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Architektonische Konkurrenzen. Von Moeller »an den Bruck. Unsere Wettbewerbe werden allmählich zu einem Verhängnis sür die Nation. Sie hatten einen Sinn, als die offizielle Architektur in Deutschland mit einer Bedingungslosigkeit herrscht«, die jede andere Bau kunst ausichlog: als die Baukünstler nur noch Bau beamte waren, aus deren Kreisen man für ein fälliges Wert irgendeinen zufälligen Begünstigten auszuwählen pflegte, den gesellschaftliche Verbindung oder berufliche Stellung zu Uebernahme wie Aus führung gerade besonder» empfahl. Damals ver mochte befreiend zu wirken, wenn über die groben Aufträge, die Volk, Staat oder Fürst zu vergeben hatten. nicht ein selbstherrlicher Einzelner, auch nicht erne vorgesetzte Behörde, wohl aber ein Kreis von Fachleuten entscheiden oder doch gutachten konnte, die möglichst ihre Erfah rung nicht vom Reißo^tt, sondern vom Bauplatz mitbrachren. Der Ausgang dieser Wettbewerbe hing dann wenigstens nicht von einer vorgefaßten Mei nung ab, nicht von jenem überlegenen Besserwiflen, das alles Leden tötet. Es war vielmehr möglich, dah die Leistung eines Bewerbers, die nach Art wie Wert ungewöhnlich war, eben dadurch ausfiel, und daß der betreffende Auftrag an eine Persönlichkeit überging, von der man hinterher sagen konnte, sie habe sich durchgesetzt. In der Tat ist dieser Fall zu mehreren Malen vorgekommen, und eine ganze Reihe von bekannten modernen Architekten, die unsere Baukunst von der Konvention befreiten und wieder auf die Qualität stellten, haben zuerst in einem Wettbewerb die Aufmerksamkeit auf sich gezogen und ihr Lebenswerk mit einem Preisbau begonnen. Aber seitdem nicht nur die einzelne Persönlichkeit, sondern eine moderne Architektur als geschloffene Bewegung sich durchgesetzt hat, verlieren die Wett bewerbe auch diesen Sinn. Sie verfallen ersichtlich und enden mit ihren Ergebnissen in einer Art von Kommunismus des Geschmackes, dem gewiß nicht mehr das Wertlose, aber auch nicht das Wertvolle, sondern mehr und mehr das Durchschnittliche gefällt. Immer zahlreicher werden die Fälle, in denen nicht etwa die Künstler vor den Preisaufgaben, sondern die Preisrichter vor den Künstlern versagen: Fälle, in denen eben nicht die Persön lichkeit siegt, die hervorragt. sondern die mehr oder weniger gute Mittelmäßigkeit, die ihrer Wir kung auch in der Breite bei den ganz und gar Ur teilslosen sicher ist. Dies hat dann in dem Fall der deutschen BoUchaft für Washington, als man den Preisträger Möhring überging und den Bau an Ihne in Auftraä gab, zur peinlichen Folge gehabt, dah eben dieser Fall Ihne wohl den Widerspruch des Standes Hervorrufen konnte, den er traf, aber kein sonderlicher Anlaß zu einer künstlerischen Verwahrung sein kann: denn schließlich ist der Entwurf Möhrings zu unbedeutend, um gegen den Entwurf Ihnes, auch wenn dieser ganz minderwertig ausfallen sollte, mit demjenigen Nachdruck ausgespielt zu werden, zu dem man immer nur dann ein Recht hat, wenn es sich wirklich um Werte handelt. Dies trifft viel mehr den Fall Lübeck, wo der Monumentalbau des Kaiier-Wilhelm-Voirshauses ursprünglich an Peter Behrens in freiem Auftrage gegeben werden sollte und wo ein Preisgericht, das man in letzter Stunde in einer Anwandlung von Schwäche, Unsicherheit, Mangel an Selbstvertrauen noch einsetzte, dem be rufensten Künstler den Auftrag wieder entwand, um dafür die romantische Aufmachung eines modernen Eklektikers, die mit ihren historischen Erinnerungen im Augenblick blendete, zur Unterlage zu empfehlen. Wieder anoers liegt der Fall Potsdam, wo die Hute Stadt einen