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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.07.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140728019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914072801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914072801
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-07
- Tag 1914-07-28
-
Monat
1914-07
-
Jahr
1914
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» Sette 2. Nr. 378. Morgrn-Susrmbe Leipziger Tageblatt. Dienstag, 28. Juli lSl< vle 'M ss mer »emnächs » /> ser i« «inen lisch«« ««sch «ittags iib< d«lL nach d« längeren v >md empfin« und de* A ' Die Hl am N Loi !«ine Zus und es ist Mchts de eine Kak letz «« /lm Nobilmackungssonntag in Wien. Von Paul Schweder. (Nachdruck verbolm.) Mit militärischer Pünktlichkeit läuft der Berliner Schnellzug im Wiener Nordbahnhof ein. Kein Zweifel, man ist deute weit entfernt von den Tagen, da die passive Resistenz der Eisenbahner dem öster reichischen Staate schwere Sorgen bereitete. Alles ist vielmehr einig in treuester Pflichterfüllung von. dem aus Anlass des Mobilmachungstages mit Schiff hut und Emladegen amtierenden Bahnhofsvorstand bis herab zum letzten Wogenputzer. Drangen rieselt ein seiner, aber durchdringender Landregen her nieder und verdirbt den Wienern die Freude am Mobilmachungsjonntag. Cie haben gestern abend voller Begeisterung den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Serbien gefeiert und schauen nun etwas verdutzt und ernüchtert zu den grauen Wolken massen empor, aus denen es immer stärker hervor- guillt. Schade, ich hatte den Wienern und mir einen echten rechten Sonnentag gewünscht. Aber vielleicht ist es auch so ganz gut. Ist doch nach dem gestrigen Freudenrausch heute die innere Einkehr erwünscht und vonnöten. Und ruhig, still und ernst spielt sich in den ersten Morgenstunden bas Leben in der ehr würdigen Kaiserstat't ab. Die Morgenzeitungen haben auf den Ernst der Lage nochmals eindringlich hingewicsen und von dem „Schicksalstag" Oester reichs gesprochen, der heute angebrochen ist. Mein erster Weg führt mich zum Ostbahnhof, wo die Züge nach Budapest und Belgrad abgehen. Denn hier must ja das militärische Wien Abschied nehmen. Und richtig: Auto auf Auto, Fiaker auf Fiaker rollt heran, Offiziere aller Grade und Chargen entsteigen den Wagen, die alsbald von anderen Offi zieren wieder mit Beschlag belegt werden, um die jür die erste Division bestimmten Kameraden heran zuholen. Es scheint, als seien die Böhmen dazu aus ersehen, die Avantgarde gegen Serbien zu bilden. Aber es ist eitel, sich über die beabsichtigten Truppen bewegungen den Kopf zu zerbrechen, da man doch * Die lonferenz. Liller und All, die Fried, nach Salti Kind, öln, entstand, t m s, mfo ,<alöware> i-chS P krei Kii Trumm -in zweit m-letzt. 2 Verdachts ' Terp ilm Mon leuerwehr in Keller er Fabrik 1. K ä l l < inr. Eir 'u;rer Heil lurch eineL in, Gesicht nmstte nac «erden. 