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Riesaer K Tageblatt «nd A«;rlgrr Wetli« ist Lqchn). rrlkgr»mm-«drrff« »L 6 Femsprechsi,'!. Nr. der König!. Amtshauptmannschast Großenhain, des König!. Amtsgerichts und des StMrathS zu Riesa. «ittwsch, S1. Octover 18SS, «VeudS. 48. Jahr, Rdl. Las Riesaer Tageblatt erscheint jede« Tag Abend» mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. Vierteljährlicher Bezugspreis bei Abholung in dm Expeditionen in Riesa und Strehla, den Ausgabestellen, sowie am Schalter der kaiserl. Postanstalten 1 Mart 25 Ps., durch die Träger frei In» Hau» 1 Mark SO Pf., durch dm Briesträger frei in« Hau» 1 Mark SS Pf. Anzeigeu-Aua-Hme für die Nummer de» Ausgabetage« bi» Vormittag 9 Uhr ohne Gewähr. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Geschäsisstelie: lkastantenstraße S9. — Für dir Rrdaction vermttuwrtttch: Hermann Schmidt in Riesa. Sonnabend, den 2. Novbr. 1895, Norm. 1v Uhr, kommen im Hotel zu« „Kronprinz" hier 2 große Bettstellen, 2 kleinere dgl., 2 Wasch, tische, 2 Tische, 4 Kleider- und 1 Glasschrank, 2 Lertico und 1 großer Pfeilerspiegel gegen sofortige Bezahlung meistbietend zur Versteigerung. Riesa, 29. Lctbr. 189S. Der Ger.-Boüz. des Kgl. Amtsger. Sekr. Eidam. * Konkursverfahren. In dem Konkursverfahren über den Nachlaß der Auguste Wilhelmine vertu. Walther geb. Thomas in Riesa ist zur Abnahme der Schlußrechnung des Verwalters, zur Erhebung von Einwendungen gegen das Schlußverzeichniß der bei der Vertheilung zu berücksich tigenden Forderungen und zur Beschlußfassung der Gläubiger über die nicht verwerthbaren Ber- mögensstücke der Schlußtermin auf den 25. November 18S5, Vormittag- 11 Uhr vor dem Königlichen Amtsgerichte Hierselbst bestimmt. Riesa, den 30. October 1895. Länger, Gerichtsschreiber des Königlichen Amtsgerichts. Unter Bezugnahme auf die Bekanntmachung vom 14. Mai dieses Jahres wird hierdurch darauf aufmerksam gemacht, daß auf dem Zehnigt an der Elbstraße außer Schutt andere Abfälle, insbesondere Asche, nicht zur Ablagerung kommen dürfen. Zuwiderhandelnde trifft Geldstrafe bis 20 Mark. Riesa, den 30. Oktober 1895. Der Stadtrath. Klötzer. Bekanntmachung. Aus Anlaß der im Laufe des nächsten Jahres stattfindenden Einschätzung zur Ein» kommeufteuer werden zur Zeit Aufforderungen zur Deklaration des steuerpflichtigen Einkom mens an diejenigen Beitragspflichtigen, deren Einkommen nicht zweifellos unter dem Betrage von 1600 M. bleibt, ausgesendet. Es steht jedoch auch Denjenigen, welche« eine solche Aufforderung nicht zugeheu wird, frei, eine Deklaration über ihr Eiukommmen bis zum 11. November laufenden Jahres anher eiuzureiche«. Formulare zu diesen Deklarationen können bei der hiesigen Stadtsteuereinnahme unent geltlich in Empfang genommen werden. Gleichzeitig werden aber auch alle Bormünder, ingleichen alle Vertreter von Stiftungen, Anstalten, Personenvereinen, liegenden Erbschaften und anderen mit dem Rechte des Vermögens erwerbs ausgestatteten Vermögensmassen aufgefordert, für die von ihnen vertretenen Stiftungen, Anstalten u. s. w. soweit dieselben ein steuerpflichtiges Einkommen haben, in der oben ä«- gegebenen Arist Deklarationen bei dem unterzeichneten Stadtrathe auch dann einzureichen, wenn ihnen deshalb besondere Aufforderungen nicht zugehen sollten. Riesa, am 29. Oktober 1895. Der Stadtrath. Schwärzender«, Stadtrath. Bekanntmachung Auf dem Kirschberge in GöhliS ist vom 1. Januar 1896 an eine Keldparzelle ander- weit zu verpachten. Die Pachtbedingungen können in der Rathsexpedition, woselbst auch Offerten bis zum 5. November dieses Jahres entgegengenommen werden, eingesehen werden. Riesa, den 30. Oktober 1895. Der Stadtrath. Klötzer. Zum Reformationsfest. s- Der 31. Oktober ist für