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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 06.10.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-10-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111006025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911100602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911100602
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-10
- Tag 1911-10-06
-
Monat
1911-10
-
Jahr
1911
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Nr. 277. l0S. Jahrgang. tung der Imperialisten einer günstigen Ansiedclungs- fiiöglichkett, der Gewinnung billiger Rohprodukte und der Absatzfähigkeit für das Kapital in Marokko nur ein Trugbild sei. Bezüglich der Kolonialpolitik, die sicher wiederum den Mittelpunkt des Wahl, kampfes bilden werde, sei fortgesetzt darauf hinzu weisen, daß diese Unsummen verschlinge, die niemals wieder herauszuwirtschaften seien. Die ganz« aus wärtige Politik, die in der jüngsten Zeit so schlecht wie nie zuvor sich erwiesen habe, trage eine große Schuld an der Spannung im Volke, eine Spannung, die der Sozialdemokratie die Wähler in Massen in die Arme treiben werde. Die Haltung der Regierung in dem geacnwärtigen Augenblick der Teuerung komme ebenfalls nur der Sozialdemokratie zugute. Zum Schlüsse stellte der Redner in Aussicht, da« er sich mit seinen beiden bürgerlichen Gegenkandidaten, Herren Dr. Iunck und Pfarrer Wangemann ausein- andersctzcn werde. Er prophezeite den Rational liberalen wie auch den Konservativen, in Leipzig sowohl wie in zahlreichen anderen Wahlkreisen des Reiches, eine Niederlage. Die Diskussion war nicht von Belang, da keine Gegner anwesend waren. 25. Deutscher protelmmentsg. Ilg. Berlin, 5. Oktober. Nach der Pause sprach Pros. K rüger-Gießen über das Thema: »Christliche Freiheit in Glauben und Lehre aus dem Grunde des Evangeliums". Er sachte die Frage zu beantworten: Verträgt sich die richtig verstandene christliche Glaubensfreiheit mit den Anforderungen, die unsere Landeskirche an ihre geistlichen und weltlichen Glieder stellt, und wenn nicht: Kann Raum geschaffen werden für das richtige Verständnis der Glaubensfreiheit innerhalb der Kirche oder mutz sie weichen und sollen ihre An hänger sich auch außerhalb der Kirchenmauern nir ihren Glauben eine neue Heimat suchen? Diese Frage ist gleichbedeutend mit der anderen: Wie stellt sich unsere Kirche zum Bekenntnis, insbesondere wie stellt sich die preussische Landeskirche dazu? Diese Stellung zum Bekenntnis isl nicht so einfach und durchsichtig, wie cs aus den ersten Blick scheinen möchte. In der Tat ist es bei einer so wohl überlegten und festgefügten Formel, wie sie das Apostolikum darstellt, gar nicht möglich, wenn man sich einmal zu der Formel bekennt, es nicht au: ihren Wortlaut zu tun. Gegen einen Standpunkt, wie ihn jene Geistlichen und Laien, besonders gegenüber den Sätzen des sogenannten zweiten Artikels im Be kenntnis einnehmen, darf man nur nicht mit ratio nalistischen Erwägungen vvn Möglichkeit oder Un möglichkeit der dann behaupteten Tatsachen an kämpfen. Eine solche Methode hat sich der Glaube stets als eine unbefugte Einmischung verbeten. Eine geschichtliche Prüfung aber, der auch Glaube nicht wehren kann, ergibt nun, datz der Glaube an die jungfräuliche Geburt eben nicht Bestandteil der ältesten christlichen Heilspredigc gewesen sein könne. Das ganze