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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.10.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-10-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111013021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911101302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911101302
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-10
- Tag 1911-10-13
-
Monat
1911-10
-
Jahr
1911
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»«ch bamtt gezö-ert, Trupp«» »ach dem Süd«n Zll schtFr». Falls Peking non Truppen entblößt werden kann, fft — Möglich, t» 24 Stunden Haakau p» ,nt- Kriegsschiff« für Hankau. Di« Nachrichten aus dem Aufftandsgebiet am Jangtsekiang lauten immer bedrohlicher. Aus länder find freilich noch nicht getötet wor den. und di« Revolutionäre haben Anordnungen für ihre Sicherheit getroffen. Die europäischen Mächte haben aber auf all« Fälle Kanonen boote nach Hankau beordert. Was Deutschland anlangt, so liegt da» Flußkanonenboot „Vater- land" vor Hankau. Das Flußkanonenboot „Otte r" befindet sich von den grosien Stromschnellen -wischen Itschang und Tschunkina aus der Fahrt nach Hankau. Ferner soll das Kanonenboot „Tigc r" dieser Tage vor Hankau eintreffen. Der Kreuzer „Lcip - i g" liegt vor Schanghai. Marvkko, zweiter Teil. Wer gehofft hatte, daß die Verhandlungen über die Kongokompensationen sich rasch abwickeln würden, wird durch neue Pariser Meldungen enttäuscht wer den. Denn danach fordert Frankreich, das wahrhaftig doch schon genug Gewinn beim Abschluss des ersten Teiles des Marokkoabkommens erhalten hat, auch noch den sogenannten „Entenschnabel" van Kamerun, der schon früher einmal als Kompcnsationsobjekt genannt wurde. Drahtlich wird gemeldet: Paris, 13. Oktober. (Eig. Drahtm.) Die fran zösische Regierung scheint nach Erreichung Les Zuge- ständnisses Deutschlands, das französische Protektorat in Marokko anzucrkennen, bei der Frage der Kongo- Kompensationen neue Schwierigkeiten machen zu wollen und nochmals auf die Abtretung des sogenannten „Entenschnabels" im Norden von Kamerun zuriickkommen zu wollen. Der „Tcmps", der den Machthabern an der Seine sehr nahesteht, schreibt nämlich: „Es ist schwer vorauszusagen, wann das Marokkoabkommcn endgültig geregelt sein wird. Beide Regierungen haben sich für den zweiten Teil der Verhandlungen ebenfalls strengstes Stillschweigen auferlegt, damit die Unterhandlungen durch Kri- tiken oder Kombinationen keinen Schaden erleiden. Man kann fest annehmen, daß das Geschäft den Eharakter eines Eebietsaustausches tragen wird, so Latz wir also nicht einen Teil unseres Kolo nialbesitzes abtreten werden. Frankreich wird Deutschland «inen Teil der Kongokolonic anbieten, der an Kamerun angrenzt und wich tige Landesteile am Kongo oder Ubangi umfaßt. Deutschland soll dagegen Frankreich das nörd liche Gebiet von Kamerun zwischen dem Denuen- und dem Tschadsee, das unter dem Namen „Entcnschnabel" bekannt ist, überlassen. Reu« Liigenmeldungen aus Agadir. Paris, 13. Oktober. (Eig. Drahtm.) Kaum ist die erste Phase in den Marokkoverhandlungen be endet, als auch die Hetze der französischen Chauvinistenprcsse gegen Deutschland in der Marokkofragc wieder mit aller Gewalt ein- setzt. So verzeichnen beute die „Liberte" und andere Abendblätter ein angeblich aus Mogador stammen des Telegramm, daß der Kaid Gelulli von Agadir auf Aufforderung