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2. Beilage zum „Riesaer Tageblatt". Rotationsdruck und Bertas von Langrr L Sinterllch i« Ries-, — Für dl, Rrdaktio« verantwortttch: I- B-: F. LeichgrSber in Riesa. 1«S. Freit««. St. Juli 1»11. ade«»«. " «7. Jahrg. Prozetz Saillanx i« Pari«. Auch der gestrige vierte Tag findet unter großer Beteiligung statt. Rach einigen Zeugenvernehmungen wird die Hauptzeugtn des Tages, Frau Gueydan, vernommen. Täese erzählt, daß sie mit Caillaux in glücklichster Ehe gelebt habe. Auf die Frage des Vorsitzenden, daß doch wohl Meinungsverschiedenheiten vorhanden waren, da eS M» Kiner Versöhnung gekommen sei, sagt sie: „Was können Sie denn, Herr Präsident, von meiner Affäre wissen?" Tiefe Bemerkung ruft die größte Heiterkeit im Hause hervor. T-ie Vernehmung Frau GueydanS geht auch nach der Pause weiter und es hat zunächst den An« schein, als ob sich nichts Besonderes ereignen würde. Plötzlich ist jedoch die Rede auf intime Briefe gekommen. Frau Gueydan erklärt: „ES ist nicht wahr, daß dis Briefe in die Hände fremder Leute geraten sind, denn sie liegen seit 1911 auf meiner Bank!" Trotz dieser Erklä rung, die zunächst großes Aufsehen hxrvorruft, läßt sich der Präsident nicht irre machen und fährt in seinen Fragen fort. ES stellt sich heraus, daß von den Briefen Photographien hergestellt wurden, sodaß es immerhin möglich war, daß Calmette die Dokumente bekommen hat. Infolge dieser unerwarteten Wendung erhebt sich Advokat Chenu und fragt Frau Gueydan: „Wo sind diese in timen Briefe jetzt?" Frau Gueydan zögert, schließlich sagt sie, jedes Wort langsam betonend: „Ich habe diese Briese bei mir!" Tiefe Worte rufen begreifliche Erregung her vor und Chenu antwortet: „Alle Welt wird Ihnen dank bar dafür sein, wenn Sie diese Briefe herauSgeben und Klarheit in die Angelegenheit bringen." Der Verteidiger Labori, der zunächst überrascht schien, fordert Frau Guey dan auf, die schwere Verantwortlichkeit ins Auge zu fassen, die die durch Herausgabe der Briefe auf sich nimmt, schließt sich aber schließlich dem Anträge ChenuS an. Frau Gueydan überreicht hierauf zum größten Er staunen nicht dem Präsidenten, sondern dem Verteidiger Labori die Briefe. Im Saal entsteht hierüber große Be wegung, da diese neue Wendung der Tinge von unvor hergesehenen Folgen begleitet sein kann. Hiernach trat wieder eine Unterbrechung der Sitzung ein. Frau Guey dan wurden beim Verlassen der Zeugenbank Ovationen bereitet. Um 5 Uhr wurde die Sitzung wieder ausge nommen. Auf seinen Wunsch wurde Caillaux nochmals vernommen. Er beklagte sich, daß man ihm gegenüber Verfahren angewandt habe, wie sie bis dahin nicht gekannt worden seien. Mit allen meinen Kräften bin ich an der Seite meiner angeklügten Gattin. Bei diesen Worten wird Frau Caillaux von heftigem Schluchzen erschüttert. Sich gegen Frau Gueydan wendend, sagte Caillaux: Ich habe nur ein Unrecht begangen, nämlich Sie zu heiraten. Darauf antwortete Frau Guevdan: Sie sind i m Begriff, sich selbst Schmach anzutun. (Andauernde Bewegung.) Caillaux erwiderte: Ich werde mir keine Schmach antun. Ter Zusammenstoß unserer beiden Na turen war derart, daß wir nicht zusammenleben konnten. Tie Sorge um meine Würde gestattete mir nicht mehr, mit Ihnen zu leben. Frau Gueydan protestierte hiergegen. A«S aller Welt. Köln: Bor einigen Tagen hat die Kölner Kriminal polizei bei einer Familie in einem Vororte von Köln zwei wertvolle Statuetten gefunden und beschlagnahmt. ES handelt sich um die aus dem Schlosse des Herzogs von Croy in Dülmen seinerzeit auf unerklärliche