Wettbewerb für den Ausbau ihres Rat hauses ausschrieb, um sich hinterher über das Er gebnis hinwegzusetzen und den Plan durch ihre eigenen Leute bearbeit n zu lasten, wohl gestützt auf die Einsendungen, doch mit einem Ergebnis, das man abwarten muh. Das Gemeinsame aller dieser Fälle war der Aerger, der sich mit den Wettbewerben verband oder an sie schloß. Mit dem Streit um das rheinische Bismarckdenkmal begann dieser Kreislauf von Vor urteil und Eingenommenheit, Unzufriedenheit und Eegenüberzeugung, in dem. wie es scheint, jetzt alle Preisgerichte zu enden pflegen und der wohl selbst erst mit dem letzten Preisgericht enden wird, das wir einsetzen. Denn wenn wir uns auf der anderen Seite erinnern, wie leicht und glücklich und selbst verständlich alle diejenigen architektonischen Auf gaben gelöst werden, bei denen man aus freiem Er messen für die Sache, um die es sich handelte, auch die Person fand, die für sie wie vorbestimmt war—ohne dah auch nur ein Widerspruch erhoben worden wäre, vor der Arbeit wie nach der Arbeit, von der Vergebung der Warenhäuser bis zu derjenigen des Völkerschlacht- denkmals —, dann wissen wir aus Erfahrung, auf welchen Standpunkt wir grundsätzlich kommen müssen. Was uns not tu^ ist eine feste architek tonische Kultur, und das klare Bewußtsein dieser Kultur, in allen Kreisen, di« sür die Vergebung von großen Bauaufträgen in Betracht kommen. Nur so können wir erreichen, dah die architektonischen Per sönlichkeiten, die wir Haden, und deren Zahl wie in jeder Zeit, naturgemäh eine beschränkte ist, auch wirklich zu ihrem Lebenswerke gelangen und bei der Vergebung wenigstens der wichtigsten Bauauf träge nicht übergangen, sondern berücksichtigt werden. Wir müssen wissen, welcher Architekt sür welche Auj- tragsarten besonoers in Betracht kommt, wer sich in eine bestimmte Stadt einpaffen könnte, ern bestimmtes Material vorzüglich behandelt usw., und wir müssen daraufhin mit der vollen großen und rücksichtslosen Machtvollkommenheit, ohne die es kein Mäzenaten tum gibt, ihm den Auftrag zujprechen. In dieser Einseitigkeit liegt keine Ungerechtigkert — oder doch nur jene, welche ein Volt erhöht, indem sie seine Werte steigert. Wenn wir rückwärts blicken, dann werden wir immer nur wün chen, dah die Zeitgenossen groher Architekten, etwa Bramantes oder Palladios, oder Schinkels dielen ihre Aufträge möglichst einsettig- ausgiebig zugewendet hätten und wir von Bauten der betreffenden ruhmreichen Architekten in einer Anzahl besäßen, die gar nicht groß genug gedacht werden kann. Schon dre nächste Generation pflegt bitter zu bereuen, wenn etwa die vorige unterließ, den in ihr lebenden bedeutenden Bautünstlern die nie wiederkehrende Gelegenheit zu geben, sie und sich selbst durch Werke zu vertreten, und wenn statt der Werke nur Pläne und Entwürfe zurückblieben, an denen die Geschichte der Baukunst, diese große Kunst tragödie, so reich ist. Ebenso sind wir heute, da wieder bedeutende Baukünstler unter uns leben, diesen schuldig, und sind der Nation schuldig: zu ver hindern, dah unsere Zeit eine verpaßte Gelegenheit geweien sei. * von der Universität Leipzig. Die medizinische Fakultät der Universität hat in Uebereinstimmung mit der Dresdener Tierärztlichen Hochschule den ordentlichen Professor der Chirurgie und Direktor der Chirurgischen Klinik an der Tierärztlichen Hoch schule zu Hannover Hermann Frick in Anerkennung seiner erfolgreichen Tätigkeit als Lehrer, Forscher und Schriftsteller auf dem Gebiete derVeterinär-Chirurgie ehrenhalber zum Dr. med. vet. ernannt. Professor * Gastspiel Harry Walden im Leipziger Schau spielhaus. Harry Walden