Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.09.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-09-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110927028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911092702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911092702
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-09
- Tag 1911-09-27
-
Monat
1911-09
-
Jahr
1911
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezuftS-PreiS Abend-Ausgabe Anzeigen Preis s«r Leipzig und ivorort« durch unser« Tröger und Spediteure Lin al täglich in» Pau» gebracht: 8» PI. monatl., L.7V Mk. vierieUahrl. Bei unlern Filialen u. An. nechinesteüen adgcholt: 75 Pi. monatl., L2SMk. Vierteljahrs Durch die Poft: innerhalb Deutschland» und der drutjchen Kolonren viertrljährl. S.8V Mk., monatl. 1.AI Alk. auslchl. PostdrstrUaeld. Ferner in Belgien, Dänemark, den Donaustaaten, Italien, iiu^embura, Niederlande, Nor wegen, Oeiterreich»Ungarn. Ntchland, Schweden, Schweiz u. Spanien. 2n allen übrigen Staaten nur direkt durch die Eeschüstssielle des Blattes erhältlich. Da, Leipziger Tageblatt erscheint 2mal täglich. Sonn- u. Feiertags nur morgens. Abonnements-Annahme: Iohannisgasse 8, bei unseren Tragern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Pogämtcrn und Briesträgern. Einzelvrrkaufiprei, 10 Pf. Ucipugtr Tagtblaü s 14 692 lRachtanschluhi S 2 s 14 692 tNachtauschluh) Tel.-ÄNjchl.^ 14 693 <Lel.-ÄNM.^ 14 693 Ämlsvtatt des Nates und des NolizeiamLes der Ltadt Leipzig. kRr Inserat« au» Leipzig und Umgeb«, bi« lspaltig« Petikzeile 2d Pf., die Neklame» >«U« l Mk.' von »»»wärt» 20 Pf., Neklamen U2l) Mk. Inserate von Behörde» im amt- lichen Teil die Petttzeile so Pf <b«Ichäsr»anz«igen mit Platzoorschriften im Preise erhöht. Rabatt nach Taris. Beilagegebühr Gesamt» auslag« S Mk. p Tausend erkl. Postgebühr. Teilbeilage H^her. Festerteilt« Austräa« können nicht zurück- gezogen werden Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird kein« Garantie übernommen. Anzeigen > Annahme' Iobaanisgasse 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annonce». Lzpedttionen des In- und Auslandes. Druck »nd Verlag von Fischer L ttürste» Inhaber: Paul ttürste». Redaktion und tj»eschäst»stell«: Iohannisgasse 8. Haupt-Filiale Dresden: Seestratz« 4, 1 (Telephon tk2H Nr. 268. Unsere heutige Morgenausgabe umfaßt 18 Seiten, die Abendausgabe 8 Seilen, zusammen 26 Litten. „Liberte"! Paris, 25. September. Die heutige Katastrophe im Hasen von Toulon hat in Paris und in ganz Frankreich ein Gefühl tiefster Trauer und auch nationaler Be klemmung hervorgerusen. Als die Extraausgaben ausgeschrien wurden, wollten die Hauptstädter es erst nicht glauben — die Camelots hatten in letzter Zeit jo viel haarsträubende Kriegslügen verbreitet, das; einiger Skeptizismus schon erlaubt schien. Und dann! War man nicht überzeugt seit der grossen Revue in Toulon, Last die französische Kriegsmarine aus ihrer Lethargie und Misere wieder heraus gekommen sei? Hatte nicht Theophile Delcassö wie mit einem Zauberschlag Ordnung in die Arsenale und Disziplin auf die Schiffe gebracht? Konstatierte man nicht voll Genugtuung, öaß die Republik jetzt im Mittelmeer definitiv die Hegemonie erlangt habe? Fuhren nicht die stolzesten Geschwader, über die Frankreich je verfügt hatte, an dem Präsidenten Fallieres, den Ministern und Parlamentariern vorüber? Konnte nicht der geniale Marine minister in Brest und Lorient dem Doppelstapellauf der beiden ersten Hyperdreadnoughts beiwohnen, die in neun Monaten, rn einer noch nicht dagewesen kurzen Zeit, gebaut worden