Weise abhanden gekommenen Statuetten, die einen Wert von 30000 Mark repräsentieren. Bon den wiederaufgesun- denen Statuetten stellt die eine „Christus mit der Dornen krone am Marterholz, die andere „Jungfrau Maria mit dem goldenen Strahlenkränze" dar. Die Kunstgegen stände wuroen dem rechtmäßigen Besitzer wiederzuge- stellt, während die in Frage kommenden Personen ver haftet wurden. — Augsburg: Erst jetzt ist der kata strophale Umfang des vorgestern abend über der Stadt niedergegangenen Unwetters zu übersehen. Gestern vor mittag bot die Stadt ein vollständig winterliches Bild. Ter Hagel lag stellenweise zwei Meter hoch. Auch zahl reiche Fensterscheiben sind zertrümmert, sowie mehrere Bäume entwurzelt worden. Ter Schaden ist noch ganz unübersehbar. — München: Ter Benediktinerprior Haaser ertrank beim Baden im Ammersee infolge eines Hitzschlages. — Würzburg: Beim Baden im Main er tranken in Unterfranken in den letzten Tagen vier Per sonen. — Fürth (Bayern): Dor einiger Zeit ging durch Beinen Teil der Presse die Meldung, daß in der Städ tischen Gemäldegalerie 45 Bilder gestohlen worben seien. EL hat sich nun ergeben, daß die Bildersammlung voll ständig vorhanden ist. Tie angeblich fehlenden 45 Bilder sind schon im Jahre 1889 an den Sttffer als unge eignet für die Städtische Sammlung wieder znrückge- geben worden. Eine entsprechende Vormerkung in den Akten ist damals unterblieben. — Gelsenkirchen: Auf einem Hochosenwerk der Gelsenkirchener Bergwerks und Hütten A.-G. hat sich gestern nachmittag ein schweres Unglück ereignet. Aus einem Hochofen brach plötzlich eine gewaltige Stichflamme hervor, die vier an dem Hoch ofen beschäftigte Arbeiter schwer verbrannte. Einer der Unglücklichen hat lebensgefährliche Verletzungen erlitten. — Dortmund: Auf dem Eisenwerk Union (Deutsch- Luxemburgische Bergwerks- und Hütten A.-G.) hat sich gestern ein schwerer Unfall ereignet. Drei Arbeiter wur de» durch glühende Eisenmassen in der furchtbarsten Weise verbrannt. Zwei von ihnen waren auf der Stelle tot, der dritte hat lebensgefährliche Verletzungen erlit ten. — Lemberg: Wie aus Czenstochau gemeldet 'wird, ermordete dort der Arbeiter Teragowski wegen eines Familienzwistes seine Frau, seinen Schwager und Schwie gervater und verletzte einen zweiten Schwager lebensge fährlich. Als der Vater des Teragowski von der furcht baren Bluttat seines Sohnes erfuhr, beging er Selbst mord. — Hall (Tirol): Infolge großer Hitze schlief der Wachtposten des Militärmagazins in Hall (Tirol) auf seinem Posten vorgestern nachmittag ein. Ter inspi zierende Offizier traf den Posten schlafend, riß sein Gewehr herab und drohte mit der Strafe. Darauf er schoß sich der Soldat an Ort und Stelle. — London: Aus Rewoyrk wird hierher telegraphisch dem Berliner Lokal-Anzeiger gemeldet: In Bridgeport ^Connecticut) stießen zwei einander entgegenkommende Straßenbahn wagen zusammen. Ter eine war von den Mitgliedern einer Sonntagsschulmission, zumeist Kinder, dicht be setzt. Herzzerreißende Szenen spielten sich nach dem Unglück ab. Ter Zusammenstoß war furchtbar. Fünf Kin der erlagen ihren Verletzungen; zehn andere sind schwer verletzt. — Passau: Wie die Donau-Zeitung meldet, landeten in Osterhofen vorgestern nachmittag zwei fran zösische Flieger, die um 5 Uhr in Paris aufgestiegen tvaren, um nach Wien zu fliegen. Sie mußten infolge Benzinmangcls bei Osterhofen eine Notlandung vorneh men, bei der der Apparat demoliert wurde. — Zürich: Gestern abeno trat fast in der ganzen Schweiz ein We> terumschlag ein. verbunden mit heftigen Gewittern, die sich bis