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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.07.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-07-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140722014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914072201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914072201
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-07
- Tag 1914-07-22
-
Monat
1914-07
-
Jahr
1914
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Morgen »Ausgabe v,,ug-pr°>s-: L monatlich I.U M.. vlertellührlich3.73 M. Set der Geschaftast.lle, unser» Mal« «n» ßussadrftell« adgehaltr monatlich IM., vlertellührllch 3 M. Durch öl» Pastr innerhalb Veutschlan-a und Ser Srutschen tlolonien monatlich l^s m., otertetjllhrlich ».3» M., auaschllegUch pastdestellgel». va» Leipziger Tageblatt erscheint werktags »mal, Sana- u. Zelertagstmal. In Leipzig, Sen Nachbarorten unü Sen Drten mit eigenen Zilialen wlrS Sie stdenSauagade noch am stbenü Seo erscheinen» in» yau« geliefert. 0»rliner Nrüaktton: In Sen zelt« 17, Z»«spr»ch-stuschluS: Moabit Nr.4»7. Zkrrtsbloü des Reckes und despolirrüuntes der Stadt Leipzig «r-oktioo unS Seschüftosteller ?»hanai»gast« Ne. I. s Zernsprrch.stnschlug Nr. I«S»r» NS»3 un» 14»44. ISS. Jahrgang 4V—lür Inserat» au» Leipzig un» Umgebung Sl, /»NAklAknprklfk. ispalttgepetltzellersps.SleNeNamezeilel M., von auswart« 30 ps., N»klam»n 1.2» M., Klein» stn,eigen »iepetitzeilr nur 20 ps.d.wleSerhoi.Nab., Inserat» von VehörS« im amtlichen Teil Sie Petit» zeil» 30ps. Seschäftoanzrlgrn mit plahvorschrist >m Preise »rb-ht. Nabatt nach Taris. SeilageniSefamtausl.-M.üaoTausenüouoschl.postgedühr. stazeigrn-staaahm»: Johannlogassr», del silmtllch« Zilialen Seo Leipziger Tageblatt»» unS allen stnnoncrn-TepeSitionrn Seo In» unS stuslan-e». S,s»<t»t»st»llesür0»rlin u.Si»pr.0raii»rndurg: vlrektionwalterZllegel, Serlin S. 14, dresSener Straß» »7. Zernsprech-stnschluß: Morlhplah 1S7S1. M. 367 Mittwoch, üen 22. 3uil. 1914. Vas wichtigste. * Im Bezirk Pribram in Böhmen verkaufen zahlreiche Bauern ihre Besitzungen, um nach Alba- nienauszuwandcrn. iS. bes. Art.) * Beim Uebcrsetzen über die Oder gerieten vier Husaren des Husaren-Rogiments Nr. 12 inTorgau in ein tiefes Loch und gingen unter. Einer von ihnen ertrank, während die anderen gerettet werden konnten. (S. Nachr. v. T ) * Zn einem Tunnel in der Nähe von Arn - stadt stießen aus entgegengesetzter Richtung kom mende Lokomotiven zusammen. Das Personal wurde schwer verletzt. sS. Nachr. v. T.) * Im Kreise Winnitza (Gouv. Podolien) sind bis jetzt 213 Personen an der Cholera erkrankt und 19 gestorben. (S. Nachr. o. T.) * An dem Proteststreik in Petersburg be teiligten sich am Dienstag über 100 000 Mann. lS. Ausl.) * Die Mitglieder der Homerule-Konfcrenz wurden am Dienstag vom König Georg empfangen und be gannen darauf ihre Beratungen. (S. Ausl.) Vie Spannung. Es hilft nichts! Ob inan auch den Blick abmcnden möchte: er kehrt immer wieder zu dem einen Punkt zurück. Wie wird die Entschei dung fallen? Wie es lzeißt, ist die Note, die Oesterreich tu Belgrad überreichen will, fertig. Tcr greife Kaiser hat sie angeblich gestern vorge legt bekommen. Welche Gefühle mögen ihn be wegt haben? In seinem Iedcrzug liegt vielleicht der Anfang einer verhängnisvollen geschichtlichen Wendung. Wir sind ganz sicher: Kaiser Franz Joseph wird die Note an die serbische Regierung nur genehmigen, wenn ihn seine Ratgeber überzeugt haben, das; Serbien vor die Frage gestellt werden muß, ob es die Forderungen erfüllen und der Verfolgung der Berjchwörer