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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 06.12.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-12-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-191712069
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19171206
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19171206
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Riesaer Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1917
-
Monat
1917-12
- Tag 1917-12-06
-
Monat
1917-12
-
Jahr
1917
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 06.12.1917
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Beilage zirm „Riesaer TageMatt". »- BSrl-a: Sa«a»r t wtutirlich, «esch-ftpft^s,. G,e«eftnche L». E««it»ortlich für «edaktton: Arthur HLH««l, Riesa,- für Anzeigentrtl: lvtktz«k« «sttrlch, Mq, 283. Donnerstag. Ü Dezember 1S17 «venös 70 Jahr«. , 'Eine denkwürdige Sitzung im Prentzische» Abgeordnetenhanse. * Eine Seltenheit im Preußenparlament: ein großer Tag. In der Umgebung deS Hause- weist nichts auf den Gegenstand der Verhandlungen „die preußische Wahl rechtsreform", hin, wie im Jahre 1910, wo dichte Schutz- mannSketten mit Mühe die Wahlrechtsdemonstranten auf der Straße in Ordnung hielten. Im Hause selbst reich liches Zuströmen von Abgeordneten mit ihren Damen und Tribünenbesuchern. Im Sitzungssaal kaum eine Lücke in den einzelnen Parteilagern. Sämtliche Minister mit zahl reichen Kommissaren sind anwesend. Auf den Tribünen -rängen sich die Zuhörer, in der Mehrzahl Frauen, bis zu "den offen gelassenen Eintrittstürcn hinaus. Alles sieht in gespannter Erwartung dem großen Doppelereignis des TageS entgegen: dem ersten Auftreten des neuen Reichs kanzlers als preußischer Ministerpräsident und der Auf nahme der Neformvorlaäen Lei den Parteien. Wohlwollend mahnte der Präsident GrafSchwerin- Löwitz zur Vorsicht und Ruhe bei den kommenden Aus- Lprachen. Auf allen Seiten des Hauses möge man be denken, in welch schwieriger Lage gegenwärtig das Land noch immer sei und wie leicht unsere Feinde aus tempera mentvollen Entgleisungen Nutzen für sich ziehen könnten. Dann erteilte er alsbasd dem Ministerpräsidenten Grasen Hertling das Wort. Wie bei seiner Einführungsrede im' Reichstag spricht der neue Herr auch hier, im preußischen Abgeordneten hause, friscki, klar, eindringlich und ohne Bindung an eine Niederschrift. In der Art, wie er der eigenartigen Stim mung dieses Hauses Rechnung trug, merkte man sofort den geübten Parlamentarier und den bewährten Staats mann. Seine Rede ward absichtlich kurz gehalten, brachte aber doch jeder Richtung unter den Zuhörern etwas An genehmes. Gegenüber der rechten Seite des Hauses be tonte er die Notwendigkeit staatscrhaltcnder Politik, den Gegner der Reformvorlagen bezeugte er warmes Verständ nis für ihre GewiiscnSbedcnken, auf der linken Seite löste er wiederholt Beifallsstürme aus durch sein entschiedenes Bekenntnis zum gleichen Wahlrecht und alle suchte er Lu gewinnen durch seine Bitte um Vertrauen, auf das er noch keinen Anspruch habe, das er sich aber verdienen wolle. Trotzdem bewahrte die Rechte des Hauses größte Zurückhaltung in Beifallskundgebungen und selbst im Zentrum und bei den Nationalliberalen war der Beifall am Schluß nicht sonderlich stark. Nach Hertling sprach der Vater der Vorlage, der Mi nister des Innern, Drcw s. Der Inhalt seiner Rede war mehr als eine Begründung der einzelnen Hauptabschnitte der drei Gesetzentwürfe, er war ein warmes Werben um Zustimmung der Volksvertreter zu