2 wurde mit gelöscht, gluckte W -eilen woli * Fabri lich gemel Sic groste 5 grössten Te * Der A aus Ron Belohnung haftet. * Beim cchwielow- u Uhr infol g'g „Ruth' öciit Fritz l berliner, d, weilte, dess, ist, ertro geborgen w Vie Stimmung in Söhmsn. Aus dem Leitmerttzer Mobilmachungsbezirk sendet uns unsere Dresdener Redaktion folgende Mit teilungen über bei einem Sonntagsausflug beobach tete Einzelheiten: Die Mobilmachungsorder ist für einen grasten Teil der Bevölkerung, namentlich auf dem Lande, vollkommen überraschend gekommen. Da es die Zeit der Ernte ist, so haben die Leute von früh bis spät angestrengt auf dem Felde zu arbeiten und erklärlicherweise nach des Tages Last und Mühe weder Zeit noch Lust, Zeitungen zu lesen. Die Folge ist natürlich, dast die Leute gar nicht wissen, was eigentlich los ist, und nun durch die plötzliche Mobil machungsorder vollkommen überrascht worden sind. In Wannow, einem kleinen Orte am linken Elb- ufer oberhalb Aussigs, erzählte uns der Gemeinde vorsteher, der Einberufungsbefehl sei am Sonnabend in der zehnten Vormittagsstunde dort eingetrosfen, und bis Mittag seien 17 Mann von ihm teils aus den Wohnungen, teils noch von der Feldarbeit weg geholt und direkt auf die Bahn gebracht worden. Das ist natürlich für die Einberufenen, die nicht einmal ihre allernotwendigsten Familienangelegen heiten haben ordnen können, austerordentlich hart. Andere wieder sind geneigt, den Ernst der Lage sehr stark zu unterschätzen. Sie sind im Laufe der letzten vier Jahre zweimal mobil gemacht und an die bosnisch-serbische Grenze geführt worden, haben aber keinen Schust abgefeuert. Infolgedessen sind sie viel fach der Meinung, es sei bei der Heeresverwaltung gewissermaßen Brauch geworden, etwa alle zwei Jahre einmal mobil zu machen, und auch die gegen wärtige Mobilmachung sei nichts anderes als eine s.ikigen, .ülgemeii werkschaf -lillstan. hervortrr wurde di !tiN, dast gleich eii werden ! !UNZ der war so a Vorstände zahlen a die imsick gliedern X'iu Sc schäilsjah haben zä nach dies, rechnet, l -arge v, Malier be kanntlich des Mil 'eilders r klarende ..übrigen Äinderjä ucbmer, geübten i werden di iationen I 'Mgliede Partcistcl kasz der männliche In Sel-ra- vor Ser Entscheidung. (Von unserem Berichterstatter.) Belgrad, 27. Juli. Zwei Nächte lang hat wohl kein einziger hier in Belgrad die Augen geschlossen. Wäre an Stelle des Ultimatums ein Erdbeben über die Stadt herein gebrochen, die Wirkung hätte nicht ärger sein können. Sie läßt sich in wenigen Zeilen nicht wiedergebcn. Nur das eine kann ich sagen: Philosophen sind hier zu Narren, Narren aber und Chauvinisten, was auf das gleiche herauskommt, plötzlich zu Philosophen geworden. Diese unsere Narrenpyilosophcn wollen partout an keinen Krieg glauben, obwohl sie ihn Tag und Nacht gefördert haben. Die einsichtigen und bisher ruhigen Elemente aber werden kopflos, Vie Veranlagung zur ,Noten Woche". h. Der Bericht des sozialdemokratischen Partei vorstandes, erstattet an den kommenden Würzburger Parteitag, schafft volle Klarheit über den Zweck, der mit der Roten Woche verfolgt worden ist. Die „Stagnation" in der sozialdemokratischen Bewegung mußte im vorjährigen Bericht offen zugegeben werden, da die Steigerung der Mitgliederzanl im Jahre 1813 sich nur auf 1,3 Prozent bezifferte, während man in den letzten drei Vorjahren mit einem Zuwachs von 13,6 bis 16,1 Prozent hatte prunken können. Würde die sozialdemokratische Parteileitung nicht zu einem außerordentlichen Mittel gegriffen haben, um diese Stagnation zu be- k>olitilctte Ueberliettt Supermann und -ie Konservativen. Zum 60. Geburtstag Ernst Bassermanns bringt der „Mannheimer General-Anzeiger" („Badische Neueste Nachrichten") eine besondere Fe st nummer. Dem darin enthaltenen Aufsatz Dr. Fritz Goldenbaums über „Bassermanns politische Persönlichkeit und Weltanschauung" entnehmen wir folgende Ausführungen: „Bassermann steht der