und der Urheber des Mordes von Lerajewo freien Lauf lassen, oder ob es durch eine Weigerung Oesterreich zur Anwendung der Waffengewalt herausfordern will. Bielleicht ist das lange Zögern der öster reichischen Regierung darauf zurückzuführen, das; Graf Berchtold erst alle Beweise und Tatsachen zusammentragen wollte, die die berechtigten Be denken des ach so müde gewordenen Monarchen zu überwinden bestimmt sind. Leider ist das lange Zögern des Grafen Berchtold nicht etwa der Friedensstimmung aus beiden Seiten zugute gekommen. Es heisst zwar sonst, die Suppe wird nicht so Heist gegessen, wie sie gekocht wird; in diesem Falle aber hat das Stehenlassen der Suppe nicht zur Beruhigung beigetragen. Auf beiden Seiten hat die Presse weit mehr, als in aufgeregten Zeiten entschuld bar ist, die Spannung verschärft. Schon vor acht Tagen wurde von Wien aus angekündigt, die Note werde „in denkbar schärfstem Tone" gehalten sein. Wozu das? Die nächste Folge war eine Beunruhigung des Geschäftslebens, wie wir sie kaum zu Begum der Balkankriege er lebt haben. Die „Franks. Ztg." stellt folgendes fest: „Ain 1. Juli ließ das österreichisch-unga rische Ministerium des Auswärtigen der Welt mitteilen, cs habe durch seinen Gesandten in Belgrad an die serbische Regierung das Ersuchen gerichtet, die Untersuchung des Serajewocr An- schlags, dessen Spuren in das Königreich Serbien führten, auf serbischem Boden fortzusetzen. Diese Mitteilung war falsch, ein solches Ersuchen ist bis zum heutigen Tage, also drei Wochen später, noch immer nicht an Serbien gestellt worden." Hier wird also die österreichische Re gierung direkt beschuldigt, falsche Nachrichten hin- ausgeschickt zu haben. Wenn dem so ist — wozu? Bon den Leistungen der serbischen Presse brauchen wir in diesem Zusammenhang gar nicht erst zu reden. Und wieder gefallen sich manche Blätter heute in dem unleidlichen Gcgrusel, als sei am Tage, wo die Note nun wirtlich überreicht werde, der Krieg vor der Ture. Das ist doch auch eine Uebcrtrcibung, für die die Urheber keine andere Entschuldigung haben als: Wir meinen das nun '»also! Ja, was sie meinen, hat wahrhaftig keinen großen Wert. Es ist im höchsten Maste wahr- lchcinlich, daß Herr Pasitsch den Empfang der Note zunächst einmal bestätigen und sich die Ant wort überlegen wird. Es ist weiter sicher, dast in dem Augenblick, wo die Sack-c sich wirklich bem kritischsten Punkt nähert, auch die Tätigkeit der Mächte in Belgrad einsetzcn wird, um das Dusterste zu vermeiden. England hat über diese ckbstctst leinen Zweifel gelassen. Rußland? Nun, As jetzt liegt kein Anzeichen dafür vor, dast Petersburg unbedingt das Gegenteil tun und eine Berständigung in letzter Stunde Hinter treiben rvird. Freilich — das alles sind Bernuuftschlüsse oder, wenn mau will, tröstliche Bermutungen. Wer möchte nach allem, was wir erlebt, auf die unbedingte Macht der Bernunst vertrauen?! Wir haben gestern morgen Ausführungen un seres Berliner O*Nkitarbeiters wiedergcgeben, die leider die Tatsache bestätigen, dast man cS an verantwortlichen Stellen nicht für ratsam hält, einer allzu grossen Zuversicht auf die bal dige Beilegung des Zwistes das Wort zu leihen. Eine gestern nachmittag vorliegende halbamtliche Meldung besagt sogar: wenn von beunruhigten Kreisen eine beschwichtigende Kundgebung ver langt werde, so sei es im Augenblick „nicht möglich", diesen Wunsch zu erfüllen: „da die Entwickelung des Zwischenfalles zwischen Oester reich-Ungarn und Serbien mit Bestimmtheit nicht vorherzuschen ist". Es wird dann weiter be merkt, der Zwischenfall könne ohne ernstere Fol gen