des deutschen Konsular, agenten — den es nebenbei gesagt in Agadir nicht gibt — der eingeborenen Bevölkerung ver- boten habe, Land an Fremde, besonders an Franzosen zu verkaufen. Jur Frage üer penkmisvervrherung üec prillkttvrmmen schreibt der Verband Sächsischer Industrieller: „An den Verband Sächsischer Zndu- strieller ist in letzter Zeit häufig die Anfrage g«. richtet worden, ob es sich empfehle, jetzt noch für die Anacslellten industrieller Betriebe Versicherungen mit Leoensoersicherung^gesellichasten usw. abzuschlietzen, die angeblich günstigere Bedingungen anböten, als si« die Reichsversicherung bieten könnte. Inwieweit di« gemachten Angebote wirklich günstige?: sind, als die zu schaffenden rcichsgesctzlicheu Leitungen, ist na. lürlich für jeden einzelnen Fall nachzupriften. Der Verband Sächsischer Industrieller nimmt aber Ver anlassung, die Industrie daraus aufmerksam zu machen, das; es sehr fraglich ist, ob die jetzt noch kurz vor der voraussichtlichen Verabschiedung des Gesetzes geschlossenen Verträge als Ersatz für die reichsgesetzlich« Versicherung anerkannt werden. Es st«ht durchaus noch nicht fest, Latz die Mehrheit des Reichstages einer Anerkennung der privaten Ver sicherungsverträge überhaupt zustimmen wird, in sonderheit aber unterliegt es noch der Beschluß fassung des Reichstages, ob für die Anrechnung der geschloffenen privaten Versiche-ungen ein Endtermin im Ersetz festgesetzt werden wird, um vom Stand- punit der R''icbsv?rsic!'erung aus -er Gefahr vor zubeugen, Laß dieser zu viele an sich wertvolle Ri siken entzogen werden. Auf alle Fälle ist daher den Arbeitgebern und Angestellten zu raien, solche Ver sicherungen mit Lcr Klausel abzuschließen. Last der Vertrag nur dann Gültigkeit har, wenn die Anrech nung der Einzahlungen nach Einführung der staat lichen Pcnsionsvcrsichcrung wirtlich erfolgt." 4. Deutscher SEchullshrermy. llx. Dresden, 12. Oktober. An die beiden Referate über Hochschule und selbständiges Forschungsinstitut knüpfte sich eine lebhafte Debatte. Zuerst verlangte Prof. Oetker-Würzburg, daß sich der Hochschullehrer tag über die Frage äußere, ob eine organische Ver bindung der Hochschulen mit den Forschungsinsti tuten gewünscht werde oder nicht, lieber die Ecn- zetHerten der Durchführung können wir heute noch keine Beschlüsse fassen. Es ist eine außerordentlich wichtige Frage, die einer kommissioncllcn Vorarbeit bedarf, aber wir können heute schon über die prin- zipielle Frage sprechen. Prof. BinLing-Lcipzig: Es ist bisher noch nicht die Rede gewesen von dein Verhältnis der Forschungs institute und Universitäten auf dem Gebiete der Geisteswissenschaft. In Leipzig ist diese Frage akut geworden durch das von Prof. Lamprecht begründete Institut. Er hat große Summen zusam mengebracht, um ein Forschungsinstitut für das Gebiet der Geisteswissenschaften zu begründen, etwa 700 000 Mark, das ist noch nicht viel, aber immerhin etwas. Jetzt ist die Frage aufgetaucht, wie die Entwickelung aus diesem Gebiete gehen soll, Es hat sich eine gewisse finanzielle Rivalität zwischen den Seminaren und den Forschungsinstituten herausgestellt. Die Leiter der Seminare be fürchten nämlich, daß sie zu wenig bedacht werden und daß die Forschungsinstitute viel mehr bekommen. Wir sehen noch nicht recht, wie diese Frage gelöst werden soll. Persönlich bin ich der Ansicht, daß auf dem Gebiete der Geisteswiffen- schäften diese Frage