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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.02.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-02-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140225028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914022502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914022502
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-02
- Tag 1914-02-25
-
Monat
1914-02
-
Jahr
1914
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Wen--Ausgabe kü» Letpzta ua» vor»«, Sur» m,s«e Trda« V»AUgvs>rUlß». ua» epeottear» »«altS-Uch la, hau» gebracht r moaatUch I.« M., oterteyadrUch ».75 M. Sei »« ch»tt>Sft»N«U«. unfern ZlUalea an» Nu«god«N»U,n adgedoU, moaatUch l M-. »terteltLtzrUch L «. Durch St, p»ft: taarrhald vrutfchloaS, aaS Ser Srutschen ltotoatro moaatUch M.. vterteUührUch 4^0 M.. ou,fchU,»Uch poNdefteUget». Da» Leipziger Tageblatt erscheint werktags Lmai. Sona. u. Z ei erlog» Unat. 7a Leipzig, Sea Nachbarort«, uaS Sea Ortea mit eigeaea ZiUalen wir» >i» fideaüouogod» noch am ftdenü Seo erscheinen» ii>, Yon» geliefert. »«Ua« SeSaNtoa, Sa»«,Zeit»« >7. Lrrasprech-NaschluS: Moabit Nr.»»7. ArntsblLtt des Rates und des Pr>U?eüuntes der Stadt Lcrpzrg «eSaMoa ua» ch«schSst»g»ll«l 1»l>aani»gafs» Nr.«. o Zernsprech-Aaschluz Nr. >»»«, i«»»z ua» 14b»«. ISS. Jahrgang . kür Saferat» an» Leipzig uaS Umgebung Sie /»azeigenpreife. ,spam,,petit>,tt»upf..»>rneklame«>l«,m.. von auowart» 5b Pf.. Neklamea I.ro m., Tletae Nnzeigen »iepetitzeil« nur S»pf.b.wt«S«k»l.Nab..Saf«ate »oa vehbrSea im ointlichrnTeil Sie Petit, zell, Lb Pf. ch,fch»ft.oa,«lg«a mlt plaftoorschrifk im Preis« erhöht. Nabet» »ach Tarif. Sellagear chesamtaufl.5M.Sa»Taufen» auoschl. Postgebühr, stazelgen-ftaaahm«. )ohonnt»gasf»S, del sämtlichen üiUalen »eoLeipziger Tageblatt«» ua» aUra flnnoncrn-Tep«»ition«n »«» Sn, unü Nuslaa»«». SeschaftostrUi für S«»» u.Sl« pr.VraaSenburg: Direktion walt«r ZUegel, Serua w. IS. Margarethenstrab« «. Zernsprech-Nnschluß: Lühow »»71. Nr. l02 1914 Miltwlllti, aen 25. /rbrusr vss rvichligsle. * Die albanische Deputation hat am Mittwoch morgen Leipzig verlassen. (S. Pol. Uebers.) * Der König von Albanien trat am Mittwoch früh seine Reise nach Petersburg an. (S. Pol. Uebers.) * Der böhmische Statthalter Fürst Thun beabsichtigt, zurückzutreten. (S. Ausl.) * Die englische Regierung hat durch ihren Generalkonsul in Mexiko eine ein gehende Untersuchung in der Angelegen heit Ben ton ein geleit et. (S. Ausl.) * In Frankreich und Spanien dauern die verheerenden Stürme an. (S. Nachr. v. Tage.) Vie Zreikoaservativen. O Berlin, 21. Februar. Seit einiger Zeit beobachtet mau im Reichs tag zwischen den Konservativen und der Reichs partei eine Art Belriebsgcmeinschaft. Bei der einen Gelegenheit steht ein Frcikonsccvativer auf und erklärt: seine Ausführungen gälten zugleich für die äußerste Rechte; bei der anderen wieder erweist ein Deutsch-Konservativer den reichspar teilichen Nachbarn den nämlichen Liebesdienst. Das ist an sich ein sehr verständiges Borgehen, dem auch der politische Gegner Anerkennung nicht versagen wird. Es kommt zwar im Reichs tage auf erne Wiederholung mehr oder weniger nicht an; aber gerade darum ist es doppelt er freulich, am Leute zu stoßen, dm sich in Selbst beschränkung üben und anderen dabei mit gutem Beispiel vorangehen. Nur wäre vielleicht zu un tersuchen, ob es sich nicht empföhle, wenn die beiden Richtungen des Konservativismus noch einen Schritt weiter gingen und aus der ge legentlichen Gemeinsamkeit des Betriebes eine volle Lebensgemeinschaft machten. Als die sreikonfervative Partei begründet wurde, mochte sie eine Notwendigkeit