konservativen Partei ohne Vorurteile gegenüber. Er weiß ihre geschicht lichen Verdienste zu würdigen, aber ebenso ent schieden kehrt er sich von ihr ab von dem Augen blick, wo sie Ausdruck und Werkzeug einer schroffen und intoleranten agrarischen Klassenpolitik wird. Bassermann hat auf den Parteitagen von l9l1 und 1912 klar diese Entwicklung der konservativen Partei zu einer unduldsamen agrarischen Klassen partei aufgezeigt. Der Bund der Landwirte hat die Herrschaft über die konservative Partei ge wonnen, zunächst traten sie in engere Verbindung miteinander, dann identifizierten sie sich vielfach, ihre Organisationen gingen inein ander aus. Der Abschluß der Entwicklung war der Eintritt der Führer des Bundes der Landwirte Rösicke und Hahn in die konser vative Partei. „Die Verschlechterung unterer Be ziehungen zu den konservativen Parteien beginnt in der Periode, als in der konservativen Partei der Bund der Landwirte diese ausschlaggebende Rolle zu spielen anfing." Und diese zu einer unduldsamen Massenorganisation gewordene konser vative Partei ist naturgemäß auch politisch undulo- jam, auch in den eigentlichen politischen Fragen vertritt sie den einseitigen Klassenstandpunkt, tritt aus egoistischen Motiven „schützend an die Seite des Zentrums", bringt „aus tadelnswerten Gründen die Erbansallsteuer zu Fall und nimmt in der Erb- ansallstcuer den Kampf auf gegen den Fürsten Bülow, den Vater des Bülowblocls, um den ganzen Bülowblock loszuwerden und den Kanzler mit ihm, und dadurch auch loszuwerden die preußische Wahlreform." Serbien und seine Hauptstadt. Di« Blicke der ganzen Welt sind mit gespanntestem Interesse auf Serbien und seine Hauptstadt gerichtet. Wenn Oesterreich-Ungarn mit bewaffneter Hand die serbische Grenze überschreitet, kommen seine Kämpfer in ein ungewöhnlich schönes Land. Serbien trägt un allgemeinen den Charakter eines Derglandes, und es weist die mannigfaltigsten Bilder eines solchen auf: hier ein Hügelland mit eingebetteten fruchtbaren Ebenen, dort wildromantische Täler und Schluchten und dann wieder majestätische Einsamkeit des hohen Gebirges. Zum großen Teile — vielleicht zu einem reichlichen Drittel — ist Serbien mit Wäldern be deckt. Es verfügt aber auch über ausgedehnte Weide gründe, auf denen eine hervorragende Viehzucht ge trieben wird. Der Boden des Landes ist ungefähr derselbe wie der der ungarischen Tiefebene und größtenteils überaus fruchtbar; erhebliche Strecken des Landes befinden sich noch im Naturzustande und sind mit Urwald bedeckt. Aber die Ebenen des inne ren Serbien sind meistens gut angebaut und geben reiche Ernten von Weizen, Mais, Hanf, Flachs Tabak usw. Besonders fallen dem. der mit der Bahn durch das Land refft, in der Ebene die Maisfelder auf, die sich unermeßlich weit zu erstrecken scheinen. Auch ein Weinland ist Serbien, und der Wein ist sogar trink bar. Der beste kommt aus Semendri im Tale der Iessava. Der Hauptreichtum des Landes, das die Natur reich auegestattet bat, liegt gegenwärtig wohl noch in der Viehzucht; besonders ist ja die Schweine zucht Serbiens bekannt. In den ungeheuren Eichen forsten weiden gewaltige Schweinoherden, und die Ausfuhr an serbischen Schweinen ist groß. Die Boden schätze de, Landes werden vorläufig noch sehr wenig ausgenutzt: es gibt an mehreren Stellen Eisen und Salz, an wenigen auch Kupfer und Silber, allein zum Bergbau haben die Serben anscheinend weder be sonders Neigung noch Begadun» So