gab gestern den Karl-Heinz in Meyer-Försters unverwüstlichem „Alt-Heidelberg". Die Rolle wird auch von einem Durchschnittstalent fast nie verdorben, wenn nur Jugend und Natur vorhanden sind. Harry Walden vom Wiener Burgtheater bot eine bis ins feinste abgetönte Lei tung. Die Rolle gab ihm Ge legenheit. seine vorbildliche Beherrschung der mi mischen Mittel und ein ursprüngliches Naturtalent zu bewähren: um mehr zu zeigen, ist sie zu eng. Um so erwartungsvoller darf man dem zweiten Abend entgegensetzen. Waldens Spiel bedeutet zweifellos einen hohen Genuß. Seine Technik ist mustergültig. Da spricht die leiseste Bewegung des Mundes, ein schwaches Senken der Augenbrauen. Ebenso meistert er das Wort und weiß den Klang mit feinen Schat tierungen zu stimmen. Und immer mit lobenswerter Zurückhaltung gebrauchte Walden seine Mittel. Bet aller Herrschaft über die Technik ist er nicht zum bloßen Routinier geworden, eine Gefahr, die dem Bonvivant am meisten droht. Er findet im Gefühl warme und echte Töne. Auch wußte er nach Möglich keit sich vor Sentimentalität zu hüten. Es versteht sich von selbst, daß einem Darsteller wie Walden die Charakteristik des blutjungen Prinzen wie die des gereiften jungen Fürsten gelingen muß. Trefflich waren die Uebergänge zwischen einzelnen Empfin dungen. Das Ensemble des Schauspielhauses stand dem Gaste wacker zur Seite. Frl. Förster war eine forsche und warmherzige Kathie. Zwei famose Typen stellten Wildenhain als Kellermann (in ausgezeichneter Maske!) und Balquö als Rüder. Nächst ihnen sind Hans Leibelt (v. Haugk), Karl Keßler (Asterbcrg), Hermann Wolfram sLutz) und Alfred Wötzel (Jüttner) zu nennen. Freilich fehlte Wötzels Jüttner die Dollsaftigkeit dieser Ge stalt. Wolframs Regie hatte für flottes Zusammen spiel und gutes Bühnenbild gesorgt. Nur hätte die Studentenkomparserie gum Teil etwas schneidiger sein dürfen! Das Publikum spendete lebhaften Beifall. vr. k'rieäriek Lvbreekt^ Frick gilt auf dem genannten fach wissenschaftlichen Gebiete als ein hervorragender und gründlicher Forscher und als ein erfahrener und erfolgreicher Lehrer und Schriftsteller. Er genießt bei seinen Schülern und bei seinen Fachgenoffen im In- und Auslande ein hohe» Ansehen. Er ist in Berlin ge boren und Ritter de» Roten Adlerorden» 4. Klaffe. * Im S ereil, studierender Pädagoge« a» der Universität Leipzig spricht Sonnabend, den 31. Januar, um 5 Uhr im Auditorium Nr. 11 der bekannte Herbartianer Pastor em. Dr. h. c. Flügel aus Dölau bei Halle über „Aktuellen und substantiellen Seelenbegriff. Gäste sind auch ohne Einführung willkommen. * Aus der Theaterchronik. Im König!. Opern hause in Dresden findet Freitag, den 13. Februar die Uraufführung der Pantomime in vier Bildern „Das lockende Licht" von Felix Salten, Musik von W l a d i m i r M e tz l, statt. In Verbindung mit diesem Werk geht das seit 1908 nicht wieder aufgeführte musikalische Lustspiel „Die Abreise" von Eugen d'Älbert in neuer Ein studierung in Szene. * Eine Verlaine-Uraufführung in Mannheim. Aus Mannheim wird uns geschrieben: 2m Rahmen einer Paul Verlaine-Morgenfeier, die unter der künstlerischen Leitung Stefan Zweigs stand, brachte das Mannheimer Hof- und Nationaltheater eine veritable deutsche Verlaine-Urauffüh rung: das aus des Dichters friedlichster Zeit stammende einaktige komödienhafte Schäferspiel „Die einen und die andere n " Daß es kalt — äußerst kalt ließ, liegt an dem herzlich schwachen Stückchen, das Otto Hauser abwechselnd in Vers und Prosa selber übertragen hat. Gewiß ist es hübsch, voesiereich und munter: aber wenn wir ehrlich sein sollen, so ist es doch nichts