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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.10.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-10-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111016026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911101602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911101602
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-10
- Tag 1911-10-16
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Monat
1911-10
-
Jahr
1911
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Cambon» Ist der Direktor de« französischen Kolonialamt», Rognon, der frühere langjährige Gouverneur von Gabun, nach Berlin ent sandt worden. Er hat dem französischen Botschafter genaue Instruktionen für di« Verhand- lungen mitgebracht, die er im Verein mit dem Kolonialministcr Lebrun und dem bekannten Kolonial politiker van Vollenbof ausgearbeitct hat. Rognon ist mit den Verhältnissen in Französisch-Kongo anher- ordentlich gut vertraut und gilt als sehr geschickter Diplomat. Marcel Hulin führt weiter aus, dah bei den Kongooerhandlungen auch der Staatssekretär der Kolonien, Herr von Ltndequist, und Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg, der be kannte Asrikaforscher, von deutscher Seite hinzu gezogen werden. Das Blatt schlicht mit der Versicherung, dah die Verhandlungen aut manche Sckwlcrigleitcn stohcn werden, da Deutschland nach seinen Informationen nicht mehr mit einem Teil des Kongo zufricten sei, sondern den ganzen französischen Kongo verlange. Weiter wird gemeldet: Paris, 16. Oktaler. lE. D.) Zu den Kongo- Verhandlungen veröffentlicht der „Temps" Mit teilungen, die ihm aus dein Umweg über London zugehcn. Danach sollen die von dem früheren Gou verneur von Kamerun Jesko von Puttkamer ausgestellten Forderungen, die den non Frank reich angebotenen Kongolompcniationen jeden Wert absprechen und daiür eine weitgehende Retti- fikation der Kamerunq renzcn verlangen, vielen Anklang in dcuischcn Kaloniallreisen ge sunden haben. Dein „Temps" zufolge soll jetzt auch Kiderlcn-Wächler sich Lein Standpunkt Puttlamers nähern. Lschülche Tuderkllloje-Le'aLniN'ilMg. C) Dresden, 15. Oktober. Im Drohen Saale des städtischen Ausstellungs palastes trat eine vom Freien Ausschüsse zur Be kämpfung der Schwindsucht in Dresden cini erufene Sächsische Tubcrtulosc-Veriammlung zusammen, der neben zahlreichen Aerztcu auch die Herren Geh. Rat Renk, Präsident des Laudesmedizlnalkollegiums, Geh. Rat Weger, Präsident der Landesversiche- rungsaiistalt, der Präsident der Generaldirektion der Sächsischen Staatseisenbahucn Prof. Dr. Ulbricht, Ob.rdürgermeiiler Geh. Rat Dr. Beutler, Kreis- hauptmann Dr. von Oppen, Amtshaupttnann Dr. Streit usw. beiwohnten. Der Vorsitzende des „Freien Ausschusses", Herr Oberbürgermeister Geh. RatDr. Beutler, eröffnete die Verhandlungen mir begrüßenden Worten. Die Versammlung wählte hierarif zum Ehrenvorsitzenden Se. Exzellenz Herrn Geh. Rat Prof. Dr. Fiedler und zu Milgliedern des Bureaus die Herren Bürgermeister Dr. May- Dresoen, Sanitätsrat Dr. W o l r - Reiboldsgrün und Regierungsrat Dr. Oerrel- Chemnitz. Hieraus sprach Herr Dr. med. Beschoncr-Dres den über den Stand und den werteren Aus bau der Tudertulose-Bclämpsuna in Sach sen. Er besprach zunächst das Wesen der