herrlich di« Vie Einweihung -es Kohlen» forfchungs-^nstituts. Gestern vormittag gegen 11 Uhr wurde in Mül» heim das auf der Höhe des Kohlenbcrges errichtete Kai jer - Wilhelm - Institut für Kohlen- forschung in Gegenwart der Spitzen der Behörden und hervorragender Männer der Wissenschaft feier- lichst eröffnet Außer den genannten Vertretern hatten sich die bekanntesten Persönlichkeiten des rheinisch-westfälischen Kohlenbergbaues eingefunden, aus dessen Kreisen in der Hauptsache die finanzielle Grundlage des Instituts, dem auf 10 Jahre hinaus jährlich IM 000 .M zur Verfügung stehen, sichergestellt worden ist. Man sah unter anderm August Thyssen, Geheimrat Kirdorf, Geheimrat Müser, Hugo Stinnes und andere Vertreter der Familie Stinncs sowie Geheimrat Bcuckenberg, Generaldirektor des Phönix. Nach der Eröffnungsansprache de» Regierung»» Präsidenten Dr. Kruse-Düsseldorf übernahm Wtrkl. Natur des Landes ist, so wenig gilt das von den wenigen größeren Städten. Ihre Straßen sind zwar breit, aber ohne eigentliches Leben; alles drängt sich in ein paar Kaffeehäusern zusammen, historische Monumente fehlen fast völlig, und die modernen Bauwerke sind für den Westeuropäer wenig an ziehend. Die größte und bedeutendste Stadt des Landes ist Belgrad, für die Landbevölkerung, die sich häulig gegen Ende der Woche dorthin begibt, „die Stadt" schlechtweg. Wenn noch vor wenigen Jahrzehnten die Reiscschriftsteller Belgrad als eine seltsame Mischung von Orient und Okzident schilder ten, so haben sich die Verhältnisse l;eute völlig ge ändert. Belgrad hat sich modernisiert. Der Eindruck, den es macht, erinnert ein wenig an Potsdam; eine Residenzstadt, die etwas kleinstädtisches beibehaltcn hat. Belgrad hat, wie all« serbischen Städte, breite Straßen und niedrige Gebäude; darum ist cs im Ver hältnis zu seiner Einwohnerzahl unverhältnismäßig ausgedehnt. Wer die Belgrader Gesellschaft kennen lernen will, der braucht nur des Nachmittags den herrlichen Kalimeglan-Park aufzusuchen. Dort trifft sich bei den Klängen der Militärmusik „tout Bel grad". Hoch über der Save gelegen, gestattet er einen köstlichen Blick auf den Zusammenfluß von Save und Donau, die sich unter einem rechten Winkel vereinen. Zu seinen Füßen siebt man von der Höhe, die etwa 7ö Meter über dem Fluß liegt, die breite Save lind die mächtige Donau, in der einige Inseln, die große und die kleine Kriegsinsel, liegen und bei gutem Wetter erblickt man die Türme der ungarischen Festung Semlin, die vielleicht 11 Kilometer entfernt ist und mit der Eisenbahn in einer Viertelstunde be quem erreicht werden kann. Die Lebensweise der Belgrader zeigt bereits deutlich den starken Einfluß de* österreichischen Nachbarn: man speist österreichische Küche, man trinkt Pilsener Bier, man nimmt die Jause, und man spricht sogar tmufig Deutsch, aller dings österreichisck>cs Deutsch Belgrad als Festung betrachtet — da» ist ein Gebiet, über das die Mei- nur auf Vermutungen angewiesen ist und die sehr liebenswürdigen und auch auskunftsberciten Mili tärs selbst vorläufig noch im Dunkeln tappen. Denn offiziell ist ja der Krieg überhaupt noch nicht aus gebrochen, und erst die nächsten Tage werben einige Klarheit bringen. Also zurück ins StadtinHere. Eben beginnt die große Glocke des „alten Steffel" zur Neunuhrandacht zu rufen. Das weite im trüben Zwielicht des regenfeuchten Morgens liegende Gotteshaus ist dicht gefüllt. Am Hochaltar, dessen goldener Ausbau im Glanze