sein. Sie faßte unter der Führung des Grafen Bethusy Huc die Elemente zusammen, die, bei aller grundsätzlichen Neigung zum Beharren, in ge wissem Ainne historrsch zu denken gelernt hatten; die zum mindesten sich mühten, zwischen dem starren Prinzip und den Anforderungen des wirk lichen Lebens eine Brücke zu schlagen. Als eine ausgesprochene Opportuintätsparter gegenüber dem verbissenen (und wohl auch verbohrten) Le gitimismus der Altkonjervativen, der sich mit der Annexion von Schleswig-Holstein nicht aus zusöhnen vermochte, erblickte die freikonserva tive Partei, die nachher im Reichstage Deutsche Reichspartei genannt wurde, im Jahre 1866 das Leben. Sie hat auch sonst im Laufe dieser bald fünfzig Jahre un Gegensatz zu der Gruppe ge standen, aus deren Schoße sie sich gelöst hatte; hat in solcher Berfassung gelegentlich genützt, mehr aber wohl im großen Zusammenhang der Dinge geschadet, indem sie, zumal in der Bis- märckischen Zeit, dazu half, konservativen Maß nahmen eine versöhnlichere, ins Liberale schil lernde Färbung zu leihen. Immerhin, dieser liberalisierende Schimmer blieb der Partei, die man die Botschafter-Partei hieß, und aus deren Mitte Otto v. Bismarck — man denke nur an die Achenbach, Friedenthal, Falck und Lucius — mit Borliebe seine Minister zu nehmen gewohnt war. Allmählich indes wandelte sich in einer ver änderten Zeit doch auch der Eharatter der Neichspartei. Der Legitimismus der Konserva tiven verblaßte; sie lernten sich mit dem preußi schen Gebietszuwachs, der ihnen schließlich zu gleich eine ansehnliche Bereicherung des eigenen Herrschaftsbereichs bedeutete, abzufiuden. Auch die Deklarantenära ging vorüber und die Konservativen begannen zu erken nen, um wie viel nützlicher ihnen ein Zusammengehen mit dem eisernen Kanzler werden mochte, als der Versuch mit allerlei dunklen Bundesgenossen von der Gattung des Reiclisglöckners Joachim Gchlsen noch länger gegen den Strom zu schwimmen. Damit ent fiel scl)on ein wesentliches Moment, das für Bismarck die Existenz der freikonservativen Partei wünschenswert gemacht hatte; entfiel für sie selber daneben die Möglichkeit, sich wirksam Hu nuancieren. Die weitere Entwicklung von Reich und Reichspolitit schuf darin auch keinen Wandel. Am letzten Ende blieben es Unbe trächtlichkeiten und Aeußerlichkeiten, die noch die beiden Schattierungen der Konservativen von einander schieden. Die Neichspartei zeigte, weil in ihren Reihen allerlei angesehene und mäclstige Industrielle siedelten, im allgemeinen mehr Ver ständnis für industrielle Fragen, als die Alt konservativen, die sich schlechthin wie eine Or ganisation des Großagrariertums gaben; dafür verhielt sich die Neichspartei zuzeiten — ins besondere, da Freiherr v. Stumm sckfter unum schränkt in ihr gebot — zu allen sozialreforme- rischen Bestrebungen noch schroffer ablehnend, als die Deutsch-Konservativen. Wollte man die Dinge auf eine knappe Formel bringen, so ließe sich vielleicht sagen: die Reichspartcilcr waren Konservative, die in kirchlichen und dann auch noch in ein paar Kulturfragen ein wenig freie ren Auffassungen huldigten. In jenem Sinne hatten sic sich zuletzt noch bei dem preußischen Bolksschulgesetz betätigt; der alte Wilhelm von Kardorff aber konnte, von seinem Sohne Konrad, dem Maler und Mitglied der Berliner Sezession, belehrt, wenn der Heerbann der konservativen Bilderstürmer gar zu unverständig tobte, für das gute Recht freier Kunstübung sympathische und eindrucksvolle Reden halten. Das alles indes ging längst vorüber. Wer letzthin im preußischen Abgeordnetcnhause Wil Helm v. Kardorffs Aeltesteu sein Dänenroß rum meln sah, der fand in den kurzsichtigen Eng herzigkeiten