Tnberluloie, die nach dem Aussprüche ärztlicher Autoritäten heil: ar sei. Exz. Pros. Dr. Fiedler habe s. Z. die ersten Luftbaracken rin Friedrichstädter Kraulenhause e.n- geführt und hierdurch bahnbrechend auf dem Gebiete der Lchwindsuchtsbekämpsung gewirrt. Dies sei auch grundlegend für die Voltsheilstätrenbewegung ge wesen, die in Sachsen schone Erfolge gezeitigt habe. Durch die Heilbehandlung allein könne jedoch die Tuberkulose nicht bekämpft werden. Ausserdem sei auch die Behandlung in den Lungenheilstätten für viele zu kostspielig. 1603 sei die erste Anregung zur Begründung einer Lungenheilstätte von Berlin aus- aegangen, und 1906 habe mau Füriorgestätten in Dresden, Chemnitz und Leipzig begründet. Später folgten Zwickau, Klotzsche, Loschwitz mit Lungcnfürwrgestellen, denen sich zahlreiche sächsische Amtshauptmannschaften anschlosien. Die Grundlage jeder Fürsorgestelle mime der Tuberkulose-Ausschuss bilden. 2n Sachsen beständen noch zahlreiche Fiir- jorgestellen. denen kein Ausschuß zur Seite stelze, wes halb dieselben auch nicht freauenticrt würden. Dem Ausschuss falle steis die Hauptarbeit zu. Am 21. Mai 1610 habe das Ministerium des Innern eine Ver ordnung dctr. den Kamps gegen L.e Tuberkulose er lagen. Durch diese Verordnung sei die planmühige Leitung der Bekampsungsmahregeln den Kreis- und Amlshaupimannschaitcn übertrugen worden, denen freie Hand gelassen worden sei. Dadurch sei I es möglich gewesen, die vorbeugende Bekämp- I jung der Schwindsucht überall den Ver- I hältnissen anzupassen. Die Einrichtungen seien infolgedessen rn den einzelnen Amtshauptmann- schasten verschieden. Jedenfalls aber dränge alles auf die Errichtung eine Zentralstelle für da« ganze Land hin. Die bisherige wohl- wollende Zurückhaltung des Königlichen Ministerium» des Innern in dieser Frage halte er iür durchaus verständlich, da erst noch Erfahrungen gesammelt werden müssen. Es sei aber sicher anzunehmen, daß da« Ministerium des Innern der Angelegenheit lein wertvolles Interesse auch in Zukunfr nicht ver sagen und im gegebenen Moment die Zentralisation der Organisation in die Hand nehmen werde. Es müsse auch ausklarend aus die weitesten Volks schichten gewirkt und bereits in der Schule müssen die Grundlagen für die Gesundheitspflege und Kesundheitslchre gelegt werden. Er hoffe, dass auch das neue Volksschulgesetz den Erwartungen in dieser Richtung entspreche. Mängel seien auch noch bezüglich der Unterbringung der unheibaren Säwind- jüchtigen vorhanden. Insbesondere müssen in den Krankenhäusern die besten Räume für die Tuberku lösen dereitgeslellt werden. Ausserdem nahm die Versammlung noch einen Anirag des Dr. med. Bschorna an, der dahm ging, alle bisher in Sachen der Tnberluiose-Bekämpiung in Sachsen und Preußen erschienenen Verordnungen usw. zu sammeln, worauf die Versammlung mit den übli en Dankeswonen geschlossen wurde. An zweiter Stelle sprach Herr Dr. med. Dumas- Leipzig über die Beziehungen der Tuberkulose zu Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Hieran schlossen sich Berichte der Herren Dr. Karsting- Deubcn, Pol'.zeirat Hartwig-Chemnitz undSwdtrat Seifert-Leipzig über die Fortschritte der Tuder- lulosebekämpiung in ihren Gemeinden. Sonntag vormittag 11 Uhr wurden die Beratungen fortgesetzt. Denselben woynten Se. Exzellenz