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Sächsische Volkszeitung : 26.02.1931
- Erscheinungsdatum
- 1931-02-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193102263
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19310226
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19310226
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1931
-
Monat
1931-02
- Tag 1931-02-26
-
Monat
1931-02
-
Jahr
1931
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 26.02.1931
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einem gecvisten östlichen Insttntr heraus, au» vecn „ r > eu- >, orthodoxen Kamps stet st heraus gegen die abendlän dische Kirche in die Schranken getreten wäre, und das, aus ihm die angeborene Abneigung der Orientalen gegen di« Occiden- talen spreche. Man suchte in Huh einen gewissen Schulsall zu konstruieren für die beliebte Hypothese, das, ein tiefer, unüber brückbarer Gegensatz bestehe zwilchen dem slawischen Geiste und der abendländischen Kultur, -wischen jenem Geist«, der seit den Tagen des Cyrill und Methodius in den Tschechen lebe, und dem Geiste, der von Akoni ausgeht. Schon des öfteren Ist dies« Annahme als vollkommen unbe gründet abgetan worden und die grossen Historiker der Tschechen, wie Palacki haben erwiesen, dah Huh von ganz andern, sagen wir, westlichen Einflüssen getrieben war. Aber dessen ungeachtet sucht man in Hupens Werken mit Hilke der Kritik Stellen nack-uwcile», die aanz den Geltz «er Orthodoxie Wenn heute säumige Schuldner, deren Zahl einem glaub haften Gerücht nach nicht gerade gering sein soll, ihre Gläubiger allzu lange auf Bezahlung warten lassen, setzen die letzteren jene Maschinerie amtlich-rechtlicher Funktionen in Tätigkeit, deren Anfang sanfte und heftige Mahnungen sind und über die Station des Zahlungsbefehls mit der Piändung enden Im Mittelalter aber war der Beruf der Gerichtsvollzieher noch nicht erfunden, und da es säumige Schuldner gegeben hat. solange Menschen in einer Gemein Schaft zusammen leben, mussten die Gläubiger in der damaligen Zeit andere Mittel und Wege suchen, um zu ihrem Geld zu kommen. Sie liessen den Schuld nern also nicht durch das „zuständige Amtsgericht" in vor schriftsmässig höslich-neutralem Amtsdeutsch abgesaszte Zah lungsbefehle zustellen, sondern machten ihrem Aerger in höchst persönlich gehaltenen Schelt- und Schmähschriften und auch in bildlichen Darstellungen, die an Drastigkeit nichts zu wünschen übrig liessen, Luft, um so durch einen durchaus nicht sausten moralischen Druck die Zahlungsleistung zu erzwingen. Alan kann verstehen, datz die Empfänger solcher Schelt- und Schmähbricse — meist waren es verschuldete Ritter und Adelige, aber auch Städte und Klöster erhielten solche Briese — keine be sondere Mühe daraus verwandt haben, diese ehrenrührigen Dokumente ihrer Saumseligkeit der Nachwelt zu überliefern. Immerhin sin uns vereinzelt eine Reihe dieser k-aino-stilcolli und l'iatuua lainosa, wie man sie nannte, erhalten geblieben und vermitlcln uns kulinr- und rechtsgeschichtlich interessante Einblicke in die damaligen Verhältnisse Es ist das Verdienst des bekannten Münchener Heraldikers Prof. Otto Hupp, alle in Bibliotheken und Archiven verstreuten Exemplare von Schcllbriesen und Schandbildern ausgespürt und gesammelt und durch Publikation der Oefsentlichkei« zu gänglich gemacht zu haben. Das