weiter als eine Zehnte oder zwölfte Auflage der „Laune des Verliebten": nur mit dem charakteristischen Unterschiede, daß man bei Verlaine deutlich pikanter, ia wohl gar anzüg licher zu werden beliebt (Verlaine schreibt als S'ene vor: ein Watteauscher Park), und daß neben den zartfühlenden Worten mitunter ein scharsgeschliffenes Bonmot voll Sarkasmus niederklirrt, welches be weist. daß hinter der friedlichen Maske des Schäfer spieldichters ganz andere Gedanken und Gewalten auf der Lauer liegen Trotzdem! Ein unoriginelles Spiel, das sicherlich einst mehr nebenbei als mit ernstlicher Sehnsucht nach der Bühne niederaeschrieben wurde. Ein „Wechselt die Bäume" von Liebes pärchen: man schwärmt sich an, zankt sich, trennt sich, geht mit einer anderen, ohne sich dabei wohl zu fühlen; man reißt sich von neuem los, kehrt zu seiner alten Liebe zurück und verträgt sich wieder. Zum Schluß ist man jedenfalls verliebter denn je: ein Lied zur Laute, hübsche Verse, schmachtende Blicke, Vor hang... das rst alles; und das ist io wenig, daß man deshalb nicht gleich Paul Verlaine zu sein braucht, der sich sicherlich wundern würde, wenn er sähe, daß man dieses Bagateüchen nochmals ausgegraben hat. Die Aufführung unter der Regie des Dramaturgen Dr. Mar Krüger war brav, aber verfügte über wenig Stimmung — vielleicht lag's eben an dem Stücke, in dessen kleinen Rahmen sich der große Geist des Lyrikers Verlaine nicht einspannen läßt, wenn ihn soeben ein Mann wie Stefan Zweig in zwingendem Vortrag geschildert hat. 6. VV. L. * Ein neue» Lustspiel von Ludwig Fulda. In einigen Wochen wird, wie wir erfahren, ein neues Lustspiel von Ludwig Fulda im Buchhandel erscheinen. Das neue Stück, das der Dichter „Ein Spiel in drei Aufzügen" nennt, führt den Titel „Die Rückkehr zur Natur". Dem Lustspiel liegt, ähnlich wie dem „Talisman", ein politisches Problem zugrunde: der Widerstreit des monarchischen und des demokratisch-republikanischen Prinzips. Die Dichtung, die tiefe Einblicke in große Fragen der Menschheit erschließen will, ist reich an humoristischen und latirischen Gestalten und Szenen. * Diebstahl in der Billa Lenbach in München. Aus der Villa Lenbach sind, wie aus München gemeldet wird, sechs Skizzen Lenbachs im Gesamtwerte von 1800 gestohlen worden. Die Skizzen stammen aus der Frühzeit Lenbachs. Es befinden sich darunter Studien zu dem Landschaftsbilde Lenbachs „Der Hirtenknabe". Frau v. Lenbach kann nicht fest stellen, wann der Diebstahl begangen wurde. * Ein noch unbekannter junger Dichter. Karl Wilczynski veranstaltete, wie uns aus Vosen geschrieben wird, vergangenen Sonntag im Audi torium maximum der König!. Akademie eine Vor lesung aus eigenen, großenteils noch ungedruckien Dichtungen, die von einer zahlreichen Zuhörerschaft mit starkem Beifall ausgenommen wurden. Was wir hörten, war zumeist eine stark gefühlsmäßige Lyrik. kurzen Bart, ohne Wäsche, dekla- Ste i^c m etz, etwas unruhig mit Ferner las er eine Szene aus einem noch ungedruckten Trauerspiel Charmides. Der Dichter setzt sich das Problem nicht leicht: Zwei Jünglinge, eng be freundet, ringen um desselben Weibes Liebe und um den Königsthron, den dem einen die Geburt, dem anderen die Politik »uweist, und verlieren darüber dennoch ihre Freundschaft nicht. Neben dem weicheren Charmides steht, in antiker Größe und Herbheit, ihm die Rache predigend, seine Schwester Arete. Die Szene, die W. bot, zeigt sie uns in packendem Wechsel gespräch mit Charmides. * Wettbewerb für eine Plakette der Nation«l- Fluaspende. Der Verein zur Beförderung des Ee- werbefleißes schreibt auf Ersuchen der National» Flugjpende einen Wettbewerb