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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.10.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-10-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111011019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911101101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911101101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-10
- Tag 1911-10-11
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Monat
1911-10
-
Jahr
1911
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Ur. 282. ISS. ZahryLNll Leimiger Tageblatt. Gabon-Gebiets müsste „hypothekenfrei" erfolgen, wie die Einwilligung zum Marokko-Protektorat. Neue Beklemmungen steigen in uns auf, wenn wir die schnellen Wirkungen der Tlemen- eeauschen Taktik beobachten. Hätte sie nur zum Ziele, wie manche glauben, Caillaux nach der Ratifizierung des deutsch »französischen Ab kommens, die die Parlamente nicht verweigern könnten, an der ersten Wegecke zu stürzen, so könnte das Deutschland, als eine innerpolitische Angelegenheit der Republik, kalt lassen. Wir fürchten aber, dass Reichskanzler v. Bethmann Hollweg und Staatssekretär v. Kiderlen-Wächter des Wiederzusammentritts des Reichstags be dürfen, um dann die Unterstützung der deut schen Bolksmeinung jenseits der Vogesen klar- zumachcn, das; die „Energie" Llcmenceaus oder der Versuch, gegebene Versprechungen nicht zu halten, ernste Gefahren zeitigen mühten. Paris, 10. Oktober. „Petit Parisicn" meldet: Der aus Marokko bezügliche Leit des Abkommens zwischen Frankreich und Dcutichland wird nicht mit den Unterschriften der Verbandelnden, iondern bloss mit ihren Anfänge buchst»den gezeichnet. Beide Teile der Verhandlungen über Marokko und den Kongo sollen nach dem Wunsche Deutschlands erst in ein und derselben Urkunde unterschrieben werden. D.is ..Echo de Paris" meldet aus Brüssel: Man sagt in Brüssel, Deutschland habe ungesäbr am 15. August im Laufe der Marolloverhandlungen Frankreich geraten, von der belgischen Regie rung die Pachtung des Landstreifens im Nor den vom belgischen Kongo zu verlangen. Frankreich hätte in der Folge diesen Teil an Deutschland ablreten sollen, sodaß Deutschlands Besitzungen am Acguaior von Osten nach Westen eine Berbindung erhalten hätten. Die französische Regie rung soll aber den Vorschlägen des Staateiekrctärs von Kioerien-Wächter einen solchen Empfang bereitet haben, daß Deutschland nicht darauf bestand. Wie das Wölfische Telegraphenburcau hierzu er- fährt, ist diese Nachricht des „Echo dc Paris" ganz- lich erfunden. Deutschland hat niemals Frank reich Anregungen im angedeutetcn Sinne gegeben. 9. Drüentilche LuangelW- lutheri che Lrmüessynoüe. (:) Dresden, 10. Oktober. In der heutigen vierzehnten öffentlichen Sitzung, ter wiederum Präsident Dr. Böhme und mehrere Kommissare beiwohnten, trat die Synode in die Beratung über den Antrag der Petitions ausschüsse .4 und U zu den Petitionen des Pfarrers i». Kaiser in Leipzig und Genossen, der Rieder, erzaebirgischcn, Chemnitzer und Bautzncr Prcdiger- konrerenz, betr. den Konsirmandenunterricht. Die Petenten wünschen einesteils eine Ver mehrung der Stunden, anoernteils die Er teilung der Unterrichts zu geeigneteren Stunden als jetzt. Als Berichterstatter fungierten die Synodaimitglicder Superintendent Richter-Borna und Superintendent Kröbcr- «Pirna. Der erster« ist der Meinung, dasi die jungen Christen nach der Konfirmation durch Kousirmandcnabende usw. gesammelt werden mutzten. Weiter wies er auf die großen