Dogma von der Gottmenschheit, zu dem die Vorstellung von der jungfräulichen Geburt aller dings das Fundament bildet, ist von dem Weltbild und der Weltanschauung derAntile untrennbar. Wer dieses Weltbild nicht mehr hat und diese Weltanschauung als vergangen betrachtet, für den ist notwendigerweise auch jenes Dogma hinsällig. Wenn man überhaupt von einem Ewigkeitsgehalt der Religion und insbesondere der christlichen Religion sprechen kann, so ist dieser Gehalt jedenfalls ganz unabhängig von dem jeweiligen Weltbild und der je weiligen Weltanschauung. Daraus darf man den Schlug ziehen, datz das nach dem Matze der Erkennt nis und Bildung verschiedene Weltbild unmöglich zum Matzslab der Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche gemacht werden könne. Wie man es nieman dem wehren kann, an Engel zu glauben, obwohl der Engelsglaube mit dem Christentum nicht das ge ringste zu tun hat, so kann man auch niemandem wehren, wenn er sich seinen Gott und seinen Christus in einer Form vorstellt, die von dem alten Weltbild und der alten Weltanschauung vollständig abweicht. Wir wollen niemals vergessen, daß die Kirche, auch unsere Landeskirche, in der wir leben und leiden, nicht nur nicht besteht aus Kirchenbehörden und der Summe all' der kirchlichen Einrichtungen, sondern datz sie ist verkörperter Gedanke und verkörperte Ge schichte, und datz ihre lebenden und nihrenden Per- »önlichteiten ebenso zu ihr gehören, wie ihre falschen Propheten und ihre Zeiten der Schmach. Es ist wichtig, daran zu erinnern, weil viele Neformvor- schläae, die aus Anlatz unserer letzten kirchlichen Erlebnisse hervorgetreten sind, von Ver zweiflung eingegeben zu sein scheinen, nicht aber von einer klaren Besinnung über das, was unsere Kirche sein soll und fein kann. Wir wollen uns, wenn wir die evangelische Kaplanspresse und ihre Hintermänner an der Arbeit sehen, freuen an den Persönlichkeiten von Hegel, Lchlciermacher und Kant. Unser Thema lautet: Christliche Frei heit in Glauben und Lehre aus dem Grunde des Evangeliums. Mit diesem Zusatz auf dem Grunde des Evangeliums bringen wir zum Ausdruck, datz wir keine Zügellosigkeit haben wollen, wie die Leipziger Tageblatt. Freitag, 6. Oktober lSU. Gegner, um uns zu verleumden, immer erklären. Wir glauben nicht, was wir wollen, sondern was wir müssen, und wir predigen auch nicht, was wir wollen, sondern was wir müssen. Für den Gehorsam gegen dieses innerliche heilige Müssen verlangen wir Freiheit innerhalb der evangelischen Landeskrrche. (Lebh. Beifall.) Die moderne Ueberschätzung der Rechte des Individuums stehl uns ganz fern. Wir fordern Freiheit für die Wahrheit. Absolute Glaubensfreiheit wollen wir als Evangelische, wollen wir als Protestanten gegenüber der katholischen Kirche und auch gegenüber der protestantischen Orthodoxie. Sie iclber sageih die menschliche Autorität sei göttlich, aber das Gött liche haben sie sich erst selbst zugelegt. Sie verlangen, datz die ganze Kirche sich diesen mensch lichen Autoritäten nnterwirkt. Es besteht alio prin zipiell gar kein Unterschied mehr zwischen der römisch-katholischen Kirche und der protestan tischen Orthodoxie. Es ist das Unglück unserer Kirche, datz das Wort in Vergessenheit geraten ist, I datz auch des Menschen Sohn nicht gekommen isl, i datzersichdienen lasse,sonderndatzcr diene. (Lebh.Beif.) > Die Geschichte kann und soll uns das bleiben, was sie der