der Herr Kultusminister Dr. Beck, Se. Exzellenz der Herr Oberhosmcister a. D Generalleutnant z. D. von Malortie und Se. Ex'ellein der Herr Geh. Rat Prof.Dr. Fiedler bei. Herr Oberbürgermeister Geh. Rat Dr. Beutler leitete die Vermmmlung mit begrüßenden Worten ein worauf die Herren Städt. Schularzt Dr. Thiele-Chemnitz und Bürgerfchul- lehrcr Hermann Graupner-Dresden über' Anträge zum sächsischen Dolksschulgesetz referierten. Die von ihnen aufgestellten L eitsätze wurden auf Antrag des Oberbürgermeister Geb. Rat Dr. Beutler dem König!. Kultusministerium als Material für das neue Volksschulgesetz überwiesen. Die Leitsätze. Die Leitsätze des Dr. Thiele lauten: 1) Die durch die Wissenschaft sichergestcllte Er kenntnis, dass die Tuücrtulose eine ansteckenoe Krank heit mit zumeist chronischem Verlaufe ist, die vor nehmlich im Kindesalter erworben wird, erfordert nicht nur eine den übrigen Kinderkrantheiten gleich gestellte Berücksichtigung, sondern eine nachdrückliche Hervorhebung im Volksschulgcsetze. 2) Die Eriahrung, dass in den der Schulzeit un mittelbar folgenden Lebensjahren die Erkrankungs und Srer"lichteitsziffer erheblich steigt, zwingt zu besonderen Massnahmen während der Schulzeit. 3f Die Voraussetzung einer erfolgversprechenden Bekämpfung der Tubertulose in der Schule und durch die Schule ist ». dis Feststellung des Gesundheitszustandes sämt licher S hultinder: d. die fortlaufende lleberwachung des Gesund heitszustandes aller krank oder tranlyeits- verdächtig befundenen Schulkinder; «. die gesundheitliche Beratung der Konfirmanden im Hinblick auf die Berufswahl. Zur Erfüllung dieser Forderungen sind an allen Schulen des Landes Schulärzte an usicllcn. 5) Die Schulärzte haben ihre Tätigkeit in engster Fühlung mit den örtlichen Tuberkulose-Berämpfungs- einrichtunaen lAuskuntts- und Fürforgestellen, Tu- bertulose-Ausschüsse usw.l auszuüben, wie auch diese gehalten sein sollen, der Schulleitung beziehungsweise dem Schulärzte jeden zu ihrer Kenntnis kommenden . Fall von Tuberkulose oder Tuberkuloseverdacht bei Schulkindern mitzuteilen. 6) Kinder mit offener Tuberkulose dürfen die Schule nicht besuchen. 7) Dem Schulärzte ist Sitz und Stimme in den Schulausschüssen zu gewähren. Die Leitsätze des Herrn Graupner lauten: -t. Allgemeine Sätze: Die Schule kann sich im Kampfe gegen die Tuberkulose wirffam beteiligen s. durch Verminderung der Ansteckungsgefahr in den Schulräumen, d. durch Erziehung zu schwindsuchtsvcrhindernden Gcwobnbeiten, o. durch Hebung der Widerstandskraft der Schüler. Zur Erreichung dieses Zieles erachten wir folgende Forderungen für das neue Schulgesetz >ür notwendig- Ik. Spezielle Forderungen. 1) Nordlaae der Lehrzimmer ist zu vermeiden. 2) Jeder Schülerplatz hat direktes Himmelslicht. 3) Für je 300 Kinder ist ein Eingang und eine Treppe von mindestens 2 »- Breite vorzusehen. 4) Die Vorsäle dienen bet schlechtem Wetter als Erholungsräume und bietem jedem Kinde min destens 0.8 gi» Bodenfläche. Fussböden und Wände sind glatt und ohne Fugen. 5> Die Heizung soll eine milde, gleichmässig ver teilte Wärme liefern von 17—19" 0. Die Kops Fuss differenz darf 3" nicht wesentlich überschreiten. Bei Zimmerwarme von weniger als 14" ist der Unterricht in diesem Raume zu «chliessen. 