen Geschichte vielfach im Widerspruch stehen: sie setzen ein un mittelbar nach dem feindseligen Empfang durch Kriemhilt mit der Erzählung, daß Hagen und Volker sich dem Palast der Königin gegenüber herausfordernd hingesetzt hätten, und schließen mit der unbegreiflichen Entlassung der Haupt gegner aus dem Saale; innerhalb dieser Partie blickt nur selten die alte Grundlage durch, deren Gang etwa der folgende gewesen sein muß: die Nibelunge richten sich, nachdem man sie nücht- licherweise zu überfallen versucht hat, in dem ihnen angewiesenen Hause zur Verteidigung ein; um Etzel zum Angriff fortzureißen, opfert Kriem hilt ihr Söhnchen, indem sie Hagen zu seiner Tötung reizt, und nun folgt unter Hohnrcdcn der *) Aus dessen soeben in 2. Auflage erschienenen Bändchen ..Ter Lagenkreis der Nibelungen". (Wissenschaft und Bildung Bd. 6. Verlag von Quelle L Meyer in Leipzig.) Mbelunge der Angriff der hunnischen Scharen. Der Rest der Dichtung, im wesentlichen aus den vier Abschnitten: Irmas Kampf, Saalbrand, Rüdegers Kampf, Dietrichs Kamps bestehend, muß im großen und ganzen der Vorlage ent nommen sein. Dieser eigentliche Nibelungendichter ist nun natürlich eben derjenige, der die auffällige lyrische Form für das Epos gewählt hat, eine Form, dre nicht sein Eijgen ist, sondern in den nicht lange vorher entstandenen Liedchen des so genannten Kürnberaers bereits vorliegt. Pfeiffer hat aus dieser Uebereinstimmung der Formen geschlossen, eben dieser Kürnbcrger sei der Dichter unseres Liedes; wäre dies richtig, so wäre uns damit nicht weiter geholfen, denn wir wissen vom Kürnbcrger nur, daß er ein Oesterreicher war, und kennen nicht einmal seinen Personen namen. Der Schluß ist aber nicht zwingend, denn seine Voraussetzung, daß eine bestimmte Strophenform Eigentum ihres Schöpfers sei, hat nie m dem angenommenen Umfang gegolten, vor altem nicht in so alter Zeit; endlich aber erklärt er ja die Sonderbarkeit, daß ein EpoS lhrische Form anfweist, überhaupt nicht. Die einzige plausible Erklärung ist vielmehr die, daß der Nibelungendichter die benutzte Form in seinen Quellen, denen er mehr oder weniger wörtlich folgt, bereits vorgefunden hat, und daß die Quellen volkstümliche Balladen gewesen sind. Daß das Nibelungenlied auf derartige Volksgesänge zurückgehe, hat bereits der erste Gelehrte, der sich ernsthaft mit dieser Frage beschäftigte, Karl Lachmann, 1816 in seiner Schrift „lieber die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth" behauptet. In der Durchführung des Gedankens ist er dann freilich weit über das Erreichbare und sogar über das Wahrscheinliche hinausgegangen. Anerkannt aber darf heute noch werden, mit welch sicherem Gefühl Lackmann die einzelnen Unebenheiten des großen Gedichtes erkannt und benutzt hat. * Schenkung an das Leipziger Museum. Don Herrn Oberstleutnant Föhn. Freiherrn Speck von Sternburg in Bitterfeld ist dem Museum der bilden den Künste eine höchst wertvolle Schenkung in Ge stalt eines großen Oelgemäldes „Königs kerzen" von der Hand unseres einheimischen Ma lers, des Akademie-Professors Franz Hein über mittelt worden. Dieses bedeutsame Geschenk ist vom Rate der Stadt mit dem Ausdruck wärmsten Dankes angenommen worden und hat in einem der Säle neben dem Lenbach-Raum (Saal 12) Platz gefunden. * August Reiter s. Vorige Woche ist in Leipzig ein Künstler verschieden, der in seinem Wirkungs kreise fern von Deutschland einen großen musikali schen Ruf genossen