nach dem Tessin und bis nach Sa voyen hinüberzogen. Ter Tessinfluß ist über seine Ufer getreten uno überschwemmt weite Gebiete. Aus dem L:- pinentale werden Hochwasserverheerungen gemeldet. Ter Straßenverkehr ist unterbrochen. Tie Säntisstation mel det Schneefall bei einer Temperatur, die auf dem Ge frierpunkte steht. Kann das Weltall sich verjüngt«? CK. Der Wanderer, der die letzten Forste an den Waldesgrenzen der Alpen durchstreift, blickt in nach denklichen Stunden mit entern leisen Gefühl der Weh mut auf die altehrwürdigen Arven und Lärchen. die rum kinmselien von Früchten für den Winter verwende man stet« Öl'. Oetkers Finmaekö-Mtz« I Päckchen 10 Pfg., 3 Stück 25 Pfg. Einfach, billig und trotzdem bewährt! Gebrauchsanweisung steht auf jedem Päckchen. Außerdem sind Dr. Oetker'S vollständige Re- zepte zum Einmachen von Früchten, Frucht- säften, Gelee« in den Geschäften umsonst zu haben. Wenn vergriffen, schreibe mau eine Postkarte an Dr. Vetlrvr Rilhrmtttetfabrik, Bielefeld. Morgen Sonnabend auf dem Wochenmarkte empfehle böhm. und hiesige MW- Laudgurken, Eiuleggurten, Serlfgnrken, Frühkartoffeln, Bananen und verschiedene andere grüne Gemüse, llearg Ledneiäer. Der Kampf «m das Testament. Roman von Tarola v. Eynatten. 76 „Und von häufigen Jnweleneinkäufen nnd große» Rech, nungen bei dem Juwelier Herrn Kavary ist Dir noch nicht bekannt ?" „Nein. Ich habe wohl ab nnd zn eine Kleinigkeit zu Ge- schenkzwecken gekauft, aber nie da« gemacht, was mau „Ein. käufe" nennen kann. — UebrigenS, — wo fall da« hinan« ? — Mir macht es den Eindruck, als hättest Du Lust, ein Der. hör mit mir anzustellen, nnd das muß ich Dir offen sagen, daß ich von derlei Geschichtet» kein Frennd bin. Keine klägli chere Rolle für einen Mann, al« die eine« PantoffelheldeS. Entweder Du hast Vertrauen zu mir oder Du hast es nicht!" und Jenö schaute da» Mädchen von oben herunter an. Die Macht, Gzarolta einznschüchtern, schien er aber gänz lich verloren zu haben, denn ohne nur Nvtiz zu nehmen von dieser Erklärung, fuhr sie fort: „Hast Dir Fräulein Gör gey vom Nationaltheater seit ungefähr Neujahr mit Liebes- «»trägen bestürmt oder nicht? Haft Du ihr ganz kürzlich geschrieben: „Daß die Um stände, insbesondere aber Familieninteresseu, Dir da» Opfer abnötigten, mich zu heiraten?" „Sehr liebenswürdig und schmeichelhaft, so etivaS zu glauben." „Du hast eS also nicht getan?" „Nein — Möglich, daß die Görgey solches Zeug erzählt, mn sich an »nir zir rächen, weil ich von ihrer sehr entge genkommenden Haltung keme Notiz nahm." „Nun," sagte Szarolta nach einer kurzen Pause, „wollen »vir all«» Verleumdungen ein Ende mach«»». Solche Gerüchte kannst Du nicht htnnehmen, und darum bitte ich Dich, Herrn Sigossy selbst zur Rede zi» stellen, und dann arge»» di« Ver leumder, die er Dir nennen wird, Anzeige zu erstatten." „Fällt »nir ja gar nicht ei». — Bist Dn verrückt, daß Du diese« Ansinnen an mich stellst?" brauste Jenö in höch ster Entrüstung auf. „Ich soll mich mit solchem Gesindel herumschlagen— ich?" ^Du^weigerst Dich also, Herrn Sigossy ins Gesicht zu sagen, daß alles, was man ihm von Dir erzählte, erbärmliche Lug«» sind?" fragte Szarolta, ihre beinahe starre Rnhe im- verändert bewahrend. „Ich »verde mich doch nicht vor einen» Polizeispitzel recht fertige»» — verteidig«»!" „Nein, gewiß wirst Du dar nicht tun, schon darum nicht, weil Di» es nicht kannst — Fräulein Görgey hat »nir sämtliche Briefe, die Du an sie gerichtet, zuaeschlckt, damit ich sehen soll, was ich an Dir hätte, wer Du b»st! — Geh." Szarolta hatte mit noch eisigerem, mit schneidendem