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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.10.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-10-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111019018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911101901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911101901
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-10
- Tag 1911-10-19
-
Monat
1911-10
-
Jahr
1911
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Nr. 290. 105. IüNrysny. Leipziger Tageblatt. Donnerstag, 19. Oktober l9U Sitzung üer Ltsüluernrünelen. Den vorfitz führt der Vorsteher Justizrat Dr. R-the. Der Vorsttz«nde teilt eingangs mit, daß di« Ein führung des aus Lebenszeit gewählten Oberbürger meister» Dr. Dittrich. Bürgermeisters Roth und de» zum 8. Bürgermeister gewählten Stadtrats Dr. W« der am Freitag, den 20. d. M , mittags 12 Uhr, im Ratsplenarjaale stattsindet. Bon 5 Vereinen im Osten wird in einer Eingabe gebeten, di« für di« Bäder aufgeworfene Summe so zu verwenden, daß all« Stadtteile in gleicher SUeis« bedacht werden. Ebenso lagen aus Gohlis meh ere Eingaben vor, die sich mit der Nordbadsrage beschäf tigten. Zustimmungen. Mit der Nachbcwilligung von 6500 .tz zu Konto 5 Pos. 56 „An Anstalten für Gebrecht,kl)«" des Haus haltplanes für ION war das Kollegium einverstanden. Der endgültigen Befestigung der Fahrbahn der Halberstädter Straße l früher straße X> im Jahre 1011 wurde zugcstimmt, ebenso der Erstattung von 896,15 .tz anteiligen Kosten für .Herstellung der Kreuzung Windscheidstraße Gustav Freytag Straße, dem Ankauf des Flurstücks Nr. 95 in Gundorf von 9040 Quadratmeter Flächengehalt um den Preis von 15 Pf. für 1 Quadratmeter, der Erstattung von 3840,16 ^tz anteiligen Kosten für Herstellung und Land der Demmeringstraße vom Gleis ? XVI bis zur Nadiusstraße aus dem Fonds der öffentlichen Bauabgabcn für das Gebiet des Bebauungsplanes L.-Lindenau—West, dem Abbruch des Hauses Seiten gasse Nr. 1 in L.-Stötteritz und dem Verlauf der Baustellen Nr. 7 und 8 an der Jordanstraße von zu sammen 791,2 Quadratmeter Flachengehalt um den Preis von 20 000 .tz — 25,28 .tz für 1 Quadratmeter. Große Fleischergasse. Zur baupolizeilichen Feststellung der Flucht einer Strecke der Großen Fleischergasse, Erwerbung von etwa 50 Quadratmeter Land, das vom Grundstück Nr. 1 zur Straße fällt, um den Preis von 350 . tz für 1 Quadratmeter und Bewilligung von 1000 .tz Be- festigungskosten zu Lasten des Sladtcrwcitcrungs- fonds sowie Ucberlassung des Landes zur Errichtung eines Vorbaues bis auf weiteres beantragen Hoch bau- und Ticsbauausschuß: 1) zur Fluchtlinienfest- stellung das Gutachten im zustimmenden Sinne ab zugeben und der Vorlage im übrigen zuzustimmcn, 21 den Rat um alsbaldige nichtöffentliche Vorlegung emes unverbindlichen Fluchllinienplanes für die innere Stadt zu ersuchen. — Dies geschieht. Elektrisches. Mit der Bewilligung von 54 000 .tz aus der An leihe für die Errichtung je einer Bahn-Schaltanlage in den Unterwerken Gohlis und Plagwitz, sowie sur die Auswechselung eines Umformers im Unterwerk Gohlis und der Bewilligung von 120 000 ^tz Bercch- nungsgelb für Erweiterung des Kabelnetzes der Elektrizitätswerke Nord >20 000 «tz) und Süd (100 000 .tz) war Kollegium einverstanden. Die Teuerung der Lebensmittel. K. Antrag der Stadtverordneten