hat: August Reiter. Er war 1847 in Wiesenfeld in Thüringen geboren, widmete sich dem Studium der Musik in Leipzig, wo er von 1869—1875 die Universität und das Konser vatorium besuchte. Durch das Kriegsjahr 1870/71, das ihn ins Feld» führte, wurden diese Studien unter brochen. Von hervorragendem Einfluß auf seine musikalische Entwicklung war der bedeutende Musik gelehrte Oscar Paul (der Jahrzehnte hindurch als Leiter des musikalischen Teiles des Leipziger Tageblattes wirkte). Dr. Oscar Paul war zugleich Professor an der Universität und Lehrer am König!. Konservatorium. Bei ihm genoß er den Unterricht in allen Hauptfächern. Von seinen übrigen Lehrern sind zu erwähnen die Professoren Reinecke, Moscheles, Weigel, Coccius und Popperitz. Reiters vorzügliche Leistungen erregten die Aufmerksamkeit des dama ligen Konservatoriumsdirektors Schleinitz, des be kannten Freundes von Mendelssohn, und er stellte ihm baldige Anstellung als Lehrer am Konser vatorium in Aussicht. Reiter verzichtete indes und siedelte über nach Aberdeen, der bekannten Uni versitätsstadt von Mittelschottland. Er verstand es, in kurzer Zeit die musikalischen Verhältnisse dort gewaltig zu heben. Sein Wirken umfaßte den stattlichen Zeitraum von etwa 30 Jahren. Auf seinen Antrieb hin entstand eine Philharmoni sche Gesellschaft. Ferner gründete er ein großes Orchester, um Konzerte großen Stil» zu veranstalten nach dem Borbilde in Leipzig. Die letzten Jahre seine» erfolgreichen Leben» hat Retter in der Stille in Leipzig zugebracht. * Kunstchronik. Der innere Palasthof des monu mentalen Gebäudes der Pazzi in Florenz, das zu den markantesten Bauten der Florentiner Re naissance gehört und von Brunelleschi errichtet sein soll, ist durch eine unkünstlerische Bedachung ver schandelt worden. Die Kommission zur Erhaltung der Denkmäler hat eine Protestkundgebung erlassen. — In Prien am Chiemsee ist, wie die „Münchner Neuesten Nachrichten" mitteilen, der Maler Gustav Lehmann, ein talentvoller Künstler, im Alter von erst 21 Jahren gestorben. Er stammte aus Braun schweig, hatte u. a. bei Herterich und Stuck studiert und ist als Maler sehr stimmungsvoller, neo impressionistisch gehaltener Landschaften hervorge treten. — Zum 100jährigen Geburtstag Bis marcks 1915 wird auf der Tulling er Höhe bei Lörrach, wie aus Karlsruhe gemeldet wird, ein Bismarckdenkmal errichtet werden, dessen Entwurf von Professor Länger stammt und das von Bildhauer Schwab ausgeführt wird. Der Kostenaufwand beträgt 15 000 .k. . * Ein kaum glaubliches Kunstplagiat. Ein Pla giat, wie es noch nicht dageweien sein dürfte, hat sich, wie uns aus Kreisen hervorragender Fachmänner geschrieben wird, der Radierer A. Woelfle zu schulden kommen lassen. 2n dem Katalog der „Ersten Schwarz-Weiß-Ausstellung der Neuen Kunst" im Mai—Juni 1914, erschienen bei Hans Goetz, München, Odeonsplatz 1, befindet sich als letzte Abbildung eine Reproduktion von Nr. 79 des Katalogs, auf der ein Lastträger einem venezianischen Paar heimleuchtet. Diese „Originalradierung" ist fast Strich sür Strich eine glatte Kopie von Blatt 7 aus Gasetano Zompinis Folge der „Straßenrufer" Venedigs. Unter dem Original stehen die Verse: „vo uolts ora ni teutri, or« sl Reckutto 8ov gael cbs eol toral servs üo Iums; L pur obe i pa^a mi so auckar per lutto." Ueber dieses kaum glaubliche Plagiat, das mit ganz geringen Aenderungen das Original Zompinis wiedergibt, schreibt die bekannte italienische