kaum uoch etwas, das an die Bot schafterpartei von damals gemahnte; an die auch innerlich gepflegten Leute, deren Konservativis mus mehr einem Bedürfnis ästhetischer Lebens führung entsprang. Ostelbischc Junker und Nur preußen hüben wie drüben: zu wes' Ende soll ten sic sich eigentlich noch länger den Luxus des Getrenntmarsclsterens gestalten? Frcikonserva- tivc Wähler hat zudem noch kein Mensch mit bloßem Auge gesehen. Bon den paar Herren aber, die im Reichstage zurzeit die freitonscrva- tive Farbe zeigen (ein Parteiprogramm hat es bekanntlich nie gegeben, und ein Ruf nach ihm, der neulich in Schlesien ausgestoßen wurde, wird vermutlich unerhört bleiben), und der etwas grö ßeren Anzahl im preußischen Abgeordnetenhause werden die meisten sich unschwer in den ent sprechenden konservativen Fraktionen unterbrin gen lassen. Ginge dec eine oder der andere dabei nicht rettungslos in der neueren Umgebung un ter, so wäre das unseres Erachtens noch ein ganz besonderer Gewinn. Es wäre doch hübsch, wenn ab und zu ein bescheidener Lichtstrahl die konser vative Nacht erhellte . . . Albanisches. Die Abreise der Albanier aus Leipzig. Die albanische Kommission yat am Mittwochnrorgen 9 Uhr 32 Minuien Leipzig nach zweitägigem Aufenthalt verlassen. Wieder war den Mitgliedern der Kommission ein sond er wägen bereitgestellt worden, in dem sie die Reise, die zunächst über Dresden nach Wien gehl, zurücklegen. Die Herren hatten am Dienstag die Ruhepause auf ihrer Reise dazu benutzt, sich die Sehenswürd'i gleiten Leipzigs anzu sehen und in der Stadt auch Einläufe zu machen. Davon zeugten die vielen Pakete, auf denen man die Namen erster Leipziger Firmen sehen konnte, die von ihren Besitzern eigenhändig zur Bahn gebracht wur den. Sogar der Führer der Mission, Essad Pascha, trug eine hier gekaufte Pelzmütze im Karton unter dem Arm. Bei der Abreise bot sich auch wieder das selbe Bild, wie man es bei der Ankunft schon be obachten konnte und das die Bescheidenheit der Albanier beleuchtet. Beim Ausladen des Gepäcks, so wohl als auch heute morgen beim Einladen desselben legten sie alle miteinander, auch Essad Pascha, eisrig Hand an und ließen es sich nicht verdrießen auch die schwersten Kiosfer in den Wagen zu heben. Auf den» Bahnhofe hatten sich auch einige Neugierige eingc- funden, die den fremden Gästen das Geleite gaben. Die Mitglieder der Kommission, von denen übrigens eines in Leipzig zurückblieb, haben sich sämtlich über den Aufenthalt in Leipzig sehr befriedigt ausge sprochen. O Die Reise des Königs von Albanien nach Peters burg. Wie uns ein eigener Drahtbericht meldet, hat König Wilhelm k. von Albanien am Mittwoch früh seine Rehe nach Petersburg über Berlin angctreten, um sich am Zarenhofe vorzustellen. Regelung der albanisch-osmanischen Beziehungen. Nach einer Meldung aus W i e n soll der König von Albanien sofort nach seiner Thronbesteigung eine Ab ordnung nach Konstantinopel entsenden wollen, die mit der Pforte eine Regelung der albanisch osmanischen Beziehungen anzustreben habe. Die wirtschaftliche Zukunft Albaniens. Das Reformwerk in Albanien wäre unvollstän dig und unfruchtbar, wenn man nicht zugleich die wirtschaftliche Erschließung des Lan de s in die Wege leiten wollte. Auch aus diese Seite seiner Regierunzstätigkcit wird König Wilhelm 1. nicht geringes Gewicht legen dürfen, wenn er sein Staatswesen aus dem bisherigen rohen Zustande in eine zivilisierte Form überleiten will. Fraglich könnte dabei nur erscheinen, ob überhaupt in dem schwer zu gänglichen Lande der Skipctaren die Bedingungen ge geben sind, die man für eine wirtschaftliche Er schließung als unbedingt erforderlich voraussetzen muß. Es