verlaufen, es lasse sich jedoch in dieser Beziehung „nichts Entscheidendes" sagen. Sehr begreiflich. Am Ende ist ja auch etwas „Entschei dendes" nicht verlangt worden. Was man hören wollte, war ein beruhigendes Wort, war die Antwort: Wir glauben an eine Berständi gung. Nun braucht man am Ende das offiziöse „Nicht möglich" nicht gleich tragisch zu nehmen. Oesterreich will, das ist doch der Sinn seines Borhabens, Serbien unter Druck nehmen. In Berlin wünscht man diesem Borhaben selbstver ständlich einen raschen Erfolg. Daraus ergibt sich aber von selbst, dast man es dort im Augen blick wenigstens vermeiden muß, durch allzu be reitwillige tröstliche Aeußerungen den Eindruck, den Wien in Belgrad erzielen will, irgendwie abzuschwüchen. Damit wollen wir keineswegs sagen, dast man in Berlin nur aus Gefälligkeit Schmarzfärberei treibe. Nein, in der scheinbaren Selbstverständlichkeit des banalen Satzes: Ge wisses weiß man nicht, liegt eben doch eine jedenfalls zutreffende Aeußerung des Zwei fels. Welchen Zweck hätte es, sich gegen diesen Zweifel heftig zu sträuben? Solche schwüle Tage müssen ertragen werden, und es scheint ja auch, als ob die peinliche Ungewißheit über das Vorhaben der österreichischen Regierung in kurzer Frist beseitigt sein werde. Die Auffassung in Berlin. Unser Berliner O-Mitarbeiter meldet noch: An Berliner unterrichteten Stellen hat sich die Auffassung seit gestern nicht geändert. Man ver kennt nach wie vor nicht den Ernst der Lage, den man vor allem darin sieht, daß Serbien schließlich doch nicht die gewünschten Sicherheiten gegen ein: Fortdauer der großserbischen Propaganda in Oesterreich geben könnte. Aber man hört trotz dem nicht auf zu hoffen, daß, wie 1908, auch jetzt zu guter Letzt noch eine Einigung erfolgen wird. Fertigstellung der österreichischen Note. Der „Voss. Ztg." wird aus Zschl, 21. Juli, be richtet: Graf Berchtold ist heute vom Kaiser in einstündiger Audienz empfangen worden. Er begibt sich morgen früh nach Salzburg und tritt morgen abend die Rückreise nach Wien an. Wie aus guten Quellen verlautet, hat vor Minister des Aeußern in der heutigen Audienz dem Kaiser den Wortlaut der Note, welche die österreichisch-ungarische Re gierung in Belgrad überreichen wird, vorgelegt und die Genehmigung des Monarchen erhal ten. Graf Berchtold war auch in der Lage, den Kaiser dahin zu unterrichten, daß er mit den maß gebenden Kabinetten der europäischen Staa- ten über den Inhalt der Note Fühlung ge nommen habe, und daß der Schritt Oesterreich-Un garns in Serbien deren Zustimmung finden wird. Der politische Schritt in Belgrad soll nach den derzeitigen Dispositionen am Schluß dieser Woche erfolgen. — Das Wiener Auswärtige Amt wurde davon unterrichtet, daß sich Serbien in- offiziell an eine Oesterreich befreundete Macht um Ratschläge gewendet habe, und daß es in seiner Antwort auf die Note der Monarchie Erklärungen abgeben wird, von denen man erwarten kann, daß sie den österreichischen Forderungen Rechnung tragen. Parteipolitik un- Christentum. Es wird uns geschrieben: „Die Gründung des „jungkonscrvatioen Reichsver bandes" ist wenig in der Presse beachtet worden. Be greiflicherweise. Wer möchte von dieser Sache viel Aufhebens machen? Wer möchte cs wagen, ihr eine glänzende Zukunft zu weissagen? Unser aufgewecktes Zungdeutschland ist alles andere eher als konservativ. Trotzdem ist eine derartige Gründung von symptoma tischer Bedeutung. Und darum lohnt sich noch «in Wort darüber. Zweierlei ist daran interessant: einmal, daß innerhalb der konservativen Partei selbst ein starker Widerstand gegen di« offizielle