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Schatten über Hollands Katholizismus Ser Kamps gegen den Marxismus Man ist im Auslande leicht geneigt, die Lage des Katholizismus in Holland günstiger darzustellen, als sie in Wirklichkeit ist. Das ist in gewissem Sinne leicht zu erklären. Denn im Bann der glücklichen Erinnerungen, die man von dem kleinen Königreich mit seinen frucht, baren Niederrungen am Meer hat, idealisiert man un willkürlich die allgemeinen Zustände. Es ist bekannt, daß Holland vom Kriege verschont blieb und keine Revo lution mitzumachen hatte; als in anderen Ländern Throne lind Regierungssysteme zusammenbraclzen, war es eine gastliche Zufluchtstätte für alle Hilfesuchenden und Verfolgten. Es ist auch nicht vergessen, daß Tausende und Abertausende unterernährte Kinder aus Deutschland, Oesterreich und Ungarn in Holland liebevolle Aufnahme fanden, um nach einigen Monaten gut erholt und ge kräftigt in ihr verarmtes Vaterland zurückzukehren. Im Auslande weih man, daß der Hl. Vater stets lobend und anerkenend über das kleine Holland sprach, das relativ die meisten Missionare stellte und das durch seine blül-enden Missionshilfswerke den Beweis eines starken und fest fundierten Glaubenslebens erbrachte. In mancherlei Hinsicht hörte man im Ausland von einem Hollandia docet — „Holland ist tonangebend". Man glaubte, daß die holländischen Katholiken in allem gegangen sind. Wir dürfen dabei nicht vergessen, daß die Katholiken sich erst seit 30 Jahren freigemacht haben, als unter Führung von Dr. Schaepman und Doktor Abraham Kuyper eine politische Zusammenarbeit zwischen Katho liken und Protestanten zustande kam. Die Emanzipation der Katholiken vollzog sich vor dem Jahre 1002. Aber damit >var der Geist der Katholiken, die stets die Unter drückung und Zurücksetzung passiv über sich ergehen lie hen, noch nicht geändert. Der alte liberale Einfluh, dem sich die Katholiken angepaht hatten, blieb noch lange wirksam. Durch die lange politische Zusammenarbeit mit den Liberalen hatten die Katholiken zwar ihre Freiheit erlangt, waren aber andererseits von dem liberalen Geist angesteckt worden, der sich auf religiösem, sozialem und wirtschaftlichem Gebiet noch jahrelang bemerkbar machte. Liberale und neutrale Grohblätter wurden in katholischen Familien gelesen; die katholische Presse hatte einen großen Rückstand einzuholen, was sie sehr erfolg reich tat. Aber damit hatten die Katholiken ihre liberale oder neutrale Zeitung, an die sie einmal gewöhnt waren, noch nicht preisgegeben. Der Geist des Liberalismus und der Neutralität trat auch auf anderen Gebieten in Er scheinung, er wirkte sich vor allem auf den Unterricht, das Dereinswesen, den Sport usw. aus. Als Reaktion auf diese liberalen Strömungen, die auch in der Lohnpolitik und im sozialen Leben zum Ausdruck kamen, gewann der Marxismus immer mehr an Boden und zwar in einem Mähe, dah im Laufe der Zeit der gröhte Teil der Arbeiter in marxistischen Gewerkscl-aften organisiert ivar. 24 sozialistisclze Abgeordnete hielten ihren Einzug in die Zweite Kammer, wo sie die ziveitstärkste Fraktion waren. Die in der katholischen Staatspartei organisierten Katho» liken l-aben nie auf irgendwelche Weise mit den Marxi sten zusammen gearbeitet, was ein sehr glücklicher Um stand gewesen ist, obwohl die katholische Arbeiterbewe gung aus Mangel an geschulten Führern den marxisti- schen Tendenzen nicht ganz entgehen konnte. Auf die marxistischen Strömungen trat von selbst wieder eine heftige