Schwierigkeiten hin, die sich eine Vermehrung der Stunden entgegen- stellen und trat dafür ein, es bei dem jetzigen halb, jährigen Konsirmandenunterricht zu belassen. Hierzu komme auch noch die Unsicherheit aus Anlatz der bevorstehenden Volksschulrcform und der eventuell geplanten Festlegung des Osterfestes. Superintendent Kröber besprach di« Petitionen der drei Predigerlonferenzen und erörterte die Ver hältnisse in den Gemeinden des Erzgebirges, der Lausitz usw. Jede Gemeinde wünsche eine für ihre Verhältnisse günstig gelegene Zeit, und dann werde eine gleichmässige Regelung iür das ganze Land gewünscht. Beides lasse sich nicht vereinigen und eine gleichmäßige Erfüllung der Wünsche fei in- folgedessen nicht möglich. Beide Referenten schlugen die Annahme des folgenden Antrages vor: Die Synode wolle bcschlietzen, diejenigen Petitionen, welche sich auf Vermehrung der Konfir- mandcnstunden beziehen, zurzeit auf iich beruhen zu lasten, und diejenigen, welche die Festlegung ge eigneter Stunden betreffen, auf eine Regelung cm einzelnen Bezirke zu verweisen. Seminnrdirektor Schulrat Dr. Frcnzel-Leipzig hält es nicht für opportun, die erste Petition damit zu begründen, daß die Schule auf dem Gebiete des Religionsunterrichtes nicht mehr genügend sei. Auch die Schule bemühe sich, den Konfirmanden- resp. den Reli ionsunterricht nach Möglichkeit zu verbessern. Immerhin Hütte er gewünscht, datz die Petitionen dem Kirchcnregiment zur Kenntnisnahme überwiesen würden. Oekonomierat Zschucker-Wurschen beklagte den den Mangel an geistiger Bildung bei der Jugend und hob hervor, da,; mehr Wert auf die Herzens bildung oclecsi werden müsse. Oberpfaircr Dr. Klein in-Strcbla bält einen halbjährigen Konsirmanoenunterricht in grötzercn Städten nicht für ausreichend, da der Pfarrer oft in der letzten Stunde noch nicht einmal alle Namen der Konfirmanden kenne. Trotzdem könne er sich den Ausführungen des Petitionsaus- schuiies nicht verschließen. Amtsgerichtsrat Dr. I auck-Riesa bedauert, datz eine Erweiterung des Kvnfirmondenunterrichls nicht möglich sei. Er hoffe zedoch. datz sich hierfür doch noch Gelegenheit bieten werde. Notwendig sei es, datz sich die Geistlichen schon im Sommer mit der zu kousirmiereneen Juccnd in Verbindung setzen, um diese auf die bevorüehende ernste Zeit hinzuweiscn. Ein diesbezüglicher Antrag werde noch oestellt werden. Pfarrer Müller-Leipzig tritt kür die Einrich tung kleiner Konfirmandenabtcilungen ein. In die Konsirmandenstundeu müsse der Geistliche seine ganze Kraft keoen, denn der Unterricht sei wichtiger als die Konfirmation selbst. Bei dem Präsidium war inzwischen der An trag cingegangen, das Kirchenrcgiment zu ersuchen, die Geistlichen darauf aufmerksam zu machen, bereits im Sommcrhalbjahre in einige» Nachmittaasgottes- diensten die zu konfirmierende Jugend auf die Kon firmation vorzubereiten und mit ihr Fühlung zu nehmen. Geh. Kirchcnrat Dr. Hoffmann-Chemnitz ver weist aus die Erfolge der Unterredungen mit der konfirmierten Ju-end in Chemnitz. Was hier mög lich sei, werde auch an anderen Orten zu machen sein. Geh. Kirchenrat Professor U. Ihmele Leipzig: Wir müssten ein Geschlecht heranwachsen sehen, das klar in der Erkenntnis sei. Gerade unsere Zeit kranke an einem Mangel an Erkenntnis. Deshalb müsse im Konsirmandenunterricht hierauf der Haupt- wert gelegt werden. Gegen einen Konfirmanden unterricht von einem Jahre und im Sommer habe er Bedenken. Dagegen bricht er eine Lanze für einen zweijährigen Unterricht und zwar nur für den Winter. Er bittet