ihnen. Aber man hatte bald das Gefühl, daß der Lobpreis etwas überschwenglich, die Fülle der Gründe gar zu reichlich, das Verständnis für die Argumente der Gegner aber zu gering sei. Und als Herr Drews schließlich noch ausführlich auf Einzelhei ten der beiden Vorlagen einging, und sich dabei immer ängstlicher an seine Niederschrift hielt, erlahmte allmählich das rege Interesse bei den Gegnern der Reformen, und der Präsident mußte dem Minister wiederholt durch die Glocke Beachtung verschaffen. Tas war noch mehr nötig, als der Finanzminister Herght .in Verkennung der Stimmung des Hauses auf die beiden grundsätzlichen Ministerrcden noch eine dritte, allein der Reform des Elatsrechtes gewidmete, folgen ließ. Sie wurde zwar lebendig und ganz frei vorgetragen, war auch voll sachlich guter Bemerkungen, fand aber fast gar keine Aufmerksamkeit mehr unter den Zuhörern. - Mit einem Schlage änderte sich das Bild, als Herr von Heydebrand als Führer der Konservativen die Stu fen zur Rednertribüne hinanstieg und neben dem Redner pult die Stellung seiner Partei zu den Vorlagen darlegte. Aufmerksame Stille trat ein und Beifall rechts und Wider spruch links, erregte Zwischenrufe und lautes Gelächter unterbrachen wirkungsvoll den freien Vortrag des Oppo- fitionsredners. Gleich in den ersten Sätzen ließ er den Minister des Innern den konservativen Zorn über seine Rede, wie über seine Tat verspüren. Unter dem Wider spruch der Linken protestierte er gegen die „oberfläch liche" Begründung der Vorlagen durch den Minister Drews und strich ihm gegenüber die staatsmännische Klugheit in der Rede des Ministerpräsidenten heraus. Im Namen sei ner Freunde erklärte er die Nesormbcdürftigkeit des preu ßischen Wahlrechts immer anerkannt zu haben, aber die tn der Vorlage verlangte Gleichheit nicht als geeignete Grundlage für ein künftiges preußisches Wahlrecht anerken nen zu können. Dann nahm er die Vorgänge bei der Be rufung Hertlings zum Reichskanzler und preußischen Mi nisterpräsidenten zum Anlaß, um kräftig Abrechnung mit der Reichstagsmehrheit und ihrem Programm zu halten. Dabei ging cs nicht ohne Spitzen gegen Hertling selbst ab. Das bewog den Ministerpräsidenten zu einer kurzen zweiten improvisierten Verteidigungsrede. Hier zeigte sich so recht seine staatsmännische Befähigung. Er regt beteuerte er seine monarchische Ueberzeugung und fö derative Gesinnung, um dann zu versichern, daß er von seiner Ueberzeugung bei den Verhandlungen mit den Mehrheitsparteien nichts ausgcgeben haw. Eine Kürzung der Kronrechte sei nicht cingetrctcn. Niemals werde er einem Frieden zustimmcn, der nicht eine Sicherung der deutschen Grenze und des preußischen Staates mit sich bmngc. Diesmal gab es auch auf den Bänken der Kon servativen wiederholt Beifall. Der einzige rückhaltlose Verteidiger der Regierungs vorlage, der am ersten Beratungstage zu Worte kam, Abg. Dr. Pach nicke von der Fortschrittspartei, hatte mit der Ungunst der Stunde zu kämpfen. Die übermüdeten und hungerigen Wgeordnetcn strömten, als er kurz vor zwei Uhr zur Rednertribüne schritt, dem AuSgang zu und auch auf der Ministcrbank liMctcn sich die Zuhörerreihen. Die Rede fand trotzdem auWrr Linken große Beachtung, denn sie brachte vom Parteistandpunkt der Reformfreunde noch einmal alle Gründ« für die Vorlage anschaulich zum Aus druck, ohne dabei die Schönheitsfehler zu übersehen, die ihr noch anhaften. Temperamentvolle Gcgenäußerungen gegen die Ausführungen des konservativen Vorredners fanden in dem dünn besetzten Saal nur ein schwaches Echo. Als um 3 