6) Die Lüftung soll jedem Schüler 20 obm ein wandfreie Lust bieten. Das ganze Fenster muss be quem und schnell zu öffnen sein. Der oberste Teil des Fensters ist als Kippflügel zu gestalten. Die Arbeit bei offenem Fenster darf nicht durch Lärm, Gerüche oder S:aub unmöglich werden. 7) Hinreichend Waschgelcgenheiten sind in den Unterrichtsräamen und Aborten vorzusehen. 8j Gesundes Trintwasser ist drnch Einzelbecher oder Trintjpringbrunnen zuzuführen. 9) Die Klassenzimmer sind höchstens 9 X 6 X 4 m abzumessen und bieten jedem Schüler 5 cd u Raum. Klerder werden nicht darin aufvewahrt. 10) Jede Schule hat eine gutgelüflete Turnhalle, die auch der schulentlassenen Jugend zugänglich ge macht werden kann. 11) Der Schulhof soll nicht unter 250 gm gross sein, auf den Schüler muss 3 gm Fläche entfallen. Ein Teil ist überdacht. 12) Ausserdem sott jede Schule einen trockenen, staub freien Spielplatz von mindestens 1500 qm haben, bei Abteilungen unter 15 Spielern nicht unter 600 q » 13) Jeder Volksschule muss ein Brausebad zu gänglich sein, mö lichst auch Schwimmgeiegenhert. 14) Turnen findet täglich statt auf allen Klasfen- stusen, wöchentlich rm ganzen 180 Minuten. Ein Spiel-Rachmittar in jeder Woche dient dem freieren Betr.eb der Leibesübungen: Spielen, Wan dern. Schwimmen, Eisläufen usw. Ausserdem finden täglich in oen Unterrichtspauffn Hallungs- und Atemübungen statt. 15) Tie Aborte sollen durch Anlage und Pflege mustergültig für die Bevölkerung wirren. 16) Die Spucknäp e sind an etwas verborgenen Stellen in Brusthöhe der Kinder an die Wand anzu bringen, eine Verschleppung des Inhaltes durch Menschen oder Tiere muss ausgeschlossen sein. Die Entleerung und Füllung mit neuer Flüssigkeit erfolgt täglich. 17) Die Reinigung aller Räume geschieht an jedem Tage in Gestalt von feuchtem Wischen. Die Schul bänke müssen eine leichte Freilegung des Bodens er möglichen 18) Die Bänke sollen den Körpergrössen der Kinder entiprechcn, auf kalten Fussboccn sind sie mit Fuss brettern zu versehen. 1'.)) Die Unterrichtszeit liegt möglich auf dem Vormittag. Zwischen Vor- und Rachmittagsunter richt ist eine drenründige Pause einzmchieben. Die Unterrichtseinheit beträgt für die ersten beiden Schuljahre nicht über 30 Minuten, für die übrigen Klassen nicht über 45 Minuten. Pausen sind abwechselnd 10 und 20 Minuten lang. 20) Hausaufgaben sind unterlagt im ersten Schul jahr. wahrend Ler Ferien, am Spielnachmittag, vom Vormittag zum Rachmrttag. Für Lre Anfertigung der Hausaufgaben ist eine Maximalstundenzahl von der Schule festzusetzen und den Eltern muzuterlen. 21) Schwächliche Kinder sind in besondere Klassen lusammenzuziehen, die unter tüchtigen pädagogischen Hygienikern der lürsorgenden Massnahmen beson ders teilhaftig werden. 22) Die Belehrung in Gesundheitspflege erfolgt auf allen Stufen, ihr ist die gleiche Zeit als den übrigen naturkundlichen Fachern einzuräumen. Aur der Oberstufe sink) Tuberkulose und der Alkoholmissbrauch als besondere Themen vorzuiehen. 23 Die hygienischen Einrichtungen der Volks schule sollen möglichst auch der schulentlassenen Jugend zugute kommen. 