generell überhaupt nicht gelöst werden kann. Man kann den Instituten vielleicht große historische Aufgaben zur Lösung zu- weifen. Mir Juristen haben solche Aufgaben, deren Lösung notwendig 10—20 Jahre in Anspruch nehmen dürsten. Ich will nicht leugnen, daß ich eine Ver bindung von Forschungsinstitut und Universität soweit wie möglich mit sehr großer Freude be grüßen würde. (Beifall.) An unseren Seminaren werden auf dem Gebiete der Geisteswissenschaften immer nur Mittelmäßigkeiten herangebildet. Damit ist die Leistung der Seminare heutzutage fertig. Diese Ausbildung ist ja an und für sich sehr wertvoll, aber die Produktivität wird dadurch nicht angeregt. Wir haben mit Freude begrüßt, daß unseren Universitäten Forschungsinstitute an die Seite gestellt werden sollen; es ist kein Zufall, daß das gerade jetzt kommt. Mögen sie unabhängig sein, oder in Ver bindung mit den Universitäten — innerlich gehören sic jedenfalls zusammen. (Beifall.) Prof. Lotz-München: In dein Statut der staat lichen Forschungsinstitute zu Berlin steht die Be- I stimmung, daß im chemischen Forschungsinstitut der Direktor ernannt wird, und ku.> Regierung das Recht hat, ihn zum Ordinarius einer Universität zu machen. (Lebh. Hört, hört!) Wenn die Fakultät in diesem Fall nicht vorher gehört wird, wird also dieser Herr der Universität ohne weireres ottroiert. Ich möchte daher willen, ob in dem Statut des neuae- grünbeten Kaiser - Wilhelm - Forschungsinstituts sich eins ähnliche Bestimmung befindet. — Prof. Beer- Leipzig: Es ist nicht vereinbart mit der absoluten Freiheit der Forschung, wenn für die Forschungs institute die Bestimmung besteht, daß die Forschungs ergebnisse der Kontrolle des Staates oder der Fakultät unterliegen und daß der Ltaat oder das Institut zu bestimmen haben, wie die Ergebnisse zu verwerten sind. Zur Freiheit gehört auch die materielle Freiheit. Geh. Rat Barkhausen-Hannover: Ich glaube, daß die Zeit noch nicht gekominrn ist, um ein Endurteil darüber zu lältcn, ob von der Universität völlig ge trennte Forschungsinstitute notwendig sind oder nicht. Zuzugeben ist, -aß die Hochschulen die Forscherarbeit zu sehr haben liegen lassen. Das hat den Universi täten geschadet, aber daraus darf noch nicht der Schluß gezogen werden, daß man nun Forschungs- inllitutc gründen soll, die, losgelöst von der Hoch schule, eine Stätte reiner Forschertätigkeit sein sollen. Wenn selbständige Forschungsinstitute neben die Hochschulen tominen werden, jo werden die staatlichen Rüttel nicht etwa verdoppelt werden, sondern es werden die For chnngsinstitute und die Hochschule sich mit den- begnügen müssen, was heute dafür ausgeworsen ist. Es ist em großer Nachteil, wenn die Forschungsinstitute außer zeder Berührung mit der Lehre kommen. Gerade die Lehre wirkt anregend, und cs wäre ein Schaden für die mit der Forschungsarbeit betrauten Persönlichkeiten, wenn sie sich lediglich auf die Forschung beschränken sollten. Geh. Hoirat Prof. Dr. Lamprecht-Leipzig: Der Gedanke der Weiterbildung unseres Hochsuulweiens in der Richtung der Forschungsinstitute ist zuerst in dem Kopfe Althosfs entstanden, aber er war weit entfernt, unter dem Forschungsinstitut der Zukunft das zu verstehen, was wcr heute in Berlin geschaffen haben. Von seinem Standpunkte würde er bas dilettantisch nennen. Mit dem Begriff „For schungsinstitut. mit dem uns Berlin beglückt hat. können die Universitäten überhaupt nichts