die heutigen Anregungen auch weiterhin zu erwägen. Superintendent Dr. Frotscher - Werdau wünscht eine erläuternde Verordnung des Landes- konsistoriums. nach welcher der Konfirmanden unterricht bereits Anfang Oktober beginnen solle. Man muffe sich vorläufig mit solchen kleinen Mitteln behelfen. Geh. Kirchcnrat Superintendent I). Hartung-Leipzig tritt gleichfalls für einen zwei Winter langen Kon- firmandenunterncht nach den Vorschlägen des Geh. Kirchenrates Jhmcls ein. Zu befürchten sei aller ¬ dings dann eine weitere Belastung der Stunden mit Memorierstoff. Uno das wolle er nicht. Bürgerichu! direktor Dietze - Hohenstein - Ernstthal wünscht eine Verständigung bezüglich des Memorcer- stoffcs. Weiter äußert er noch verschiedene Wünsche zur Ausgestaltung des Konfirmandenunterrichts. Weiter sprachen noch die Synodalmitglieder Ritter gutsbesitzer Kopp-Prietznitz, Diakonus Ludwig- Pottchappel und Superintendent Hempel-Dippol diswalde. Präsident Dr. Böhme hat namens des Kirchen regiments nichts dagegen einzuwenden, wenn die Petitionen dem Landestonsistorium zur Kenntnis nahme überwiesen worden wären. Er halte die ganze Frage für sehr wichtig. Es sei jetzt nicht möglich, die Konfirmationsordnuna zu ändern. Wenn jedoch von der Synode der Wunsch gcüutzert werde, eine Verlängerung der Konfirmandenfiunden berbei- zusührcn, dann werde sich das Konsistorium der Unter suchung dieser Frage wohlwollend acgenüberstellen. Geh. Kirchenrat Superintendent Dr. Hoffmann- Chemn'tz vervreitet sich in der Hauptsache über die Chemnitzer Verhältnisse, durch die eine sehr geord nete Seelsorge geschaffen worden sei. Chemnitz habe schon sehr gute Er-o'go hierdurch erzielt und sei stolz hierauf. Er bittet, die Petition dem Kirchen- regnncn'c zur Kenntnisnahme zu überweisen. Präsident Dr. Böhme teilt mit. datz das Landes- konfistorium sich in der Angelegenheit bereits mit deni Kultusministerium ins Ei »vernehmen gesetzt habe. Infolgedessen sei wohl ein Antrag auf noch malige Erörterung überflüssig. Ein Zusatzanlrag zu dem Antrag der Peiilions- ausschüuc .v und r), der beim Präsidium cingegangen war, geht dahin, die Hoffnung auszuspreche», datz die oberste Schulbehörde den Wünschen der Geist lichen in dieser Beziehung Rechnung tragen mechte. Nach einer kurzen weiteren Debatte und nach e.nem Lctstutzwortc des Referenten wurde tue 3',stündige Debatte geschloffen. Der Antrag der Petitionsaus schüsse Z und tt wurde angenommen. Präsident Dr. Böhme bemerkt, datz das Kircken- reaiment die Wünsche der Ephoren bei der oberste» Schulbehörde zur Geltung bringen werde. Der oben erwähnte Zusatzantrag wurde darauf zurück, gezogen. Der Antrag Dr. Jauck-Niesa, betreffend die Abhaltung von Gottesdiensten mit der konfir mierten Jugend, wurde abgelehnt. Nächste Sitzung Mittwochvormittag llUbr. Tages ordnung: Kirchendienstliches Einkommen der Kirch schullehrer und der kirchenmujikalischen Beamten, Petitionen usw. Gerichtslssl. Königliches Schwurgericht. -rm. Leipzig, 10 Oktober. Sitilichkeitsserbrechen. Der aus Mahlis stam mende, zuletzt in Wadewitz wohnhafte 30jährige Aroeiter Franz Emil Huhn stand vor den Ge schworenen unter der Anklage eines Notzuchts verbrechens. Nach dem Wahrfpruch der Geschworenen wurde der Angeklagte, der schon wiederholt wegen Körperverletzung bestraft worden ist, unter Anrech nung eines Monats der Untersuchungshaft zu zwei Jahren Gefängnis, sowie fünf Jahren Ehr verlust verurteilt. Königliches Landgericht. -rm. Leipzig, 10. Oktober. Verschiedene Fahrradfchwindeleien brachten den aus