Kunst zeitschrift „Marzocco" in ihrer Nummer vom 19. JuU d. I.: „Der Leser stelle sich vor, ob mich die Dreistigkeit überrascht hat, die ein Prospekt erweckt, durch den der Herausgeber A. Langen in München zur Subskription für eine Serie von zehn Radierungen einlädt, betitelt: „Venedigs von Alfons Woelfle, und zwar für die billige Summe von 200 denn man muß wissen, daß der Prospekt illustriert ist durch die Wiedergabe von zehn Radierungen, von denen glatt und sauber fünf identische Wiederholungen von Szenen oder Teilen von Svenen des Zompini sind und die andern fünf eine blass« und unglückliche Imitation des Zompini. Ich habe den Ausdruck „identisch" ge braucht und ich beweise dies durch Gegenüberstellung von Vignetten. . . Der vorliegende Fall ist zu typisch, um übersehen werden zu können. Man stelle sich vor. daß der Herausgeber Langen den Mut hat, zu versichern, daß der Künstler Woelfle in vieler seiner venetianischen Serie die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts gewählt hat als eine Epoche, die ihm besonders wesensoerwandt ist und daß diese (Radierungen) vollkommen auf seiner persönlichen Vision beruhen!" So Aldo Ravä. im „Marzocco". Dazu wäre nur zu bemerken, daß Albert Langen sicherlich selbst getäuscht worden ist. . . . * Die Monatsschrift „Wohlfahrt und Wirtschaft" ist am 1. Juli eingegangen; ihr bisheriger Heraus geber, Dr. Benno Jaroslaw, wird als einer der hauptsächlichsten Mitarbeiter der Diederichsschen Zeitschrift „Die Tat" darin die Gedanken, denen bisher „Wohlfahrt und Wirtschaft" diente, vertreten. * Eine Schenkung Frank Brangwyns sür die Wiener Albertina. Frank Brangwyn, der eng lische Maler, hat der Albertina in Wien neben einigen Radierungen 32 Zeichnungen zum <S«. schenk gemacht. Darunter befinden sich zehn Studien zu dem Monumentalaemälde im neuen Gerichts gebäude in Lleoeland (Ohio), „König Johann unter schreibt die Magna Charta", sodann Detatlentwürfe zu dem Gemälde in Skinners Hall und ein Repräsen- tationsgebäude der Grand Trunk Railway in Lon don. Die Sammlung, die künstlerisch und materiell sehr hoch zu bewerten ist, ist zurzeit in einer Aus- stellung der Oeffentlichkett zugänglich gemacht. * Graf v. -ertling» goldenes Doktorfubiläum. Die P h i l os o p h is che Fa t ul tät der Universi tät Berlin hat dem bayerischen Ministerpräsi denten Dr. Grafen v. Hertling anläßlich seines 50jährigen Gedenktages seiner Promotion das Doktordiplom erneuert. Am 25. Juli 1864 wurde der junge, noch nicht 21 jährige, aus Darm stadt stammende Kandidat der Philosophie auf Grund seiner Schrift „! o äristotelis vationo Ulliu»." nach eum laucko bestandenem mündlichen Examen, in der Aula der Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität feierlich promoviert. * Hochschulnachrichten. Dem physikalischen In stitut der Universität Freiburg i. Br. hat der Fabrikant Dr. Karl Bensinger in Mannheim 30 000 .tt überwiesen zur Vervollständigung der Ein richtung für drahtlose Telegraphie und für Unter suchungen mit ungedämpften elektrischen Schwin gungen. — Der Privatdozent für klassisck)e Philologie in Straßburg, Dr. Johannes Stroux, der sich An fang Mai habilitierte, hat einen Ruf an die Ber liner Universität als Nachfolger von a. o. Prof. K. Meister und gleichzeitig eine Berufung als Ordi narius nach Basel erhalten; er wird dem Ruf nach Basel Folge leisten. — Aus Jena berichtet man: Der Ordinarius für Hygiene und Direktor des Hygienischen