Kulturmenschheit immer gewesen ist. nämlich die gewaltige und nie versiegende Schatzkammer des fortwährend arbeitenden Menschengeistes. Aber eines kann und darf die Geschichte uns nicht «ein: nämlich eine unfehlbare Autoritäteninstanz. Ebenso steht es mit der geschichtlichen Persönlichkeit Jesus von Nazareth. Auch er kann und soll uns alles bleiben, was er der Christenheit immer gewesen ist. Aber eines kann nnd darf er uns nicht sein, nämlich eine autoritative Fessel für unser Lenken und Fühlen. An diesen, Punkte scheiden sich die Geister. Auf der einen Seite steht hier der in seinem Prinzip zu ganz klarem Bewusstsein erwachte Protestantismus und aus der andern Seite die frühere Entwick lungsstufe der christlichen Religion. Wir fordern reichste Mannigfaltigkeit der Lehrbiidung nicht nur als etwas, was uns erlaubt ist, sondern was wir geradezu verlangen tonnen. Von diesem Standpunkte aus gesehen ist die heutige stehende Lehrverpslichtung der Pfarrer auf die Heilige Schrift und das Bekenntnis als unprotestan tisch und un religiös, ja als unsittlich zu verwerfen. Diese Verpflichtung bindet die Piarrer statt an das ewlge Wort Gottes an die Form, die ihm von Memchenhand gegeben ist. Die Verpflichtung ist auch unsittlich, denn sie verführt die Piarrer, die darüber hinausgewachsen sind, zu reli sicher Falschmünzerei. Wenn wir aus den, gcgenwätigen Elend hcraus- iommen wollen, müssen wir ganze Arbeit machen. (Lebhafte Zustimmung.' Es mutz endlich einmal öffentlich erklärt werocn, datz unsere evangelische Krrche längst aufgehört hat, eine geschlossene Bckennt- nlsgcmeimchaft ,m Sinne einer Lehrkonformüät zu sein. In dieser Erkenntnis erblicken wir nicht eine Schwäche, sondern gerade die grotze Starte der evangelischen Kirche. Möge endlich dis Zeit kommen, wo der innere protestantische Geist unserer Kirche die äutzeren katholischen Formen zersprengt hat. Wir fordern auch die Abschaffung des Jrr- lehregesetze s. Der erste Spruch, den das Sp>uch- gecicht sich geleistet hat, kann uns nur in dieser Auf fassung bestärken. (Lcdh. Zustimmung.) Dem Kölner Pfarrer Iatho den Christenncrmen und das Christen tum abzusprechen, können nur die ristieren, die das enge dürftige Matz ihrer Parteithcologie zum Matze der christlichen Wuyrhcrt gemacht haben. Wir wollen uns unseren zukunftsfreudigen Optimismus durch diele Vorgänge nicht rauben lassen. Es gibt doch einmal erne wirtlich evangelische Kirche. Sie wird kommen, und sie werden es nicht hindern können. (Stürmischer langanhaltcnder Beifall.) In vorgerückter Abendstunde wurden die weiteren Verhandlungen auf Freitag vormittag vertagt. Z. Internationaler Kongreß tüc WohnunssljMeue. II--. Dresden, 5. Oktober. Die Sektionen setzten heute ihre Arbeit forc. Die Sektion V überwies einen dort gestellten Antrag Les Stadtratvs S t e i n b o r n - Wilhelmersdorf auf Einführung von Bürgerkunde und Sozialgcfetz- gebungsunterricht in den Volksschule» an die Seksion IX, zu deren Bereich die Fragen der (Gesetzgebung gehören. Hier erlläite Geheimrat 'Ist utzoorff, der Vertreter der Reichsregierung, Latz der Kongretz für Wohnungshygiene dock, für einen solchen Antrag nicht zuständig sei. Er könne nicht Fragen beralen, die in die Gesetzgebung der Einzel staaten gehören. Der Antrag wurde mit allen gegen eine Stimme abgelehnt. In der IX. Sektion hielt König!. Baurat Prof. Diefte l - Dresden einen Vortrag über