unzähliger Lichter funkelt und gleißt, singen die Geistlichen, steigt der Weihrauch empor und klingelt leise von Zeit zu Zeit das Glöckchen der Ministranten. Dann braust der Orgel tiefer sonorer Ton durch die altersgrauen Mauern, und andächtig sinkt alles in die Knie. Tiesinnigcr und flehentlicher ist wohl selten im Stephansdome gebetet worden. Ueberall in den Winkeln und Nischen, im Schutze der tiefen Dämme rung liegen, in inbrünstiges Gebet versunken, elegant aber unauffällig gekleidete Damen, deren Gatten vielleicht in diesem Augenblicke schon Semlin, dem österreichisch-ungarischen Waffenplatze am Donau ufer gegenüber Belgrad, zueilen. Und kein Licht strahl bricht sich durch die wunderschönen bunten Kirchcnfenstcr Bahn. Dunkel und ungewiß lastet in diesem Augenblick das Schicksal über all den An dächtigen sowie über dem ganzen großen Kaiserstaat. Etwas lebhafter geht cs in den Caföhnufcrn her. Man ist es ja gewohnt, daß die Münchner schon um 7 Uhr früh bei der ersten Maß und die Wiener fast um die gleiche Zeit im Cafehaus zu finden sind. Aber heute muß man einfach da sein, denn wo könnte man sonst wohl »och mit gleicher Behaglichkeit und Breite die Tagesereignisse erörtern. Und «s gibt halt gar so viel Neues auf einmal. Da hat man den serbischen Generalstabschef festgenom men. Wir hatten die Möglichkeit schon gestern im Zuge ins Auge gefaßt, nachdem eine Zcitberechnung ergab, daß Herr Putnik bis 6 Uhr abends unmöglich die Landesgrenze überschritten haben konnte. Immer hin mar man mit der Freilassung zufrieden. Je weiter der Tag vorrückte und je trostloser das Wetter wurde, desto mehr lichteten sich die Menschen massen in Len öffentlichen Lokalen. Ein jeder hatte schließlich doch auch noch mit sich selbst und seinen allercigensten Angelegenheiten zu tun, und so kam es, daß am Spätabend auch an diesen Stätten ein ge wisser Ernst und auffällige Ruhe herrschte, an denen sonst bei feurigem Vöslauer und Gumpoldskirchener der Wiener mit Gesang und Tanz sich zu vergnügen pflegt. Die liebliche Phäakenstadt an der schönen blauen Donau war sich an diesem Mobilmachungs sonntag mit einem Schlage ihrer weltpolitischen Stel lung bewußt geworden, und der bittere Ernst der Stunde räumte schnell noch die letzten Neste alles dessen fort, was einst der Wienerstadt den Ruf der gemütlichsten, aber auch der zurückgebliebensten Groß stadt eingetragen hat. Mit markigen Worten begrüßt im „Neuen Wiener Tagblatt" der frühere Reichskriegsminister von Schoenaich den Mobilisierungstag. Sein Ruf „Vor wärts" begeistert. Und schon regen auch Oesterreichs Dichter ver heißungsvoll die Schwingen. So singt in der gleichen Zeitung Paul Busson: Nun, Oesterreich, laß marschieren Dein Heer mit festem Schritt. Er zieht hoch in den Lüften Aus teuren Heldengrüftcn Ein leises Grüßen mit. Von einem Wolkenschimmel Winkt lächelnd Prinz Eugen. Er will den Weg uns weisen, Ans dem in Blut und Eisen Die alten Fahnen wehn. Sie flattern frisch im Winde, Bei Spiel und Trommelstreich. Aus tausend Herzen und tausend Schwingt sich's, wie Sturmwind brausend: „Kaiser und Oesterreich!" weinen, beten, fluchen je nach Temperament und Tr- ziehunp. Die Regierung hat den Wortlaut der öslcrrerchischen Note der Bevölkerung nicht bekannt gegeben, um Schlimmes zu verhüten. Einige Blätter, die sich den Text von Semlin verschafft hatten, wur den beschlagnahmt. Dies war nur zu sehr geeignet, die Ungewißheit zu steigern. Noch am