scheint bislier in Europa allgemein die Ansicht verbreitet zu sein, daß in Albanien für Handel, Industrie und Gewerbe wenig zu holen sei, daß der Ausbau des Landes zu einem wirtschaftlichen Absatzgebiet von Bedeutung kaum die Mühe verlohne, die ein solches Unter nehmen mit sich brächte. Nichts ist verfehlter und irriger, als diese Anschauung, und es kann ihr gar nicht entschieden genug entgegengetreten iverden. Tic Behauptung, Albanien könne niemals zu einem irgendwie in Frage kommenden Faktor der Wirtschaftspolitik eines Landes werden, kennzeichnet sich als das Urteil eines, dessen Meinung durch keinerlei Sachkenntnis getrübt ist. Albanien ist durchaus nicht wirtschaftlich wertlos und unfruchtbar, es geht auch nicht an, seine Bevölkerung einfach in Bausch und Vogen als wilde Barbaren leicht hin abzutun. Erst jüngst hat gerade ein ausgezeich neter Kenner der einschlägigen Verhältnisse darauf hingewiesen, daß das Land außerordentlich kultivierbar sei und nur der geschickten Er schließung, der rationellen Wirtschaftsmethoden harre, um zu beweisen, wie sehr es wirtschaftlich entwick lungsfähig sei. Schon allein der Umstand wäre ge eignet. in uns starke Bedenken auffteigen zu lassen, ob unsere bisherige Anschauung von Albaniens Wirtschaftsfähigkeit richtig war, daß unter der Tür kenherrschaft sechs Siebentel des gesamten anbau fähigen Bodens vollkommen brachlagen, und daß trotz primitivster Bearbeitung der osmanische^ Staat jährlich dennoch 5 Millionen Kronen an Steuern und Zehnten herausholen konnte. Daraus ist ohne weiteres der Rückschluß zulässig, daß eine sinngemäße Regelung der Grund- und Bodenverhältnisse bet einer einigermaßen intensiven Bewirtschaftung die daraus fließenden Einnahmen leicht auf 30 bis 40 Millionen jährlich steigern könnte. Italien und Frankreich sind bereits eifrig beschäftigt, in Albanien wirtschaftlich Fuß zu fassen. Es ist daher auch für unser« Industrie noch an der Zeit, dem wirtschaftlich werdenden Albanien höchste Beach tung zu schenken, wenn sie nicht zu spät kommen will. Kalewala. Das NationaLepos der Finnen. Bon Gerhard Moerner. Der im 19. Jahrhundert aufsteigenden nationalen Idee gliedert sich als ein bedeutender Teil der Ge danke einer Nationalliteratur ein. Deutschland sttzbt hier an führender Stelle, und seinen Freiheits dichtern folgt das „ganze Deutschland", schon durch seinen Namen als national gekennzeichnet. Selbst Männer wie Börne und Heine blieben national deutsche Dichter, auch da, wo sie zunächst wie Rene gaten erscheinen. Was die weltbürgerlich gesinnte Dichtergeneration des 18. Jahrhunderts zu einer Sammlung der Volksdichtung überhaupt getrieben hatte, bekam nun auch seine nationale Wendung. Herder sammelte die Stimmen der „Völker in Liedern", Arnim und Brentano schufen ein Monument deutschen Volksliedes in „Des Knaben Wunderhorn". Im ersten Viertel des vorigen Zen, tenniums stehen wir vor einer Renaissance des Geistes und des Volksbewußtseins. Das passive Ger manentum als ursprünglicher Träger der Romantik mit ihrem historischen Sinn ist die treibende Kraft. Ganz natürlich, da hier das Lied eine engere Ver bindung mit allen Lebensgebieten besitzt als irgendwo. Einige Zeit später als in Deutschland wurden in Finnland die ersten Versuche gemacht, die Lieder, bisher nur durch Tradition von Mund zu Mund er halten. zu sammeln und auf diese Weise sicher zu be wahren. Denn im Laufe der Zeit vergaß sich doch diese oder jene Weise mit der abnehmenden Gedächt niskraft der jüngeren Generation. Verschiedene Ge lehrte widmeten sich dieser Aufgabe, Dr. Porthan. Dr. Tope lius und schließlich Professor von Becker, der den Versuch machte, eine Reihe non Liedern