Plattendorf gebürtigen Arbeiter Arno Albin Schumann auf die Anllagebank. Der Angetlagte baue sich in drei Fällen von Fahrradhändlern in Leipzig unv''Zwenkau Fahrräder für 125, 110 und 135 ./« auf Abzahlung gekauft, um sie sofort wieder zu Gelde zu machen. Dem Fahrradhändler Friedrich Etzoldt aus Leipzig, dem Schumann die drei Näder verlauste, hatte er vorgespiegelt, er komme '.m Auf- trage eines Verwandten, der Fahrradhändler lei, sich aber in momentaner Geldverlegenheit befinde, Mittwoch. N. Oktober l9U. da das Geschäft schlecht gehe. Etzoldt war nun der Hehlerei mnanaeklagt worden, weil er die von Schumann durch Betrug erlangten drei Fahrräder weit unter Preis gelaust haben sollte. Die vierte Strafkammer verurteilte den Fabrradjchwindler unter Anrechnung eines Moncus der Untersuchunashaft zu einem Jahr« Gefängnis. Der mitangeklagte Fahrradhändler E. wurde freigesprochen. * Berlin, 10. Oktober. < Drahtbericht.) Der Prozetz gegen den Grafen Wolff-Metternich. lFortsetzung.) Zu Beginn der heutinen Sitzung des Prozesses gegen den Grafen Wolff-Metternich lagte der als Zeuge geladene Untersuchungsrichter aus, eine Anweisung des Justizmmisters, die Vor- untersuchnng nicht zu schlicken, st i niemals ergangen. Sodann wurde abermals der Zeuge Pauli ver nommen. dessen Eigenschaft als Generalmajor der Smacsanwalt bezweifelte. Der Zeuge gab an, preussischer Major a. D. zu sein. In China und Honduras sei er Generalmajor geworden. Er bestritt, Orden gegen Bezahlung vermittelt zu haben. Es besiehe aber kein Geietz, das verbiete. Titel oder Orden aus Freundschaft zu besorgen. Im Laufe der Verhandlung warf der Zeuge der Staatsanwaltschaft Unwahrheit und Lüge vor, weswegen der Staats anwalt fünf Tage Haft oder 50 Geldstrafe be antragte. Das Gericht verurteilte den Zeugen zu einer 24stüridigen. später abzubützenden Haft. Graf Wolff-Metternich wurde zu 43 Stunden Haft bei Wasser und Brot unter Entziehung warmen Essens verurteilt, weil er die Unparteilichkeit des R'.chterstandcs angezweiselt hatte. Diese Strafe ist gleichfalls später abzublltzen. — Der aus Mainz telegraphisch herdeigerufene Oberleutnant von Fetter sagte, nach Vorhaltung seiner früheren Aussage, er habe niemals die ernste Absicht gebadt, Dolly Pcnkus zu heiraten. Er habe sie auch >n Gesellschaften und auf anderen Ver« gnüc.uncen geschnitten, was durch Zeugen bestätigt werden rönne. Er habe von der Familie Weriheim Darlehen in Raten bekommen. Nach ungefähr Jahresfrist habe er einen Brief von Frau Wert ste.m erhalten, in dein ihm anheim gestellt wurde, mit der Rückzahlung zu beginnen. Ueber den kau männischen Unterricht im Hause Wertheim sagt Leutnant von Fetter, datz er den Unter richt ohne Ursache unterbrochen habe, was ihm übelgenommen worden sei. Datz er keine Absichten gehabt habe, habe er auch seinem Regimentskom mandeur vor seiner Versetzung gesagt. Die Geschenke, die er bekommen stabe, seien im November 1909 ein gestellt worden. Außerdem habe er sich mit Frau Pinkus geduzt und sei von ihr in Briefen mit Kose namen belegt worden, die er jedoch nicht erwidert ha e. Bei seinem Aufenthalt in Frankfurt a. M. sei er von Frau Wertheim einige Male antelephoniert worden. * Paris, 10. Oktober. (Drahtnachricht.) Im Prozeß gegen die Redakteure der „Guerre Soziale" wurden sämtliche Angeklagte freige sprochen. Letzte Depeschen unü Lernlprechmelüungen. Der italienisch-türkische Krieg. Ron», 10. Oktober. (Lig. Drahtmeldung.) Wie die „Agencta Stefani" mitteilt, verlieb der erst« Teil des Expeditionskorps, der