erschöpfende Vorwort zu diesem Werk*) und die vortrefflichen Erläuterungen zu jedem einzel nen der vierzig Briefe und Bilder geben dazu eine jedem ver ständliche und jeden interessierende Einführung in die Bedeu tung und geschichtliche Entwicklung dieses R e ch t s b c h c l f s, den die Scheltbriefe und Schandbilder zweifellos darstellen: ein Bchels, der durch Gewohnheit rechtlichen Charakter angenom men hatte und den man auch wohl als Rechtsmittel — ein allerdings etwas rauhes — anjeheu kann, wenn auch im allgemeinen durch Reichsgesetze und speziell durch die Gerichts ordnung Kaiser Karls V. Schelt- oder Schmähfchristen und Sckiandbilder an-ufertiaen und au verbreiten verboten mar. Bei *) „Echellbricfe und Schandbilder, ein Rechtsbehelf aus dem 15. und 10. Jahrhundert", gesammelt und erläutert von Otto Hupp. Selbstverlag des Versassers. Auslieferung: Verlagsanslalt vorm. E. I. Manz, Regensburg-München. Preis l8 Reichsmark. atmeten, und vor allem Hustens Predigten seien voller An- klänge an die orthodoxe Predigt. Den Höhepunkt der Darstellung Florowskis bedeuten einige neu rwrüsfentlichte Briefe des russischen Komponisten Bola- kirew, des Zeitgenossen der Rimski-Korsakow, Glinka, Liszt, Chopin, aus denen hervorgeht, wie dieser panslawistisch« Musik- Schwärmer geradezu in seinem religiösen Wahn sich dazu ver- sticg, Huk als Heiligen zu verehren und in Briesen an den bl. Synod direkt die Heiligsprechung des Ian Huk für die ganze orthodoxe Kirche von Russland zu verlangen. Atas die orthodoxe Kirche nicht zu tun gewagt, hat bekannt lich Masaryk begünstigt, als er den Todestag des Jan Huss als Feiertag für die tschechische Nation proklamieren wollte was aber am Widerspruch der die Mehrheit ausmachcuden tschechischen Katholiken scheiterte, Xn. der Einlreivung von Schulden hat inan auch früher schon keinen Spatz verstanden. Trotz des ehrenrührigen und oft anstössigen Inhalts darf man also in den Briefen und Bildern der Gläubiger an ihre Schuldner keine willkürlichen Zornesausbriiche sehen. Professor Hupp sagt darüber: „Es sind keine Racheakte, sondern Zeugen eines bestimmt geordneten Gewohnheitsrechtes, das namentlich zwischen Adeligen im Gebrauch war. Wenn man einerseits die Folgen der früher in dieien Kreisen üblichen gewalttätigen Selbsthilfe, des Faust rechts, andererseits die Langsamkeit der damaligen Rechtspflege bedenkt, bei der Prozesse von mehr als hundertjähriger Dauer nicht zu den Seltenheiten gehörten, wenn es vorkommen konnte, datz die einfachste Beleidigungs klage vor dem Reichskammergericht sich achtzehn Jahre hiuzog, ohne entschieden zu werden, dann wird man zugebcn müssen, datz der Scheltbrief damals bei weitem das kleinere llcbel, datz er ein zwar nicht schöner, aber doch verständiger und verständ licher Ncchlsbchcls, ein rascher und meist erfolgreicher Sprung zwischen Scylla und Charybdis hindurch in die Oefsentlichkeit war. Der Schcltbrief war wohl ein Drohbrief, aber lein aus dem Hinterhalt geschossener Pfeil wie andere Pasquille. Er kam niemandem unerwartet. Wer ihn ausslellte, war verpflichtet, seinen Namen darunter zu setzen bzw. sein Siegel auszudriicken. Er durfte auch nicht öffentlich ausgehängt werden, ohne datz vor her der Bürge an feine Verpflichtung gemahnt und ihm das Schandbild mit der Drohung zugeschickt worden war, wenn er nicht bis zu einem bestimmten Tag den