die evangelische Christenheit ein festlicher Gedenk, und Danktag. Wir gedenken da der muthigen Mannesthat des Wittenberger Professors in der Mönchskutte, unseres Dr. Martin Luther, wie er in heiligem Zorn und sittlicher Entrüstung seine 95 Streitsätze wider den schmählichen Ablaßhandel an die Thür der Schloßkirche zu Wittenberg anschlug und damit den Grundstein zu dem g'oßen Werk der Kirchenreformation legte. Wir gedenken daran, wie er durch sein kühnes Eintreten für evangelische Wahrheit und Gewissensfreiheit unser deutsches Volk von dem Drucke geistiger Knechtschaft befreite und das theure Gottes wort als alleinige Quelle, Regel und Richtschnur kirchlicher Lehre und Predigt gelten ließ; wie er mit klarem, scharfen Blick die Ab- und Irrwege, die die christliche Kirche in ihrer geschichtlichen Entwickelung gegangen, erkannte und al» da einzig wahre Heilmittel wider die vorhandenen Schäden den Bruch mit Rom und seine weltlichen Herrschergelüste, die unumwundene Rückkehr zu Christus, dem einigen Mittler zwischen Gott und den Menschen, und zu dem ewigen Felsen- gründ seines Wortes in den Riittelpunkt seines Lebens und kämpfens stellte. Wir g, denken daran, wie nach langer, trüber Winterszeit mit viel Nacht und wenig Hellem Tages licht, mit geistlicher Erstarrung und Erstorbenheit durch den großen Reformator eine neue, gesegnete Frühlingszeit für die Kirche de« Herrn anbrach, und wie noch heute alle treuen Glieder unserer evang-lisch-lmherischen Kirche diesen erquicken den Frühlingshauch mit seinem frischen, freudigen Glaubens leben an ihren Herzen spüren. Manch schöne Gedenktage hat unser deutsche« Volk ge rade in diesem Jahre schon gefeiert. Ihre Bedeutung lag nicht auf kirchlichem, sondern auf nationalem Gebiete. Sie erinnerten uns an Deutschlands herrliche Waffenthaten und glorreichen Siege über einen, seine äußeren Grenzen be drohenden Feind, an die Wiedergeburt «ine» geeinten, mäch tigen deutschen Kaiserreichs vor 25 Jahren. Wir hatten ein Recht dazu, und wir lasten uns die Freude daran nicht nehmen durch die traurige Gegnerschaft einer vaterlandslosen Partei in unserem Volk. Aber noch weniger sollen wir uns die Freude an den herrlichen Errungenschaften trüben lasten, ! die einst der Geistesheld, Dr. Martin Luther, zur Befreiung des christlichen Volke« von Gewissenszwang und Menschen satzung erstrinen hat. Wir wellen Beides sein: Gute Deutsche, die an ihrem großen, geeinten Vaterland in Lieb und Treue hangen, aber auch treue Glieder unserer theuren evangelisch- lutherischrn Kirche, die nimmer vergessen der geistlichen Segensströme, die seit Jahrhunderten von dem Werke der Kirchenreformation ausgegangen und über uns und unser Volk erquickend und befruchtend sich ergossen. Ein festlicher Gedenktag soll uns der 31. Oktober jeden Jahres sein; aber nicht minder ein freudiger Dank- und Gelöbnißtag. Wir bezeugen e« gern, daß gerade das Reformationsfest zu denjenigen Festen des KirchenjahreS zählt, da das Festgeläute nicht umsonst ruft und die Thüren der Gotteshäuser sich nicht vergeblich öffnen, ja da die Zahl der Andächtigen in größeren Scharen der Predigt de« Evangeliums lauscht denn sonst. Es ist dies ein Beweis, daß, man rede, was man wolle, in unserem christlichen Volke noch ein guter Kern evangelischen Sinnes und Geistes vorhanden. Aber freilich mit ein-m Kirchgang und dem Anhören einer Festpredigt allein ist die Dankesschuld gegen den Herrn der Kirche und sein auserwähltes Rüstzeug, Dr. Martin Luther, noch nicht abgetragen und die Treue gegen ihn noch nicht erprobt. So gewiß Jemand aus allerlei Menschenrücksichten an den nationalen Festen unseres Volkes persönlich theil- nehmen kann, ohne daß ein heilig Feuer der Begeisterung und opferfreudiger