agrarisch-feudale Znteressenpolitik sich ans Tageslicht ringt und den alten konservativen Idealismus aus langem Schlafe aufweckt, anderseits aber di« Art, w i e dieser Idealismus in die Erscheinung tritt. Ueber das erste kann man sich ja aufrichtig freuen. Das zweite gehört zu den bedenklichsten Erscheinungen im politischen Leben der Gegenwart. Unter den Idealen, denen man dienen will, steht nämlich an hervorragender Stelle das „biblische Christentum". Nun? ist das nicht eine treu liche Sache? Sind wir bösen Liberalen denn alle Atheisten geworden, daß wir uns daran ärgern? Oder sind wir jo beschränkt, den hohen Kulturwert der christlichen Kirchen zu leugnen? Gewiß nicht. Eher das Gegenteil ist der Fall. Man darf ruhig sagen, daß gerade auch in den Kreisen des Liberalismus die Beschäftigung mit religiös-christlichen Fragen stetig zunimmt. Di« wahrhaftige Frömmigkeit und das echte Christentum ist immer eine Sache der Stille, der tief sten Innerlichkeit gewesen. Man braucht dabei kein Duckmäuser zu sein, wenn man wirklich fromm jein will. Nicht wenig« tieffromme Menschen haben auch draußen im Sturm des öffentlick-en Lebens in den vordersten Reihen gestanden. Aber sie haben dabei niemals ihr Christentum wie eine Neklametafel in der Luft herumgeschwenkt. Sie haben von ihrer Frömmigkeit kein Wort gesagt und nur in seltenen, ernstesten Augenblicken dieses Schweigen gebrochen. Von manchem tüchtigen Staatsmann oder Arzt hat man es erst nach dem Tode erfahren, wie tieffromm er war. Aber es ist immer das Schicksal der Religion ge wesen, gemißhandelt zu werden von denen, die sich ihre Bekenner nannten und wenig oder nichts von ihr verstanden. Und man kann sie nicht schlimmer mißhandeln, als wenn man sie zur Schrittmacherin irgendeiner Parteipolitik stempelt, wenn man das edle Herzblut der Religion, das tief drin in den Adern der Seele stark und frstch fließen soll — als Farbe be nutzt, um das Parteischild schön leuchtend anzu streichen. Das ist es ja, was jedem wahrhaft from men Menschen die Zentrumspolitik einfach unerträg lich macht. Die Konservativen scheinen nun auch in dieser Hinsicht das Vorbild des schwarzen Bruders immer getreulichcr nachahmen zu wollen. Sie sollten sich aber auch darüber klar sein, daß sie sich darin nicht bloß mit dem Zentrum, sondern auch mit der Sozial demokratie nah« berühren. Denn die grobe und plumpe Art, wie die Sozialdemokratie die Religionsfrage anzufassen pflegt und im Grunde ihren Anhängern die Form der Religion, die sie gerade noch haben dürfen, vorschreibt, steht grund sätzlich auf derselben Linie wie die parteimäßige Ver pflichtung auf das „biblische Christentum". Hier wie dort massive Begriffe, hier wie dort «in bestimmter religiöser Standpunkt als parteipolitische Verpflich tung, hier wie dort ein religiöses Schablonisieren, eine skrupellose religiöse Intoleranz gegen den poli tischen Gegner, ohne überhaupt nur einen Augenblick zu fragen, was der andere innerlich in dieser Hinsicht denkt und empfindet oder erlebt hat, hier wie dort ein schwerer Mangel an Feingefühl, an Achtung vor inneren Lebenswertcn, ein Mangel an Ehrfurcht vor den großen Heiligtümern des Herzens und vor den keimenden Saaten und wachsenden Neu bildungen im Menschenleben, wie er auch sonst der äußersten Rechten und der äußersten Linken im poli tischen Leben gemeinsam ist. Nur immer stramm „biblisch", nur immer stramm „bekenntnistreu" und feste um sich gehauen! Man kann sich ja diese dreiste und pausbäckige Art Christentum, sofern sic wirklich mit dem Herzen in der Bibel und in den mancherlei antiquarischen