Bauordnung nnd Mohnungohygiene. Di« gegenwärtigen bnugesetzlichen Maßnahmen ver- folgen im Widerspruch mit den tatsächlichen Verhält nissen ansckfeinend eine einseitige Fürsorge für die Arbeitcrbevölterung und betonen lediglich den Kampf gegen die Tuberkulose. Di« Tuverckulüsefterb- lichkeit der Industriearbeiter tritt aber dank unserer Gewerbe- und Fabrikhygiene weiter zurück hinter die Sterblichkeit, die unter dem Beamtentum, Len freien und künstlerischen Berufen herrscht. Die hohe Sterb lichkeit an Nervenerkrankungen in Len Lebensjahren, in denen Studien, Erfahrungen und schöpferisch« Fähigkeiten in leitende Tätigkeit umgesetzt werden und di« mittelbar damit verbundeiren Gefahren für Politik, Presse, Schule und dergleichen, fordern zur Abwehr auf. Diese Abwehr mutz sich richten gegen Li« unzureichende Behausung und deren Redenwirlun- gen. Die Verfolgung Lieser Gesichtspunkte verlangt in erster Linie die Verallgemeinerung der Erkennt nis, Latz die moderne Wohneinheit nicht das Haus, sondern die Wohnung ist. (Lebh. Beifall.) Dr.-Ing. S. Klein- München regte die Schaffung von Aufsichts- und Beratungsstellen an, welche «peziell hygienische, materialtechnsick-e und volkswirtschaftliche Gesichtspunkte in ihren gegenseiti gen Beziehungen bei allen Baufragen zu behandeln haben. In der Sektion für Schulgebäude, Internate, Her bergen usw. sprach Regierungsbaumerster Metzel« Dirschau über Ledigenheime. Eine richtige Wohuungsfärsorge und Wohnungshygiene ist unmög lich ohne eine befriedigende Lözung der Frage, eine den Forderungen der Hygiene UND Sittlichkeit ent sprechenden einwandfreien Unteroringung lediger Arbeitnehmer beiderlei Geschlechts und damit der nachhaltigen Bekämpfung des Kost- und ^chra-fgänger- wefens übrrhauvt. Das Vorurteil gegen die Ledigen heime verschwindet, sowie an einem zweckmässig ein gerichteten Ledigenheim die grotzen Vorzüge und Vor teile dieser Einrichtung erkannt werden. Professor Dr. Pohle-Frankfurt a. M. sprach über die Bedeutung von Mohnungrordnungcn und Wohnungs aussicht für die WohnunsjSverhülinisse. Praktische Bedeutung und Wirksamkeit erhält der Erlatz von Wohnungs ordnungen erst durch die gleichzeitige Einführung einer Wohnungsinjpektion, deren Hauptaufgaben einerseits in der Beseitigung ungesunder Wohnun gen, anderseits in der Verhütung von Wohnungs überfüllung bestehen. Für die technische Durchfüh rung der Wohnungsaufsickst erscheint die Anlegung eines Katasters nach dein Dresdner Muster .zweck mässig, in dem die einzelnen untersuchten Wohnun gen nach der Grötze und Beschaffenheit der Räume sowie ihrer Ausnützung genau ausgezeichnet find. lieber die Erleichterung d?s Badens nnd der Mäjchereinigung in mittleren Haushaltungen sprach Direktor Paul Rusch« weyhe. Es s«i an zustreben, datz die Mietwohnungen für mittler« Haus haltungen geräumigere, hellere und besser gelüstete Laderäume erhallen als bisher. An Stelle eines Badeofens sollte in derartigen Badcräumen eine Kombination zwischen Bade- und Waschofen mit Waschmaschine verwendet werden. Regierungs- und Baurat We oe r- Düsseldorf referierte über Erfahrungen betreffend die Wohnungshyqiene der Mindestbemittelten im InLnstriebezirt Düsseldorf. Die Wohnungshygiene kann bei den Mindestbemit telten nur dnrchgeführt werden, wenn eine behörd liche W o bnu n g s a u f s i ch t vorhanden ist. Dies« hat ihr Augenmerk vor allem auf Erschwinglichkeit des