Pollender und Genossen in bezug auf die Teuerung der Nah rungsmittel, der dahin geht: an den Rat der Stadt Leipzig das dringende Ersuchen zu richten, 1) bei der Landes- und Ncichsregierung unverzüglich Schritte dahin zu unternehmen, daß die Nahrungsmittel zölle aufgehoben, b. die Grenzsperre für die Einfuhr von Vieh und Fleisch beseitigt und c. das System der Eetreideeinfuhrschcine abgeschafft werde, 2) beim Vorstande des Deutschen Städtctages zu beantragen, daß die Bekämpfung der Lebensmittelteuernng zum Gegenstände der Verhandlung auf dem diesjährigen Deutsckxn Städtetag gemacht werde, und 3) daß kom munale Einrichtungen getroffen werden, durch die unserer Bevölkerung möglichst billige Nahrungs mittel vermittelt werde», sowie 8. Eingabe und Natsschreiben mit Bittschriften in den Dructsachcn Nr. 593. 597, 603/1911. Der Verfassung-,- und Vctehrsaus- schuß beantragen: 1) den Antrag 1» abzulehnen, 2j den Antrag Id durch die Petition des Deutschen Städtetags als erledigt anzusehen, 3) den Antrag 1c durch die Petition des Nates ebenfalls als erledigt anzuschen, 4) den Antrag 2 durch die Petition des Deutschen Städtetagcs als erledigt anzusehen, 5> den Antrag 3, a. soweit er den Verkauf von See fischen bctrifst, durch die bereits getroffenen und noch zu beschließenden Maßnahme» für erledigt zu erklären, b. im übrigen abzulebncn. 6f die Eingabe in der Drucksache Nr. 593/1911 durch die heutige Be schlußfassung für erledigt zu erklären. Das Referat hatte Justizrat Schnauß über nommen, der u. a. folgendes aussührre: Der Antrag, die Nabrunasmittelzölle dauernd oder zeitweise au zu heben, sei abgelehnt worden, denn man habe es mit einem wirklichen Mangel im allgemeinen nicht zu tun. Die Mehrheit der Ausschüsse erklärte sich mit der Eingabe des Nates an das Ministerium einver standen, daß die Verwendung von Einfuhrscheinen bei Kaffee und Petroleum abzuschasfcn sei, die Gül tigkeitsdauer der Scheine von 6 aus 3 Monate herab zusetzen und die Beförderung des Viehes im Winter nicht teurer sei wie im Sommer. Mit der Beseiti gung der Grenzsperre war die Mehrheit der Ausschüsse ebenfalls nicht einverstanden aber die Eingabe an den Vorstand des Deutschen Städtctages wurde gut geheißen, in der gefordert wird, lie Einfuhr von Vieh aus den Nachbarländern zu erleichtern, die Ein'uhr von gepökeltem Fleisch zu unterstützen und die Ein fuhr von Fleisch aus den Kolonien zu ermöglichen. Der Beschaffung billiger Nahrungsmittel stehen große Schwierigkeiten entgegen, denn es ist nicht leicht, für eine Einwohneischast von 650 000 Per sonen einzukaufen. Vorgeschlagen wurde, für die städtischen Arbeiter vielleicht aus Ostpreußen Kar löffeln einzukauscn. Stadtv. Pollender: Mit unserem Antrag waren keine agitatorischen Zwecke verbunden, son der» die Agitation kam nur soweit in Frage, als wir die Ursache der Teuerung auszuklärcn versuchten. Die Ausführungen des Subreserenten im Ausschuß waren aus den Grundton gestimmt, cs kommt jchou alles von selbst. Wir aber sagen: Wer nur den lieben Gott läßt wallen, der läßt aber alles nur beim alten. Die Hauptsache der Teuerung sieht Red ner in den Zöllen. Die preußische Negierung hat in ihrem bekannten Erlaß diese Ursachen zu verdeck«» versucht. Vor allen Dingen muß die Beseiti gung der Nahrungsmiltclzölle gefördert werden. Deutschland ist nicht in der Lage, den inländischen