24) Tuberkulose und Lehrer. Lehrer mit an steckender Schwindsucht haben sich einer Kur zu unter ziehen, bei ausblclbender Heilung sind zu pensio nieren. Besondere Kassen sollen sie vor wirtschaft licher Rot bewahren. Zur Vorwrge sind aus das Seminar nur Knaben mit kräftigen Atemorganen aufzunehmen, ihnen ist eine gediegene Leibespslege und eine gründliche Durchbildung in Schulhygiene und Kinderkunde zu gewähren. Be- sonders sind ihre Stimmorgans planmässig zu üben. Die iür die Lehrerwohnung bisher vorgeschriebe nen 4 Raume sind alle heizbar anzulegen und um ein Zimmer noch zu vermehren.'für den Verkehr mit den Eltern und zur Isolierung des Lehrers bei an steckenden Krankheiten. Ausserdem ist ein Bad ein- bauen. polltlfche Nachrichten. Aus dem Wahlkreise Oschatz—Grimma. In Oschatz fand, wie uns ein Prioattelegramm meldet, am Sonntag eine gemeinsame Versamm lung von Vertrauensmännern der Fortschrittlichen Voltspartei und der Nationalliberalen Partei statt, in der einstimmig gemäss dem Abkommen zwischen beiden Parteien der fortschrittliche Kandidat Dr. Jahn-Leipzig proklamiert wurde. Die Bergarbeiterbewegung im Ruhrgebiet. Duisburg, 16. Oktober. (Priv.-Tel.) Im Ruhr gebiet fanden gestern wegen der neuen Lohnbewe gung mehrere Dergarbeiterversammlun- gen statt. In einer derselben wurden die Aussichten i eines Kampfes als durchaus nicht ungünstig bezeichnet, da es vermutlich in Großbritannien zum Generalstreik kommen würde, und diele günstige Ge legenheit von den Bergarbeitern ausgenlltzt werden müsste. Tumult in einer Eisenbahneroersammlung. Berlin, 16. Oktober. (Priv.-Tel.) Eine Eisen- bahnerversammlung war zu gestern in die Hasenheide einberufcn, um zur Teuerung Stellung zu nehmen. Als der sozialistische Abgeordnete Hoffmann (Zehn-Gebole-Hofsmann) das Wort verlangte, er klärte der Vorsitzende, er gebe das Wort nicht an Nichteisenbahner zur Geschäftsordnung. Ein un geheurer Tumult entstand. Derselbe verstärkte sich, als Hoffmann aufgefordert wurde, die Versamm lung zu verlassen. Schliesslich folgte er der Aufforde rung. Gleichzeitig erhoben sich tausend Eisenbahner und verließen mit Hochrufen auf Hoffmann den Saal. Die Ruhe in der Versammlung war schwer wieder herzustellen. Verhaftungen von Anarchisten. Im Frühiahr desertierte vom Pionierbataillon in Hanau der Pionier Nürnberger. Nachforschungen er- aaben, dass er vermutlich nach Hamburg cegangen sei. Vor einigen Tagen hat sich Nürnberger seinem Bataillon freiwillig gestellt und bei der Vernehmung an gegeben, dass er mit drei Anarchisten in Ham burg in Verbindung gestanden habe. Auf Grund der Feststellungen des Hanauer Gerichts der 21. Division wurden in Hamburg die drei Anarchisten Bader, Schreyer und Drews verhaftet. Zur gleichen Zeit wurden in Krefeld die beiden Anarchisten Brock und Puel len sowie in Düssel dorf die Anarchisten Häusler und Muhrmanu verhaftet. Di« belgische« Kommunalwahlen. Brüssel, 16. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Im ganzen Lande fanden die Kommunalwahlen statt. In fast allen Gemeinden, in denen Gegenkan didaten ausgestellt waren, kämpften Liberale und Sozialdemokraren gemeinschaftlich gegen die Katho liken und konnten in allen größeren Städten einen grösseren Stimmenzuwachs verzeichnen. Der Wahl kampf drehte sich einzig um den Schulgesetz, entwarf, der seinerzelt den Sturz des Kabinetts Schollaert herbeiführte. Brüssel, 16. Oktober. lEig. Drahtmeldung.') Die Kartelliste der Liberalen und Sozia list en in Antwerpen, Lüttich, Gent, Namur, Der viers. Charleroi, Mons, Loewen