Bekenntnissen der Väter lebt, a'.s Privaterschcinung einmal gefallen lassen - als eine unter vielen anderen Wunderlichkeiten der Menschen —, obgleich sie mit Jesus selber wenig oder nichts gemein hat. Wenn sie aber zur Massen- und Partei sache wird, wenn Leute in die politische Versamm lung gehen und schneidig das biblische Christentum verkündigen, ohne vielleicht die Bibel seit ihrer Schulzeit wieder einmal ordentlich in die Hand ge nommen zu haben, und sich schützend vor die „Be kenntnisse" stellen wie der Posten vors Schilderhaus, ohne auch nur eine Ahnung zu haben, um welche Be kenntnisse es sich da eigentlich handelt und wie sie lauten, — dann kann man sich heißen Zornes nicht erwehren. — Der Liberalismus wird nach wie vor jene Ehr furcht festhalten vor allem, was innerlich lebendig ist und wachsen will, und jene religiöse Zurückhaltung bewahren, die er immer geübt hat, und er wird da mit den wahren Interessen der Religion und dem wahren Christentum den großen, wichtigen Dienst er weisen, den sie in der Gegenwart so sehr nötig brauchen." —II— Vie albanischen Wirren. Neuerdings versuchen die Aufständischen in Mittel albanien Verhandlungen mit den Vertretern der Großmächte anzuknüpfen und den Fürsten dabei vollständig auszuschalten. Wie sehr jedoch diesen Albaniern schon der Kamm geschwollen und jeder Rejpekt vor der überlegenen, aber uneinigen Macht Europas geschwunden ist, lehren die Vor verhandlungen über den Ort der Zusammenkunft beider Parteien. Die europäischen Vertreter hatten es, wie wir bereits im gestrigen Morgenblatt meldeten, abgelehnt, nach Schiak zu kommen, und dafür Durazzo oder ein europäisches Kriegsschiff vor- aeschlagen Darauf wollen ledoch die Aufständischen keineswegs eingehen und erklären mit ruhiger Keck heit, daß oie Verhandlungen inmitten ihres Volkes ge führt werden müßten. Eine außerordentlich interessante Meldung kommt aus Böhmen. Dort sollen zahl reiche Bauern ihren Besitz verkaufen, um nach Albanien auszuwandern. Werden diese Auswan derer von der Hoffnung getrieben, in der neuen Heimat ein günstigeres Fortkommen zu finden, oder folgen sie einer höheren Weisung, um Albanien auf diesem Wege für Oesterreich zu gewinnen? Eine Be stätigung dieser Meldung bleibt allerdings abzu warten. Wir verzeichnen folgende Meldungen: Die Aufständischen nnd die Vertreter der Groftmächte. Turazzo, 21. Ault. Tie gestern abend aus dem Rebellenlagrr riugrtroffcue Antwort lehnt es ab, au einem anderen Lrte als Schtak mit de« Vertretern der sechs Großmächte zu verhandel«, und erklärt, daß die Bevollmächtigte« der Ansurgenten vcrpstick tet seien, darauf zu bestelle», daß die Ver» haudtunge« inmitten des Volkes geführt wurden. Tie Vertreter der Großmächte werde« heute beschließe», ob sie nach Schtak gehen werden.— Es ist fcstgrstellt worden, daß der militärische Letter der Attfstaiidsbewcguiig ein Lffizier ist, der unter Torgut Pascha Generalstabsoberst war. Der epirotische Kongreß. Athen, 21. Juli. Man hält es für wahrscheinlich, daß der Ende dieser Woche wieder zusammen tretende epirotische Kongreß doch noch das Protokoll von Korfu annehmen wird, unter dem Vorbehalt, daß die Mächte die albanische Verfassung genehmigen und Albanien ein wirkliches Staatswesen wird. Die Ab machungen der Epiroten nut den albanischen Auf ständischen haben lediglich die Vermeidung von Zusammenstößen zum Inhalt und sollen bis zur Beendigung des albanischen Aufstandes in Kraft bleiben. Der militärische Befehlshaber der Epiroten, Kapitän Vardas. hat den Militärgouverneur von Elbassan. Kiamil Effendi. zu Verhandlungen nach den Brücken