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Mittwoch, 4. April 1»0v, adeavs LU«» LIds1r»88v lange Rede des konservativen Abg. Pauli heute eine fast ebenso lange Rede des sozialistischen Abg. Zubeil. Die beiden Parteien konkurrieren im Wahlkreise Potsdam 7; wie schrecklich, wenn die Spandauer Arbeiter der Militärwerk» stätten erführen, daß der konservative Veructer ihre Nöte gerade so umständlich und unumwunden dem LtriegSminister oorgehalten hat, wie es ein sozialistischer nur tun könnte. Zwar hatte Herr Zubetl etwas vor Herrn Pauli voraus: man verstand ihn. Sonst aber wiederholte er nur Herrn Paulis Beschwerden, und erweiterte sie, um ein übriges zu tun, auf die Militärwerkstätten von Hanau und Siegburg. Gr nannte Spandau, Hanau und Siegburg eine Kompara tion gleich: schlimm, schlimmer, am schlimmsten. Den un- .huldigen Zuhörern sagt- er: ihr Wunsch, den Erat jetzt im Galopp durchzuberaten, werde ihn nicht hindern, daS Interesse der Arbeiter ebenso weitschweifig zu vertreten, wie der Konkurrenz-Abgeordnete. Und wie Herr General von Arnim gestern dem Herrn Pauli sagte, seine Beschwerden seien teils schon mit aller Ausführlichkeit in der Kommis sion erörtert, teils seien sie ohne tatsächliche Unterlagen, so antwortete er heute ungefähr auch dem Abg. Zubetl, r d nannte die Militärwerkstätten vorbildlich in Wohlfahrts pflege und Gesundheitsschutz der Arbeiter. Allerdings schienen dem Abg. LucaS (natlib.) die Beschwerden, wie er kurz ausführte, einen berechtigten Kern zu haben: näm lich daS Verlangen nach einer RuhegehaltLkafse, nach einem Fonds zur Verbesserung der Wohnungsfürsorge und nach einem geordneten Avancement, statt eines AufsteigenS nach „Laune und Willkür". Noch einmal drohte der Wettlauf Pauli-Sozialisten um daS Wohlwollen deS Wahlkreises Spandau zu entbrennen, alK Abg. Pach nicke (frs. Bgg.) die Militärverwaltung ersuchte, den Zuschuß von 30 000 Mark zu den Kommunallasten der Stadt zu erhöhen. Da aber der Gedanke: „Wir schließen uns dem Kollegen Pach- nicke an" bei der größten Redseligkeit nur eine beschränkte Anzahl von Sätzen verträgt, so waren die Herren Pauli und Singer diesmal bald fertig, trotzdem letzterer nicht Übel Lust zeigte, die prinzipielle Frage der Kommunalbe steuerung des FiSkuS bei dieser Gelegenheit aufzurollen. Der Rest deS Militäretats gab zu besonderen Ver handlungen keinen Aqlaß; auch die Debatte über den Mi- lttärübungSplatz zu Ohrdruf für daS 11. Armeekorps, den die Budgetkommisston auS dem NotetatSgesetz gestrichen hatte und der im Plenum heute angenommen wurde, bewies nur die übereinstimmende Absicht Aller, die zu expropriierenden Bauern angemessen zu entschädigen. AIS der Reichstag dann um 6 Uhr den Abg. Liebermann ». Sonnenberg als Berichterstatter über den Etat der ostastatischen Expe dition daS Wort ergreifen sah und sich in der Stimmung befand, noch zwei Stunden zusammen zu bleiben, war eS klar, daß der Etat höchstens noch drei Sitzungen bean spruchen würde und daß er vom „Alten", wenn auch viel leicht nicht Donnerstag, wie dieser wohl möchte, so doch sicher am Freitag abend in die Osterferien entlassen werden würde. Bom Landtag. Zweite Kammer. Eigen-Berichst. Dresden, 3. April 1906- Am Regierungstisch!: Staatsminister v. M etz sch und KMMissare. 1. Mahl einer Zwischjendeputatton für den Stände- stlls-Neubau. Abg. Goutard (natlib ) beantragt Wahl -urch Zuruf und bringt in Vorschlag zu Mitgliedern Prä sident Tr. Mehnert, Vizepräsidenten Tr. Schjill und Opitz, sowie die Abgg. Hähnel und Schreck, zu Stellvertretern die Abgg. BochnMnn, Grumbt und Dr. Bogel- — Tie Vor geschlagenen werden einstimmig gewählt. 