Getreidebedarf zu decken. Das sieht fest, daß im September im Vergleich zu den inländischen Preisen des Vorjahres eine erhebliche Steraerung zu ver zeichnen gewesen ist. Aus Deutschland wird mehr Getreide ausgeführt als eingesiihrt. Damit eine derartige heillos« Spekulation unterbunden würde, müßten die Einfuhrscheine abgejchafft werden. Daß die jetzt bestehende Grenzsperre »ür Vieh nicht allein aus vetennarpolizeilichen Gründen geschehen ist, sondern der Konkurrenz des ausländischen Viehes wegen, ist bekannt. Dre Eingabe an den Vorstand des Deutschen Städtctages hält Redner für praktisch, daß Leipzig zu denjenigen Städten gehört, die etwas gegen die Flcischteuerung tun müssen, geht aus der Petition des Städtetages hervor, aus der zu ersehen ist, daß Leipzig zu den Städten gehört, in denen überhaupt die höchsten Fleischpreise gezahlt werden. Im Ausschüsse wurde aus die geringe Sterblichkeits ziffer in Leipzig hingewiesen. aber die Sterblichkeits ziffer unter den Säuglingen ist in Leipzig in einer geradezu erschreckenden Weise gestiegen. Diese Er scheinung ist auch nicht ohne werteres auf die anormalen Witterungsverhältnisje zurückzusühren, sondern zum großen Teil auf das Nachlassen der Widerstandskraft der weiblichen Bevölkerung. Es sei in Erwägung zu ziehen, zu untersuchen, wieviel Schulkinder an Unterernährung leiden. Stadtv. Joachim: Herr Pollender hat uns die selbe Rede gehalten, wie in den Ausschüssen. Sei nen Standpunkt kennen wir: Für sich und seinen Vorteil alles, für die anderen nichts! Solange mir nicht nachgewiesen wird, daß die gesetzgebenden Fak toren irgend was versäumt haben, liegt für mich lein Anlaß vor, diese gesetzgebenden Faktoren an ihre Pflicht zu erinnern. Die Ausfuhr ist erheblich größer als Lie Einfuhr. Man spricht überall von einer großen Teuerung. Wenn wir die Sache objektiv be trachten, werden wir zu der Ueberzcugung kommen, Laß keine Trockenheit, geschweige denn eine große Trockenheit besteht. Die Körnerernte ist besser wie im Vorjahre und die Stärke der Kartoffeln hat in diesem Jahre 10 bis 12 Prozent mehr als im Vorjahre. Die große Ergiebigkeit des Roggens hat erwirkt, daß das Brot nicht aufgestiegen ist. Die Bäcker seien also gegen den Vorwurf des Herrn Pol lender in Schutz zu nehmen. Wegen des Futterman gels sej allerdings eine kur.ze Preissteigerung einge- lreten. Wenn die Regierung alles durchführen wollte, was verlangt würde, könnte man sich über den nächstjährigen Steüerzettel wundern. Den Zwischen handel bezeichnet Redner als ungesund. Redner kommt dann aus den Plagwitzer Konsumverein zu sprechen, aus dessen Jahresbericht ein Umsatz von 21 Millionen zu rechnen sei. Wenn der nicht mehr Segen bringen kann als hier zu ersehen ist, dann ist es traurig, daß so viel Not und Elend über so viele Konkurrenzen (klein« HänLler usw.) gebracht wird. Stadtv. Lehmann: Was der Konsumverein an Dividende zurückzahlt, das stecken sonst die Unter nehmer in Lie Tasche. Herr Joachim hat bestritten, daß eine Teuerung besteht. Es handelt sich nicht nur um Brot und Fleisch, sondern auch die Preise der übrigen Nahrungsmittel sind gestiegen. In einer ganzen Reihe deutscher Städte ist der Standpunkt eingenommen worden, den wir bezüglich der Zölle zum Ausdruck gebracht. Auch hat man dort etwas getan, um der Not zu steuern. Wenn auch die Beschaffung solcher Erzeugnisse durch die