Uhr der ZcntrumSführer Porsch das Wort nahm, strömten die Abgeordneten wieder in den Saal und verfolgten mit großer Aufmerksamkeit die für das Schick sal der Vorlage nicht unwichtigen Ausführungen des Red ners über die Haltung seiner großen Partei. Klar sprach Herr Porsch aus, daß ein Teil des Zentrums für die Vor lage stimmen werde, während ein anderer Teil nach dem Gang der Kommission-Verhandlungen abwarten wolle. Aus welcher Seite die Mehrheit sich befindet, konnte man nicht heraushören. Daß Herr Porsch selbst nicht zu den Freun den der Vorlage gehört, ließ sich aber deutlich erkennen. Um 3»/« Uhr wurden die Beratungen abgebrochen und Kriegsnachrichten, Bon de« Fronten. Dom ü. Dezember wird gemeldet: In Flandern revl« von mittags ab fast an allen Frontftellen die feindliche Artillerietätiakeit auf. Vielfach lag planmäßiger Beschuß schweren Kalibers auf unseren Stellungen. Erst gegen abend ließ das Feuer nach, blieb aber zwischen Houthoulster . Wald und Becelaere bis zum Morgen des K. Dezember in planmäßiger Stärke bestehen. Im Houthoulster Walde wurden in der Nacht drei feindliche Patrouillen abgewiesen, während eine eigene Patrouille Gefangene einbringen konnte. Die Bahnhöfe von Aire, Poperinghe und Boern sowie Truppenlager bei Bpern und die Festung Dünkirchen wurden mit beobachteter guter Wirkung mit Bomben belegt. Auf dem Schlachtfelde westlich von Eambrat setzte 4 Uhr nach mittags sehr heftiges feindlibeS Feuer in Gegend MoeuvreS ein, dem mehrere feindliche Vorstöße folgten. Sämtliche Angriffe scheiterten unter schweren Feindverlusten. Bei Marcoing erzielten wir weiteren Geländegewinn. Der ganze Scheldebogen östlich des Dorfes ist in unserer Hand. Nörd lich La Vacquerie verliefen Handgranatenkämpfe für uns erfolgreich. Südlich St. Quentin erhöhte sich im Laufe des 4. Dezbr. die feindliche Artillerie- und Minenwerfertätigkeit bedeutend. Von 3 bis 5 Uhr nachmittags lag allerstärkstes Minenfeuer auf den Abschnitten Jtaneourt-Allaincourt. Unsere Artillerie antwortete mit Vernichtungsfeuer auf die feindlichen Batte rien und MinenwerierstellunSen. Oeftlich der Maas hielt lebhaftes Nrttlleriefeuer bis in die Nacht hinein an und lag mit teilweise heftigen Feuerüberfällen insonderheit auf unseren Stellungen zwischen Beaumont und OrneS. ' Amtlicher «irkischer Bericht Aus Konstantinopel wird vom 4. Dezember gemeldet: Smalfront: An der Küste und westlich Jerusalem im all gemeinen Ruhe. Der Versuch des Gegners gegen unsere Truppen südöstlich Vaslin vorzugehen» scheiterte schon in unserem Artilleriefeuer. Heftiger war der Kamps bei Betur el Foka. Den Engländern gelang es, sich vorübergehend in den Besitz dieses Ortes zu setzen. Abends batten unser« tapferen Truppen alle ihre Stellungen wieder genommen. Starkes Artilleriefeuer lag auf unseren Stellungen vorwärts Vethunia. Sonst keine Ereigniffe. Die Waffeustillstandsverhandlnngen. Don einen: hohen Offizier. Kein Krieg gleicht dein anderen, und ebenso wenigs gleichen sich die Uebergänge vom Kriege zum Frieden. So haben wir jetzt die bemerkenswerte Tatsache zu verzeich nen, daß aus der Initiative deS russischen HeereS heraus der Waffenstillstand auf einem großen Teil der Ostfront bereits eingetreten war, noch ehe die amtlichen Verhand lungen am 3. Dezember begannen. Das ist ein Zeichen des tiefen Friedensbedürfnisses, von dem die Masten der russischen Frontheere, vielleicht mehr noch als die des Vol kes im ganzen beseelt sind. Allerdings erfahren wir jetzt, daß Vorverhandlungen mit dem deutschen Oberbefehlshaber Ost und