zu einem Ganzen zusammcnzufügen. Dr. Lonnrot war dann schließlich der, dem es ge lang, in langen Jahren das Werk zustande zu bringen, das jetzt unter dem Namen Kalewala vornegt. Man vergegenwärtige sich einmal die Technik dieser rein snntbetischen Arbeit, die Rune zu Rune fügt. Fünfzig Runen umfaßt das ganze Werk. Die ausgiebigsten Funde machte Lönnrot außer halb de» eigentlich finnischen Gebietes im Archangel- schen Gouvernement. Es muß darauf hingewiesen werden, da sich bisweilen stärkere fremde Einflüsse geltend gemacht haben könnten. Wir haben also in diesem finnischen National epos nicht etwa ein Werk vor uns, das beanspruchen wollte, sich mit den großen deutschen Epen zu messen, oder auch an ihnen gemessen zu werden. Seiner ganzen Art nach fehlt ihm die Geschlossenheit eines ursprünglichen Ganzen. Richt als ob wir keine Ein heit in ihm sehen könnten. Die Kalewala ist fraglos nicht nur zusammengesetzt, sondern organisch zu sammengewachsen, aber wie es einer langen Pappel allee nicht schaden könnte, ob hier und da zwei Bäume fortgenommen oder dazugepflanzt würden, so sieht es mit der Geschlossenheit des finnischen Nationalepos aus. Der Faden, der die Dichtung letzten Endes zu sammenhält, ist unendlich dünn, und allzu leicht kann man ihn aus den Händen verlieren. Man hat in der Herstellung der Kalewala einen Fehler begangen, man hat das, was im Begriff war, von selber eins zu werden, zu einem gemacht. Das hat immerhin erne gewiss« Sprunghaftigkeit zur Folge, die sich mit dem echten epischen Wesen ein klein wenig in Wider spruch setzt. Zu großen Teilen springen die Ge schehnisse und ihre Darstellung auch stark ins Bal- ladeske hinüber. Auch findet sich statt des verstandes mäßigen Beschreibens ein gefühlsmäßiges Hingeben, das heißt eine Spur lyrisckzen Wesens. Es ist wohl überhaupt zu bezweifeln, ob sich eine so scharfe Kate gorisierung der Runen in lyrische, magische und episch« Runen endgültig halten läßt. Das erscheint jedenfalls mehr hinein- als herausgelesen. Viel näher wird man der Kalewala kommen, wenn man sic überhaupt als einen Ausdruck des Volksgeistes nuffaßt. So wird man auch klarer erkennen, wie sic von innen heraus durch ein Blutband zusammen gehalten wird, mehr als durch die endgültige Zu sammenstellung. Die Kalewala spricht stark für die Unmöglichkeit der Theorie, daß Homer nicht der Dichter, lediglich vielmehr der Einiger seiner Odyssee und Ilias gewesen ser. Ein Blick, der die Technik des allgemeinen Aufbaus der drei Werke ver gleicht. genügt dazu. Homer gibt «in zusammen hängendes Ereignis in zusammengeschmiedeter Form, die Kalewala aber hängt nur durch die innere Ver wandtschaft der Wesenheiten ihrer einzelnen Lieder aneinander. So hängen die Märchen aus Tausend undeiner Nacht zusammen. Gewiß ist der Vereinige! cller dieser einzelnen Teile eine Art von Dichter natur. Er. der aus dem Volk herausgegangen ist. besitzt ein äußerst feines Verständnis für die Aeuße- rungen des Volksgemütes. Seine Reisen, auf denen er sein Material sammelte, sind wie romantische Er zählungen. Und so wurde das ein Epos genannt, was vielleicht doch mehr ein Zyklus ist. Unter diesem Gesichtspunkt wird man den Wert der Kalewala als Sammlung finnischer Volksdichtung ergreifen, von der in den größten Kreisen Deutschlands noch recht wenig bekannt ist. Dine ganz eigene, in Wehmut gehüllte Kraft kommt zum Ausdruck, die sich leiten läßt von Phantasie und Zauberglauben. Der Nebel duft des Nordens legt sich um die Dinge. So werden scharfe Umrißzeichnungen unmöglich, werden auch un nötig, da es auf den einzelnen, der ja nur der Träger einer Macht ist, wenig ankommt. Und die Waffe, die hier entscheidet, ist