Stadt nur Palliatiomittel sind, jo steht doch fest, daß einiger Not gemildert wird. Wenn Sie die Ausschußanträge annehmen, so wäre das Resultat das, daß hier gar nichts getan wird. Dann könnte auch von einem sozialen Verständnis bei der Leipziger Stadtverwal tung nicht gesprochen werden. Aus andern Städten hat man gehört, daß man sich dort mit den Gewerk schaften in Verbindung gesetzt, um einen geregelten Verkauf einzurichten. Wenn im Interesse der All gemeinheit etwas geschehen muß, darf man nicht be sorgt sein, wenn auch einige Existenzen darunter lcioen. Redner stellt dann den Antrag, der Ziffer 3 des sozialdemokratischen Antrages zuzustimmen, zur Ausführung des Antrages einen gemischten Ausschuß einzusetzen und diesem «ine Summe von 200 000 .tz zu überweisen. Oberbürgermeister Dr. Dittrich: Wir haben von der Herrn Lehmann nahestehenden Presse eine Kritik erfahren müssen, als ob wir, der Rat, gar nichts in der Sache getan haben. Man muß es be dauern. daß in einer solchen ernsten Angelegenheit eine derartige Entstellung vorgenommen wird. Da durch muß natürlich eine tiefe Mißstimmung hervor gerufen werden. Wir haben keinen Augenblick die Hände in den Schoß gelegt. Wenn wir etwas tun wollen, so muß zuerst festgestellt werden, daß der Großhandel nicht genügend funktioniert. Wenn t>ese Voraussetzung vorliegt, dann muß es die Sache der Stadtverwaltung sein, hier eine Anregung zu geben. Wir haben bereits derartiges getan, indem wir die beiden Fischhallrn ins Leben gerufen haben mit tcm Zwecke, auf diese Weise unserer Bevölkerung gute und preiswerte Seefische zu beschaffen. Die zweite Voraussetzung muß die sein, Laß eine lleber- teuerung vorliegt. Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Dieserhalb muß der Markt fortwährend verfolgt werden, damit man mit dieser Hilfe einen Ausblick gewinnen kann. Wir lind mit den Großhändlern in Verbindung getreten, haben die Detailpreise beobachtet und werden uns demnächst darüber schlüssig werden, was gejchehe» muß. Wir werden uns zu überlegen haben, ob wir nicht an die großen Betriebe Herangehen, damit sie direkt von den Großhändlern für ihre Angestellten den billigen Bezug der Kartoffeln einleiten können. Wir müssen auf alle Mitbürger Rücksicht nehmen. Wir haben weiter in Aussicht genommen, unsere eigenen Arbeiter in unseren Betrieben mit Kartoffeln und Seefischen zu versorgen, die wir direkt von den Großhändlern beziehen und den bei uns beschäftigten Arbeitern zum Selbstkostenpreis abgel>en wollen. Weiter sollen di« Kochkurse für Scefiscbe alsbald wieder ins Leben gerufen und in möglichst weitem Umfange durchgefiihrt werden, wir werden noch zu überlegen haben, ob vielleicht noch im Norden eine dritte Seefischhalle zu errichten ist. Bezüglich der Fleischteuerung verweist Redner auf die Petition des Nates an die Negierung. Man könne nur hoffen, daß seitens der Ncichsregierung unseren Wünschen Rechnung getragen wird. Wenn das geschieht, hoffen wir, daß eine gewisse Besserung eintritt. Leider muß dabei gesagt werden, daß auch das Ausland infolge der Dürre zu leiden gehabt hat. Ich bin der Ansicht, daß es die Pflicht der Reichs regierung ist, daß in dieser Frage alles getan werden muß. was zu tun ist. Dazu gehören die Maßnahmen, die vom Vorstand des Städtetages vorgeschlapen sind. Redner kommt dann auf die angebliche Fleischteue- runa ein. Das