Reaktion ein. Die Macht der Sozia- listen, die zahlreiche führende Posten in den einzelnen Ministerien für sich beanspruchten und die als Bürger meister die Gemeinden dem Ruin entgegenführten, schwand offensichtlich. Die faszistischen Strömungen gris- scn auch auf die Niederlande über. Wiesen die Katholiken früher für alles Politische nur ein ungenügendes Interesse auf, so hat sich das jetzt grundsätzlich geändert. Dies ist vor allem dem fortschritt lichen Auftreten der katholischen Staatspartei zu danken, die überall Kerntruppen gründete und eine ganz neue Aktion entfaltet, von der man sich für die Zukunft viel s verspricht. eins seien: auf politischem, organisatorischem, sozialem und wirtschaftlichem Gebiet — kurz, Holland wurde als ein kleines Eldorado im allgemeinen Weltcizaos hinge stellt. Man konnte sich einfach nicht erklären, dah es auch in Holland Hunderttausende Arbeitslose gibt, und dah die Weltwirtschaftskrise Land und Volk verarmt hat. Die Holländer hatten stets grohe Kapitalien in aus ländischen — russiscl)en, mexikanischen und brasilianischen — Unternehmungen investiert, die restlos verloren gingen. Obendrein wurde die niederländische Industrie von der ausländischen Konkurrenz und ihrer niedrigen Valuta schwer betroffen, während Japan ein verheerendes Dumping in Niederländisch-Indicn entwickelte, in dem Mutterland ein bedeutendes Absatzgebiet für seine Er zeugnisse verlor. Die schliesslich getroffenen Negierungs- mahnahmen kamen viel zu spät und entbehrten der gründlichen Durcharbeitung. Ungewohnte Ausmahe der Abfallbewegung. Inzwischen traten auch andere Symptome auf, die darauf hinwiesen, dah die religiöse Lage in Holland nicht so günstig war, als man oberflächlich annahm; die letzte Volkszählung hat ergeben, dah die Abfallbewegung in den Niederlanden ungeahnte Ausmahe angenommen hat. Hat sich doch die Zahl der Dissidenten seit dem Jahre 1920 mehr als verdoppelt, n>as aus der folgenden Tabelle hervorgeht: 1880 12.200 0,3 Prozent 1890 66.08!) 1,5 1900 115.179 2,2 1910 290.960 4,9 1920 533.714 7,8 1930 1,444.393 14,4 Die Zahl der Gottlosen ist beängstigend gestiegen. Stavisky hat Selbstmord begangen Sie Hauptperson -es Vayonner Skandals tot - Mnister Dalimier zurülkgetreten Paris, 9. Ian. Der RiesenbetrUger Stavisky hat am Montag in einer von ihm gemieteten Villa in Chamoniz einen Selbstmordversuch unternommen, indem er sich eine Kugel durch den Kops jagte. Sein Zustand ist hossnungslov. Stavisky, dessen Spur am Sonn tag in der Gegend von Cham-nix ausgenommen wurde, hatte sich in dem Wintersportort eine Villa gemietet, die am Mon tag von den Pariser Polizeikominissarcn ausfindig gemacht werden konnte. Am Montag mittag stellten sich Beamte in der Villa ein und versuchten vergebens, sich Einlatz zu verschossen. Auf mehrmaliges Klopsen hörten sie plötzlich in einem der Zim mer einen Schutz fallen. Als sie die Tür ausbrachen, sanden sie Stavisky mit einer Kopswunde bewuhtlos aus dem Futz- boden liegen. Nach dem vorläufigen Befund scheint sein Zustand hossnungslos. Stavisky ist in der Nacht zum Dienstag der schweren Schuhvorletzung, die er sich beigebracht hat, erlegen. Als der verhaftete Direktor des Credit Municipal von Bayonne, Tissier, im Gefängnis von dem Selbstmord versuch Staviskys hörte, soll er ausgerufen haben: „Das ist unmöglich. Ein Mann wie Stavisky bringt sich nicht um". Auch der Nechtsbeistand Tissiers teilt diese Auffassung und erivartet eine gerichtsärztliche Unter suchung. Die Nachricht von