Freitag vor mittag herrschte eine verhältnismäßige Ruhe in der Stadt. Dann aber trat der Umschwung ein. Durch Leute aus Semlin war der Wortlaut der öster reichischen Drohungen bekanntgcworden. Nun gab es kein Halten mehr. Halb wahnsinnig von Angst und Wut stürmten Erwachsene und Kinder zu den Ministerien, zu den Redaktionen, in die Kasernen, um die Wahrheit in ihrem ganzen Umfange zu er fahren. Man trieb auch da noch Versteckspielen. Denn man fürchtete eine Revolution. Ueberall konnte man die Versicherung hören, ein Krieg sei ganz unwahr scheinlich, die Regierungen in Belgrad und Wien seien auf Lein Wege zu einer Verständigung. Die Zensur ließ kein auswärtiges Blatt herein. Und wehe, wer sich auf der Straße oder in öffentlichen Lokalen erkühnte, aus Grund von Mitteilungen aus dem bena-hbarten Semlin die Lage pessimistisch zu be urteilen! Ich selber bekam einen Denkzettel. Am Freitag nachmittag bummelte ich in Semlin und er fuhr erst bei Lieser Gelegenheit, daß die Sache ernster stünde als die Negierung in Belgrad wahrhaben wollte. Bei meiner Rückkehr nach Belgrad war ich so unvorsichtig, bald in Französisch, bald in Italienisch das Resultat meiner Lektüre Budapester Blätter allen Wißbegierigen mitzuteilen. Unter den letzter» be fand sich ein höherer Beamter. Er gab einem Funk tionär eine Weisung, und ich hatte das Vergnügen eigener Art, Bekanntschaft mit einem echtserbischen Gefängnis zu machen. Meine unfreiwillige Zurück gezogenheit dauerte nur vier Stunden. Die Behand lung war sehr zuvorkommend. Man bedauerte un endlich, aber konnte nicht umhin, mir nahezulegen, „bis auf weiteres" meine Kenntnisse für mich zu be halten. Während ich dies zu Papier bringe, verkriecht sich die — serbische Sonne hinter einem Wolkenoorhang. Es ist 1 Uhr mittags vorüber. Die Situation wird von Stunde zu Stunde ungemütlicher. Man schreit, rast, betet, weint, verhaftet, ruft die Götter an und Väterchen Zar, hält Vrandreocn auf der Straße, droht Oesterreich Tod und Untergang, demonstriert vor der russischen und vor der österreichischen Gesandtschaft, dort in freundlicher, hier in feindlicher Tonart. Bel grad üt auf den Kopf gestellt. Vergeblich jucht, wem der Magen knurrt, in den Lokalen ein reguläres Essen zu erhalten. Man räumt, packt die Koffer, prügelt sich. Droht mit Bomben. Ich eile vom Tffch auf die Straße. Belgrad ein einziges Tollhaus. Die Regierung des Herrn Pasitsch ist nirgends mehr zu sehen, zu fühlen. Ich eile in mein Zimmer hinauf, um diesen Brief zu Ende zu schreiben. Mein Wirt ruft mir nach, ich möchte mich in Sicherheit bringen. Gut! Ich schließe. Ich werde nach Semlin jagen. Eine Gottheit hat den Serben die Sinne be nebelt. Jetzt sind sie aus dem Rausch erwacht, aber noch nicht im Vollbesitz ihrer Sinne. Sie rennen, retten, flüchten, wild durcheinander, jetzt wo es ernst zu werden scheint. An diesen furchtbaren Ernst haben sie auch gestern noch nicht glauben wollen. Heute hat ihnen die Gottheit den Verstand geraubt. nungen weit auseinandergehen. In seiner langen, kriegerischen Vergangenheit ist die Festung mehrfach berannt und erobert worden: im Jahre 1321 haben die Türken sie erstürmt, Maximilian von Bayern er oberte sie im Jahre 1688 mit einer Truppe von über 50 000 Mann, 1690 eroberten die Türken sie zurück, 1717 fiel sie in die Hände des berühmten Prinzen Eugen, 1789 eroberten die Oesterveicher sie, 1806 ver jagten die Serben die Muselmänner aus Belgrad, und vor