zwar ebenfalls auf Antrag der Russen bereits am 25. November eingelcitet worden waren. Man darf wohl sicher annehmen, daß nunmehr die amtlichen Verhand lungen in Kürze zum Abschluß eines förmlichen Waffen stillstandes führen werden und daß damit die beiden krieg führenden Teile den Willen zu erkennen geben, auch zu einem ehrenhaften, dauernden Frieden zu gelangen. An der Aufrichtigkeit des Willens der Bolschewiki darf man nicht zweifeln, Mißtrauen ist hier nicht am Platze. Denn ihre Macht steht und fällt mit der Durchführung deS FriedenSvertragcS; sie haben die bisher regierende Par tei der KerenSki und Terestschenko sowie sämtlicher hoher Generale, die sich bedenklich dem kriegshetzerischen Treiben der Kadetten genähert hatten, nur darum 7o rasch und glatt aus dem Sattel heben können, weil das Heer fein Blut nicht mehr in neuen Angriffen zu Gunsten von Engländern und.Franzosen verspritzen wollte. Es sehnt sich nach der Heimat und der in Aussicht gestellten Land verteilung. Sofern man der Ehre Rußlands nicht zu nahe tritt, wird wahrscheinlich niemand mehr dieses Heer in seiner gegenwärtigen Verfassung zu einem neuen gro ßen Angriffe mit sich fortreißen können. Auch der eiserne Nicolai nicht, wen« e» ihm gelingen sollte, sich der Macht zu bemächtigen, die den schwachen Händen seine- Neffen so rühmlos entglitten war. ES hat gar keinen Zweck, in Erörterungen darüber einzutreten, wem der Waffenstillstand mehr nützen würde, -en Russen oder den Mittelmächten. Den ersteren war er eben unbedingt erforderlich und darum werden alle Drohungen und alle Jntriguen -er Westländer an der Entwicklung der Ereignisse nichts mehr zu ändern ver mögen. Daß diese ihn aber als schweren Schlag empfin den, geht auS allen Nachrichten zweifellos hervor: selbst ein Lloyd George spricht zum ersten Male on einer 'ehr ernstcii Lage. Schon die italienische Katastrophe hat seine Siegeszuversicht einigermaßen erschüttert: der neue «Schlag aber trifft ilm härter, denn er vermindert die Hoffnung, das Unglück der Italiener wieder auSzugleichen, eilten günstigen Umschwung der allgemeinen Lage dennoch ssierbeisühren zu können. Entsinnen wir uns, daß nur in der Freiheit von England, Frankreich und Rußland, un sere Gegner Flanbien, uns niederwersen zu 'können, und daß in der Tat die Riesenheere Rußlands uns gezwungen haben — und sie alleine! —, das Schwergewicht deS Krie ges drei Jahre hindurch nach dem Osten zu legen. Alle sogenannten Siege der Franzosen und Engländer, die Nö tigung der deutschen Heere zum Stellungskriege im Westen sind nicht durch die Tapferkeit Jener, sondern nur durch die Ströme Blutes, durch die Opfer zahlreicher Millionen an Toten, Verwundeten und Gefangenen — ich berechne die Gesamtzahl auf etwa 12 Millionen — ermöglicht wor den, die die russischen Heere opferfreudig für ihre Bundes- genossen hergaben. Aber selbst sie genügten noch nicht, lins niederzuwcrfen. Man bedurfte, des Verrates Ita liens und bewilligte ihm die unerhörtesten Bedingungen. Wir kennen sie ja jetzt aus unantastbarer Quelle, alle jene maßlosen Forderungen, die die Kämpfer für die Rechte- und die Freiheiten der kleinen Nationen, für das Selbst bestimmungsrecht der Völker, für die Demokratie, dem auS- ffchweifendcn Imperialismus deS treulosen Staates be willigen mutzten. Nun ist Italien schwer getroffen, fraglich, wann es sich wieder wird aufrichten können, und nun springt Ruß land, um sich selbst zu retten, von den» unfruchtbaren Bunde ab. Wo sind nun die Siegesaussichten der so ge schwächten Entente? Der Krieg