Schlachtgewicht bei Ochsen betrug Im Voriabre 87 Pi. in diesem Jahre 85 Pf., der übliche Fleischpreis 90 Pf. im Vorjahr und jetzt. Bei Kühen beträgt das Schlachtgewicht jetzt 74 Pf. gegenüber 76 Pf. im Vorjahr, der Fleischpreis ist von 85 auf SO Pf. gestiegen. Bei Schweinen lind die Preise (80 Pf.) wie im Vorfahre stehen geblieben. Es würde großen Schwierigkeiten begegnen, wenn die Stadt die Schlachtungen selbst vornehmen lassen wollt« Der Rat ist der Meinung, vag man eine Summe zu. Veriüpuna stellen soll, die einmal der Speisung der Schulkinder dient. Weiter hin soll ein Berechnungsgeld cufgewandt werden als Beihilfe für die Speiseanstalten, die Uch äußcrst segensreich erwiesen haben. Auch ist er wogen, zwei neue Speiseanstalten zu er richten. Weiter ist in Aussicht genommen, unsern Arbeitern und Beamten, die ein Einkommen unter 1800 «tz haben, verheiratet sind und Kinder haben, ein« einmalige Beihilfe zu gewähren. Von einer Lohnerhöhung kann zurzeit keine Rede iein, weil im Vorjahre die Löhne geregelt sind. Auch sind wir dabei, die Frage der Regelung der Ar beitszeit zum Abschluß zu bringen. Damit steht im Zusammenhang die Aufstellijng einer allgemeinen Lohnerhöhung, die endlich mal die Verschiedenheiten beseitigen und möglichst eine Einheitlichkeit herber- sühren soll. Damit wirb ja auch eine mate rielle Verbesserung eintrelen müssen. Diese Maß nahmen werden eine Summe von 300 000 bis 350 000 Mark erfordern. D.e Angelegenheit befindet sich noch in vorbereitendem Stadium. — Auf dis andern Fragen (Zöllej hier noch weiter einzugchen, er übrigt sich wohl. Das kann auch un ere Ausgabe nicht sein. Dis Schutzzölle sind nicht nur für die Agrarier da, sondern sie sind auch für die Industrie gescha fen Die Tatsache der Säuglingssterblichkeit ist le.dec richtig. Wir sind dabei, die Gründe dieser Sterb lichkeit zu ermitteln. Die Behauptung, die Herr Vollender an die Spitze seiner Aussühcungen gestellt hat, daß die maßgeben den Bürger Leipzigs nicht imstande seien, die Teue rung zu lindern, dürste wohl jetzt widerlegt sein. Was geschehen kann, wird auch in Zukunft geschehen. Stadtv. Pollender: lieber das, was geschehen ist und was geschehen kann, dürften die Ansichten wohl verschieden sein. Redner geht dann auf die Ausführungen des Stadtv. Joachim ein. Es sei ihm nicht eingefallen, die Fleischer und Bäcker zu ver leumden. Weiter verteidigt er die Einrichtungen des Konsumvereins und redet schließlich von der dreistcn Weise des Herrn Joachim. Der Vorsirzende hält den Ausdruck des Herrn Joachim, Herr Vollender habe die Bäcker und Fleischer verleumdet, nicht für richtig, ebenso denjenigen des Herrn Vollender von der dreisten Weise des Herrn Joachim, und ersucht, derartige Redensarten im Interesse des Kollegiums zu unterlassen. Nachdem Stadtv. Joachim noch einmal auf die Ausführungen des Herrn Vollender geantwortet, nimmt Stadtv. Dr. Werner das Wort, der für die Anträge 1» und 3 stimmen wird. Stadtv. Seger wendet sich gegen den Ausdruck des Oberbürgermeisters, daß sich eine gewisse Presse frevelhaft gegen den Rat benommen. Recht bitter hat die Bevölkerung die Vorschläge entgegengeuom- men, die hier seinerzeit gemacht worden sind. Redner tritt für das Ausfuhrverbot ein und hält die vom Rat beabsichtigten Maßnahmen für zu gering. Stadtv. Pflaume wendet sich dagegen, daß der Rat Maßnahmen trifft, die