das Wort, das mit seiner über ragenden Zaubermacht schaffen und vernichten kann. Die Naivität, mit der die schwierigsten Probleme angefaßt und vorgetragen werden, hat etwas von dem Liebreiz der Natur, die sich selber vorträgt. Sagenhaft und voller Wunderglaubens erscheint das gonze Werk fast selber wie ein Wunder, so zart, so dünnwandig, daß man fürchten könnte, es würde ver schwinden. Der Verlag von Georg Müller in München bringt das Werk in einer vorzüglichen Uebersetzung von Anton Schiefner heraus. Der Uebersetzer schickt ein Vorwort voraus und gibt in einem Nachwort sehr feine ästhetische Richtlinien. Mag er vielleicht Be deutung und Größe des Epenkrcises auch ein wenig überschätzen, so ist doch jedenfalls die ruhige, unvor dringliche Art, mit der er spricht, unbedingt zu loben. Uederhaupt zeugt die ganze Art der Ausgabe, auch buchtechnifch, von einem besonderen Versenken in das Wesen der gebotenen Dichtungen. Die großen ge sperrten Buchstaben der Weißfraktur als Seiten köpfe wirken fast wie dekorative Zeichnung. Das Lesen wird angenehm dadurch erleichtert, daß jede Seite in zwei Spalten geteilt ist und ein sysicmo.tischcs Satzbild abgibt. Klare Anmerkungen geben zu besserem Verständnis die nöligen Erklärungen. Kunst UN- Wissenschaft. * Amtliche Nachrichten non der Universität Leipzig. Das Königliche Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts hat dem Professor Dr. Schaum die erbetene Entlassung aus seinen Stel lungen als etatmäßiger außerordentlicher Professor in der philosophischen Fakultät und Abteilungsleiter am Physikalisch-chemischen Institut für den 31. März dieses Jahres erteilt. Professor Schaum folgt, wie bereits mitgeteilt worden ist, einem Ruf als ordent licher Professor nach Gießen. * Erstaufführung in Dresden. Ernst Hardts Scherzspiel „Schirin und Gertraude" hatte, wie uns aus Dresden berichtet wird, bei seiner Erst aufführung im dortigen Kgl. Schauspielhaus einen starken Heiterkeitsersolg zu verzeichnen. Hardt konnte bereits nach dem zweiten Akt erscheinen. * Ludwig Fuldas jüngstes Werk „Die Rück kehr zur Natur" wurde vom Schauspielhaus in Frankfurt a. M. zur Uraufführung ange nommen und wird dort im nächsten Winter in Szene gehen. * Hermann Wolfgang von Woltershausen, der Komponist des „O b e r st Chaber t", hat Dichtung und Musik einer neuen, romantischen Oper vollendet. Das abendfüllende Werk führt den Titel „Rick, ardi s". * Auszeichnung Professor Rüdels durch den Kaiser. Der Kaiser hat dem Direktor des König lichen Opernchors in Berlin, Professor Hugo Rüdel, in besonderer Anerkennung seiner großen Verdienste um den Chorgesang kein Bild mit eigenhändiger nachstehender Widmung verliehen: „Dem hochver dienten Meister des Chorgesangcs als Anerkennung für die großartigen Erfolge meines Opcrnchores. zu mal im Winter 1913 N, Wilhelm l. Il " * Der Kammerausschuß für die schönen Künste nahm, wie uns aus Paris gemeldet wird, einen An trag des Abgeordneten Hesse an, wonach bei öffent lichen Versteigerungen von Kunstwerken^dcr Künstler oder seine Verwandten während 50 Jahren nach seinem Tode einen bestimmten Prozentsatz von dem Erträonis erhalten «ollen. Tiefer Prozentsatz, wird vom Kammerausschuß in einer «einer nächsten Sitzun gen iestgestellt werden. Nach einem Antrag Abel Ferry soll der Prozentsatz bei einem Ertrage von 200 Frank ein Prozent und bis zu vier Prozent bet einem Ertrage von mehr als 50 000 Frank betragen. * Von Heinz Tovole, der im April in die Reihe der Fünfzigjährigen tritt, kommt demnächst im Ver lag von F. Fontane L Eo. der zuerst in der „Woche" erschienene Roman „Durchs Ziel" I heraus.
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