waren? Die Flotte war auf den fünften Rang heruntergesunken — durch eine Beschleunigung des Programms, die Herr Delcasse unumwunden ankündigte, mußte sie wieder auf den vierten, dritten, ja vielleicht zweiten Rang empor gelangen. Welcher Franzose und Stammverwandte Jean Barts hätte darob nicht sein Herz höher schlagen hören? Zn den letzten Wochen wurde es in allen Tonarten wiederholt, daß Frankreich einig und ent schlossen sei, weil es wieder felsenfestes Vertrauen in seine Rüstung zu Lande und zu Wasser habe. Eine patriotische und hier und da auch nationalistische und militaristische Welle brauste vom Westen. Rorden und Süden nach den Vogesen. Mitten in diese gehobene Stimmung sollte da ein Schicksals schlag hineintreffen, der an die ärgsten Zeiten republi kanischer Wirrnis erinnerte! „Libertö" heißt der stolze Panzer, der heute in der Morgenfrühe in ein finsteres Wrack verwandelt wurde; ein Vulkan, der ein ganzes junges Menschenvolk aus den Flammen ins Meer schleuderte. „Freiheit!" Noch ehe ein Ge danke an ernste Untersuchung über die Ursachen des fürchterlichen Unglücks möglich ist, drückt die öffentliche Meinung, drücken Zeitungen die Be sorgnis aus, daß Leichtsinn, vielleicht gar Sabotage die Explosion herbeigeführt haben könnten. Warum geschehen diese Marinekatastrophen immer wieder in Frankreich? Der Zufall allein spielt nicht mit. Irgend etwas, irgend jemand trägt die Schuld. In solchen Momenten der atemlosen Angst reden die Republikaner von den Folgen der allzu großen Frei heit, von dem Mangel an strenger Selbst- und All gemeinüberwachung. Senator Gervais schreibt im „Matin": „Warum diese neue Katastrophe? Was ist die Ursache? Man muß es wissen! Warum nach dem „Jena" jetzt die „Libertö"? Schon wird eine Anklage erhoben. Das Pulver. Ist das richtig? Die Parteilichkeit einzelner Personen muß hier ausge- schaltet werden. Hier darf kein Ruhm, keine Stellung angerufen werden, wenn das System nichts taugt. Der Wert der Seeleute bleibt unantastbar, aber die Verantwortlichkeit der Ingenieure steht auf dem Spiel. Das Vertrauen ist nicht erschüttert; es wird aber größer werden, wenn alles aufgeklärt wird." Mittwoch, üen 27. Scptemver ISN. lO5. ZShrgSNg. »MI 1'sl ' » II! —MIMMWUAMMNlM II M >!! All »I II 1_.» III Das „Journal des D'bats" schreibt: „Nach den Hetzereien der letzten Zeit, nach all den un bestraften Attentaten ist das Wort „Sabotage" auf vielen Lippen, zu unrecht, muß man hoffen, verfrüht auf jeden Fall." — Das in der französischen Kriegs marine verwandte Pulver scheint wohl die meisten Aussichten zu haben, endgültig als der Schuldige zu gelten; auf den „Jmia" hieß es, daß zu alte Pulver vorräte in den Geschostkammcrn vorhanden waren, daß das Pulver sich zerfetze usw. Auf der „Liberte" waren nur neue Pulvervorräte vorhanden und die Explosion scheint ganz aus gleiche Weise erfolgt -u sein. Die erste Meldung, daß ein Kurzschluß stattgefunden habe oder daß ein unvorsichtiger Raucher den Brand verursachte, klingt gar zu unwahrscheinlich. Aller- dinas war schon vor einigen Wochen auf dem „Brennus" ein Brand entstanden, der so rasch um sich griff, daß die Munitionsräume schleunigst unter Wasser gesetzt werden mußten. Es ist erstaunlich, daß aui modernsten Panzerschiffen noch so viel brenn bares Material verwandt wird, daß ein Schaden feuer um sich greifen kann. Ein merkwürdiger Zu fall wollte, daß das Marineministerium gerade einen Rapport des inspizierenden Admirals erhalten hatte, worin ausdrücklich betont wurde, daß trotz der aus- nahmsweisen Sommerhitze dank dem Abkühlungs- jystem die Geschoßmagazine