kehrt zurück zu seinem Ausgangspunkte; im Westen wird die endgültige Ent scheidung fallen, und hier wird der Krieg weitergehen, bis das letzte Blut der Franzosen verspritzt und auch sie für England die Trümmer ihrer VolkSkraft nicht mehr wer den opfern wollen. In Frankreich haben wir schon einmal da- damals noch merkwürdigere Schauspiel erlebt, daß der Krieg auf einem Gebiete weiter ging, während für den größten Teil «des Landes Waffenruhe eintrat. Am 26. Januar 1871 -«wurden Belfort und das Heer Bourbakis von dem Ab schluß des Waffenstillstandes ausgenommen. Leider ha ben wir im Friedensvertrage den für uns günstigen Aus gang deS Feldzuges im Südosten nicht ausgenutzt, son- der» Belfort den Franzosen zurückgegeben. Man kann nicht verkennen, daß im Beginne des gegenwärtigen Krieges sich diese Großmut als strategischer Nachteil für uns erwiesen hat Jetzt wollen Franzosen und Engländer die Mög lichkeit mcht ausrrutzen, die die Friedenshand der Bolsche wiki ihnen eröffnet hat: sie sind eS, die den Krieg fort setzen wollen, weil sie sich wie der Ertrinkende an einen Strohhalm noch immer an die unsicher^ Hoffnung ame rikanischer Wafsenhilfe klammern. Mer eine geringe Ueberlegung zeigt, daß das Heer der Vereinigten Staaten für sie niemals das werden kann, was die Russen für sie gewesen sind. Selbst unter den günstigsten Verhältnissen, selbst wenn sie die Zeit gewinnen, die sie kaum gewinnen werden, können die Streitkräfte Amerikas niemals einen Ersatz für die Riesenheere Rußlands, niemals einen Aus gleich für die Beseitigung deS Zweifrontenkriege bieten. Inzwischen dürfen wir nicht vergessen,, -aß Waffen stillstand noch nicht Frieden bedeutet, wenn er in diesem Falle vielleicht auch dahin führen wird. Solange kein sicherer Frieden geschlossen ist, bleiben natürlich ansehn liche Streitkräfte der Mittelmächte im Osten gebunden. Wie lange der Waffenstillstand dauern wird, das hängt allein von den besonderen Mmachungen ab. Die einzige völkerrechtliche Bestimmung, die hier Platz greift, und de ren Beachtung seitens der Russen wir sicher erwarten dür fen, ist die, daß vor seinem Ablauf die Feindseligkeiten picht wieder eröffnet werden dürfen, ' ' " auf Donnerstag vertagt. Hätten sie mit einer Mstlin- mung geendet, so wäre nach den Ausführungen der Red ner zweifellos eine Niederlage der Regierung das Ergeb nis gewesen. Die Rede Hertlidgs. Ueber die Rede Hertlings verbreitet W.T.B. folgenden Bericht: In der gestrigen Sitzung des preußischen Abgeord netenhauses ergriff Ministerpräsident Graf Hertling das Wort zu einer Rede, in der cs n. a. beißt: Da eine Trennung der beiden Remter sich als untunlich beraus- stcllte, bat mich der Kaiser nnd König im Anschluß an meine Werusung auf die Stelle des Reichskanzlers auch zum Präsidenten des preußischen StaatSmtnisteriumS ernannt. Obwohl ich 15 Jahre in Preußen gelebt und 1880 als Professor in Bonn auch den StaatSbeamtencid geleistet habe, komme ich zu Ihnen als ein völlig Fremder. Die Schwierigkeiten, die sich hieraus in der neuen Stellung er geben, habe ich vom ersten Augenblicke an sehr hoch einge schätzt. Da der hochverdiente bisherige Vizepräsident um Enthebung von dieser Funktion nachaesucht bat, habe ich daher Seine Majestät gebeten, einen neuen Vizepräsident zu ernennen, der in weiterem Umfange als bisher den Präsidenten zu vertreten haben würde. Ich werde nach Kräften bemüht sein, mir das Vertrauen zu erwerben, auf welches ich bisher einen Anspruch nicht erheben kann. Sie wissen, vor welch schwierige und bedeutungsvolle