dem Selbstmordversuch findet nicht überall Glauben. In vielen Kreisen wird offen oder versteckt von einem Vertuschungsmanöver der Polizei gesprochen, dis, wie man behauptet, einen für viele Per sönlichkeiten stark belastenden Mann habe verschwinden lassen wollen. Der sozialistische „Populaire" und die kommunistische „Humanite" sind natürlich lebhaft bemüht, der Fall Stavisky in diesem Sinn propagandistisch aus- zuwerten. Ministerpräsident Chautemps gab im Kabinettsrat am Montagnachmittag eine llebersicht über den Krach von Bayonne und die bisher ergriffenen Mahnahmen. Er wie derholte, dah er volle Klarheit über diesen Fall schaffen und darüber wachen werde, dah die Untersuchung mit ungemin derter Energie fortgesetzt und durch nichts behindert werde. Kolonialminister D a l i m i e r erläuterte daraus sein« Rolle in der Angelegenheit und verwies aus die von ihm der Preisse übergebenen Erklärungen. Er habe an Hand von Dokumenten des Arbeitsministeriums, das er früher leitete, den B e w e i s f ü r d i e G u t g l ä u b » g k ei t seiner Haltung erbracht. Der jetzige Arbeitsminisler Lamo u- reux, der innerhalb seines Ministeriums Untersuchungen angestellt hatte, bestätigte die Erklärungen Dalimiers. Mini sterpräsident Chautcmp s erinnerte daran, er habe selbst nach Prüfung der Akten öffentlich erklärt, dah Minister Dalimier im guten Glauben gehandelt habe. Der Kabinetts rat schloh sich dieser Erklärung einmütig an. Kolonialminisler Dalimier hat Montagabend dem Mini- sterpräsidcnten Lhautcmps sein Rücktrittsschrciben überrei- chen lassen. Ministerpräsident Lhauteuips nahm den Rück tritt an. Dafür sind natürlich verschiedene Gründe anzugeben. Vorerst sind die gemischten Ehen zu nennen, die unglaubliche Verwirrung anrichten und zu einer allgemei nen Vernachlässigung der religiösen Pflichten führen, wenn auch in späteren Jahren das Gewissen in der Regel so stark spricht, dah der katholische Ehepartner wieder den Frieden mit der Kircl)e sucht; aber dann sind die Kinder meist protestantisch oder gehören überhaupt keinem Bekenntnis an. Zwar finden viele angesehene Protestanten den Weg zur Mutterkirche zurück, wie z. B. die bekannten Dichter Frederik van Eeden und Henri Borel, oder die Professoren der Staatsuniversität, Prof. Valchenier Kips, Grandprö Moliere und so viele andere Intellektuelle; aber die Zahl der Katholiken, die sich jedes Jahr von der Kirche abwenden, ist bedeutend größer als die Zahl derjenigen, die zur alten Mutterkirche zu rückkehren. Eine andere Ursache für den starken Ab fall vom Glauben ist darin zu suchen, daß sehr viele Katholiken in einer sogenannten Neutralität unter- Fllr den Erbhof. Vinc künstlerische Sammelmappe, die auf Anregung des prvu- Kischen Iustizministcrs geschaffen wurde und dazu dienen soll, die aus den Hof bezüglichen Dokumente auszunehmen. aller Welt In der ersten Sitzung des italienischen Senats nach den Weihnachtsferien am Montag legte Mussolini den Gesetzentwurf für di« Verfassung der Korporatio nen vor. Der Entwurf wird durch einen Sonderausschutz des Senats geprüft werden. G Die philosophische Fakultät der Budapester Univer sität hat einstimmig beschlossen, den durch das Ableben des Professors Dr. Jakob Meyer vakant gewordenen Lehrstuhl der deutschen Philologie mit dem jetzigen Professor an der Pecser Universität Dr. Theodor Thiene mann zu be setzen. Bei Klausen bürg (Siclx'nbürgens wurden vier Bau ern auf dem Heimwege von Wölfen überfallen. Zivei ivurden von den Wölfen zerrissen: die