an fangen. Solche Forschungsinstitute hat es immer ge geben und es wäre gar nicht nötig, darüber zu reden, wenn man weiter nichts wollte als derartige Grün dungen für bestimmte wissenschaftliche Zwecke. Es handelt sich heute darum, daß wir in den meisten Wissenschaften mit einem so ungeheuren Material überschüttet werden, infolge der Zugänglichkeit der ganzen Welt, daß wir mit den alten Methoden gegen dieses gewaltige Material nichts ansangen können. Wir müssen höhere Formen der Forschung finden, mittels welcher wir dem Material gegenüber adäquat bleiben können. Ein Anlaß ist auch für die Naturwissenschaften eingetreten infolge der Ent deckungen der letzten Jahrzehnte. Wie sollen sich die deutschen Universitäten dazu verhalten? Dieser Punkt ist für die Stellung der deutschen Universi täten in der Welt schlechthin entscheidend. Wir haben heute noch die Führung und gerade bei den großen llniversitätsjubiläen des Auslandes sehen wcr das. Wir führen vor allem noch die mitteleuropäische Welt. Man erwartet von uns, daß wir in diesen Fragen den ersten Schritt tun, sonst werden ihn andere tun, und ich glaube, die wissenschaftliche Zukunft oder wenigstens die Schätzung der deutschen Universitäten hängt oovon ab. daß wir diese Frage beantworten. Nach meinen Erfahrungen ist eine Behandlung von oben herab ganz ver kehrt. Auch darf man nicht mit vorgefaßten Ansichten an diese Sache Herangehen. Wir müssen diese Dinge von unten herauf wachsen lassen. Die Forschungsinstitute der Zukunft kSnnen sehr verschiedener Art sein. Stur so bekommen wir diejenige Form, welche dem Wiffensleben der Nation und der weiteren Entwick lung unserer Universitäten würdig ist und tatsächlich auf eine höhere Stufe vorwärts bringt. Bei dem ungeheuren Anwachsen des Wissens sind wir mit unierer Lehre nicht mitgekommen. Wir wollen uns doch nichts weißmachen, wir liefern heute nur die Kandidaten für das staatliche Examen. Darüber hinaus wird von den Universitäten nichts geleistet. Und das ist ein vollkommen unwürdiger Ankere KsudvSgel. Ein Mahnwort von Edmund Leupolt, Dresden. «Aach-rnck verboten.) Holla, ihr Räuber, nein, ihr Könige der Lüfte, Habicht und Bussard und Wandersalk und Turmfalk und Gabelweihe und Sperber: seid mir gegrüßt! Wohin ich komme, frage ich nach euch, such« ich eure Spuren, ziehe mit dem Auge eure Kreise. Freilich mit dem Gefühl der Wehmut. Denn ihr habt euch keine Liebe erworben beim Geschlecht der Menschen. Habt ihr Herz nicht gewonnen. Vielleicht, weil ihr für seelenlos galtet. Der in Ler Kultur atmende Mensch, wie de: drau ßen am Rand« der Ackerkultur, im hohen Gebirge un- in der menschenleeren Ebene -es Nordens steht den Raubvögeln entweder indifferent gegenüber — oft zu ihrem Glück! Nur der Indifferenz verdankt das Geschlecht der Raubvögel in vielen Gebieten sein Dasein. Oder er ist ihr grimmer Feind, der mit Kugel im Ersen und Neftraub -em Ldclgcschlecht der Falken nachstellt. Kein Wunder, Laß sie selten ge worden sind in unseren deutschen Gauen. Wohl Herhergen in der waldreichen Ebene und in den schwachbevölkerten höheren Lagen der Gebirge noch Hunderte der stolzen Vögel' wohl ist das Anpassungs- vermöaen der zähen und klugen Räuber so groß, daß sie auch in wawarmer Gegend ihr Dasein zu erhalten vermögen, irnd noch wagt sich der kleine Turmfalk leck nicht nur in die großen Parks der Großstädte, sondern sogar auf Schloßturm und Kirckien-ach.') Aber