Instituts der Universität, Prof. Dr. August Gärtner, hat seine Abschiedsvorlesung ge halten. Die Studentenschaft feierte den beliebten Lehrer durch einen großen Fackelzug. — Der a. o. Professor für alttestamentliche Exegese in Halle, Dr. theol. et phil. Carl Steuernagel, hat einen Ruf als Ordinarius nach Breslau als Nachfolger von o. Professor W. Rothstein erhalten. — Aus Zürich wird berichtet: An der hiesigen Universität er hielten Dr. I. Lifschitz und Dr. I. Dubsky die vvnia loxonäi für Chemie. — Wie man aus Bern mittetlt, hat Dr. W. Hadorn a. o. Professor für das Neue Testament und die schweizerische Kirchen geschichte an der Universität, den Ruf als Extra ordinarius für praktische Theologie nach Straßburg abgelehnt. — Der Privatdozent für deutsche Nechtsgeschichte, bürgerliches Recht und Han delsrecht an der Universität Marburg Dr. Friedrich Klausing hat einen Ruf als hauptamtlicher Dozent sür Nechtslehre an die Handelshochschule München angenommen. Dr. Klausing hatte bereits in Vertretung des an die Universität Berlin be- rufenen Pros. Dr. Cl. Frhr. v. Schwerin im verflossenen Sommeriemester die Vorlesungen des hauptamtlichen Dozenten der Rechtslehre gehalten. — Der Direktor der Münchner Handelshochschule Prof. Dr. M. I. Bonn wird im kommenden Se mester an der Staatsunioersität California in Berkeley Vorlesungen über internationale Wirt schaftsbeziehungen und Kolonialpolitik halten. Während seiner Abwesenbeit wird der stellvertretende Direktor der Handelshochschule Prof. Dr. Leo Jor dan die Derwaltungsgeschäfte führen. * Geheimrat Professor Dr.-Jng. Martens s. Nach längerem Leiden ist der Geheime Regierungsrat Professor Dr.-Jng. A. Martens im Alter von 64 Jahren in Groß-Lichterfelde gestorben. Geheim rat Martens wurde 1884 die Leitung der mechanisch technischen Versuchsanstalt in der Technischen Hoch schule in Charlottenburg übertragen, die dann zu dem jetzigen Materialprüfungsamt ausgestaltet wurde. Der Verstorbene, der Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften war, galt in allen Fragen der Materialprüfungskunde als erste Autorität und hat auch im Maschinen-Jngenieur- wesen Vorzügliches geleistet. Zahlreiche technische Schriften stammen aus der Feder Martens'. Vas stille Leuchten. 2j Roman von Paul Grabein. (Nachdruck verboten.) „Sackra, sackra, Tsisi, Teifi! Mad'l, du Hash a G'schau, daß em'm ganz heiß dabei wird," und der junge Jägersmann lüftete wirklich den Hut mit dem Gemsbart, sich bedenklich das braune Kraushaar kratzend. „Du bist a sackrisch fesches Dirndl! 's is nur gu't, daß i bald wie der furt muß von der Alm, sonst töt' i mi no ganz in dir verlieb'n." „Dös hat er mi vor ana halb'n Stund' a jucad g'sagt!" warf Lis'l kaltblütig ein. Dem Schöntuer da mußte sie doch mal tüchtig eins drauf geben. Ein Helles Auflachen der beiden Mädchen! „Schau, Jaga — da bist aber jetz' schö' ang'blitzt!" spottete Fränzl. „Sag', bist über- haos no a Jagersbua oder gar scho a Jagers- mo? Hast dengerscht wohl scho' Weib und Kind dahoam sitzen, du Schlank'l?" Aber der Gefragte ging auf diesen heiklen Punkt nicht ein, sondern fragte seinerseits in teressiert: „Dirndl, du plauschst ak'rat als wärst fei wirklich da hier z' Haus. Geh, sag, bist aber do' a Stadtfreila aus Minga oder darum?" „Na, fehlg'sckoss'n, Haga! Kennst mi denn net? I bin dv' die Staoler-Franzl aus Berch tesgaden, dem Jnschinier Stadler sei' ältstes Mad'l." „Sackra! Den Herrn Berginschinier