au, Jnfan- terie, Artillerie und einer Kompanie Eentesoldaten zusammengesetzt ist, Neapel in der Nacht vom 5. zum 6. Oktober und landete heute in Marsatobruk, um den Hafen in d«n Verteidigungszustand zu setzen und hier eine Besatzung zurückzulaffen. Die Lan- Wie wirS -er Winter werüen? Von Dr. Richard Hennig (Friedenau). Es ist merkwürdig, mit wie großer Zuversicht man im Publikum allgemein die Ueberzeugung aus sprechen hört, cs müsse uns nach dem ungewöhnlich heißen und dürren Sommer dieses Jahr nun wieder einmal ein strenger Winter bcvorstehen. Wo hin man hört, alicnihalbcn drücken die Menschen die Befürchtung aus, zu allein andern politischen und wirtschaftlichen Ungemach der letzten Monate werde sich nun woyl auch noch ein strenger Winter gesellen: als sei es eine allbekannte und ausgemachte Sache, daß ein heißer Sommer einen 'Rückschlag im darauf folgenden Winter ins gegenteilige Extrem nach sich ziehen müsse. Bevor wlr uns einer Untersuchung des speziellen Falles zuwcndcn, wie ihn uns dies Jahr 1911 dar bietet, sei allgemein bemerkt, daß zwar die meteoro logische Statistik lehrt, daß tatsächlich auf beiße Sommer ctwas häufiger kalte als milde Winter olgen: aber das Ucbergewicht der ersteren ist doch o gering, daß mau von einer Regel ganz unmöglich prechen lann, und gerade die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte berechtigen in keiner Weise zu der An nahme, daß auf einen heißen Sommer ein um so strengerer Winter folgen müsse. Blicken wir zurück aus die wärmsten, in ihrer Art freilich nichts weniger als extremen Sommer, welkste die Mehrzahl der heute lebenden Generation durchgcmacht hat, so finden wir, daß folgende Sommer sich durch eine Neigung zur Hitze, mindestens in einem größeren Teil ihres Verlaufs ausgezeichnet staben: 1889 (speziell iin Mai und Juni, die beispiellos warm waren), 1893 (dürrster Sommer vor 1911), 1695, 1900, 1901 und 1901. Gleichzeitig Hitze und Dürre, entsprechend dem diesjährigen Sommer, jedoch in weniger scharf ausgesprorycucr Weise, brachten von diesen Jahren nur 1893 und 1904, sowie in bescheide nem Maße 1895. Sehen wir uns nun aber an, welcher Art die Winter waren, die auf jene wärmsten Sommer dc« letzten Vierteljahrhunderts folgten, so mutz man mit einem gewissen Erstaunen feststellen, daß mit einer einzigen Ausnahme, 1900, dem ein mäßig kalter und ungewöhnlich schöner, schneearmer Winter folgte, jene warmen Sommer durchweg einen milden, zum Teil sogar (wie 1901 02) ausnehmend warmen Winter nach sich zogen, in denen Frost und Schnee nur seltene und vereinzelt ersckzcinende Gäste waren. Betrachten wir anderseits die strengen oder, bester gesagt, die mäßig talten Winter des gleichen Zeitraum« (denn wirklich strenge Winter hat es leit A, fehr strenge seit 7S Jahren in Deutschland nicht mehr gegeben!), so sehen wir, daß sie seltsamerweise mit Vorliebe auf kühle Sommer gefolgt sind. Der verhältnismäßig härteste Winter des letzten Viertcl- jahrhundcrts, 1890/91, schloß sich an einen unan genehm kalten und häßlichen Rcgensommer an, der nur ganz vereinzelt im Anfang August etwas Hitze irocstte. Der Sommer hingegen, der dem weitaus chnecreichjtcu Winter 1887/88 voranging, war nicht ehr viel bester und brachte nur gegen Ende Juli einige beiße Tage. Derjenige Winter, der als ein ziger in diesem Zeitraum vorübergehend extrem tiefe Temperaturen brachte, war 1892 9.3; er zeichnete sich drei Wochen lang durch strenge Kälte aus, war aber im ganzen übrigen Verlauf ziemlich milde. Der Sommer 1892, dem er folgte, war ungefähr normal, wenn er auch um Ende Mat und nach Mitte August an einigen Tagen extreme Hitze aufkommcn Uetz. Dem Winter 1892/93 ähnlich in bezug aus ganz kurzdauernde, aber sehr merkliche Kälte war der Winter 1906/07, der im allgemeinen etwa normale Wärme, im Januar sogar drei Wochen lang abnorm mildes Wetter aufwies, der dann aber in den we nigen Tagen vom 21.