diese inneren Qualitäten der Raubvögel können auf die Dauer den starken Mächten der fort schreitenden Besiedelung und allgemeiner wütender Verfolgung nicht widerstehen.. Noch steht un;cr Volk, poch stehen auch unsere Gebildeten großenteils auf dem Standpunkte des „nützlich" uno „schädlich". Noch hat die Anschauungsweise des ernsten Natur freundes, der in dem Dasein auch der Raubvögel ein Stück des Naturlebcns uns -webens erblickt, in ihnen ein Glied einer heiligen Notwendigkeit steht, keinen Boden gewonnen. Es gibt auch ästhetische Werte, die di« Erhaltung unserer Raubvögel energisch fordern. Dazu rann von einem ernstlichen Schaden — auch «nn wir diese» Wort in seiner spießbürgerlichen Enge auffassen — keine Rede mehr sein. Es gibt kein« Raubvögel, die nicht ebenso „nützlich" wären. Ader noch rechnet der Mensch mit philisterhafter Kleinmünze. Und mancher Jagdliebbo.ber findet noch heute in einem Herunterknallen der stolzen Flieger eine gute Tat und eine edle Krritäußerung, ohne jegliches Verständnis für die angcdcutctcn *) In Dresden hauit ein Paar der kleinen zierlichen Pt>gel «uf dem r«rm der kaidolitchen Hosklrchc, ein andere» ans »«« MtMstertu» »«» Innern nab mehrere Kalken um- fNr«e« Uiglich da» neue Vand«ertcht»g«btludr. Werte. Wir sind noch weit von dem Ziel einer auch nur bedingten Schonung der gefiederten Räuber entfernt, wenn eifrige Jäger sich das „Ver gnügen" der „Horsrjagd" nicht entgehen lassen uicd empfehlen, jene häßliche Jagd", bei der der Weid mann am Horst Aufstellung nimmt und die alten Raubvögel, die ihren Jungen Beute zuführen (!) nacheinander herunterschicßt; die „Brut" mag dann elendiglich verkommen. Vielleicht spielt bei diesem Dernichtungs-kampf gegen die Räuber der Lust auch jene fromme Antipathie eine Rolle, die in der törichten Uebcrtragung mensch licher Ethik aus Las Tierieocn ihren Grund hat. Es gibt keine törichtere Anschauung als die, Laß auch im Reiche der Tiere der SictcntoLex der Menschen gelte. Freilich teilen noch unsere größten Naturforscher jene Theorie der Schädlichkeit und RützftchEeft und ver treten jene Vermenschlichung der Raubvögel, auf Grund deren sie daun unter das bürgerliche Gesetz buch gestellt werden. Ein klassisches Beispiel dafür bietet der große Lrehm. Er sagt beispielsweise oom Sperber: „Der Mensch irrt. dem überaus schäd lichen Räuber überaus scindtich entgegen, wo er ihn und sein verderbliches Treiben kennen gelernt hat. Dieser Raubvogel verdient keine Schonung (!), son dern sic unablässigste und rücksichtsloseste Verfol gung. Man tut nichr zu viel, wenn man errät, gegen ihn jedes Mittel anzuwenden (I). — Angenehme Ge fangene sind diese Raubvögel nicht; ihre Scheu. Wild heit und Gefräßigkeit jins geradezu abstoßend (!)." — Man beachte diese Sprache der Antipathie, die den Sperber an den Lugenden einer höheren Tochter mißt. Mu Lein gleichen Patlios wirst er ihm vor: Rücksichtslosigkeit. Bosheit, Niederträchtigkeit, Mer lan und „Gleimaültigkcit gegen die geheiligten Bande der Familie"; — „jeder hält selber die ver schrienen Spatzen viel zu noch, als daß er sie solchem Gauche op'.rn machte. Für Raubritter kann der eine oder -er andere schwärmen (!), den Strolch und sein Treiben verachtet jedermann." Fast mit einem stillen Ergötzen liest inan »olche Schilderungen, -ic die Lebensüußerung der Rauooögcl an den zehn Gc- bllen des christlichen Glaubens und den menschlichen Tugenden mißt. Dem