ununterbrochen auf einer niedrigen, jede Explosionsgefahr ausschließenden Temperatur gehalten werden konnten. Bon den Augenzeugen der Katastrophe berichtete zunächst ein Matrose des dicht neben der „Liberte" liegenden Panzers „Justice" das Folgende: „Das Signal zum Wecken war ertönt; die Mann schaft begab sich zu ihren üblichen Verrichtungen. Um 5 Uhr 20 Minuten wird plötzlich gemeldet, daß auf der „Liberte" ein Brand entstanden sei. In der Tat sehen wir aus den Backbordluken Flammen herausschlagen. Die Besatzung sammelte sich auf Deck an und schrie um Hilfe. Man sah, daß sich die Lage von Augenblick zu Augenblick verichlimmerte. Ueberall wurden Boote ins Meer gelassen, die nach der „Liberte" zusteuerten. Die Matrosen des bren nenden Schiffes sprangen immer zahlreicher ins Wasser und wurden vielfach gerettet. Das Feuer griff aber in fürchterlicher Weise um sich; eine unge heure Rauchwolke stieg langsam zum Himmel empor und hüllte die Reede in Halbdunkel. Als die Netlungsmanöoer ihren vollen Umfang erreicht hatten und man schon glaubte, daß niemand umkommen werde, brauste eine riesige Feuergarbe aus dem Schiffsbauch heraus, begleitet von schreck lichem Knall. In allen Richtungen flogen Trümmer davon. Schwere Eisenstücke fielen aus sämtliche Schiffe der drei Geschwader nieder, und die „Ri-publique" erlitt besondere Verwüstungen. Bei der unglaublichen Erschütterung, die sich in der Luft und im Wasser fortpflanzte, wurden alle Boote rings um die „Liberte" umgeworfen und von den auf- gereglen Fluten mit Mann und Maus verschlungen. Eine Weile lang konnten wir uns nicht über die ganze Ausdehnung des Unglücks klar werden, da der Rauch und die hochstehenden Wogen die „Libertö" unseren Blicken entzogen. Wir dachten uns aber schon, daß nicht mehr viel von dem herrlichen Schiff übriggeblieben sein konnte. Mit meinen eigenen Äugen hatte ich aber beobachtet, daß ein gewaltiger Eisenblock auf eine Schaluppe der „Domocratie" stürzte, die vom Lande Beurlaubte nach dem Panzer zurückführte und sofort unterging. Die Opfer müssen sehr zahlreich sein, da sie lange nicht alle der „Libertö" angehören. Auf den verschiedenen Schiffen der drei Geschwader müssen auch Tote und Verwundete sein." Ein Toulouse! Bürger, der mit seiner Familie in früher Stunde entlang der Küste promenierte, erzählte: „Wir be trachteten gerade in 300 m Entferung die „Libertö", als ich kleine Flammen aus den Luken hervorzüngeln sah Ich sagte zu meiner Frau uns meinen Kindern, daß es wohl klug sei, sich schleunigst zu entfernen. Kaum hatte ich die ^oorte ausgesprochen, als eine schreckliche Explosion, wie ich noch nie eine ähnliche gehört hatte, ertönte und eine monströse Flammenmasse ausstieg, die wie ein Btttz die ganze Reede erhellte. Dann — fürchterliche Vision! — bemerkte ich an dem schon von Rauch ver düsterten Firmament kleine schwarze, zuckende Punlte in großer Höhe, die weit im Dogen ins Meer nieder stürzten. Doch die schreckliche Vision ging so schnell vorüber, daß ich auch schon in weniger Zeit, als ich hier zum Reden brauche, die „Libero" wiedersah, verwandelt in eine Art unförmigen, vom Rauch ge schwärzten Felsen, der aus dem Wasser ragte." Der „Petit Marseillais" meldet: „Die „Li berty" wurde vom Fregattenkapitän Joubert kom mandiert, da sich Schiffstapitän Jaurös, ein Bruder des Sozialistenführers, auf Urlaub befand. Die Ex plosion hat auch die „Justice" und die „Vörits" übel zugerichtet. Auf der „Liberte" sind fast alle Batterien explodiert; sie ist nur noch ein Wrack ohne Brücke, Türme und Kamine. Die von der Explosion verursachte Erschütterung