Gläubiger befriedigte, dann werde der Schmähbries an Kirchen, Rathäusern und am Praimer angeschlagen werden." Datz die Echeltbrieie und Schandbilder bäusia nicht an den eigentlichen Gläubiger, sondern an einen oder auch mehrere Bürgen gerichtet waren, ist aus einer schon im hohen Mittel- alter entstandenen und bis ins 17. Jahrhundert reichenden Rcchtsgewohnhcit zu erklären, der in Schuldbriefen enthaltenen Klausel der „Leistung" oder des „Einlagers". Wenn ein welt licher oder geistlicher Herr ein grötzcres Darlehen ausnehmen wollte, mutzte er. um die Schadloshaltung des Gläubigers zu gewährleisten, Bürgen stellen. Diese Bürgen mutzten die Schuld urkunden nut untersiegcln und sich zu Selbstschuidnern erklären. In dieser Viirgeuerllärung war die Verpflicht»«« eingeschlosjen, wenn der Urschuldner nicht rechtzeitig sein Zahlungen leistete, aus Verlangen des Gläubigers in einer bestimmten Stadt und sogar in einem bestimmten Wirtshaus auf Kosten des Schuld ners Quartier zu nehmen, bis die Schuld samt den Zinsen er stattet waren. Das nannte man dann die Leistung, das Ein lager oder das Einreiten. Schuldurkunden mit dieser Leistungsklausel wurden nicht nur von Kaufleuten, geistlichen und weltlichen Fürsten, sondern sogar von Kaisern und Königen ausgestellt. So weist Pros. Hüvv im Vorwort a. B. darauf bin. datz Biickoi Konrad non > Speyer sich km Jahre 1209 für'bei» geldbedttrfttgen «aiste Otto IV. dem Erzbischof Siegfried II. von Mainz dahingehcns > verbürgte, den vom Erzbischof bestimmten Aufenthalt nicht ehe, zu verlassen, bis dieser überreichlich entschädigt sei. Das Ziel, das der Gläubiger mit dem Einlager verfolgte, war nicht etwa die Abreaktion seines Zornes sondern er wollt« durch das tägliche Anwachsen der Einlagerkosten den Schuldner zur Zahlung nötigen. Wen» der Schuldner aber selbst ins Ein lager zog, war ihm ja die Möglichkeit genommen, Mittel zur Tilgung der Schuld zu beschossen, so mutzten denn die Bürgen führ ihn etntreten und häufig liegen sich diese durch Knechte vertreten, denn dem Gläubiger kam es ja nicht auf die Person an, sondern aus die Tatsache, datz das Einlager überhaupt ge halten wurde, und so dem Schuldner immer drückendere Lasten erwuchsen. Für die, die das Einlager halten mutzten, war die Sache weniger tragisch als langweilig und man kann ihnen nicht ver denken, datz sie sich die Langeweile während dieses unfreiwil ligen Aufenthaltes nach Möglichkeit zu vertreiben suchten. Denn sie durften weder den Ort oder gar das Wirtshaus autzcr bei Feuers- und Wassernot oder bei sonstiger Lebensgefahr ver- lassen, noch durften sie arbeiten. So hielten sie sich an das für sie ja kostenlose Essen und Trinken, bei dem es ihnen an „Mst- ! arbeitern" nicht fehlte. Es ist daher auch nicht verwunderlich, ' wenn sich Leute sanden, die diese Form der Lebensführung lieb- gewannen und aus der Not eine Tugend oder belfer aeiaat ein Gewerbe machten und als Stellvertreter für Bürgen iic das Einlager gingen. Man nannte diese Leute „Keisclfreäel und noch im 18. Jahrhundert kannte man die „Eijielsupp Das Einlager hatte häufig ganz andere Folgen als .ec Gläubiger beabsichtigte: Die Kosten für den Unterhalt r>r Bürgen oder der „Geiselsresser" und die noch viel höheren Kosten für die Gelage bürdeten dem Schuldner immer neu« Lasten auf. so datz dieser seinen Verpflichtungen erst recht nicht Nachkommen