weite Kreise des Volkes schwer schädigen müssen: Einkauf der Kar toffeln und der Seefische usw. Sie würden dadurch nur weitere Leute der Sozialdemokratie in die Arme treiben. Redner bedauert die Ausführungen des Stadtv. Werner. Oberbiigermeister Dr. Dittrich: Ich habe ge sagt, wir werden dann zu den Maßnahmen schreiten, wenn die von mir angegebenen Voraussetzungen zu treffen. Die Secfischhallcn. die wir errichtet haben, haben ihren Zweck in weitestem Maße ernillt. Daß wir nniern Arbeitern wie seder andere Unternehmer damit entgegenkommen, das ist unsere Pilicht. Daß wir nun nicht dazu da sind, alle die Mißstände, die in der Welt bestehen, zu beseitigen, das steht wohl ohne weiteres fest. Ich habe auf den Beifall der Sozialdemokraten nicht gerechnet, sondern nur dle Ansicht des Nates geäußert. Stadtv. Streubel wendet sich ebenfalls gegen die Behauptungen des Stadtv. Werner. Seine ein zelnen Ausführungen waren am Pressetisch nicht verständlich. Stadtv Beck bespricht die Folgen, wenn Oester reich und Holland die Grenzen geschloffen hätten. Im übrigen verteidigt er seinen Ausdruck, wenn er gesagt habe, es könnten manche Leute besser leben, wenn sie in ihren Ansprüchen bescheidener lebten. Stadtv Prof. Dr. Dennewitz: Es würde töricht sein, zu bestreiten, daß die Lebensmittelpreise ge stiegen seien. Es sei aber Tatsache, daß manche Be amtenfamilie schwerer zu kämpfen habe als vie'e Ar beiter. Redner weist besonders aus die Ausführungen des Abgeordneten Bebel auf dem Jenaer Partei tage hin. der gesagt habe, en sei stolz darauf, die russische Revolution mit einer halben Million unter stützt zu haben. Redner tritt zum Schluß den Aus führungen des Stadtv. Werner entgegen. Oberbürgermeister Dr. Dittrich weist darauf hin, daß durch den Schlachtbof die Fleischpreise um 1,8 Pf. gesunken seien. Die Abstimmung. Bei der Abstimmung wurden die Anträge des Ausschusses gegen 21 Stimmen der Sozialdemokraten angenommen, der Antrag des Stadt». Lehmann mit 33 gegen 23 Stimmen abgelcünt. Der Hanshaltplan für 1912. Darauf wurde in die Beratung des Haushalt planes eingetreten. Den Bericht des Finanzaus schusses erstattete der Vorsitzende, Kommerzienrat Tobias. Der Referent hob das erfreuliche Zusammen arbeiten von Rat und Stadtverordneten hervor, wo durch fruchttragende Ergebnisse erzielt würden. Er begrüßte die Schaffung des Kümmercrpostens und erwartet von dem Bürgermeister, daß er das ihm durch seine Wiederwahl ausgesprochene Vertrauen durch Energie in der Umänderung des kaufmän nischen Teiles der werbenden Unternehmungen recht fertigen wird. Der Finanzausschuß wünscht künftig die Lösung prinzipieller Fragen vor Einreichung des Haushaltplancs, und nicht erst im Haushaltplan selbst ausgedriickt, um ein ganz falsches Bild zu ver meiden. Die Stadtverordneten könnten sonst nicht, was bisher ihr Stolz war, bis Ende des Jahres den Etat verabschieden. — Referent wolle nur auf die wichtigsten Konten eingehen, der Schwerpunkt läge in der Einzelberatung -er Ausschüsse. Die Haupt sache sei, daß das Resultat «in günstiges, eine Steuererhöhung ausge schlossen sei, wenn auch der bevorstehende Winter durch die Teuerung besondere größere Ausgaben erfordern würde. — Der Finanzausschuß habe sein Hauptaugenmerk daraus gelegt, unter Fürsorge für spätere Geschlechter auch das Recht der Gegen wart zu wahren, er holte die