beinahe einem halben Jahrhundert, 1862, bombardierten die Türken sie vergeblich. Daraus, daß die Türken sie damals nicht einnahmen, darf man beileibe keine Schlüffe auf die Güte der Festung ziehen. Die Festung liegt zwar von Natur einiger maßen günstig, ist aber alles andere als eine Festung im modernen Sinne, und die Serben würden sie wohl kaum verteidigen. Geh. Rat Prof. tt. Harnack namens der Kaiser- Wilhelm-Gesellschaft das Institut als erstes Katjer- Wilhelm-Jnstitut außerhalb Berlin-Dahlem. Die Begründung des Institutes, so führte der berühmte Gelehrte aus, sei eine Gewähr dafür, daß der große Gedanke des Kaisers außerhalb der Kaiser-Wilhelms- geselljchast, die jetzt über LOO Mitglieder zählte, im Reiche Wurzeln geschlagen habe. Harnak be tonte dann besonders den inneren Wissenschaft- lichen Kern des Institute», und sagte: „Nicht eine neue Magd ist hier hinzugerufen, die zu tun hat. was man ihr aufträgt, sondern eine Herrin, die arbeitet und schafft, was sie aus der Sache heraus für nötig hält. Nur unter diesen Be dingungen vermag die Wissenschaft zu gedeihen und überhaupt zu existieren. Sie ist nutzlos, sowie man ihr die Freiheit schmälert Ader diesem Forschungs institut wird die nötige Freiheit nie fehlen. Die Aufgabe des Institutes ist, die Kohle ,u studieren, das aufgespeicherte Sonnenlicht längstvergangener Tage an das Licht der Gegenwart zu rücken und die Kraft versunkener organischer Welten immer voll kommener auszunutzen. Geh. Komm.»Rat Kirdorf sprach die Glückwünsche der Industrie für das neue Unternehmen aus. Die Anregung zur Errichtung des Institutes im Kohlenberzirk haben vollen Anklang in den beteiligten industriellen Kreise gefunden, die willig die Lasten für seine Unter» Haltung auf sich genommen haben. Die Industrien erblicken in dem Institut ein« unmittelbare Förderung ihrer Ausgabe. Heute, wo innerhalb dieses Industriebetriebes di« Kokerei und die ihr angcgliederten Betriebe am schwersten unter dem Einfluß des herrschenden wirtschaftlichen Tiefstandes zu leideu haben, muß da* Institut erst recht an seiner Bedeutung gewinnen. Der L«it«r de« Instituts Professor Dr. Franz Fischer schilderte alsdann au,sührlich die Anlage und die Be stimmung de» Instituts, dessen Räume von den Teilnehmern«» der Eröffnungsfeier unt«rJührung d«r »lffenschastltchenLziser veshMtuts besichtigt.«^ rd«N Probe des Verwaltungsapparates. Da die Ein» berusungen aber natürlich manche Leute vollkommen aus Stellung und Erwerb bringen, so hört man von vielen Seiten die Aeußerung: „Lieber jetzt scharf schießen und dann Ruhe haben." In Aussig zeigt sich bereits eine starke Einwirkung auf das Geschäfts leben. Manche Geschäfte sind völlig geschlossen, weil Inhaber und Personal zu den Waffen einberusen worden sind. Ein glänzendes Geschäft müssen da gegen in diesen Tagen die Tabak-Trafiks machen, die förmlich belagert sind von Käufern und Neuigkeits haschern. Der Bahnhof in Aussig wimmelte am Sonn tag abend von Offizieren in Uniform, die sich zu ihren Regimentern begaben. Der Abtransport der Trup penteile vollzieht sich verhältnismäßig sehr rasch. Schon heute (Montag) früh 5 Uhr hat in Aussig die letzte Abmusterung von Pferden, um 6 Uhr die letzte Abfertigung von Truppen stattgefunden. Der Eisen bahnverkehr in Vöhinen leidet bereits an Unregel mäßigkeiten. Die Annahme von Frachtgütern ist schon am Sonnabend um 8 Uhr abends eingestellt worden; was bis dahin aufgeliefert worden war, wird