Habicht geht cs nicht besser. Unersätt liche Raub- und Mordlust — nach Brehm muß also -er Habicht ein Körnerfreffer werden und seinen Magen einschniircn —, Dreistigkeit und Leckerbaftig- keil sind seine Laster. Er ist ein „Familienmörder", der „tückische" Räuber; die Verfolgung „geschieht lei der noch in ungenügender Weife". Wollen wir nicht licber sagen: glücklicherweise, statt leider? Mit Treue hängt der Hab'cht an feiner Heimat. Di« .Kinder müssen hinaus in die Fremde, -ic Alt.'n bleiben, bis die Sanduhr 70, 80jährigen Lebens ab gelaufen ist. Denn -er Umkreis ihres Jagdgebietes ist nicht groß. Mäuse, Wiesel, Eichhörnchen, Wild tauben, Amseln sind ihre Nahrung; ich will auch die jungen Hasen und Rebhühner nicht verschweigen, die mitunter dem klugen Räuber zum Opfer sauen. Aber sie bilden die Ausnahme, und ihr Tod kann den Vernichtungskrieg gegen den gefiederten Herrn des Feldes in allewege nicht rechtfertigen. Mit Recht weisen Landwirte neuerdings darauf hin, daß die starte Mäuseolage unserer letzten Jahre eine Quit tung sei für die planmäßige Vernichtung der i.rtür- l'.chen Feinde -er gefährlichen Nager. Dabei ist zu bedenken, Laß die Vermehrung des gefiederten Raubzeuges nicht stark ist. Merkwürdiger weise wächst die Kopfzahl der Habichte beispielsweise auch dort nicht, wo ihnen niemand ein Leid tut. Das hat mancherlei Ursachen. Die Eltern fressen ihre Kinder, der Starke Len Schwachen, den Kranken. Manche blutige Tragödie spielt sich auf einsamer grüner Heide oder im WalLssdunkel ab, ein wilder Kampf der Geschlechter. Manche Brut geht ganz, geht teilweise zugrunde, auch dann, wenn die Ellern nicht dem jagenden Menschen erlegen sind. Wald brände vernichten manchen jungen Vogel. Doppelt zehnfacher Grund, unsere Raubtiere zu schonen, sie zu schützen. Alic bedürfen des „starken Schutzes", auch der kühnste von ihnen, der Habicht oder Hühner falk, der „Hühnervögel", wie ibn der Landwirt in manchen Gegenden nennt. Ebenso die Weihe, die nur ein beschränktes Verbreitungsgebiet har. Der Sperber hält sich noch wacker; bis hinein in die Vorstädte geht er; freilich wird er nicht selten eine Beute seiner edlen Vettern, der Habichte (und der Wanderfalken). Vom Turmfalken, der seiner kleinen Gestalt I wegen gleich dem Sperber der Verfolgung nicht so ausgesetzt ist, als der große Habicht und der dick- rumvfige Bussard, gilt etwa dasselbe. Der Wan der fall ist leider fast verschwunden. Wie eine ferne Sage klingt es herüber von dem trotzigen, tapferen, reiselustigen Gesellen, der in den Lüsten sich wiegt. Die vielen Falkensteine sind heule meist von brütenden Falken leer, selbst in den Alpen. Und der Adler? Das ist schon seit langem kein deiitfcgcr Raubvogel mehr: Hier lebt noch völlig un erschüttert die alle Anschauung, daß jeder Adler ein nicht rasch oenug zu vertilgendes Ungetüm sei, und sie hat fürchterliche Verheerungen angerichtet. Der Adlerjäger des Prinzregenten Luitpold hat in feinem Leben bis heute 40 Steinadler geschaffen! Eine blutige und ein« traurige Ehr«. Mich dünkt, di« paar Hundert Haien und Kaninchen, die -em Adler zur Deute fallen würden, kann ein so großes Gebiet, wie es der Adler regiert, leicht er! ragen, dieses kleine Opfer ist der königliche Vogel wob! wert. Wir werden bald dem Adler nur noch im Märchen, auf Vogel schießen. auf Münzen, «auf Brftsmarken, auf und an Denkmälern begegnen. Er wird bald ein histori scher Vogel