2. Anderweite Schlußberatung über Kap. l des Etats Horsten). — Berichterstatter: Abg. Dä br i tz-Nischwitz slons.): Es bestehe eine Differenz zwischen''den Beschlüssen der Ersten und Zweiten Kammer wegen^eslDrbes der Er richtung einer Försöerschule. Während die Zweite Kämmer am 19. März Augustusburg mit allen gegen 8 Stimmen wählte, habe die Erste Kammer am 28. März einstimmig Olbernhau gewählt. Die Regierung trete nach wie vor für Olbernhau ein. Die Deputation beantrage, die Kam- mer möge bei ihrem Beschjlusse stehen bleiben. — Abg. Kluge (Lons.) beantragt die Errichtung der Försterschule in Olbernhau, da andernfalls' die ganze Vorlage scheitere. Der Antrag findet keine genügende Unterstützung. Tie Abgg. Schub art (Lons.) und Langhantmer (natlib ) verwenden sich für Augustusburg, während Abg. Andrä (Lons.) und Ministerialdirektor Geh. Rat von' Seyde- witz warm für Olbernhau eintreben. Die Kammer be schließt gegen 6 Stimmen die Errichtung der Förstzer- fchiule in Augustusburg. S. Schüußberatung über Kap. 70 Tit. 38r, Evrichtung einer Jrren-Pfkegstnstfalt in Arnsdorf. Hierzu hält Abg. Knobloch-Radeberg (Lons.) ein« längere Reds, in der er sein lebhaftesl Bedauern darüber aussprach, daß die Regierung in teilweiser Verkennung der einschflagenden Verhältnisse sich nicht habe entschließen können, die von der Stadt Radeberg" angebotenen großen Opfer anzuneh men. Tie 4. Abteilung des( Ministeriums, des JNnern, in deren Ressort diese Sache liege, habe die erforderlich objektive Behandlung vermassen lassest. Er mißbillige die Art der Einholüng von Gutistchften und sei über die ganze Art der Behandlung durch diese Ministserialabteilung tief rerstjimMt und in seinem ehrlichjest Empfinden verletzt worden, genau wie über die Wegnahme der Korrektions- mrsdalt von Radeberg ganz entgegen den von beiden Kam mern im vorigen Landtag gefaßten Beschlüssen. Ter Be richterstatter Abg. Schub art sagte, es'' sei der lebhafte Wunsch der Finanzdeputation A, daß die Stadt Rade berg bei der Errichtung von Staatsanshalten künftig in allererster Linie berücksichtigt werden Möchte. Der Abg. Behrens trat lebhaft für Arnsdorf ein, und Mini sterialdirektor Geh. Rat Dr. Apelt wendete sich gegen die Ausführungen des Abg. Knobloch. Schließlich wur den die für Grunderwerb geforderten 200000 Mark für Errichtung einer Jrren-Pflega!nstalt in Arnsdorf ein stimmig von der Kammer bewilligt. -sV. Jlchr'H. führe» gewesen, hatte sie bereit» vergessen. Sobald Meta die Tatsache geleugnet, war diese ihrem Gedächtnis ent schwunden und al» sie ihre unglückliche Cousine au» dem Zimmer geleitete, war sie über deren außerordentliche Schwäche zu sehr erschreckt gewesen, uni an etwa» andere» denken zu können. Frau Talbot hatte sich in dieser äußersten Not alseine große Stütze erwiesen. Sie war so zart und liebevoll ge- gen Meta, so teilnehmend gegen Ottilie gewesen, daß letz tere in dankbarer Aufwallung der Dame Hand erfaßt und ihre Lippen daranf gedrückt hatte. ES war ihr entgangen, daß Frau Talbot sanft, aber kalt ihre Hand zurückgezo gen, allein sie hatte doch nicht darauf geachtet ; Paul, Bruno ESmond, ihre Verlobung, de» Gutsherrn Verspre chen, alle» war vergessen in dem einen absorbierenden Ge danken um Meta! Meta, die für immer von ihr ging, di« ihre» Vater» Verzeihung noch nicht erhalten hatte Doktor Rulaud ging leise die Treppe hinunter und trat in den Garten hinaus. In der kleinen Vorhalle staud Frau Talbot, beide Hände fest an da» Herz drückend, während sie niit feuch ten, sehnsüchtigen Augen auf die gebeugte Gestalt im Schat- ten de» Kastanienbaume» blickte. Der Dvktor betrachtete sie ein wenig überrascht, al» er neben ihr stehen blieb, nm ihr mitzuteilen, daß er auf die Farm gehe, um den alten Mann an da» Sterbebett seine» einzigen Kindes zu rufen. In der ersten Minute schien sie seine Worte gar nicht zu verstehen, dann trat ein Schimmer deS Verständnisses in ihr« Augen. „Und bringen Sie Paul mit," sagte