sei' Aeltst? Schau, dös bist du, Mad'l! Aber i hab di do' mei Lebtag noch nie drunten derlu'gt!" „Dös gla'b i scho', Jaga. I bin a viele Johr' furt g'west, in an Jnschtitut in Minga. Aber nu' sa'n ma wieder dahoam. Und nu' bleib'm ma a hier — Gelt, Ruth'l? — in un fern li'eb'n, schönen Bergen! Juhu!" Unbe kümmert um den Fremden in der Ecke stieß sie, sich vor Jugendlust reckend, ihren Hellen Freu denschrei aus, der ihr ehrlich aus dem heiß blütigen Herzen kam. Inzwischen war der Kaffee fertig geworden, den nun das Lis'l herzutrug. Sein arömatiscl-er Duft, der allerdings eine starke Beimischung von Zichorienparfüm auswies, verbreitete sich anreizend im Gemach. Eifrig nestelte Fränzl an einem Päckchen, das sie in der Tasche ihres Jäckchens mitgesührt hatte. Ein leises Tuscheln mit der Freundin, dann legte sie zwei Scheiben von dem mitgeführten Kuchen auf ihre Unter tasse und ging zn dem Fremden hinüber, vor dem Lis'l auch bereits eine große 'Tasse ihres Gebräus gesetzt hatte. „Sie waren so liebenswürdig, uns von Ihrem Kaffee abzugeben — dürften wir uns vielleicht auf diese Weise revanchieren?" Ganz seltsam berührte den Fremden plötz lich der weiche, Helle Klang der Mädchenstimme dicht neben ihm und er schaute voll die freund liche Geberin an, die ihm jetzt mit städtischer Anmut das Gebäck präsentierte. Wie so im Moment die lachenden Braunaugen ihn anglänz ten, da hatte er das Empfinden, als wäre eben aus der Nebelwand draußen ein Sonnenschein ins Stübchen gehuscht nnd wollte ihm nun auch ins Herz hinemlachen. Aber sonderber! Hm selben Augenblick regte sich auch schon ein Gefühl heftigen Widerstrebens m ihm. Sprach nicht da aus diesen schmeicheln den Blicken auch eine übermütige Sicgesgewiß- heit? Wußte sie nicht allzu gut nur, daß nie mand ihrem herzigen Schelmemvesen widerstehen konnte? Aber diese Sicherheit gerade reizte ihn. Sie sollte sich irren! Er wollte sich nicht von diesem Allerweltslächcln kirren lassen — von diesem glitzernden Tand unwiderstehlicher Lie benswürdigkeit, der nur die Unerfahrenen blen dete. Er nicht! Und so klang es in kühler Ab lehnung von seinem Munde: „Sehr gütig! Aber ich muß vielmals danken." Ganz betroffen schauten ihn plötzlich die großen Augen an. Ach! Warum auf einmal der Ton? Was hab' ich dir denn getan? Eine leise Röte stieg ihr eilends ins Antlitz — das peinliche Gefühl, mit freundlichem Anerbieten abgewiesen zu iverden. Schnell wandte sie sich ab, nur mit einem kurzen: „Ach, dann entschul digen Sie vielmals." Auch der Begleiterin Fränzls war das Be nehmen des Fremden unverständlich, der doch bisher ansclseinend mit Wohlgefallen dem mun teren Treiben ihrer Freundin zugeschaut hatte. Aber sie sagte natürlich nichts, man hätte ja selbst ein Flüsterwort am Nebentisch gehört; nur ihre Augen blickten befremdet zn dem ungemüt lichen Gast hinüber, der ihrem lustigen kleinen Waldvogel so plötzlich das fröhliche Zwitschern verleidet hatte. In der Tat saß Fränzl ein Weilchen stumm, ein feines Fältchen zwischen den hochgcschweiften Brauen. Sie war zornig nnd zugleich beschämt. Der Mensch da hatte ihr offenbar eine Lektion erteilen wollen wegen ihres ungezwungenen Wesens. Ruth hatte ihr ja auch so manchmal schon geraten, sich nicht so gehen zu lassen. Aber, was hatte er denn da vorhin so unverwandt hergestarrt? Und überhaupt, wenn er solch ein steifleinener Pedant war, was kam er da erst herauf auf die Alm, wo mau doch den Salon menschen