Aufgabe ich mich bei der Uebernahme meines Amtes sofort gestellt sah. Es ist mir die Verpflichtung auferlegt, ei« zu wie derholten Male« gegebenes Königswort einzulösen. Ich werde alle meine Kräfte daran setzen, dieser Ehrenpflicht zu genügen und ich tue es aufrichtigen Herzens. Die Ihnen vorgelegten Entwürfe bedeuten einen Wendepunkt in der inneren Geschichte Preußens, aber eine staatserhaltende Politik, wie ich sie durchaus vertrete, kann sich nicht darauf beschränken, unter allen Umständen das Bestehende zu konservieren. Sie muß auch mutig und ent- schloffen zu Neuerungen die Hand bieten, wenn die Ent wickelung des Volkslebens sie verlangt. Daß ein solches Vorgehen schwere Bedenken und schmerzliche Gefühle wach ruft, ist natürlich und ich weiß diese Gefühle durchaus zu würdigen, ja ich verstehe es, wenn diesen Klaffen das Fest halten an dem von den Vätern Uebernommenen sich gerade zu als Gewissensfrage darstellt. Aber dieser Gewissenskampf muß durchgekämpft werden. Das Wahlsystem, über das schoß vor 50 Jahren kein Geringerer als Fürst Bismarck sein bekanntes Verdikt ausgesprochen hat, läßt sich nicht länger halten angesichts der tiefgehenden Veränderungen, die die Zusammensetzung des Volkskörpers erfahren hat. Sie leisten dem Vaterlands einen großen Dienst, wenn Sie der Vorlage, selbstverständlich nach eingehender Prüfung, die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen. Sodann erwähnte der Ministerpräsident noch den Ge setzentwurf über die Zusammensetzung des Herrenhauses, der das Ziel verfolge, das Herrenhaus nicht nur in seiner bis herigen Stellung und Bedeutung zu erhalten, sondern es fester in der Gesamtheit des Volkes zu verankern. Die weitere Begründung dieses Gesetzentwurfes überlasse er seineni Kollegen vom preußischen Staatsministerium. Er schloß mit dem nochmaligen Appell: Bringen Sie dem Vaterlande das Opfer, wenn es em Opfer für Sie ist. Stimmen Sie den Vorlagen zu. Sie werden dadurch das Gedeihen des Staates fördern, möglicherweise sogar zur Verhütung schwerer Erschütterungen beitragen. (Lebhafter Beifall.) In seiner Antwort auf die Ausführungen v. Hehde- kbrandts sagte Mnisterpräsident Graf Hertling noch: Die Auffassung des Vorredners über das, was meiner Er nennung voranging, kann ich nicht teilen. Der Kaiser rich tete bereits am 13. Juli an mich die Frage, ob ich zur Uebernahme des Reichskanzleramtes bereit sei. Ich gab damals dem Rufe nicht Folge. Der Kaiser wiederholte jetzt den Antrag. Der Vorredner erklärte nun, daß mich patriotische Motive zur Annahme des äußerst schweren Amtes bewogen hätten. Bei de^ verwickelten politischen Lage im Innern konnte ich gar mcht anders handeln, als mich mit verschiedenen Mitgliedern verschiedener Parteien ins Benehmen zu setzen. Zuerst wandte ich mich an Mit glieder der Partei des Vorredners. Ich habe mich nicht auf ein Programm festgesetzt, daß ihrer politischen Auf fassung entsprochen hat. Ich habe keine Konzessionen ge macht, die meiner politischen Ueberzeugung widersprochen siätten. Den Vorwurf, -aß ich das Ansehen der Krone herabgesetzt hätte, weise ich entschieden zurück. Ich bin von jeher entschiedener Royalist und will als solcher sterben. Ich werde auch nie die Hand dazu bieten, den föderativen Charakter des Reiches irgendwie zu beeinträchtigen, ich werde keinem Frieden zustimmen, -er nicht die wirkliche Siche rung der deutschen Grenzen 'bringt, her eine äußerste Ge fährdung des prcußmhen Staates mit sich bringt. ILeb- hafter Beifall.)
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