und Brügge ist voll ständig durchgedrungen. Schollaert ist in Loewen unterlegen. Ausnahmegesetze gegen portugiesische Verschwörer. Lissabon, 16. Oktober. (E. D.) Die Regierung hat der Kammer einen Gesetzentwurf vorgelegt, dem zufolge d'.e wegen Teilnahme an dem royalistischen Putsch Verhafteten vor dem Kriegsgericht zur Aburteilung gelangen sollen. Das Gesetz sieht ferner vor, dass rn allen zukünftigen Prozessen wegen Hoch errate die den Angeklagten sonst zur Seite stehenden gesetzlichen Garantien aufgehoven werden sollen. Kemtzyritts „Grestie" ües KMylas. Aus Berlin schreibt uns unser Mitarbeiter: Die „Orestie" des Aeschylos die Sie in Leipzig in einer so jpotffchlechten Aufführuni sahen, ist nun auch in Berlin zum literarischen Zirkusereiguffse geworden. Aeschylos, von Karl Vollmoeller ver deutscht und in den glatten Fluss des fünffüssigen Jambus gebracht, weils obneKompromiss nicht geht. Und Vollmoeller hat dein W^rke ein Opier gebrückt; er bat seine philologischen und dichterischen Ambi tionen zurückgevrängt und den Vermittlerposten ein genommen zwischen Wilamowitz-Möllendorf und Hofmannsthal. Wer aber weder das Eine noch das Ändere ist, der ist darum noch nicht beides in einer Person. Aeschylos in Reinhardtscher Aufmachung, genau derselben, in der Sophokles modernisiert worden ist. Mystisch, mythisches Halbdunkel mit bläulichen Lichteffekten; ichwurzgraue Sitzreihen aus Holzlisten auf der Peripherie der mit grünem Teppich belegten Arena; als Bühncnpodium in zwei Etagen der streng archaistisch gehaltene, schwarzgraue Vorbau vor dem Königspalaste: Scitentrcppcn steigen zum Bühnenpodesl empor, von dem in der Mittelaxe die breite Freitreppe zum Eingang in den Palast führt. Langgezogene Pofaunentöne. tief und dunkel, rufen zum Schauspiele: Stimmungsmache, die nun ein mal wirkt. Die Aufführung der beiden Teile der Orestie ,.Agamcmno n" und ,.DasTotenopser" (Die Choe- phorren) im Zirkus Schumann hat den vermeintlichen neuen Stil Reinhardtjcher Kunst als Manier eines Virtuosen begreifen gelehrt; die Augen, die sich an das Dunkel gewöhnt haben, erkannten unter seinem Schleier das Holzgerüst des Schemas. Da« ist nicht bloss bildlich gesprochen; es steht da als orimi- tioe Schernarchitektur, und an ihr wird die innere Stimmung der Dichtung veräußerlicht, wird mit Vinsel und Farbtopf der ideelle „düstre, mythologische Hintergrund" grob versinnlicht. Sehen wir einmal von der sozialpädagogifcken Bedeutung de« Rein- hardtschen Versuches ab, so bleibt als Vorzug des Zirkustheater« vor der gewohnten Schauspielbühne nur die grosse räumliche Wirkung, und dieser Boriug enthält auch manchen Nachteil. Die rein geistig-seelische Wirkung kommt trotz aller äusserlichen Stimmungs mache oft zu kur- und kann bei guter Darstellung rm althergebrachten Bühnenrahmen stärker und tiefer sein als im weiten Raum des Zirkus, dessen Masse zu einer unserer Schauspielkunst und unserm Pubti. tum fremden, seelisch stummen, deklamatorisch-pathe tischen Steigerung des Organs und der Erste führen mutz. Und so weht uns denn aus Reinhardts starker Stimmungsmalerei nicht der warme Hauch zu neuem Leben erwachten Menschentums an, sondern der kalte Hauch des Schattenreichs. Und noch ein wichtiger Umstand spricht dafür, dass die Au'führung auch griechischer