Liebe für Volk und Vaterland in seinem Herzen glüht, so isi's auch hier. Der beste Dank, den unser evangelisch Volk bei dem Rückblick auf das Werk der Kirchen reformation bezahlen kann, besieht nicht in Worten und äußer lichen Dingen, sondern in einer sittlichreligiösen Wiedergeburt und innerem, gläubigen Erfassen der ewigen Heilswahrheiten des göttlichen Wortes. Jeder Einzelne muß mit einer Re formation an sich beginnen, dann werden gar viele der gegen wärtig durch die Luft schwirrenden Reformprogramms und Reformvorschläge überflüssig werden. So wenig man sich die Knechtschaft Roms gefallen lasten will, ebenso wenig dürfen wir uns der Knechtschaft eines unchristlichen und unevangelischen Zeitgeistes, den Sclavenketten flcischlicher Lüste und Begierden überlassen. ES gilt nicht bloS zu protestiren wider die feind seligen An- und Uebergriffe der römischen Kirche, sondern ebensowohl gegen den Unglauben und die ChristuSfeindlichkeit in Mitte unserer eigenen Kirche. Der gottbegnadete Lieder dichter Spitta singet: „ES gilt ein frei Geständniß In dieser unsrer Zeit, Ein offenes Bekenntniß Bei alle« Widerstreit, Trotz aller Feinde Toben, Trotz allem Heidenthum Zu preisen und zu loben Da« Evangelium." Und da« wollen wir uns auf- Neue gesagt sein lasten am diesjährigen Reformationsfist. Weg mit der kirchliche« Lauheit und Indolenz, die eines überzeugten Christen un würdig und für die gesegnete Fortentwickelung der evangelisch« Sache gefahrvoll! Halte, du evangelisch Volk, halte, was du hast mit heiliger Begeisterung und freudigem ManneSmuth, auf daß dir Niemand deine Krone raube! Der Sturz des Ministeriums Ribot. „Was kommen mußte, kam." Da« französische Minsterium Ribot ist am Montag gestürzt worden. Man hatte es ihm prophezeit, daß es den Zusammentritt der Kammer nicht lange überleben würde. Die Sozialisten hatten es gesagt: der Streik von Carmaux werde Ribot den Hals brechen. Es mag auch wohl sein, laß die Regierung in diesem Falle nicht so unparteiisch zu Werke gegangen ist, wie es noth- wendig erscheint, um den ohnehin schon so schwer erschütter ten sozialen Frieden nicht noch mehr zu gefährden. Aber das Ministerium war fiegesgewiß. Der Minister des Innern hatte gewettet, daß in der Streikfrage die für d'e Regierung stimmende Mehrheit mindestens 100 Stimmen betragen würde. Er hat zwar seine Wette verloren; es haben nur etwa dreiviertel Hundert mehr für Ribot gestimmt, aber cs war doch immerhin eine ansehnliche Mehrheit und der An sturm der Sozialisten war glänzend abgeschlagen. Der zweite Stein des Anstoßes war Madagaskar. Die unglaublich sorglose Art, mit der die außerordentlich schwierige Expedition vorbereitet war, die Rivalität zwischen Krieg« - un> Marine-Ministerium, die ungenügende Verpflegung dcr Truppen, die große Sterblichkeit infolge mangelhafter sani tärer Vorkehrungen: das alles zusammengenommen hatte vor acht Wochen einen Sturm des Unwillens in Frankreich erzeugt, der unbedingt das Ministerium hinweggefegt hätte, wenn die Deputirtenkammer versammelt gewesen wäre. In zwischen hat aber General Duchesne die Hauptstadt Tana- narivo eingenommen und den Hova» das französische Pro tektorat aufgezwungen. Die „Gloire" — ein Zauberwort für Frankreich — erstrahlt in neuem Glanze und Ribot hat auSsprcchen dürfen, daß „noch nie unter so schwierigen Ver hältnissen ein Feldzug so glänzende Erfolge gehabt hat." Da» genügte natürlich, um die Franzosen ganz au« dem Häutchen zu bringen und es würde wohl Niemand in der Kammer gewagt haben, die Regierung wegen der faustdicken Madaga«karsünden anzuklagen. Nein, ein Sturm aus dieser Windrichtung war nicht zu fürchten und so gewann cs den Anschein, al« ob die prophezeite Niederlage des Ministerium« au-bleiben würde.