Preises zu richten und in sittlicher Hinsicht auf die rechtzeitige Trennung Ler Geschlechter hinzuwirken. Sie hat ferner in gesundheitlicher Hin sicht der Ueberfüllung der Wohnräume entgegenzuwirken, feuchte Räume als ungesund zu bezeichnen und auf Reinlichkeit den grössten Nach druck zu legen. pslitische NschrWen. Das Verhör des Wiener Attentäters. Wien, 6. Oktober. (Erg. Drahtm) Beim Verhör sagte der gestrige Attentäter im Abgeordnetenhaus, der Tischlergeselle Njegus, u. a. folgendes aus: Als der Abgeordnete Adler über die sozialdemo kratischen Kundgebungen am 17. September ge sprochen habe, bemerkte Njegus, datz der Justiz- minister spöttisch gelächelt habe. Ans Empörung hierüber habe er den Nevolvsr gezogen und auf den Justizminister gefeuert, um diesen zu erschietzen. Nikolaus Njegus ist 25 Jahre alt und stammt aus einem für dalmatinische Verhältnisse begüterten Hause. Er erbte von seinem vor einem Vierteljahr verstorbenen Vater den Hausanteil und verkaufte denselben sofort für 3000 Krnnen, um ein lustiges Leben führen zu können, wobei er fast den ganzen Betrag verausgabte. Mit dem Rest des Geldes, das Njegus für das Haus erhalten hatte, trat er angeb lich eine Vergnügungsreise nach Wien an. Njegus, der zurzeit ohne Stellung ist, bekannte sich als Mitglied der sozialdemokratischen Partei und als organisierter Arbeiter. Er ist weder poli tisch noch kriminell bisher verdächtig gewesen. Er behauptete bei dem polizeilichen Verhör, er sei ge wohnt, immer einen geladenen Revolver bei sich zu tragen. Wichtig ist. datz man bei ihm die Reso- lution einer vorgestern hier abgehaltenen sozial demokratischen Versammlung fand, die sich mit den Teuerungsfragen und der Eröffnung des Par laments besagte. Der unzufriedene Polenklub. Wien, 6. Oktober. (E. D.) In der gestrigen Sitzung des Polenklubs ist von mehreren Rednern Mttzstimn ung über das Verhalten des Präsi denten Sylvestre ausgedrückt worden. Einige Redner gingen sogar so weit, zu verlangen, datz der Psienilub bei der definitiven Präsidentenwahl Sylvestres jede stimme verweigere. Nach längerer Debatte beschlotz der Polenklub, bei der definitiven Präsidentenwahl trotz der begangenen Fehler für Sylvestre zu stimmen, falls der deutsch-nationale Verband nicht eine andere Kandidatur aufstellt. Verhaftung von russischen Sozialrevolutionären. Moskau, 6. Oktober. (G. D.) Hier wurden acht Personen, die der sozialrevolutionären Ver bindung «»gehören, verhaftet. Einem der Ver hafteten wurde nachgewiesen, datz er mit dem Mörder Sto.ypins, Bagrow, in Verbindung gestanden habe. Auch terroristische Korrespondenz wurde beschlagnahmt. Die Spanier in Marokko. Madrid, 6. Oktober. sE. D.) Amtlich wird aus Melilla gemeldet: Vorgestern abend überschritten Horden von Nifleuten den Ued Kert und griffen die spanstche Stellung bei Jmarmen an, wurden jedoch mit Verlusten zurückgeschlagen. Aus spanischer Seite ist kein Verlust zu verzeichnen. Revolution in Mexiko. New Hork, g Oktober. sEig. Drahtmeld.) In Mexiko ist von neuem eine gefährliche Revo lution ausgebrochen. Mehrere Stunden erst stn» es her, datz die freien Bürger der Bereinigten Staaten von Mexiko den siegreichen Führer der letzten Rebellen gegen den greisen Diktator Diaz, den populären Reisläufer Madero, zum Präsidenten ge wählt haben, als schon eine neue Revolution ihr blutiges Haupt erhebt. Di« Anhänger des bei der Präsidentenwahl unterlegenen Gegenkandidaten General Reyes haben in dem am Golf von Mexiko gelegenen wichtigen Staate Vera Cruz siegreich das Banner der Rebellion entfaltet. 