—23. Januar schneidenden Frost sterauffiihrte. Auch der ihm voraufgchcnde Sommer war ungefähr normal und in keiner Hinsicht in bezug auf seine Temperatur und Nicdcrschlagsveryältnisse bemerkenswert. Die einzigen Winker, die neben denen von 1887/88 und 1890/91 im größten Teil ihres Verlaufs die Bezeichnung von mäßig strengen Win tern verdienten, waren sonst nur noch 1894/95 und allenfalls 1998 09, denen sich als erwähnenswert außerdem der strenge Frost im ersten Beginn des Winters 1902/03 crmchließt. Betrachten wir wieder die Sommer, die diesen Wintern voraufgingen, so finden wir, daß 1894 ungefähr normal und eher etwas zu kühl als zu warm war; 1902 hingegen war einer der unangenehmsten und kältesten Regen sommer, die wlr je gehabt haben, und 1908 wies überwiegend ebenfalls einen wenig erfreulichen Cha rakter auf: wenn der Sommer auch in der böfen Regensommer-Scrie 1907—1910 noch der verhält nismäßig beste war. Somit scheint dieser Ueberblick die Volksmeinung, daß auf heiße Sommer strenge Minter folgen, durch aus nicht zu bestätigen, ja. sogar vollständig zu ent kräften. Und dennoch muß man gerade in unserem speziellen Fall, soweit der Sommer 1911 und der Winter 1911 12 in Frage kommt, die im Publikum verbreitete Anschauung als nicht ganz unbegründet bezeichnen, aber aus einer Ursache heraus, über d>e sich die Verfechter der Ansicht von dem notwendig strengen Charakter des Winters 1911/12 ganz sicher nicht klar sind, nicht klar fein können. Geht man nämlich den Ursachen nach, die dft langdauernde Hitze und Dürre des Sommers 1911 bedingt haben, so vermag zwar auch der gelehrteste Meteorologe verhältnismäßig nur sehr wenig über die letzten Gründe der Erscheinung zu sagen. Soviel aber steht fest, daß der unmittelbare, nächstliegende Anlaß der Erscheinung in gewissen Eigentümlich keiten der Lustdruckverteilung lag, die so scharf uiü> charakteristisch wohl noch niemals zuvor ausgeprägt gewesen sind. Studiert man nämlich die täglichen Wetter karten und die Varometeraufzeichnungrn der letzten Monate, so erkennt man, daß bereits etwa seit Ostern eine deutliche Neigung zur Ausbildung hoher Barometerstände in Mitteleuropa zu erkennen ist. Der durchschnittliche Barometerstand in Deutschland liegt allmonatlich nicht unbeträchtlich über dem nor malen Mert, womit ja selbstverständlich auch dt« ausfallend geringen Niederschläge der letzten Mo nate Zusammenhängen. Der hohe Luftdruck über Mitteleuropa schiebt sich regelmätzcg von Südwesten, von Spanien her, gegen den zentralen Kontinent vor. Gerät einmal die Herrschaft des Hochdruckgebiets unter dem Ansturm eines barometrischen Minimums ins Wanken, so schiebt sich regelmäßig neuer Hoch druck von Südwesten her nach und stellt das bedrohte Gleichgewicht wieder her, so daß die Unterbrechung j -cs durch mehr oder weniger hohen Barometerstand j gekennzeichneten und entsprechend trockenen Wetters f sich äußerstenfalls nur einmal auf zwei bis drei Tage erstreckt hat. Diese Eigentümlichkeit der Witterung, soweit sie sich in dem unaufhörlichen Dorrücken hohen baro metrischen Luftdrucks von Südwesten her gegen den Erdteil auspräcsie, war fo typisch für die letzten Mo nate, daß man ein