noch befördert. Zahlreiche Züge mit leeren Wagen treffen ein, man zieht also offenbar alles rol lende Material aus dem benachbarten Auslande heran. Der Personenverkehr wird nur noch mit Be schränkung aufrcchterhalten. Ein Zug z. B., der sonst den bekannten böhmischen Ausflugsort Salesl abends 6,29 Uhr in der Richtung nach Aussig verläßt, fiel am Sonntag aus. Ein Sonderzug, den der allgemeine Mietbewohneroerein in Dresden von Aussig nach Dresden bestellt hatte, wurde nur nach großen S^wie- rigkeiten bis Bodenbach geteilt. Von dort an steht die Bahn unter sächsischer Verwaltung, die natürlich die Ausflügler anstandslos beförderte. Wie eine amtliche Bekanntmachung auf den Bahn höfen in Böhmen besagt, tritt Dienstag, nachts 12 Uhr, der gewöhnliche Fahrplan für den Personen verkehr außer Kraft, und der Mobilmachungs fahrplan tritt in Geltung. Damit ist dann der regel mäßige Personenverkehr so gut wie aufgehoben. steuerte Rente von MO Millionen zur Deckung eine- Teils der Heeresansgaben. Tie Anleihe sollte ungezählte Male überzeichnet worden sein. .Heute bestreitet niemand mehr, daß di-e den Sparern gerühmte neue Rente nicht im Publi- knm untergebracht ist, daß die Spekulanten. und Großbanken Hobe Verluste damit erleiden, weil der Ansgabetiirs an der Börse schon um drei Franken gedrückt ist! Ehe die zweite, sehr bald nötige Staatsanleihe kommen wird, kann mau die erste kaum placieren, so daß abermals eine Verschlechtern,ig der Ausgaoebedingunaen für den Staat zn erwarten ist: damit zugleich allge meiner Rückgang der Renlcnknrse. (Gestern stank die dreiprozentige ans 79,1'>! Das hatte mau seit ckö Jahren nicht mehr erlebt. Was das be deutet, wird die Welt bald erfahren. Denn Frankreichs ungewöhnlicher Kredit war seine höchste Stärke, glich seine industrielle Schwäch aus. Es wird verzweifelte Anstrengungen machen müssen, um aus dem jetzigen Marasmus herans- zukoinmen. Nie sah inan bei den Pariser Bör sianern einen größeren Pessimismus, ganz ab gesehen von der jetzigen atnten Krise. Dieselbe Schwarzseherei herrscht in offi ziösen politischen Kreisen vor. Man Hai sich zn sehr von der Wichlffffeit des serbischen Sprin gers ans dem europäischen Schachbrett über zeugen lassen. All jene Revanchelente, die im geheimen den großen Keie^ der Mächte herbei sehnen, bilden sich ein, das? beim „unausbleib lichen" Zerfall Oesterreich Ungarns ein Groß serbien entstehen müsse, das ein für allemal die Deutschen in die Minderheit b'ingen werde. Selbst gemüßigte Blätter wie daS „Journal" sagen: „Die deutschen Zeitungen behaupten in einer tendenziösen Kampagne, der Meinungsaus tausch zwischen Wien und Belgrad, so ernste Folgen er haben könne, müsse ans beide Länder lxffchränkt bleiben. Diese Ansicht darf man auf keineu Fall gellcu lassen, wenn die Dinge bis zum Krieg Zeisen. Sympathie oder Antipathie — die Existenz des gegenwärtigen Serbiens ist ein Hanptelenient des balkanischen und euro päischen Gleichgewichts. Daraus geht hervor, daß die österreichisch serbische Frage im höchsten Grade eine toniinentale Frage ist, die keiner Großmacht das Fernbleiben erlaubt." Ob diese Auffassung die Oberhand behalten wird, ist fraglich. Fn den Kreisen der Regie rung scheint bereits der Wunsch nach Erhaltung des Friedens vorzuwiegen. Es wird offen die Meinung geäußert, daß inan auf die Einsicht Kaiser Wilhelms baue, der das Aenßerste ver hüten werde.
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