Finanzpolitik des Nates durch die Ministerialverordnung beein flußt, die in ungewöhnlichem Maße für die Zukunft sorgen wolle. — Wenn in den letzten 3 Jahren 10 Prozent Steuern zuviel bewilligt seien, so sei da» geschehen, um ein unumgänglich notwendiges Be- triebskapital von 7 Millionen zu sammeln. Kommt dazu nun noch das neue Krankenhaus für 12 Millio nen, das noch für viele Generationen ist, Bäder usw., so sei die Belastung der Jetztzeit eine große. — In der letzten Sitzung vor den Ferien habe man der Bürgerschaft ein Feriengeschenk gemacht, indem man 532 000 .tz für eine Schule einfach aus den Steuern nahm, während es bisher aus Anleihe genommen wurde. Im Jahre 1911—1912 sollen 8 neue Schulen gebaut werden im Betrage von 3 100 000 «tz. Darin seien aber noch nicht die neuen Fortbildungsschulen enthalten. Es sei ganz unmöglich, derartiges aus den Steuern zu zahlen, sogar die Turnhallen wolle der Rat aus den Steuern bezahlen. — Der Referent wies darauf hin, daß unsere Straßen sich auch viel schneller durch die Last-Autos abnützten, die die Straßen in Grund und Boden ruinierten. Leider sei in Anbetracht der Bundesratsverordnung das nicht zu untersagen: die Rücksicht aus die Industrie habe aber eine Grenze. Der Rat könne durch straßcnpolizeiverordnung Abhilfe schaffen, eventuell soll er den Last-Autos eine ganz ge hörige Extrasteuer als Beihilfe zur Unterhaltung der Straßen auf erlegen. Auch vom hygienischen Standpunkt, Staubentwicklung usw., sei die Beschränkung dieser Last-Autos notwendig. — Ueber das Wasser, werk seien in der Bürgerschaft falsche Vor stellungen verbreitet. Nicht der Rat habe die Schuld, daß das neue Werk noch nicht in Betrieb genommen sei, sondern einige Grundbesitzer, die gegen die Durchführung der Rohre in ihren Fluren Einspruch erhoben hätten. Man könne also nicht vorwärtskommen, solange das Enteig- nungsverfahren nicht erledigt sei. — In den Gasanstalten wünscht man, sofort die Ein führung der Fernzündung für die ganze Stadt in An griff zu nehmen und nicht in einem einzelnen Bezirk. — Die eingeführte neue Kassenverwckltung habe bisher keine Ersparnis gezeitigt. Zur Vermeidung von Zinsverlusten müßten die Rechnungen viel schneller ausgeschrieben werden. Es sei notwendig, unseren werbenden Unternehmungen nicht bloß Techniker, sondern auch kaufmännische Kräfte anzugliedern. Das Betriebsvermögen, das erst kürzlich geschaffen sei, würde sicher schon Ende 1911 5 Millionen betra gen. Auch die Mansselder Kuxe seien vom Rate mit 10 «tz Erträgnis als zu niedrig angenommen. Wohl das Doppelte sei zu erwarten. Das Areal in Mark ranstädt verzinst sich mit IN Proz. Man soll es verkaufen. — Die Theater würden durch neue Vor schriften über Feuer- und Verkehrssicherheit wie durch technische Anforderungen wesentliche Ausgaben erfor dern. Das würde beim Alten Theater durch Dreh bühne usw. in die Hunderttausende gehen, aver jede neue Ausgabe für Ausbesserung würde nie etwas Vollkommenes schaffen, auch keine Garantie geben, daß in 5 bis 6 Jahren nicht wieder neues Material erforderlich sei. Er gebe anheim, zu erwä gen, ob es nicht richtiger sei, das ganze Alte Theater n i e d e r z u r e i ß e n und ern neues Haus zu bauen. — Der Finanzausschuß behält sich vor, über Verwendung verschiedener Po sitionen, namentlich Wertzuwachssteuer, Biersteuer usw., erst bei Festsetzung des Steuersatzes für 