Malit eingeladen. In Koritza zelebrierte der Bischof Germanos einen Festgottesdienst anläßlich der Einnahme der Stadt durch die Epiroten. AtlswmiderlttN) nnch Albanien. Prag, 21. Juli. Im Bezirk Pribram in Böhmen macht sich in der letzten Zeit eine große Auswandererbewegung bemerkbar. Zahl reiche Bauern verkaufen ihre Besitzungen, um nach Albanien auszuwandern, wo sie neuen Grund durch Agenturen ankaufen. Die Regierung beschäftigt sich mit Mitteln, um die Auswanderung zu ver hindern. Vrr Caillaux-Prozeß. Advokaten, Zeitungsdirektoren und Presse vertreter füllten am Dienstag ebenso wie am Montag den größten Teil des Saales aus, in dem gegen Frau Caillaux verhandelt wird. Etwa l0 Persone n sind in dem dem Publikum vorbebattenen Teil des Saales zusammengedrüngt. Sic stehen da, wo sich normalerweise etwa sechzig Personen aufhaltcn können. Der erste Zeuge ist der Laufbursche des „Figaro", namens Sirat, der Frau Eaillaux emp fing, als sie das Haus des „Figaro" betrat. Sirat erklärte un Gegensatz zu Frau Eaillaux. daß das Bureau Calmettes erleuchtet gewesen sei. Ein anderer Diener des „Figaro" erklärte, daß Frau Eaillaux sich geweigert habe, ihren Namen zu nennen und ihre Karte 'n einem Umschlag abge geben habe. Auf eine Frage des Vorsitzenden er klärte Frau Caillaux, daß sie ihren Namen deutlich habe aussprechen hören. Der Romanschriftsteller und Akademiker Paul Bourget sagte aus, er habe mit Calmette die Re daktion des „Figaro" verlassen wollen, als diesem die Visitenkarte der Frau Caillaux überreicht wurde. Er habe Calmette abgeratcn, Frau Caillaux zu empfangen, doch habe er bemerkt: „Es ist eine Frau; ich kann sie nicht abweisen." Darauf habe er einige so rasch aufeinanderfolgende Schüsse gehört, daß er nicht wisse, wievielmal gefeuert worden sei. Bourget schloß seine Aussage mit den Worten, er sei überzeugt, daß Calmette niemals Briefe ver öffentlicht hätte, durch die die Ehre einer Frau hätte bloßgestellt werden können. Der Verteidiger Labori weist demgegenüber darauf hin, daß in dem neuesten Roman Bour- gets, betitelt „Der Dämon des Mittags", mehrere Stellen sich auf die gestohlenen Briefe einer ehe brecherischen Gattin beziehen. Es schein«, daß Bourget in diesem Roman die Veröffentlichung und gerichtliche Verwertung solcher Briefe für eine er laubte Sache halt«. Bourget entgegnete in lebhaftem Ton, das sei nicht seine Meinung, son dern die des Helden seines Romans. Literatur sei nicht Leben. Der Redakteur im „Figaro", Giraudeaut, der in das Bureau Calmettes sofort eintrat, nach dem er di« Schüsse gehört halt«, erklärte, Frau Caillaux sei vollkommen ruhig gewesen. Calmette habe mehrmals mit ihm über seinen Feldzug gegen Caillaux gesprochen, jedoch niemals die Veröffent lichung intimer Briefe erwähnt. Der Inseratenchef des „Figaro", Voisin, der sich mit einem Kunden in dem Warte saal befand, in dem sich auch Frau Caillaux aufhielt, sagte aus, daß er von keinem Dokument betreffend den Feldzug des „Figaro" gesprochen habe. Frau Caillaux widerspricht ihm, indem sie er klärt, Voisin habe auf eine Frag« eines seiner Freunde gejagt: „Wir haben morgen einen sen sationellen Artikel über Caillaux". Voisin bestritt dies entschieden. Der Zeuge Latzarus, der sich in der Nähe des Direktorialburcaus befand, sagte aus, daß nicht mehr als vier oder fünf Sekunden vergangen feien zwischen dem Augenblick, in welchem der Diener die Tür schloß, und dem ersten Revolvcrschuß. Die bei den letzten Schüsse seien in etwas größeren Zwischen räumen erfolgt. Als der Portier die Handgelenke
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