für deutsche Künstler aus zur Erlangung eines künstlerischen Modells für eine in Gold, Silber und Bronze herzustellende Plakette. An Preisen sind 50W.F ausgesetzt. Das Preisrichteramt haben die Herren Professor Manzel, Berlin, Professor Dr. Me nadier, Berlin, Pro fessor Bosselt, Magdeburg, Bildhauer Splieth. Berlin und Hofgoldschmied Kommerzienrat Alfred Sy, Berlin, übernommen. Die Modelle müssen bis zum 15. Mai 1914, abends 7 Uhr in dem Bureau des Vereins zur Beförderung des Eewerbefletßes, Charlottenburg, Berliner Straße 171/172 (Technische Hochschule) eingereicht sein. Die näheren Bedingungen des Wettbewerbs werden von dem vorbezeichneten Bureau auf Anfrage jederzeit gern mitgeteilt. * Skizzenbücher aus dem Nachlaß von Ludwig Pietsch. Bei Karl Ern st Henrici in Berlin werden am 30. Januar Notir - und Skizzen- bücher des im Jahre 1911 im Alter von 87 Jahren verstorbenen bekannten Zeichners und Schriftstellers Ludwig Pietsch versteigert. Diese Bücher sind ebenso interessant für die Zeitgeschichte, wie sie einen Einblick in die Arbeitsweise des hervorragenden Journalisten gewähren. Eines der Bücher ist fast ganz gefüllt mit Verhandlungsberichten und Skizzen von den Bundesratssitzungen lm alten Abgeordneten hause in Berlin, die vermutlich aus dem Jahre 1809 stammen. Pietsch beginnt nut einem großen, doppel seitigen Bild des vollbesetzten Sitzungssaales, das er bei Beginn der Verhandlungen mit bewunderns wertem Geschick rasch entworfen hat, und bringt dann den Verlauf der recht lebhaften Debatte zu Papier. Dabei hat er aber auch noch Zeit gefunden, von einzelnen bekannten Rednern ganz vortreffliche Porträtskizzen zu entwerfen und diese mit einer im Lapidarstil gehaltenen, oft recht köstlichen Charakteristik ihrer Persönlichkeit zu begleiten. So heißt es in dem Buche u. a.: Moltke, vor gebückt, leiie, dann klar, spricht über die zweijährige Dienstzeit. Roon, Blatt in der Hand, ernste tiefe Stimme, spricht ruhig, langsam, hinter dem Stuhl stehend. Vogel v. Falken st ein, kräftig, Helle Stimme, etwas zitternd, heftig. Fürst Solms, alter Herr, dick, silberne Brille, hohe steile Stirn, grau, loses Haar. Man versteht kein Wort. Windt- horst, alter Herr, dicker Wicht mit spärlichem Haar, Brille, breite Stirn, verzwicktes Gesicht. Groth«, grau, miert. Händen und Fützen. Am meisten interessiert jedoch wohl die Persönlichkeit Bismarcks, welche in zwei ausgezeichneten Porträtskizzen fest gehalten worden ist und auch in den Verhandlung», berichten eine spezielle Beachtung gesunden hat. Da erfährt man, daß Bismarck, als Ab«. Grothe ihn einen „kühnen Staatsmann'' nennt, zu gähnen beginnt und den Abg. Frankenbera um eine Prise bittet. An anderen Stellen wieder heißt es: Bismarck amüsiert sich, Bismarck liest, Bismarck trinkt Wasser, Bismarck spielt mit der Papierschere u. a. m. Neben diesen in dem jedesmaligen Zusammenhang besonders interessanten Bemerkungen über Bismarcks Ver halten werden in diesen Notizen auch seine parla mentarischen Reden gebührend gewürdigt, so daß Bismarck-Forschern hier eine neue authentische Quelle zu Gebote steht. Ein zweites Notiz, und Skizzenbuch behandelt eine im Frühling 1869 unter nommene Orientreise, die von den Brüdern Louis und Karl Stangen veranstaltet worden war. Auf 46 Blättern enthält es kunstkritische und maltechnische Notizen über die in Wien und Venedig gesehenen Gemälde, sowie 25 entzückende Bleistiftzeichnungen. Ein drittes Notizbuch, das Ludwig Pietsch im Jahre 1873 während des Deutschen Journalisten tages in Hamburg geführt hat, bringt die Reden und Beschlüsse der Versammlung, in denen es sich hauptsächlich