konnte. Nachdem schon auf dem Augsburger Reichstag von 1518 eine Neuordnung des Einlager-Versahrens angeregt worden war, wurde der zur gemeiuschädlichen Unsta- ausgcartete Brauch durch die Reichspolizeiordnung von 1:7 verboten. Ueber die Ausübung des Einlagers, das in fast allen Schnldurkundcn verpflichtend eingeschaltet ist, sind merkwür digerweise fast gar keine Quellen vorhanden. Das hat Pies Hupp veranlasst, das einzige umfangreichere Material ein Aktenbiindel über die Vollziehung eines Einlagers in Wun siedel in der Oberpfalz ausführlich zu bearbeiten und seinem Werk als besonderen Anhang anzusiigen. Es bandelt sich um das „Einlager zn Wunsiedel wegen der Schulden des Pfal;- grafeu Ottheinrich bei Bernhard Rarer im Jahre 1511". Interessante Ausschlüsse gibt Prof. Hupp auch über die B r> breitung der Scheltbriese. Die meisten der bekanntgewordeuen Briefe stammen aus weltlichen und nördlichen Gegenden, vam Rhein, aus Hessen. Westfalen, Hannover, Mecklenburg, Bran denburg und Lippe Ans Bayer» w«rden nur zwei Briese be kannt. Die ausgedehnteste Verbreitung sanden die Scheltbrief« in Böhmen und Mähren, wo eine amtliche Regelung des Brau ches durch die Behörde stattfand, was man in Deutschland wohl nie gekannt hat. „Auch in Böhmen gehörten die Scheltbriefe zu den aussergerichtlichen Mitteln, mittels deren der Gläubiger den Schuldner oder die Bürgen zur Erfüllung ihrer Pflicht >.1 bringen versuchte. Auch hier durste der Gläubiger erst vi-r. zehn Tage nach der crsolgloscn Mahnung zum Einlager -, r Selbsthilfe schreiten und Schmühbriefe in den verschiedene 1 Städten an den Pranger schlagen lassen. Wenn der Gescholten; gezahlt hatte, war der Gläubiger verpflichtet, die Scheltbri e aller Orten wieder abnchmen zu lassen. Auch in Böhmen waren die Briese in starken Ausdrücken verfasst, die aber cu wissermatzen gesetzlich geregelt waren und die wilden Einfälle der unsern nicht erreichten. So durfte der Gläubiger mu Schuldner, der sein Versprechen nicht gehalten hatte, wohl einen „Lügner" nennen, aber er mutzte „um Geld" hinzusetzen. damit nach andern Seiten der Charakter des Gescholtenen nicht au- getastet wurde. Die einzelnen Briefe und Bilder mit den Erläuterung n von Prof. Hupp, die auf 75 Seiten mit vielen technisch vorzüg lich wiedergegebenen Abbildungen in Netzätzung, den Hauet- teil des Werkes bilden, werfen ein scharfes Licht aus das Rechte- leben des 15. und 10. Jahrhunderts und vermitteln dem Wissenschaftler wie dein Laien genaue Einblicke in das wi. - schastliche Leben in Sitten und Reckstsanschauungen, in geneala. gische und gesellschaftliche Zusammenhänge der Zeit. >>- 8ctieltbrieke unä 8ekan6biläer Lin Hecktsbvkelk «u» 6en> 15. unri 16. Oer gelbe und der grüne Faden Roman von Frantz Helle r. (42. Fortsetzung) III. Es gibt eine Fabel von der Unda Marina, die aus dem Meeresjchaum gebaren ward. Ihr Leib hatte die Weich heit der Wellen, ihre Haut die Weisse des Schaumes, ihre Seele die Unersättlichkeit des Meeres: eine Weile spritzte auf und färbte ihre Angen geheimnisvoll grün. Darum ist ihre Umarmung verlockender als die aller anderen; darum können sich ihre Glieder heben und senken wie keine anderen; und darum erweckt sie aller Verlangen und loscht niemandes Durst. Trinkt man zu tief vom Salzwasser, wird man wahnsinnig. Diese Fabel wird von Unda Marina erzählt. Es gibt eine andere Fabel