500 gut bewaffnete Anhänger des Generals Reyes haben die Garni son der Stadt San Juan Cosco matepec nach schwerem Kampfe überwältigt und sich d«r Stadt bemächtigt, wo sie sofort eine revo lutionäre Junta errichteten. Durch die Einwohner der Stadt verstärkt, marschierten sic gegen die Stadt Huatusco, wo sie mit Len Regierungs truppen zusammen st ietzen. Ueber Len Aus gang des Gefechts ist noch nichts bekannt. Die h«ute erfolgte Erhebung General Reyes' eröffnet von neuem den Reigen der blutigen Umwälzungen in der unglücklichen mittelamerikanischen Republik, die nur während der 30jährigen Diktatur Porfirio Diaz' Ruhe genotz. ÄUS Leipzig unü Umgegenü. Leipzig, 5. Oktober. Wetterbericht der König!. Sachs. Landcswetterwarte zu Dresden. Voraussage für den 7. Oktober. Nordostwind, teils heiter, teils neblig, kälter, trocken. Pöhlberg: Glänzender Sonnenunter- und -ausgang, Himmelsfärbung orange. Hb * Störungen im Postvcrlehr. Wegen des in Belgien und im Kanal seit dem 30. September herr schenden Unwetters sind im Postverkehr mit England erhebliche Störungen einaetreten. Die in Köln am 1. Oktober 5.40 vorm. fällig gewesene zweite englische Post, aus London 30. September 2.20 nachm., ist erst am 1. Oktober 11.14 vorm. in Köln eingetroffen. Die dritte Post vom 30. September, aus London 9 Uhr nachm., und die erste vem 1. Ostober, aus London 9 Uhr vorm., sind zusammen dem Ostende—Wien-Expretzzuge zugegangen, der erst am 2. Oktober 1 Uhr vorm. in Köln eingetroffen ist und die Anschlüsse nach dem Norden nicht erreicht hat. Auch die am 2. Oktober 11.14 vorm. fällig ge wesene dritte englische Post vom 1. Oktober ist ver- Denn üie Leuchtfeuer erlöschen. Der türkisch-italienische Klieg hat die Krieg führenden zu einer Maszregel von ungeheurer Trag weite veranlatzt: die Leuchtfeuer in allen fraglichen italienischen und türkischen Gewässern, selbst solche im Roten Meere sind ausgelöscht. Nicht nur die Fahrzeuge der kriegführenden Parteien sind nun auf andere Hilfsmittel zur Orientierung angewiesen, sondern die Schiffe aller mittelmeersahrenden Völker müssen unter dieser Matzregel leiden, die zum Teil die Schiffahrt lahmlegt. Schon einmal hat das jetzige Geschlecht erlebt, was es bedeutet, wenn plötzlich die Küsten unbe feuert bleiben. Das war während des ruf fisch- japanischen Krieges, wo an den sibirischen und javanischen Küstenstrichen die Leuchtfeuer nutzer Dienst gestellt wurden. Jeder weist wohl, wie weit die Schiffe von Leuchtiürmen und anderen Feuerzeichen zur Orientierung abhängig sind und besonders. w,e wichtig sie an gefährlichen Küstenstellen oder Felsen im Meere sind, wo sie als Warnungszeichen dienen, und jo wird sich jeder vvn selbst die Frage vorlegen, wie die Schiffe zu verfahren haben, wenn sie der Leuchtfeuer entraten muffen. Zur Orientierung aus See gibt es ja mancherlei andere Mittel. Bei Tage wie bei Nacht lassen die Gestirne — natürlich nur bei klarem Himmel — eine recht genaue Ortsbestimmung aus astronomischem Wege zu: bei Bewölkung aber bleibt, sobald das Land oder andere Marken auf See nicht zu sehen sind, eigentlich nur der Kompatz zur Orientierung übrig, falls man sich etwa auf drahtlose Telegraphie nicht verlassen will, die in der Tat zum Teil ge eignet ist, eine