um die Preßfreiheit han delt, und 11 Bleistiftskizzen, darunter mehrere Damen- und Herrenvorträts, wahrscheinlich von Hamburger Persönlichkeiten. Vas sterbencke Dori. 25) Roman von Ewald Gerhard Seeliger. (Nachdruck verböte«) Die beiden Schöffen verteilten die Stimm zettel. Dann nahm Jüttner seine Mütze vom Nagel, um die Zettel einzusammeln. Nur drei Zettel trugen das Wort ja, alle anderen waren gegen die Eingemeindung abgegeben worden. „Ich hatte nichts anderes erwartet!" erklärte der Erste Bürgermeister und griff zum Hut. „In spätestens einem Jahre werden Sie ent gegengesetzter Meinung sein. Guten Abend, meine Herren!" Kaum hatte sich die Tür hinter den beiden Bürgermeistern geschlossen, brach ein Tumult los, daß keiner sein eigenes Wort verstehen konnte. Rübenhack brüllte gegen alle anderen an, die ihm seine Beleidigungen doppelt und drei fach zurückgaben. Nur Julius Klamt verhielt sich merkwürdigerweise still. Erst nach einer längeren Beruhigungspause konnte die Verhandlung weitergeführt werden. Der Neubau des Armenhauses wurde auf Vor schlag Karl Peukerts abgelehnt, nachdem man die Ueberweisung der tauben Terese ins Kran kenhaus bewilligt hatte. Karl Peukert erbot sich, auf seinem Hofe dem Vogelfranz Unterkunft zu gewähren, falls das Armenhaus vor Erledigung der Schulfrage ganz unbewohnbar würde. Nach dem Neubau der Schule sollte das alte Schulhaus als Ar menhaus in Gebrauch genommen werden. Dar auf wurde die Sitzung geschlossen. Karl Peukert, Meoardus Hähne! und noch etliche kleine Leute gingen heim, die andern blieben sitzen und ließen sich vom alten Stickel die Karten bringen. Die Bauern spielten Skat, die Stellenbesitzer Schafskopf und die Häusler Sechsundsechzig. Zwischendurch schimpften alle auf den Bürgermeister Bielau und lobten Karl Peukert, der es ihm ihrer Meinung nach gut und kräftig gegeben hatte. Der kluge Klamt spielte nicht mit, saß hin ter dem Bierglase und spann seine eigenen Ge danken. Das mit den Arbeiterwohnuugen war keine schlechte Idee. Nur billiger mußten sie sein als in der Stadt. Er hatte ja dicht an der Stadtgrenze einen kleinen Fetzen Kartoffel land, der sich vorzüglich zum Bebauen eignete. Bald darauf ging er nach Hause, um sich die Sache gründlich zu beschlafen. 10. Im Laufe der Woche wurde die Luft im Magrstratssekretariat immer schwüler. Emil Drenckhan war nun allgemach zu der lieber- zeugung gekommen, daß Max Hanschke für das Magistratssekretariat vollkommen ungeeignet sei und sah sich in den anderen städtischen Bureaus nach einer Ersatzkraft um. Sein Auge fiel auf Richard Krause, der im Anmeldebureau Formulare aussüllte uud den Herrn Magistratssekretär immer mit tiefster Er gebenheit grüßte. Außerdem war dieser junge Mann der Sohn achtbarer Eltern. Max Hanschke merkte an Emil Drenckhans steigender Raunzigkeit, daß etwas im Werke war, allein die beiden Bürgermeister hatten noch immer keine Zeit für die Reorganisation des städtischen Beamtenkörpers und kamen vorläufig nicht aus den Geheimkonferenzen mit den Ge brüdern Stachcr heraus, von denen der eine im Stadtrat saß und der andere dem Stadtverord netenkollegium angehörte. So sehr Frau Drenckhan auch drängte, der Magistratssekretär faßte sich in Geduld. Auf den geeigneten Zeitpunkt und die gute Laune der beiden Stadtregenten kam alles an. Denn bisher hatte er Max Hanschke immer bis übers Bohnenlied gelobt. Max Hanschke schrieb die Buchstaben wie gestochen und arbeitete mit einem wahren Feuer eifer. Die erledigten Akten sausten nur so in die Ecke, daß der Staub in dicken Wollen auf flog. Auch Emil Drenckhan war sehr fleißig, und versagte sich sogar das