Tragödien auf der Bühne des Schauspielhauses der auf dem Zirkus vorzuziehen ist; der enge Rahmen ermöglicht nicht nur die Geschlossenheit Les Gesamteinorucks, das grosse, einheitliche Bild, er zwinat geradezu zu beiden; wogegen die Anlage des Zirkus das Zer splittern des Eindrucks in einzelne Eindrücke, oas Auseinanderfallen des szenischen Bildes in Bilder bedingt. Dort auf dem Podium zu Häupten des Chors steht Klytämnestra. ihr gegenüber im Mittel eingange zur Arena, der einichueidet in die Sitzreihe der Tribüne, hält unter Kriegern und Nolt auf seinem Triumphwagen der Heimgckehrte Agamem non, von dem ein Teil der Zuschauer nur Len Revers bewundern kann. Zwischen beiden aäbnr die leere Arena. Rechts am Ende, links am Ende —! Wie in die er aufs Geratewohl herausgcgriffenen Szene, so ordnen sich die Gestalten wiederholt zum malerischen Bilde, das durch die Absicht verstimmt. Ein momen tanes Stocken im Gange der Darstellung, und die gestellte Illustration zum Texte der Dichtung und nicht mehr als die ist fertig. Wenn im „Agamemnon" die Greise von Araos sich auf ihre Bänte niederlasien, dann hebt sich eine Reihe vom dunkeln Grunde des Miltelstücks der Bühnenarchitektur ab wie Hodlers Lebensmüde. Ein wirkungsvolles Bild und doch nur ein Mätzchen. Dieser Chor der Greise, der in einiger Bewegung bald sich zusammenballt, bald wieder auseinander- fliesst, muss, um sich nicht im Raume zu verlieren, zu einer Volksmenge verstärkt werden. Er verliert aber nicht nur dadurch seine ursprüngliche Bedeutung, sondern mehr noch durch seine übertrieben mimische Teilnahme om spiel. Noch weniger Sinn hatte die grosse Zahl Ler trauernden Trojancrrnnen im Totenopfer. Mit Massenwirkungen auf der Arena ist die griechische Tragödie für unser Theater nicht zu reiten und einen andern Vorteil vor der Bühne de« Schauspielhauses, den man aber ebensogut al« not wendiges Ucbsl bezeichnen kann, bietet der Zirkus noch nicht. Ach, und wie klein ist bei grossem Massen aufwande der fatale Schritt vom Erhabenen gerade im griechischen Gewände. Alles Mangelhafte und Unzulängliche, das die Orestie deutlicher enthüllt hat als der Oedipus, ist gerade eine Folge der Zirkus anlage: damit ist allo endgültig bewiesen, dass die Verlegung der qriecyifchen Tragödie von der Echau- spielbiihne in das weite Rund des Zirkus ein Irr tum ist, und dass die Arena nie zur Orchestra werden kann, lieber dieie Erkenntnis kann auch der in feiner stürmt chen Stärke beinahe verdächtige Erfolg der ReinhardtschenOrcsticauifuhrung nicht hinwerztäu'chen. Dieser enthusiastische Beicall einer zum grossen Teile noch jugendlichen Zusckauermenge war für die wünschenswerte Wirkung der Orestie zu laut. Reinhardt batte diesmal auch nicht mehr den Löwenanteil an ihr; vielmehr war eine Steigerung des Applauses und der Ruse noch zu verspüren, als Alexanaer Moiisi erschien. Wohl fehlte ihm ein herber, scharfer, man möckte sagen Wegncrscher Zug, aber man vergass ganz diesen Mangel in den Momenten, wo dem Künstler Gelegenheit geboten war, durch seelisches Spiet zu ergreifen. Zn patri archalisch behäbig war Wilhelm Diegetmanns Agamemnon. Joies Klein gab dem brutalen, aro jprecherisckcn Charakter des Aegisthos treffenden Ausdruck, und Anna Feld Hamm er fasste als Klytämnestra die Elemente Vieser schwierigen Rolle zu