Ortsbestimmung zu übermitteln. Sonst ober bleibt den Schiffen keine andere Wahl, als in der Nähe der Küsten zunächst die Geschwindig keit bedeutend zu verlangsamen und autzerdem. so bald es nötig ist, durch fortwährende Lotungen die Tiefe de» Fahrwassers sestzustellen. um der Gefahr des Auflauiens zu entgehen. Durch das Verlöschen der Leuchtseuer ist also ein grotzer Teil der Mittel- meerichinabrt in die Lage zurückversetzt, in der alle Schiffe m früheren Zeiten waren, wo man noch gar keine Leuchtseuer oder deren nur sehr weniae hatte. — Die Erfindung der Leuchtfeuer geht allerdings bis ins graue Alicrcum zurück: in der Lokalsage von Hero und Leander heisst es, datz Hero auf einem Turme die Feuerzeichen bewachte und das Ver löschen ihres Feuerzeichens wurde ihrem Geliebten Leander zum Verhängnis. Eins der sieben Welt wunder des Altertums, der Lcuchtturm von Pharus, der kleinen Insel gegenüber von Alexandria, hat in einigen romanischen Sprachen den Namen für unsere Bezeichnung „Leuchttürme" geliefert. Dieser uralte Leuchtturm auf der Insel Pharus, den drei Jahr hunderte vor unserer Zeitrechnung Sostrates von Knidos errichtet hat, hatte die gewaltige Höhe von 135 m und war deswegen imstande, sein Licht auf eine Entfernung von über 22 Seemeilen auszusendcn, falls man damals genügend starke Lichter gehabt hätte. Dieses Weltwunder wurde im Jahre 1302 durch ein Erdbeben vernichtet. Im Altertum tann das Erlöschen der Feuer keine so grotze Rolle gespielt haben, wie cs heute der Fall ist, denn damals entfernte man sich, soweit es irgend anging, nicht gerne aus der Sehweite der Küsten, abgesehen davon, datz die Leuchtseuer nicht allzu bell waren. Holz- und Kohlenbrände und Pechfackeln waren die ersten Lichtquellen der Leuchtfeuer, später kamen Lampen, die mit verschiedenen Oelen gespeist wurden, in Gebrauch, auch mit Gaslicht hat man er folgreiche Versuche gemacht — noch heute babcn Leuchtbojen Lichter, die mit Azetvlen brennen — und die modernsten Leuchtfeuer haben elektrische Lampen von außerordentlich grotzer Lichtstärke. Zur Zeit der französischen Revolution brannte beispiels weise auf dem grotzen Leuchtturm von Le Havre ein offenes Holzfeuer. Solche offenen Feuer, einerlei, ob Holzbrände, Kohlenfeuer oder Pechfackeln, konnten natürlich leicht bei ungünstigem Wetter verlöscht werden, so datz die damit betriebenen Leuchttiirme ihren Dienst nur unvollständig verrichten konnten. Lchallsignaie. wie sie heute zum Ersatz von Leucht feuern bei Nebel verwendet werden, kannte man früher auch schon. Kanonenschläge konnten auf weite Strecken die Schiffe warnen, sich der Schallquelle zu nähern, wenn sie natürlich auch nicht geeignet sind, genaue Angaben über das außer Dienst gestellte Leuchtfeuer zu übermitteln. Heutzutage ertönen die Schallsignale, die von den Hrulsirenen abgegeben werden, viele Kilometer weit über die See. so datz sie zum Teil das mangelnde Leuchtfeuer, besten Licht bei Nebel nicht weit genug dringt, ersetzen können. Es gibt einrelnc Gegenden, wo die moderne Schiffahrt völlig lahm gelegt würde, wenn die Leuchtseuer »löschten. In dem ichwierigen Fahrwasser des englischen Kanals finden die Schiffe gegenwärtig bei Nacht ihren Weg, indem sie sich nach den vielen Hunderten Leuchtseuern richten, die auf der französischen wie auf der englischen Seite brennen. Die Leuchtfeuer sind, wie wohl allgemein bekannt ist, verschieden