sein. Jeder sorge, daß Liefe Erkenntnis Gemeingut werd«; «» ist notwendig. Der Staat aber verlange Zustand, der in früheren Jahrhunderten niemals existierte. Wir wollen dahin kommen, daß wir auch für die höheren Etagen unserer Forscher di« Kandidaten von uns !elbst aus besorgen. Wir wollen doch in der freien Tätigkeit einer wissen, schaftlichen Republik die Forschung fördern. Auch in Zukunft gehören die Lehre der Universität und die Forschung des Forschungs instituts zueinander. Eine nicht wissenschaftliche Unioersitätsreform ist üderhauot keine. Und dazu gehört die einer anderen Stellung der Extra ordinarien, der Privatdozenten u!w. Und dann denken Sie nur an die gesteigerte Frequenz. Hebungen mit 230 bis 2b0 Teilnehmer sind em Un ding, 1ö bis 18 ist das Maximum. Dazu müssen wir aber die Kräfte zur Leitung gewinnen. Wenn wir die gegenwärtige Entwicklung ruhig wcirerführen, so werden wir im ocganilchen Zusammenhang mit der Universität eine wircliche Steigerung der Me thode erreichen. Ich hätte mit meinem Leipziger Institut längst aus der Fakultät austreten können, aber ich säble mich in ihrem Schoß fo schön geborgen. Das Vorwärtskcmmcn auf diesem Gebiete hängt nur ab vom Geld und einer wohlwollenden Regierung. Um den Leuten das Geld ad,unehmen, muß man selber Opfer bringen. Das Publikum muß zu Opfern für die Wissenschaft erzogen werden. Unter bOOOO^L nehme ich überhaupt nichts an. (Heiterieit.) Der privaten Hilfe wird die staatliche folgen. Mit den 7 Millionen in Berlin rann nicht den Universitäten in ihrer un- gsheuren Ausdehnung geholfen werden. Wir brauchen da ganz andere Summen und müssen sie uns selbst beschaffen. (Lebh. Beifall.) In der wetteren Debatte wird gleichfalls ge wünscht, daß man die Entwicklung zunächst ihren Gong gehen laße. Hosrat Pro». Dr. v. Wettstein- Wien verweist in feinem Schlußwort auf die ersprieß liche Konkurrenz, die die Universitäten aufrüttelt. (Beifall.) Von einer Beschlußfassung wurde Abstand ge nommen. Am Freitag gehen die Verhandlungen weiter. pgMsche Nsrhrlchren. Gründung einer bayrischen Reichspartei. Eine aus verschiedenen Landesteilen und von allen Devölkerungskreisen besuchte Versammlung unter dem Vorsitze des Frhrn. von Pechmann hat in Mün- chen nach längerer Aussprache die Gründung einer bayrische it Reichspartei einstimmig beschlos sen. Von auswärts waren erschienen: Reichstags abgeordneter Dr. Arendt als Vertreter des Vorstan des der deutschen Reichspartei, Konsul Schinzmer- Freiburg i. Br. und Rechtsanwalt Dr. Bopp-Darm stadt als Vertreter der reichsparteilichen Bewegung in Baden und Hessen. Die Partei will zu gemein samer politischer Wirksamkeit diejenigen sammeln, die es als Bürgerpflicht erkennen, am öffentlichen Leben teilzunehmen, die aber nicht im Kampfe gegen irgend eine der bürgerlichen Parteien, sondern in der Zu- s a m m e n sä s s u n g aller Kräfte des Bür- qertu m s zur Uebcrwindung seines ausgesprochenen Todfeindes, der Sozialdemokratie, die erste und wichtigste Ausgabe der Gegenwart erblicken. Lohnbewegung bei den Bergleute«. Oberhausen, 13. Oktober. (Eia. Drahtm.) Eine Vertretcrkoufercnz der vier Beraarbeiterorgani- sationen sprach sich dahin aus, daß die Berg- arbeitet'löhne angesichts der Teuerung in allen Revieren zuniedrig seien. Frieden im Bremer Braugewerbe. Bremen, 13. Oktober. (Eig. Drahtm.) Die seit vier Wochen geführten Eintgunasverhand- lu Ilgen im Brauereigewerbe sind