von einem harmlosen Narren, der sie gefangen zu haben glaubte. Diese Fabel wird mir erzählt,. Ich war bei der Berührung ihrer Hand jäh stehenge blieben. Nun stand ich da und sah in die salzwasserfarbe nen Augen. Ihre Finger glitten von meinem Arm herab. Wortlos standen wir einander im Gewühl gegenüber. Der Lärm war wahnsinnig, er stieg in Lachkaskaden auf, er er hob sich in schrillen Rufen jener, die der Traube der Nacht die letzten Tropfen auspressen wollten. Ich hörte es nicht. Ich hörte nichts. Ich sah nichts. Ich sah nur sie. Ihr Gesicht war so bleich, wie da sie kam. Ihr Mund war fest geschlossen, ohne ein Lächeln. Ihre Augen blickten mich an — unverwandt. Und ich stand da und sah sie an, bis mir schwindelte. Ihr Augen sogen mich ein so wie zwei graugrüne Strudel. Ich fühlte eine Berauschung, die ich nicht beschreiben kann. Es war so, wie wenn man sich über die Ruderbank beugt und in das Meer hinabsieht. Ties in seiner graugrünen Tiefe funkelt ein Reflex der Sonne. Er leuchtet uns in einem Strahlenbündel ent gegen, ec glitzert und zieht. Man wird von der Lust er griffen, sich in den grünfunkelnden Abgrund hineinzu stürzen. Man ahnt, datz er nicht warm ist, datz, wenn er brennt, es vor Salzigkeit und Kälte ist. Aber man wird gelockt. Je länger man hineinsieht, desto unwiderstehlicher wird die Lust. Wendet man doch den Blick nicht ab, be ginnt es einem zu schwindeln. Man weitz nicht, ob es das Meer ist, in das man hineinsieht, oder der Himmel, ob es di« wirkliche Sonne ist oder ihr Reflex. So erging es mir, «l« Ick in die salzivassersarbenen Augen sah. Ich wurde von ihnen festgevannr, vis icy vas Gefühl hatte, datz mein Ich sich verflüchtigte und in ihres überging. Es war fast vis zum Schmerz berückend. Ich weitz nicht, wie lauge wir so standen mitten im Lärm der Bacchanten. Vielleicht einige Dutzend Sekunden, aber ich hatte das Gefühl, als hätte cs eine Stunde ge währt, als plötzlich ein Schatten über ihre Pupillen glitt und sie eine Bewegung machte. Wieder legte sie die Fin ger auf meinen Arm. Ich sah sie hastig an — leidenschaft liche, schmale, weitze Finger. Sie berührten mich leise, nicht mehr als der Druck einer Ranke, die einen im Winde streift, und ich erzitterte, als hätten sie sich auf mein ent- blötztes Herz gelegt. Sie neigte den Kops mit einer fra genden Gebärde zum Ausgang hin. Ich begann sie willen los durch das Gedränge zu führe». Aber im selbe» Augen blick, in dem ihr Blick mich loslietz, dachte ich wieder: Das ist nicht wahr! Es ist nicht wahr! Sie, gerade sie unter allen Frauen im Saal! Warum kam sie zu mir? Was wollte sie von mir? Was konnte sie von mir wollen? Ich konnte cs nicht hindern, datz das Bild der Blondine vor mir auftanchte. Ich wollte es als lächerlich, verächtlich verjagen, aber es ging nicht so recht. Es gab keinen Ver gleich zwischen ihr und der, die an meiner Seite ging — aber trotzdem! So geblendet ich auch war, war ich doch durchaus nicht geneigt, mich selbst zu überschätzen. Was konnte eine Frau wie diese bei mir suchen? Ich erinnerte mich plötzlich des Mannes, der in ihrer Gesellschaft gewesen war. Er war alt, aber ich konnte be greifen, datz er sie hatte bündigen können. Es braucht Stahl, um Hexen zn binde». Sie hatte Hexenaugen, und er war aus Stahl. Stählerne Muskeln, stählerne Augen. Ja, ich konnte verstehen, datz er sie in die Knie gezwungen