eingerichtet, ie Lichtstärke in verschieden, es gibt feste, ununterbrochene leuckchenbe Feuer, Blink feuer, bei denen der Lichtschein in regelmäßigen Ab ständen ausleuchtet und unterbrochen wird, es gibt Drehfeuer, deren Strahlen unermüdlich die ganze Nacht hindurch ihre Kreise ziehen, uns farbige Lichter. Eines der bekanntesten deutschen Drehfcuer befin det sich auf dem Leuchtturme von Helgoland, der sein Licht in drei gleichmässig von einander entfern ten Strahlen aussendet. An den deutschen Küsten sind von Osten nach Westen wohl die bedeutendsten Leuchttürme die von Brüsterort, der Sw ine Mün der. der Leuchtturm von Arkona und an der Nord see das ebengenannte Leuchtfeuer auf Helgoland, der gewaltige viereckige Leuchiturm von Neu werk und der seit 1885 in Betrieb genom mene Rotesandleuchtturm. Andere be rühmte Leuchtürme sind der von Eddystone, der mehrmals vom Unwetter vernichtet, immer aber wieder den stürmischen Fluten zum Trotz wieder er richtet worden ist, der von Eastbourne vor Plymouth, der auf der Insel d'Ouestant. Der älteste der gegen wärtigen Leuchttürme dürfte der von La Coruna sein, der sogenannte Torre de Hercules, der über 1800 Jahre alt ist. Als schwimmende Leuchttürme kann man die Feuerschiffe betrachten, rot gestrichene Fahrzeuge, die an bestimmten Stellen, hauptsächlich vor Flußmündungen, verankert sind, und nachts durch ihre Feuersignale den Schiffen den Weg westen. Bet solchen Feuerschiffen kommt es auch in Frie ¬ denszeiten vor, datz ihre Lichter verlöschen. Das ge schieht dann, wenn sie wegen schweren Eisganges, der ihr Leben gefährdet, vorübergehend eingewgen werden müssen. 0. k. Liszt-Zentenarfeier in Weimar. In den musikalischen Kreisen Weimars rüstet man sich eifrig auf die Feier von Franz Liszts lOOjahrigem Geburtstag (22. Oktober). Das grösste Interesse be anspruchen naturgemäß die Veranstaltungen des Hoftheaters, dem Liszt in der Zeit von 1848 bis 1858 als Hofkapellmeisrer „in außerordentlichen Diensten" angehörte. Dieses plant am 20. Okt. als Vorfeier ein großes Sinfoniekonzert Liiztscher Werke: 1. die sinfonische Dichtung für großes Orchester „Hnn- garia", 2. den Totentanz für Klavier und Orchester nnd 3 die Faustsinfonie. Für den Klavierpart des Totentanzes ist einer der bedeutendsten Lstztschiiler und Lisztinterpreten, Frederic Lam on d aus Berlin, gewonnen worden. Das 60 Mann starke Orchester der großherzoglichen Hoskapelle wird bei dieser Ge legenheit ganz erheblich verstärkt. Für den 22. Oktober, den Geburtstag Liszts, ist eine szenische Aufführung der Legende „Die heilige Elisabeth" in Aussicht genommen, die damit in neuer Einstudierung im neuen Hoftheater zum ersten Male erscheint. Konzert und Aufführung werden durch Hofkapcllmeister Raabe vorbereitet und geleitet. Von dem gemischten Chor in Weimar wird unter der Leitung von Professor Waldemar v on Bau ßn e rn die Aufführung eines bedeutenden geistlichen Werkes von Liszt „Die ungarische Krönunasmesse" vorbereitet und im Anschluß an die Veranstaltungen des Hof theaters in der Stadtkirche zu Weimar ausgeführt werden. Spinale Kinüerläbmuny. Wie man uns schreibt, sind in der Zeit vom 10 bis 23. v. M. wiederum 11 Erkrankungen an spinaler Kinderlähmung in Preußen festgestellt worden, die sich auf die Regierungsbezirke Münster, Schleswig, Hildesheim, Minden und Stettin verteilen. Am
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