einer Gestalt von ungeheuerlicher Grüsse und barbarischer Wildheit zusammen. Eine verheissungs- volle Leistung bot Mary Dietrich, ein neuent deckles, junges Talen», mit ihrer sibyllcnhaften Kassandra. Gewiss, die Aufführung war gut: aber sie lönnte init solchen Kräften auf kleinerer Theater bühne noch Vesser sein. Und mir fielen nach der Orestie im Zirkus die Worte Grillparzers ein: „Es ist in den Tragödien des Aeschylos, ja selbst zum Teil in denen leiner Nachfolger erwas Unbehilfliches. Stationäres, das die Neueren, an ein lebendiges Fortjchreiten der Handlung gewöhnt, durchaus nicht vertragen würden. Za, die Tragödien des ersteren kann man mit Recht, wie schcn jemand getan hat, in Szene gesetzte Epopöen nennen. Situation und Deklamation .... Der Chor ohnehin, man mag sagen, was man will, sich um dieselben Betrachtungen und Nutzanwendungen herumdrehend. In den Wechselreden brauchen die Unterredenden di« längste Zeit, um sich über die einfachsten Verhältnisse zu verständigen, und was der Zuscher bei der ersten Antwort begriffen hat, wird oft durch zehn Verse durchgefragt, bis dre Redenden ins klare kommen". Vernünftigerweise hatte man die Chöre erheblich gekürzt, aber trotzdem —. vw. L-ntüeckunF üer alten Mauer von Meva. Äon einer wichtigen Entdeckung im alten Alesia macht der Hauptmann Esprrandieu in einem Bericht der Pariser Akademie der Inschriften und schönen Künste nähere Mitieilung. Es ist ihm gelungen, dir Reste jener alten Mauer aufzufinden. von der aus die Gallier unter Vercingewrix Alesia gegen Cäsar verteidigten. Diese Entdeckung ist das Pendant zu der der Velar erungsgräben, die Cäsar angelegt hatte und die 1863 in der Ebene von Laumes wieder auf gefunden wurden. Die Mauer von Alesia ist nach einer Methode erbaut, die uns bereits durch die anschauliche Schilde rung Cäsara in seinem '-o dcllo au l oo" (VT, 23) bekannt war. Sie besteht aus einer Basis von starken, grodbehauenen Felsblöcken und aus Schichten uon Holzbalken, dis mit Steinlagen regelmässig wechseln. Die Holzbalken sind rn sehr geschickter Form ausgefchichtet gewesen und waren durch Eisen nägel miteinander verbunden.- „Diese Art der Mauerarbeit", sagt Cäsar, „mit ihren abwechseln den Steinen und Balken bringt eine Wirkung hervor, die für den Anblick nicht unan genehm ist; sie ist ausserdem sehr geeignet für die Verteidigung, denn der Stein schützt das Holz vor Brand, und die Balken, die oft 40 Fuß lang sind und innerhalb der Dicke Ler Mauer unter einander verbunden sind, können von dem Widder weder zerbrochen noch auseinandergerissen werden." Natürlich sind an der gefundenen Mauer von Alesia die meisten Balken verfault und zei stört. Aber man kann noch genau die leeren Stellen erkennen, die sie zwischen den Steinen gelassen haben, und man findet noch die Eisennägel, mit denen sie einst zusammengehalten wurden. Die Entdeckung liefert einen neuen bedeutenden Beitrag für die Methode der Gallier, Mauern zu tonsiruieren, und bestätigt die Resultate, die man bereits aus anderen gallischen Befestigungsanlagen gezogen hatte. Bei den Grabungen wurde am Fuss der Mauer ein steinernes kugelförmiges Wurfgeschoss, fast 2 kn schwer, gefunden, das von einem Ballistrn gegen die Mauer geschleudert worden war. Auch di«
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