sie mit unterdrück tem Schluchzen. „Sagen Sie ihm, seine Mutter bedürfe seiner." - Der Doktor nickte und setzte seinen Weg fort. Er wußte, daß er keine Zeit verlieren dürfe, denn Meta» Leben zählte nur noch nach Stunden. Als er die beiden Herren erreichte, wechselte er im Vorbeigehen ein paar Worte mit Herrn Llifford. Seine Stimme hatte de» Gutsherr» Aufmerksamkeit erregt, und er erhob langsam sei» bleiche» Gesicht. „Sagte er, baß jene» arme Mädchen am Sterben sei?" fragte er in schmerzbewegtcm Tone. „Ja, er fürchtet es," war Frank LliffordS traurige Ent- gegnung. „ES ist ein schrecklicher Gedanke für mich, daß mein eigene» Fleisch und Blut an ihrem Tode die Schuld trägt," fuhr der alt« Herr in bitterem Tone fort, mit zitternder Hand sein volle», graue» Haar von der Stirn zurückstrei chend. „Ach, Clifford, wie blind bin ich gewesen, und doch . und doch, er war so schlau, so durchtrieben und hatte einen so klugen Schuldgenossen, daß e» vielleicht nicht zu wundern ist, wenn e» ihm gelang, un» alle zu täuschen! DaS arme, arme Mädchen, wie muß e» gelitten haben! Und zu denken," in plötzlicher Erregung erhob er sich, „daß er eS wagte, Ottilie mit seiner Liebe zu beleidigen, und daß ich blinder Tor ihm dabei behilflich war I" „Sie wußten e» nicht, Sie dürfen sich selbst nicht ta deln," sagte Herr Elifford begütigend „Aber ich tadle mich bitter," ries der alte Herr. „Alle meine Motive waren eigennütziger Natur, ich suchte unr mein eigene» Vergnügen, meine eigene Befriedigung. Clif ford," fuhr er in leisen» Tone fort, „Sie wissen nicht, wie ich zurückschrak vor dem Gedanken an jenes große, leere Hau», an ein einsamer verlassene» Sterbebett! Vierund zwanzig Jahre lang habe ich allein gelebt, ich konnte die Vorstellung nicht ertragen, auch allein sterben zu müssen. Ich sehnte mich au» ganzer Seele, ein weibliches Wesen um mich zu haben, da» mit seiner Liebe meine letzten Lebensjahre verschönern, mit zarter Hand mir die Augen schließen würde, wenn meine Zeit gekommen war." Er legte sein« Hand ans de» Freundes Schulter, über seine Augen waren zu Boden geschlagen; seine Züge hatten einen so weichen Ausdruck angenommen, wie selbst Frank Clifford in den langen Jahren ihrer Bekanntschaft ihn nie darin gesehen. Fast unbewußt, ohne zu überlegen, was er tat, gab er Frau Talbot, die wartend unter der Vorhalle staud, ein Zeichen. 130,IS 4. Schslußberatung! über den Antrag der Abg. Enke und Genossen wegen Regelung des^ öffentlichen Verding ungswesens. — Berichsterstfttter: Abg. Dr- Kühkmorgen. Es entspinnt sich eine lebhafte Debatte, an der sich 13 Redner beteiligten, die sich im! allgemeinen mit den Te- putationsanträgen einverstanden erklären, nur der Abg. Goldstein (svz.) entpuppt sich als) Gegner der Vorlage, weil er die Koalitionsfreiheit der Arbeiter gefährdet sieht. Schließlich werden die von der Gesetzgebungs-Deputation aufgestellten 16 Grundsätze gegen die Stimme des Abg. Goldstein angenvrstmen. 5. Anderweite Schtußberatung über die Abänderung der Revidierten Städteordnung und über die Abänderung des Gesetzes, die Pensionsberechtigung der berufsmäßigen Gemeindebeamten iu den Städten mit der Städteorduung für mittlere und kleinere Städte, sowie in den Landge meinden betr. — Berichterstatter: Abg. Ulrich- Eine leb hafte Debatte entspinnt sich über Artikel III, der bestimmt, daß die Hinterlassenen eines nicht wieder gewählten be rufsmäßigen Bürgermeisters oder Gemeindevorstandes, dessen Ableben nach seinem! Ausscheiden aus dem Amte erfolgt, Anspruch auf Pension stach einer in der nämlicher» Gemeinde verbrachten Dienstzeit des Verstorbenen von mindestens 12 Jahren haben. Vizepräsident Tr. Schill (natlib.), Abg. Günther (freis.) und Staatsminister v. Metzsch erklären sich gegen die Bestimstmng, während die Abgg. Nudelt (Lons.), Wittig (Lons ), Vizepräsident Opitz (Lons.) und.Dr. Spieß (Sons ) sich lebhaft für deren Äufrechjterhalltung) verwendest. Schließlich zieht die Gesetzgebungsdeputation diesen Artikel zurück, worauf die Gesetzentwürfe einstimmig angenommen werden. Tas Haus beschäftigt sich sodann mit verschiedenen Petitionen und "beschließt, die Petition des'' Obermei sters Paul Stelzner in Lengefeld im Erzgebirge und Ge nossen, die Mr Untersuchung von Schweinen auf Trichinen festgesetzte Gebühr betreffend, auf sich beruhen zu lassen, und die Petitionen des Vereins „Schsutzverband für Handel und Gewerbe in Zittau" und Genossen um! Aufhebung bez. Abänderung des 8 3 des Gesetzes vorn! 10. September 1870, das Offenhallen der Schaufenster an Sonn- und Festtagen betreffend, der Redaktion des Journals der Goldschimiedekunst in Leipzig'und Kes'Verbandes deutscher Gold- und Silberschsmiede wegen Schädigung inländischer Juweliere, sowie Gold- und Silberschsmiede durch auslän dische Diamanten -Jmitationsgeschäfte, des Allgemeinen Hausbesitzervereins ,zu Leipzig und Genossen^ um gesetz liche Neuregelung der Grundsätze Mr Heranziehung des Haus- und Grundbesitzes zu den kirchlichen Lasten und des Vereins Mr sächsische Volkskunde in Dresden um Ueber- lassung fiskalischer Räum'e zur systematischen Aufstellung von Museumsgegenständen der Regierung zur Kenntnis nahme zu überweisen. — Schluß der Sitzung: 4 Uhr. Stimmungsbild ms dem Reichstag. Ktgen-Bericht. nd. Berlin, 3. April 1S06. Wie eS der bekannte Fluch der bösen Tat ist, daß sie fortzeugend BöseS muß gebären, so gebar die gestrige über Auf Irrwegs«. Roman von Klara Rheinau. 7S Doktor Ruland kam so rasch, al» da» feurige Gespan» ihn bringen konnte, aber al» er vor de» Gutsherrn ge brochener Gestalt Halt machen wollte, bedeutete ihn Herr Clifford, sich schleunigst in da» Han» zu begeben. Dort herrschte eine traurige Stille. Man hatte Meta zu Bett gebracht, und den ärztlichen Bemühungen gelang e» endlich, die Lungenblutnng z» stillen, aber Ottilie brauchte nicht erst in de» Doktor» teilnehmenden Blicken zu lese», daß da» Ende nahe war. Schwach atmeud lag Meta in den weißen Kissen, den Ausdruck schweren Lei- den» in den verfallenen Zügen; der Todesschweiß befeuch tete schon ihre Stirne, und die Hand, welche Ottilie, die neben den» Bett kniete, so zärtlich in der ihrige»» hielt, war eisig kalt. „Es kann nicht mehr lange dauern," sagte der Doktor tn seiner gütigen Weise, „aber e» ist besser so, Fräulein Ottilie, mem arme» Sind." „Ja, o ja," flüsterte da» junge Mädchen verzweiflungS- voll, „aber mein Onkel, er solle» wisse»»." Der Doktor zögert« einen Augenblick, forschend ruhten seine Augen auf der stillen, bewußtlosen Gestalt der Ster benden, dann sagte er langsam: „Ja, ich will ihn holen. Sie bedarf meiirer jetzt nicht" „Ich danke Ihnen," flüsterte Ottilie fast mechanisch, und der Doktor verließ leise da» Zimmer. Ottilie wußte nicht, warum der Gutsherr nochmals um Meta» Kommen hatte bitten lassen, sie ahnte nicht, wa» sich während der wenigen Minuten ihrer Abwesen heit ereignete. Als man sie zi» Hilfe gerufen, hatte sie Ihre Cousine bereit» bewußtlos mit blutbefleckten Kleidern auf dem Sofa liegend gefunden; wa» den entsetzlichen Blut sturz herbeigesührt, darüber dachte sie gar nicht nach, ihre Angst mn die sterbende Lonsine «ahn» sie völlig in An- fpruch. Werners Behauptung, daß Bruno ESmond Meta» Ent Beilage znm „Riesaer Tageblatt Druck und ««lag van Langer S Winterlich in Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich: Hermann Schmidt in !«'!<>- .4.- 78. Alleinverkauf des Brücher „Paul-SchachteS", Bruch t. v. Bracher vrsau- kohle ergtebt lt. wissenschastl. Nachweis allerhöchste Heizkraft bei denkbar grätigstem Ascherückstand; ist demnach die beste und billigste Kohle.