gewisses Recht hat, mit ähnlichen atmosphärischen Vorgängen auch noch für die nächsten Monate mit einer gewissen, mäßig großen Wahr scheinlichkeit zu rechnen. Wenigstens lebrt uns die Erfahrung, daß eine scharr ausgeprägte Tendenz der Witterung zu irgendwelchen Besonderbeitrn, wenn sie sich nur erst einmal deutlich herausgebildet hat, meist durch längere Zeit, durch viels Monate, unter Umständen selbst durch eine Reil)« von Jahren, er- halten bleibt. Trifft nun die Voraussetzung zu, daß auch im Winter 1911/12 der im Südwesten lagernde hohe Luftdruck die Tendenz behalten wird, regel mäßig weit nach Nordosten oorzustoßen — welche Folge würde sich daraus für die Gestaltung der Winterwitterung ergeben? Eine genaue Antwort auf Liese Frage ist, selbst wenn die Voraussetzung sich als richtig erweist, nicht wohl möglich: denn je nachdem der nordöstliche Vor stoß des Maximums sich weit oder weniger weit nach Nordostsn «rstreckt, würden ganz verschiedene Folge- erfchetnungen in bezug auf die Witterung di« Folge sein müssen. Wenn das von Südwesten kommende barometrische Maximum sehr wett, bis in den Norden oder Osten Europa, hinubergreift, so datz es womöglich gar mit dem rm Winter meist von Sibirien nach Europa vor stoßenden Maximum zujainmenflietzt, so dürft, ein ziemlich kalter, aber urchiger und überwiegend trocke ner Winter für uns bedingt werden, dem di« sehr Hatzen Frostgrad« wohl schien werden, da diese ein- mal an ausgedehnte Schneebedeckung, anderseits an das Vorhandensein einer sehr hoben Barometer, drucks im höchsten Norden und Nordosten unsres Erd- teils geknüpft sind. Liegt aber d«r höchst, Druck überwiegend in t>er Mitt« Europas, so wird, w!« uns vor allem der Dezember 1879 und der Januar 1901 gelehrt Haden, di« Kälte merklich, aber nicht extrem, und vor allem, infolge der ruhigen Luft, Leicht er- trcialtch sein. Leichter oder mäßig strenger, klarer Frost Lei kcnrin merklichem Wind und demgemäß ver- ounden mit g«legentlichen, trockenen Wlnternebeln, ist aber eigentlich die angenehmste und wohltuendste Winterwitterung, die wir uns überhaupt vorstellen können. Für ern«n derartig charakterisierten Winter, dein selbstverständlich trotzdem mildere Witterung ebensowenig fehlen wird, wi« gelegentlich« strenger« Kälte, besteht jedenfalls — immer unter d«r An- nähme, daß di« Voraussetzung richtig ist! — noch di« meiste Wahrscheinlichkeit. Dringt jedoch das südwest liche Maximum im Winter 1911/12 weniger weit und weniger entschieden gegen Nordosteu vor, al, «, im letzten Sommer der Fall war, so gewinnt di« Aussicht auf «inen milderen und entsprechend nieder- schbagsveicheren Winter an Wahrscheinlichkeit. In aller Kürze zu einer schematischen, natürlich weniger genauen, aber leicht merkbaren Regel zrr- sammengefatzt, dürften sich die LVetteraussichten sür Len Winter folgendermaßen formulieren lassen: je entschiedener die gegenwärtige Neigung des südwest- europäischen Maximums, nach Nordostcn an Terrain zu gewinnen, auch im bevorstehenden Winter sich be merkbar macht, um so kälter, allerdings auch um so piederschlagsärmer dürst« der Winter werden; je geringer sie ist. um so milder und feuchter mutz der Winter geraten. Ein sehr strenger Winter ist jeden falls ebensowenig wahrscheinlich, wie ein Winter von bemerkenswerter Milde. Kalt, aber in erträg lichen Grenzen, dazu ziemlich trocken und von über- wiegend schwacher Luztbewogung — dies dürfte di« wahrscheinlichste Parole der bevorstehenden Winter- Witterung sein!
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