abstreift? Aber, pah — sie wollte ihm gar nicht die Ehre antun, sich noch länger über ihn zu ärgern! Und so kehrte denn Fränzl mit energischem Ruck dem Gast am Ofen halb den Rücken zu und begann mit dem Jäger und der Freundin ein absichtlich laut nnd lebhaft ge führtes Gespräch. Auch das Lis'l gesellte sich der Gruppe zu, nnd so saß denn der Fremde allein abseits. Er empfand natürlich die überflüssige Rolle, die er hier spielte. Die behagliche Stimmung, die ihn vorhin umfangen und ihm diesen Nyum so anheimelnd gemacht hatte, war mit einem mal verflogen — durch seine eigene Schuld! Stirnrunzelnd mußte er es sich eingestehen. Er war wirklich ein unverbesserlicher Narr: Da hatte er sich hierher geflüchtet, ins Bcrchtes- gadener Land, um im Jungbrunnen herb wehen der Bergluft abzuwcrfen, was ihn vor der Zeit alt und verbittert gemacht hatte, um die ver lorene Jugend wiedcrzufinden — und nun, wo sie ihn anstrahlte mit lenzfrischen, lustigen Augen, da verdroß ihn wieder ihr silbernes Lachen! Nun, ihm war eben nicht zu helfen: Wohin er auch ging, er konnte sich selbst nicht entrinnen. Ein Heller Ingrimm gegen sich lohte in ihm auf. „Lis'l!" herrisch klang es zum Ncbentisch hinüber. „Ja — was wünscht denn der .Herr?" Fast erschrocken eilte das Mädchen herzu, den Frem den verwundert ansehend. Was hatte denn der vorhin doch so freundliche Mann? Der Gast la- in ihrer Mene, und sein Ton wurde milder. „Ich möchte zahlen, Lis'l." Er legte ein Geldstück hin, verzichtete aus das Herausgeben nnd griff schnell nach seinem Filzhnt und dem Eichenstock. „Guten Abend!" Ohne sich nach der kleinen Gesellschaft am Fenster nmzusehen, die in Schweigen verharrte, entbot der Fremde kurz seinen Gruß nnd schritt hinaus. Nur Lis'l dankte, und der Jäger lüftete mit einem „Grüß Gott" den Hut. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloß. „Na, Gott sei Dank, daß der Griesgram fort is!" rief Fränzl erleichtert aus und schlug kräftig init den kleinen Fäusten auf den Tisch. „Der kunnt einem ja schier die Laune verderben. Solche Holzstück' sollt' man gar nit einlasscn hier auf der Alm — gelt, Jaga?" Ungehindert klang wieder ihr Helles Lachen in den Raunt hinein. Der Störenfried war ja nun weg. „Aber du sagst ja gar nichts, Ruth," fuhr sie plötzlich zur Freundcn herum. Die saß halb zum Fenster hingewandt und schaute mit ihren ernsten, klaren Augen dem Fremden nach, der sich draußen mit eiligen schritten entfernte, die Stirn finster gefurcht. Vielleicht war ihm eben noch Fränzls Helles Lachen spöttisch ins Ohr geklungen. „Er sieht aus, als hätte er ein schlveres Unglück durchzumachen gehabt. Er möchte wohl froh sein, und kann doch nicht. Eigentlich soll ten einem solche Menschen doch leid tun." „Wirklich? — Woher weißt du nur bloß so was, du kluge Sibylle! Ich nnirde doch im Leben nicht darauf kommen." Ein feines Lächeln umspielte Ruths Mund. Jetzt, wo die lebhafte Röte des Aufstiegs von ihren Wangen gewichen war, sah man übrigens, daß ihr Antlitz von zartem Teint war, und daß die Haut nicht melsr den Schmelz erster Jugend aufwics. Sie legte liebkosend ihren Arm um den schlanken Leib der kleinen Freundin. „Das lehrt einem Leben und Leiden," sprach sie leiser. Doch innig preßte sie dann ihren jungen Schützling an sich. „Aber du sollst sie beide noch nickt kennen lernen — noch lange nicht, gelt, Fränzl?" (Fortsetzung in der tzlbendau-gabtl.
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