gestern am späten Abend zum Abschluß gelangt. Vom portugiesischen Monarchistrnxutsch. Paris, 13. Oktober. Der Sonderberichterstatter des „Matin" in Verin (Nordspanien) in der Nähe der portugiesischen Grenze meldet: Man betrachtet Hier die Situation des Kapitäns Conceiro als verfehlt und ist in royalistischen Kreisen der Ansicht, daß das Scheitern der Bewegung dem Verrat gewisser Personen, auf die der roya listische Cbef sein ganzes Vertrauen gesetzt hatte, mehr zuzuschrcioen ist, als der Spaltung in der monarchi stischen Partei. Die hiesigen Monarchisten erklären. von jedem Jagdpächter «ine Prüfung und ein Ver sprechen, der Raubvögel zu schonen. Dann werden wir die kühnen, tapferen, rücksichtslosen Vögel er halten, uns in Ruhe ihres Seins freuen, an den Bildern der Kraft und Schönheit uns erlaben und ihrem herrlichen Freiheitsdrange, der in Sonnen höben will. Ihr Atem ist die Freiheit und ihr Leben. Mir schneidet von allem Tierleid nichts mehr ins Herz, als wenn ich in den engen Gitterkäfigen unserer Tiergärten die Flieger der Lüfte still un struppig in finsterer Resignation hocken sehe. Es liegt etwas Tragisches in dem Geschick der befiederten Räuber. Ich weiß nicht, ob sich der Gedanke verwirk lichen ließe, alle zwei, drei Jahre den Raubvögeln unserer Tiergärten die Freiheit wiederzugeben — vielleicht ließe sich dadurch eine allmähliche Be siedelung Les raubvogelarmen Landes ermöglichen. — Wenigstens sollte alles getan werden, unsere Klein zahl de: Raubuögel zu erhalten. Dafür zu sorgen, Laß Waldungen und Gebirgszüge ihr Territorium bleiben, Las man nicht anlastet. Schon heute gibt es zahlreiche Forstleute, die das Raubzeug der Lüfte be wußt schonen. Die Zeit drängt. Immer seltener — und damit knüpfe ich das Ende an den Anfang an — werden die kreisenden Luftkönige. Aber es wird auch schon eifrig gearbeitet. Unsere Heimatschutzneigung hilft in ihrem Teile. Die für heilig erklärten Naturparks schützen auch unsere Raubvögel. Starke Vereinigungen non Forstleuten und Laien empfehlen nicht nur den Vogelschutz, sondern setzen Prämien für den Fall aus, daß ein Gelege glücklich zum Ausschlüpfen kommt. Das sind gute Zeichen. Helfen wir mit, daß die Ge meinde dieser echren Naturfreunde größer werde! Es ist eine große Arbeit, die getan sein will. Enger Philistcrsinn kann sie nicht lösen. Ruhe rst üie erve Büryerpkttrht. Die fatalistischen Söhne des Halbmondes be dürfen in Kriegszeiteu keines beamteten Ratgebers, der dem Volke erit drohend oder ängstlich cinschärkt, daß Ruhe die ccste Bürgerpflicht ist. Während in Italien und in Rom die kriegerische Stimmung sofort auf die Massen ü'oergegangen ist und hohe Wogen schlägt, herricht im Herzen des ottomani- sch en Reiches gelassene Ruhe, und der Besucher, der heute durch die Straßen Stambuls wandelt und da» Volksleben beobachtet, sucht vergebens nach äußeren Anzeichen, die von Krieg oder Unruhe oder Erregung der Bürger Kunde geben könnten. „Das Geschäftsleben", so berichtet ein in Kon stantinopel weilender Engländer nach London, „geht in seiner gcmächl'chen, ruhigen Weise weiter, wie immer wird viel gehandelt und viel gebetet. Denn der Marlr und die Moscheen nehmen weiter in gleicher Weise das Interesse des türkischen Bürger» m Anspruch. Nirgends findet man eine Spur verhaltener Erregung, nirgends ein Symptom das vielleicht auf einen nahenden Anfall,
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