1912 Entscheidung zu treffen. Wie sehr die Ansprüche der Stadt gewachsen seien, geht daraus hervor, daß der Umsatz der Stadt vor 10 Jahren 30 Millionen be tragen hat und 1911 64 Millionen, also in 10 Jahren über das Doppelte. Man hofft zwar, daß die günsti« gen Ergebnisse anhalten und die Steuern auch in Zu kunft nicht erhöht werden brauchen. Man soll sich aber nicht dem Wahne hinaeben, als ob man im Gelbe schwimme und draus loswirtschaften könne. Sparsamkeit müsse auch fernerhin geübt werden. Die Debatte. Stadtv. Sander: Die zarten Flötentöne, die der Referent angeschlagen hat, beweisen, daß man mit dem Etat einverstanden fein kann. Der Wunsch ist aber berechtigt, daß nach Möglichkeit der Haushalts, plan auch das bringt, was im Jahre zu erwarten ist. Kein Stand ist so in der Zwangslage, wie man es vom Mittelstand sagen kann. Wenn ich den Stadt rat bitte, die Wünsche de» Mittelstandes zu wahren, so würde es im Jntereff« der Allgemeinheit liegen, wenn der Rat die eigene Regie au» der Hand legen wollte. Redner hält es nicht für richtig, daß bei den Lindenauer Wiesen eine Dresdener Firma berück sichtigt worden ist. Stadtv. Lange: Ich möchte diese Gelegen heit benutzen, um unsere Stellung darzulegen. Daß verschiedene Ansichten aufeinanderstoßen, schadet nicht, wenn das Wohl der Allgemeinheit dabei im Auge behalten wird. In den letzten 20 Jahren ist das Interesse an der städtischen Verwaltung viel reger geworden. Der Anteil der Betriebe an der städtischen Verwaltung ist nicht in dem Verhältnis gestiegen. Wenn wir hier auch nicht die Mehrheit haben — das stolze Bewußtsein haben wir, daß wir die Mehrheit der Bürgerschaft vertreten. Was das Wohl und Wehe der Stadt betrifft, so liegt uns das genau so am Herzen, wie jedem anderen. Kann Leipzig heute noch sagen, daß es die schönste Stadt Deutschlands sei? Das konnte man nur sagen, als ein Bürgermeister Müller an der Spitze gestanden hat. Was den Etat betrifft, so zeigt er ein freund liches Gesicht. Ich traue diesem Gesicht aber nicht. So fällt mir aus, daß unter Ueberschußkonto eine Million Mark notiert sind. Sie sind aber nicht als faktisch zu betrachten, da sie nur buchmäßig aufge führt sind. Redner bittet das Kollegium, den Rat zu ersuchen, den Stadtverordneten über die Teue rungsbeihilfen, die im Etat nicht vorgesehen sind, bald eine Vorlage zugehen zu lassen. Wenig erfreu lich ist auch das kleinliche Helabziehen der Schul ordnung, sowie das Disziplinarverfahren gegen Leipziger Lehrer. Mit harten Worten geht Redner gegen die Vergnügungssteuer vor. Wir sind uns be wußt, daß wir auch weiterhin zum Wohle der Stadt Mitarbeiten werden. Oberbürgermeister Dr. Dittrich: Ich bin nicht in der Lage, zu den Aeußerungen des Stadtv. Lange über das Disziplinarverfahren gegen Leip, ziger Lehrer irgendwelche Erklärungen abzugeben. Daß der Haushaltplan nicht vollständig ist, liegt daran, daß er bereits im Juni aufgestellt ist. Auch wir haben uns der Ueberzcugung des Herrn Sander angeschloffen, daß die Lage des Mittelstandes keine erfreuliche ist, und daß wir helfen wollen, wo wir können. Zum Schluffe teilte der Vorsitzende mit, daß der Rat einen Architekten beauftragt habe, ein Projekt für den vollständigen Neubau de» Alten Theaters aufzustellen. Nach ^12 Uhr wurde di« öffentlich« Sitzung ge- schloffen.
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