Mittagsschläfchen, was ihm allerdings sehr schmerzlich ankam. So verging der Sonnabend, ohne daß es zu einer Entladung gekommen wäre. Punkt sechs Uhr schloß Max Hanschke das Pult, wünschte kurz: Guten Abend! und drückte sich. Der Sekretär blieb sitzen, ohne den Gruß weiter zu beachten. Max Hanschke blieb im Torweg des Rat hauses stehen und las in dem dort angebrachten Aushangkasten des Standesamtes das Aufgebot des Feldmessers Alois Wollenberg mit der un verehelichten Minna Peukert. Da hab ich wohl die Ehre, dachte Max Hanschke auf dein Heimwege, auch Herrn Alois Wollenberg morgen begrüßen zu können. — Am anderen Morgen wachte er so zeitig auf, daß er sich in aller Ruhe überlegen konnte, ob er besser am Vormittag oder am Nachmittag nach Gramkau gehen sollte. Eile mit Weile! dachte er, entschloß sich für den Nachmittag, legte sich auf die andere Seite und schlief bis zum Mittag. Um diese Zeit bog in das offene Tor des Peukertschen Hofes eine mit zwei Rappen be spannte Kutsche ein, worin Traugott Baldrian aus Johnwitz saß, der nach Gramkau auf die Freite kam. Karl Peukert empfing ihn an der Treppe des Hauses mit einem kräftigen Hand schlag und führte ihn über den Hof zum Groß vater hinüber, während der Knecht mit Hilfe des Pferdejungen die Tiere in den Stall brachte und den Wagen unter die Remise schob. Der alte Peukert hockte »nieder im Lehn stuhl und bot dem Gast ein freundliches Will kommen. Ueber den Zweck des Besuches wurde noch nicht gesprochen. Traugott Baldrian war überhaupt kein Freund vom Sprechen, er sagte ja und nein, »nenn man ihn was fragte, und behielt seine Gedanken meistens für sich. Er war so unheimlich schwerfällig in seinem Denken und Tun, daß er trotz seiner fünfund dreißig Jahre noch keine Frau gefunden hatte. So oft er auch schon au» der Freite gewesen war, immer hatte sich die Sache zerschlagen. Der alte Peukert gab sich alle Mühe, das Gespräch in Gang »u halten. Mehr als drei Silben auf einmal lleß sich, Traugott Baldrian nicht herauspressen. Karl Peukert beteiligte sich nicht am Gespräch, sondern hörte schweigend zu. Sonderlich sympathisch war ihm dieser plumpe, unbeholfene Gast nicht, aber mit dem windigen Alois Wollenberg, den er unterdessen notge drungen kennen gelernt hatte, gab es einen Unterschied wie Tag und Nacht. Traugott Baldrian saß, ein breiter, wohl genährter Mann, mit unerschütterlicher Ruhe auf dem Stuhl und erkundigte sich nicht mit einem Worte nach Life. „Ich kann nicht gut fort!" wandte sich der alte Peukert an seinen Enkel. „Zeig ihm mal den Hof und die Ställe und das Vieh." Traugott Baldrian nickte ernsthaft. „Hernach wird es wohl Zeit sein zum Mittagessen!" fuhr der Alte fort. „Nachmittag könnt Ihr ja ein Stück durchs Dorf und über die Felber gehen, und abends können wir dann weiter reden." „Ja!" meinte Traugott Baldrian und er hob sich schwerfällig. Sie gingen über den Hof, um die groß« Dungstätte herum, in den Kuhstall, durch den Schweinestall zum Pferdestall hinüber, zurück durch den Maschinenschuppen. Traugott Baldrian riß die kleinen, in Fett polstern ruhenden Augen immer weiter auf. Das war eine Landwirtschaft, die sich sehen lassen konnte! Life hantierte währenddessen am breiten Küchenherd. Schon durchs Fenster hatte sie Traugott Baldrian erspäht. Daß er ein gesetzter Mann war, gefiel ihr. Was sollte sie auch mit einem jungen Spring insfeld! „Meine Schwester Life!" sagte Karl Peukert, als er mit dem Besuche in die Küche trat. Life schaute rubig von ihrer Arbeit auf, trocknete sich die nassen Hände an der Schürze ab und bot Traugott Baldrian einen guten Tag. Gori-etzusg i« der lUdendamgatAX