beiden anderen konnten sich retten. Di« spanischen Botschafter in Rom und Brüssel sind zurückgetreten Di« Neubesetzung die ser Posten wird zu einem bedeutsamen, demnächst ersolgenden diplomatischen Revirement Anlatz geben. In Londonderry sNordirlands brach di« seitliche Stützmauer eines an die kathol'isclie Kirclre Lang Tower grenzenden Friedhofs, der sich 9 Meter ül>er dem Niveau einer anliegenden Strotz« l>efindet, plötzlich in einer Breite von 15 Meter ein. Dabei stürzten mit lautem Getöse grotze Mengen von Erdmassen wie ein« Lawine herab, vermischt mit menschsichcn Scl>id«ln und Gebeinen, geborstenen Särgen und zerbroclxenen Grabsteinen. Ein Passant wurde durch einen her- abstiirzcnden Grabstein am Kopf verletzt. Der erste Botschafter der Sowjetunion In Washington, Trojanowsky, wurde am Montag vom Präsidenten Roo sevelt ,zur Entgegennahme seines Beglaubigung-sschreibeas empfangen. Die chi ne sischenRegierungstr uppen haben die Truppen der aufständischen Provinz Fukien in der Näl,e von Futsck-au geschlagen. Eine Brigade der ausftändisä>en 19. Armee hat sich kampflos ergeben. Der berüchtigte Newyorker Gangster Frank Schae fer ivurde am Sonntag früh in der 7. Avenue von einer Kraft droschke aus erschossen. Aus Dhieago wird berichtet, datz der Menschenräuber Jack Klutas von der Polizei in keinem Landhaus« überrumpelt und, da er sich zu verteidigen suchte, erschossen ivurde. Sine neue tt-Voot-Grslnduna? Paris, 9. Ian. Im Hasen von Cherbourg fanden am Sonntag sehr interessante Versuche mit einem neuen Untersee- bootsmodell statt, das nach der Erklärung des Erfinders nie mals der Gefahr ausgesetzt sein soll, näht wieder an die Wasscr- oberfläcl)e zu gelangen. Nach den bisherigen Erfahrungen gab es für den Ausstieg eines U-Bootes nur zwei Möglichkeiten, entweder das Wasser aus den Ballastbehällern zu pumpen oder den Bleiballast vom Rumps zu lösen. Die neue Erfindung soll sich jedoch weder aus die eine noch aus die andere Möglichkeit stütze», sondern es soll dem Erfinder gelungen sein, sein Mo del!, das 1259 Kilogramm wiegt, mit gefüllten Ballastbehällern wieder flott zu machen. Die Einzelheiten dieser neuen Erfindung werden streng geheim gehalten. 70 Tote bei einer Mssenpanik Wie aus Tokio gemeldet wird, ereignete sich bei der Verabschiedung von zum Frontdienst eingezogenen Marine- rekruten aus dem vahnhos von Kioto eine furchtbare Massen panik, bei der 70 Riemchen getötet und 5t> verletzt wurden. In dein ungeheuren Gedränge der aus dem vahnhos versam melten Menschen wurde ein ganzer Hause von Personen zu Baden geworfen und von nachflutenden Maßen, die nicht ausruweichen vermochten, erdrückt. Sonderbeschlüsse in Wien va« Wiener Kabinett trat Monkagnachmitlag unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers Dollsusz zu einem außerordent lichen kabineltsrat zusammen, sn dem ausschließlich Abwehr maßnahmen gegen die anwachsende nationalsozialistische ve- wegung in Oesterreich besprochen wurden. Es wurde der Er laß eines Ausrufs der Bundesregierung an das österrei- chlsche Volk beschlossen, der der Presse al« „Pfiichlnachricht" zum Abdruck übermittelt wird. Das Kabinett nahm, wie cs in der amtlichen Mitteilung heißt, „einen Bericht über die in den letzten Tagen besonders verschärfte und offensichtlich organisierte nationalsozialistisch« Agitationstätigkeit entgegen, die mit zahlreichen Terrorakten verbunden war." Die hierdurch notwendig gewordenen Maß nahmen hätten die einhellig« Billigung des Ministerratei gefunden.