war ebenso fürchterlich wie bei den Explosionen des „Magenta", des Pulverturms von Lagoubran und der „I na". Man hörte den Knall auf 10 ! »> in der Runde; überall wurde die Bevölkerung, die schon über die Gcschoßexplosion auf der „Eloire" so betrübt war, aus dem Schlaf geweckt. Jetzt erhält sich das Wrack der „Liberte" nur mühsam über dem Wasserspiegel. Man erzählt fürchterliche Episoden, die vor der Explo sion beobachtet wurden. Ein Teil der Besatzung hatte sich auf dem Hinterdeck angesammelt und wollte ins M>er springen, als die Explosion sie in die Lust schleuderte, während ringsum die Rettungsboote untergingen." Die „Libertö" war eines der besten französischen Schlachlschiffe und gehörte zu dem 1002 vom Marine minister de Lanessan in Auftrag gegebenen, heutigen zweiten Geschwader; die langsame Baumethode unter Pelletan verursachte, daß das Schiff erst 1005 vom Stapel lief und erst 1908 in Dienst treten konnte. Die„Libertü"hatte 41 MillionenFranken gekostet; aber ihr Verlust bemißt sich nicht nach Millionen, da sie vom menschlichen Standpunkt zu viele Opfer forderte, vom militärischen die Einheitlichkeit eines der zwei Sechs-Panzer-Gejchwader zerstörte. Auch die Schwester schiffe sollen auf Monate hinaus dienstuntauglich ge worden sein, so daß der jüngst verzeichnete große Fortschritt der französischen Kriegsmarine ver schwunden und nur langsam wieder zu er reichen ist. * Die Frage nach der Entstehungsursache der Katastrophe auf der „Libertö", ob Feuer oder Selbstentzllnduna des Pulvers, ist noch nicht ganz aufgeklärt. In den Kreisen der franzö sischen Admiralität neigt man zu der Ansicht, daß Selbstentzündung vorliegt. — Der „Matin" teilt heute aus einem offiziellen Bericht, den Del- cassö gestern aus Toulon erhalten hat, folgendes mit: Um 5.15 Uhr morgens wurde vorschriftsmäßig geweckt. An Bord war nichts Sonderrbaes zu bemerken. Um 5.35 Uhr hörte man verschiedene schwache Detonationen aus den vorderen Geschützräumen. Erst hierauf entwickelte sich das Feuer. Die ganze Mann schaft war jetzt wach. Die Geschützräume waren be reits mit Rauch gefüllt. Einige Matrosen sprangen ins Wasser. Der älteste Offizier befahl, diePulver - kammern unter Wasser zu setzen. Bekanntlich konnte dieser Befehl nicht mehr ausgeiührt werden. Die große Explosion fand 18 bis 19 Minuten nach der ersten Detonation statt. Nach dieser Darstellung wäre der Unfall lediglich auf eine Explosion des Pulvers zurückzusühren. Der Marine Minister er klärte einem Interviewer, cs sei unmöglich, anzu nehmen und zu behaupten, daß die Ursache der Kata strophe in einer Entzündung des Pulvers zu suchen sei. Die Offiziere erklärten einmütig, das Pulver von der neuen Fabrikation sei lange Zeit widerstandsfähig. Oie MMetzung üer Beryungssrbeiren. Toulon, 27. September. <Eig. Drahtmeld.) Die Nachforschungen nach Leichen auf dem Wrack der „L i d e r t wurden gestern bis in die Nacht fortgeietzt. Man fand noch verschiedene furcht bar verstümmelte Körper sowie eine Anzahl mensch licher Uederreste. Auch in einem wieder gehobenen Damosboot wurde eine unkenntliche Leiche gefunden. Im Spital erlagen abends noch zwei Leute den er haltenen Verletzungen. Paris, 27. Sept. lE. D.) Herzzerreißende Szenen spielten sich gestern den ganzen Tag vor dem Marineministerium ab, wo sich unaufhörlich Angehörige der Opfer der „LibertS" einfanden. Oie olkzieUe Iah! üer Toten. p. Paris, 27. September. Delcassö hat sich überzeugen müssen, daß seine optimistisch geiärbten Berichte über die Katastrophe, in Lenen die Zahl der Toten zu gering angegeben war, nicht stimmten und gab heule