Tor» gesprochen, jetzt erhob sie die Hand nnd »vieS nach der Tür. „Szarolta." „Geh!" wiederholte sie, ohne daß sich nur ein Zug ihres Gesichts veränderte. DaS letzte „Geb" hatte so befehlend, so wegwerfend ge klungen, daß Jenö Csallovary, puterrot vor Zorn aufsprang, Hut »md Handschuhe znsamulenrasfte und ohne weiteres Wort das Zimmer verließ. Szarolta blieb unbeweglich, mit auSgestreckter Hand, ste hen, biS die Tür hinter ihrem Detter n»S Schloß fiel. Dann sank die Hand an ihrer Seite herunter, sie schluchzte auf, wild nnd rauh nnd eilte, de»» inneren Verbindungsweg wäh lend, in ihr Schlafzimmer, das sie hinter sich znrt,gelte. Sie »var betröge»», betröge»» nm ihr Leben! 21. Kapitel. Szarolta lebt ihr Lebe»» im „Malernest," inmitten ihrer Freunde m»d Genoss«» ruhig weiter. Sie malt nach wie vor, nein, sie malt noch mehr, al» vor dem kleine»» und für sie doch so großen, so bedentnngSvollen» Erlebnis, da« so zer störend eingegriffen in ihr junge» Leben, da» für'» Glück ver lor«» ist. - Da» Glück ist nicht an ihr, sie ist an ihn» vorübergegau- gen, denn damals, al» e» mit au»g«streckter Hand vor sie hin getreten, bereit, sie weich und war»»» in feine Arme zu ziehen, hatte sie e» nicht erkannt und von sich gescheucht, geblendet durch eil» vor ihr hin und her hüpfende» Irrlicht. Er ging freilich noch hente neben ihr, und sie nannte e» „Freund" und lachte und plauderte mit tbm über alle» und nichts, und erzählte ihm jedes Erlebnis, jeden Gedanken — nur die Geschichte vom Irrlicht und von» verkannte»» Glück erzählte sie nicht. Diese Geschichte tritt niemals über ihre Lippen, nur Stift und Pinsel erzählen sie denen, die sie zu verstehe» vermögen, und der«» gibt eS nur Wenige. sind immer sprechender, immer überzeugender »vird der Ausdruck ihrer Kunstwerke, und mit jedem neuen Wert er höht sich der Glanz, der heute schon ihren Namen umstrahlt. Alle Ausstellungsräume erschließe»» sich der'Anfängerin mit einer Bereitivilligkeit, die manchen» älteren Meister versagt bleibt, und ihre Bilder werden nicht all«»» vervielfältigt, sie stttden auch Käufer. „Und mit Recht, Szarolta verdient gekauft zu werden!" pflegt Mayerstein zu sagen, der sie seit längerer Zeit schon ausschließlich der Leitung des „eigenen Genies" überläßt. Was sie aber mit dem erivorbenen Gelds anfängt, ist Ge heimnis zwischen ihr und ihrem Pflegevater. Niemand ahnt, daß die goldene»» Früchte ihrer künstlerischen Mühen für Arpad Kerkhelyis Rechnung auf die Bank wandern. Sein Vater ringt ja noch immer niit des Lebens Plag«., nnd »venu er seit neuerer Zeit auch ab und zu eins seiner Gemälde verkauft, seine Einnahmen genüg«« doch nicht, un» die Ansammlung eines Kapitals für sein Söhnchen zu gestat ten, dessen Unterhalt immer kostspieliger »vird. — Darum soll Arpad einst ein solches Kapital anS Szaroltas Händen en»p- fangen, die er »vie eine Mntter liebt. Den größere» Teil des Tags ist er bei ihr, i» ihren» Atelier. — Hornbostel hat ihr längst ein eigenes eingerichtet, — in den» das Kind seine Spielecke hat, und wie schwierig die künstlerische Aufgabe sei» mag, desse» Lösung ihr gerade obliegt, sie findet doch Zeit, deS Kleine»» endlose Fragen zu beantworten. — Auch heute sitzt er a»» seinem Platze und fragt eben so unermüdlich, wie Szarolta nnverdroffei» antwortet, al» ein bekannte» Klopfen an ihrer Ateliertüre, ihr Kerkhrlyi« Besuch anmeldet. „Ich bringe eine Nachricht, die Sie freuen wird, Szarolta," sagt er in» Eintreten, „meinen „Sonnenaufgang in der Pußta" haben sie im „Salon* für 8000 Franc» verkauft: er bleibt t»» Pari»." 222,2§