hatte. Aber ich! Ich würde ihm das kaum nachmachen könne». Aber — die Finger aus meinem Arm verstärkten den Druck um eine kleine Nuance, und sie sah mich aus dem Augenwinkel an, ein schwerer, gleitender Blick, der meine Vernunft wie eine Welle ertränkte. Was in aller Welt bedeutete dies? Was wollte sie von mir! War sie es müde, beherrscht zu werden? Wollte sie herrschen? Hielt er sie gefangen, wie der Riese in Tausendundeiner Nacht, und hatte sie die Gelegenheit benützt, um seiner Gewalt zu entrinnen. Jetzt glitt sie durch das Gedränge vor mir hi» mit einem leicht vibrierenden Gang, bei dem mir das Blut zu Kopfe stieg. Ich war behext wie noch nie in meinem Leben. Was bedeutete es, was sie von mir wollte? Wollte die Lichtflamme die Motte verschlingen, so war es ein Tod in Lickt nnd Feuer für die Motte. Einen Auacnblick kam mir ein Gedanke, oer mich innehallen netz. Wo war er? War sie von ihm nusgesendet, um — ja, wozu? Z» welchem vernünftigen, ja auch nur möglichen Zweck? Welchen denk bare» Grund konnte er haben, mir irgend etwas tun zu wollen? Ich konnte es nicht verstehen, aber der Zweifel blieb doch bestehen, es wäre ja auch anders unnatürlich gewesen, so knapp nach meinem Abenteuer mit der Blon dine — und gerade jetzt standen wir im Vestibül. Die Lampen waren halb gelöscht, es begann spät zu werden und nicht alle demaskierten Paare vertrugen das Licht gleich gut. Ich sah sie an. Sie hatte noch immer die Maske an. Ihre Augen lagen im Schatten. Ihre Haut war von der Beleuchtung leicht blau geädert wie ein Blumenblatt. Ihre Lippen waren ebenso blatz und fest ge fchlosscn wie früher. Noch hatte sie kein Wort z» mir ge sagt. Zum erstenmal kam mir die Absurdität zum Bewutzl- jein, datz ich ihre Sprache kaum verstand. Ich wollte stam melnd eine Frage formulieren, als sie mir zuvorkam: „Tu SS don sntant..." murmelte sie. „Tu 08 k mal... Zs to veux." Ich ahnte mehr, als ich verstand. Ihre Stimme war fast zu einem Flüstern herabgesunken. Aber eine Stimme wie gedämpst sie auch jein mag, weckt immer das Denkver mögen. Wieder rief es in mir: Das ist nicht wahr! Du beareisst doch, datz das nicht wahr sein kann! Sie unü r allen Frauen hier! Aber der Blick aus den graugrün«» Augen hielt mich fest. Der Protest in meinem Innern ver- stummte ebenso rasch, als er sich erhoben hatte. Ich hörte ein neues Flüstern von ihr, diesmal mit einem Nebenton erstaunter Ungeduld: „Vopöelro-toi... -Vs-tu psrn?" Ob ich Furcht hatte? Alle skeptischen und protestieren den Gedanken in meinem Innern waren von nnn an ohn mächtig. Aber, die Wahrheit zu sagen, dachte ich nicht mehr als die Drohne, die der Bienenkönigin nachjliegt. Irgend wie gelangte ich zur Garderobe und bekam irgend etwas in die Hand. Ich half ihr in einen Seidenmantel, leicht wie Spinnweben. Ich murmelte dem Portier einige Wone über seinen Domino zu, und er nickte ernsthaft, während cr sie musterte. Ich hatte das Gefühl, datz er sand, sie bewe ie einen schlechten Geschmack. Ich war mir ties bewntzt, datz er recht hatte, und das beschleunigte meinen Abschied von ihm. Einige Augenblicke später hatten wir ein Auto, n.cd ich hatte dem Chaufseur die Adresse Jakobs-Gade gegeben. Meine Stimme war so unsicher, datz ich die Adre ie wiederholen mutzte, weil der Chaufseur sie zuerst nicht ver stand. (Forllthnng fokal)
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