nachmittag eine neue offiziöse Erklärung ab, die in detaillierter Weise alle Verluste aufzühlt, die die französische Marine durch die Explosion erlitten hat. Obwohl jein Be richt noch immer die Zahl der Toten geringer an gibt, als alle Zeitungsmeldungen, so geht doch aus ihm hervor — und das ist das Bemerkenswerte —, daß die Zahl der Opfer auf den Nachbarschiffen unverhältnismäßig größer ist, als man allgemein an nahm. Nach Delcassts Bericht betragen die Verluste beim Zweiten Geschwader: „Lrbertö" 143 Tote und Verschollene, 91 Verwundete (unter den Ver schollenen befinden sich 3 Offiziere und 2 Unteroffi ziere; unter den Verwundeten 3 Offiziere und ein Unteroffiziers; „Nöpublique" 3 Tote, 20 Verschollene, 13 Verwundete (unter den Verwundeten befindet sich 1 Offiziers; „Demokratie" 3 Tote. 2 Verwundete; „Vüritö" 2 Tote, 2 Verwundete; justice" 1 Ver schollener, 10 Verwundete; „Suffren" 4Verschollene, 6 Verwundete; „Jules Ferry" 1 Verwundeter; „Jules Michel et" 1 Verschollener, 2 Verwundete; „Foudre" 1 Toter, 1 Verwundeter. 48 Mann von den verschiedenen Schiffen des 2. Geschwaders wurden außerdem noch leicht verletzt. 3. Geschwader: „Saint Louis" 9 Verschollene, „Carnot" 1 Verschollener, „Jaureguiberry" 1 Verschollener, „Marseillaise" 15 tot und ver schollen, 5 verl., „Edgar Quinet" 3 Verwundete. Beileidstelegramm Kaiser Franz Josefs. Paris, 27. September. Kaiser Franz Josef sandte an Präsident Falliöres folgendes Tele gramm: „Tief erschüttert durch die Nachricht von der ichrecklichen Katastrophe, die die französische Flotte betroffen hat, spreche ich Ihnen mein aufrichtiges Mitgefühl aus. Franz Josef." Oer türkiläl-ilslienilche Konflikt spitzt sich immer weiter zu. In Italien herrscht selbst unter den Sozialisten Stimmung für die Besetzung von Tripolis. In Konstantinopel dagegen versucht 81 hier «ar er der Mann, seinen Platz „voll und ganz" auszufüllen. Im Sommer veranstaltet« er Ausflüge auf dem Rhein, im Winter ersann er neue Kottllontouren. Und nicht nur auf dem Gebiete der Damentoiletten und Tanzarrangements war Fritz Norden ein Ken ner. Wenn er aus diesem Grund« das Entzücken aller Ballmütter und höheren Töchter war, so hatte er auch die Herzen der älteren Rüdesheimer Herren im Fluge zu erobern verstanden. Er war ein uner müdlicher Skatspieler, mit dem zu stechen eine wahre Freude war, er kannte bald die besten und billigsten Weinquellen, uüd während seines Rüdesheimer Aufenthaltes war sein „Verstand" in dieser Beziehung allmählich so bedeutend geworden, daß er die ein zelnen Lagen und Jahrgänge unzweifelhaft unter schied. Allüberall eine Lücke lastend, in aller Herzen ein geschrieben, hatte Fritz Norden, von seinen Vorge setzten brillant empfohlen, Rüdesheim verlassen. Frei lich mit schwerem Herzen. Sein Herz war schwer, nicht über das, was er im Tale des Rheins zurück gelassen, sondern vielmehr über das, was seiner wartet« . . . das Astestorexamen in Berlin . . . Das war das furchtbar« Entweder. . . Oder . . . gewesen . . . das dunkle Tal der jungen Juristen, die Wage, di« sich so oder so immer noch neigen konnte und auf deren Schale die ganze Zukunft lag. Und Fritz Norden hatte trotz der schönen Emp fehlung aus dem lebensfrohen Rüdesheim kein gutes Gewissen. Als er die wissenschaftliche Arbeit nach Berlin schickte, in dem Momente, da der Post beamte das umfangreiche Paket aus seiner Hand ge nommen und da es nun nicht mehr sein eigen war, da nichts mehr daran zu ändern gewesen, da hatte er das Gefühl gehabt, als stünde sein« Seel« nun nackt und bloß vor dem Auge des Richters, als läse der Richter auf dem Grunde seines Herzens, und von fern« hatte er die Worte gehört: „Hebe dich weg von mir, du Streber". . . Dann war endlich der Brief mit dem Termin des mündlichen Examens gekommen. Die Arbeit schien also genügend befunden worden zu sein. Trotz der mit dem plötzlich eingetretenen Tode des Vaters verbundenen Aufregungen bestand Fritz Norden das fürchterlichste aller Examina, nach dem es nur noch Beförderungen gibt, und eines Nachmittags war er . . . ein neuer Mensch, durch di« Straße Unter den Linden in Berlin gegangen. Nervus rerum. Sattrischer Zeitroman von Edward Stilgebaoer. (Nachvruck verboten.) Bei dem offiziellen Kneipen hatte keiner von dem ganzen Korps so tadellos präsidiert wie Fritz Nor den, niemand ein so schneidiges Fuchsmajorat ge führt wie er, niemand so postende Begrüßungsreden gehalten und so prachtvoll« Hurras auf den Landes vater ausgebracht. Nach vier Semestern war Fritz Nordea inaktiv geworden und hatte das schön« Bonn mit dem großen Berlin vertauscht. Allein gar bald hatte er einge sehen, daß bei dem hohen Wechsel, den ihm sein Vater zur Verfügung stellte, das brausende Berlin nicht der geeignete Ort zum Arbeiten sei. So war er denn in seinem letzten Semester nach Marburg übergesiedelt und hatte dort mit Hilfe eines Repetenten, dem auch die Last seiner Referen dararbeit zum größeren Teile zugefallen, so viel Jus in sich hineingepumpt, als zu einem „Ausreichend" unbedingt erforderlich fft. Mit einem solchen in der Tasche hatte der Re ferendar Fritz Norden das Amtsgericht in Rüdesheim bezogen. Die Schneidigkeit des Bonner Husaren-Re- serveleutnants imponierte den Herren in dem schönen, weinberühmten Städtchen, und Fritz hatte nun den ganzen Zauber seiner korrekten Persönlichkeit ent faltet, um durch diesen die dortige Kasino-Gesellschaft in Fesseln zu schlagen und um vor allem von feiten seiner Vorgesetzten als eine für den Justiz- und Ver waltungsdienst in ganz hervoragendem Matze ge eignet« Persönlichkeit bezeichnet zu werden. In Rüdesheim hatte er seine gesellschaftlichen Ta lente entfaltet. Den Kleinstädtern machte fein tadelloses und immer korrektes Auftreten, machten sein« bei dem ersten Schneider der heimatlichen Großstadt gefertigten Anzüge einen nachhaltige« Eindruck. Der Herr Referendar, dem Otto Norden einen uneingeschränkten Kredit bewilligt hatte, kargte nicht im Geldausgeben, und die Frau Amtsgerichtsrat wachte eifersüchtig über ihrer Freundin, der Frau Weingutsbefitzer, da sie beide Töchter im heirats fähigen Alter hatten, und der schneidig« Referendar doch ein zu „reizender" Mensch wer. Ja, „reizend" war Fritz Norden, der Mittelpunkt der Kofinogesellschaft in Rüdesheim gewesen. Man hatte ihn rn das Vergnügungskomite« gewählt und Der Königliche Assessor Fritz Norden, der sein Ziel erreicht, dem nun di« Türen der „Gesellschaft" offen standen Otto Norden, der vielbeschäftigte, hatte während seines Lebens niemals die Zeit gefunden, sich der Er ziehung seiner Kinder zu widmen. Als diese ganz klein gewesen, war er wohl hie und do. einmal des Morgens und Les Abends in das Kind«rzinrm«r ge kommen, und dort hatte ihm die Kinderfrau über die Fortschritt« d«r Kleinen, die di«se im Gehen und im Sprechen gemacht hatten, berichtet. Als die Kinder aber größer geworden, hatte er die Sorge um deren Erziehung Frau Katinka überlasten, und Frau Katinka, die Olga und Meta zu „unbe- schrievenen" Blättern für einen Künftigen gemacht, war bei dem Sohne der Ansicht gewesen, daß ein junger Mensch sich di« Hörner gehörig ablaufen müsse. Das tragische Schicksal ihr«s einzigen Bruders, des Freiherren Max von Bielau, schrieb sie dem Umstande zu, daß man dem Jungen in der Kadettenanstalt von vornherein die Zügel zu straff angezogen hab«, und daß aus diesem Grunde während der Leutnantsjahr«, di« die lange ersehnte Freiheit gebracht, sich die Reaktion allzu sehr fühlbar gemacht. Sowohl von dieser ihrer Ansicht ausgehend, als auch einem Zuge der Bequemlichkeit in ihrer eigenen Natur folgend, hatte sie schon dem Gymnasiasten Fritz Norden die Zügel schießen lasten. Das Geld d«s Vaters hatte da so mancherlei verdeckt und vertuschelt, und di« Nachsicht Frau Kattnkas hatte den Jugend streichen des Sohnes Vorschub geleistet. Im Grund seines Herzens war Fritz ja eine gut mütige Natur gewesen, bis auf den einen Punkt, was sein« Karrier« anging. All«in Leidenschaften und Fehler des jungen Menschen waren nach Frau Kattnkas Maxim« in keiner Weise eingedämmt worden. Au^ dem Gymnasium hatte man Fritz Norden als einen Schwerenöter gekannt, als «inen Windhund, der hinter allen Röcken hergewesen war. Ein schönes Dienstmädchen war für Frau Katinka, als Fritz noch die Prima besuchte, eine wahre Kalamität gewesen. Auch unter den Korpsbrüdern in Bonn war Norden wegen seiner galanten Abenteuer besonders an gesehen. Erst später war ihm mehr und mehr das Ver ständnis dafür aufgegangen, daß hier vor allem Vor sicht am Platze sei, wenn anders er seine Karrier« nicht gefährden wollt«. Es war ihm schwer geworden, seine Wohnung im Hause der Mutter zu nehmen und sich in der Vaterstadt zu wissen, wo er sich auf Schritt und Tritt gekannt und beobachtet glaubte. Da war das Leben in Bonn und in Berlin, ja selbst in Mar burg und Rüdesheim doch ein anderes gewesen, als hier, wo er in diesem Punkte Rücksichten auf Rück sichten zu nehmen hatte. So lagerte di« Last der Um stände schwer auf seinen Schultern. Das neue Aktienunternehmen des Kommerzien rates von Fink machte ihm viel Arbeit, mehr als er für den Anfang bei einem Gehalte von 4500 Mark ge wünscht hatte. Das ging den ganzen Tag in seinem Bureau wie in einem Taubenschlage und nahm ihn von morgens 9 Uhr bis zum Abend in Anspruch Wenn er dann endlich so gegen 8 Uhr abends den Staub des Tages glücklich von sich abgeschüttelt, machte ihm das Ausgehen auch wenig Freud«. Wo hätte er hingehen sollen? In ein Bierrestau rant? In ein« Weinstube? In «in Cafs? Brr .... Zeitungen lesen, das mochte er nicht leiden, mit den Ansichten der meisten Blätter stand er ja doch in einem schroffen Gegensätze, in der Wahl seiner Be kannten mußte er in seiner neuen Stellung doppelt vorsichtig sein. Vor allem durste er sich an öffent lichen Orten seiner Ansicht nach nicht in Gesellschaft von Leuten zeigen, die vielleicht seinem Vorworts kommen nicht förderlich gewesen wären. Ein Tingeltangel, in welchem er sich sonst immer trefflich unterhalten hatte und das seinem Geiste so entsprechend war, aufzusuchen, kam ihm hier in der Stadt, wo ihn doch ein jeder kannt« oder wenigstens kennen konnte, ziemlich gewagt vor. Was war also zu machen? Die Theater kümmerten ihn wenig, musikalisch war er nicht, und im Schauspiel . . . lauter modern« Sachen, über di« man sich doch nur ärgern konnte .... Er lang weilte sich. Frau Katinka hatte die Gewohnheit, stütz zu Bett zu gehen. Di« Abendstunden in ihrem Schlafzimmer waren ihr die liebst«». Sie lag dann mit offenen Augen im Bette, träumte von dem einstigen Glanze der Villa Norden und pflegte in einem jener Roman- bände zu blättern, die si« pch, um Olgas und Metas Abonnement nicht umkommen zu lasten, aus der Leih bibliothek besorgen ließ. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite